Überschallflug

Fliegen mit Überschall bedeutet eine Fluggeschwindigkeit, die jene des Schalls in der betreffenden Höhe übertrifft. Sie wird in Vielfachen der Schallgeschwindigkeit gemessen und hat die Einheit Mach, benannt nach dem Physiker Ernst Mach.
Schallmauer
In Bodennähe liegt die Schallgeschwindigkeit bei 320–340 m/s. Sie ist abhängig von der Temperatur, aber praktisch unabhängig vom Luftdruck. In größeren Höhen ist die Schallgeschwindigkeit, wegen der niedrigeren Temperaturen, geringer als am Boden. Nähert sich das Flugzeug der Schallgeschwindigkeit (Mach 1), kommt es durch die Kompressibilität der Luft zu Stoßwellen an verschiedenen Teilen des Flugzeugs (siehe auch Verdichtungsstoß). Dadurch steigt der aerodynamische Widerstand erheblich an, bis diese Grenze, bildhaft Schallmauer genannt, überwunden ist. Danach sinkt der Widerstand wieder ab (bleibt jedoch höher als im Unterschallbereich). Flugzeuge benötigen daher ausreichend Schub, zum Beispiel einen Nachbrenner, oder müssen sich in einen Sturzflug begeben, um die Schallmauer durchbrechen zu können. (Die Geschwindigkeit, bei der im Luftstrom um das Flugzeug die ersten Stoßwellen auftreten, kann - abhängig von der Konstruktion des Flugzeugtyps - deutlich unterhalb der Schallgeschwindigkeit liegen.)

Ist die Schallgeschwindigkeit überschritten (Mach größer 1), breitet sich von der Flugzeugnase und den Tragflächen ausgehend kegelförmig nach hinten der so genannte Machsche Kegel aus. Bei ausreichender Luftfeuchtigkeit kommt es dabei zum Wolkenscheibeneffekt. Dieser Effekt entsteht während des Fluges mit Überschallgeschwindigkeit dadurch, dass die einer Stoßfront folgende Unterdruckphase die Luft abkühlt und dadurch den Wasserdampf der Luft zur Kondensation bringt. Ähnliche Effekte sind auch bei Druckwellen von Explosionen zu beobachten.
Überschallknall
Im Allgemeinen wird der Begriff dazu verwendet, die Schockwelle zu beschreiben, welche in der Umgebung entsteht, wenn militärische oder zivile Flugzeuge (wie die Concorde) sich mit Überschallgeschwindigkeit bewegen. Der Überschallknall ist die hörbare Komponente dieser Schockwelle.



Diese Schockwelle hat die Form zweier langer Kegel, einer an der Flugzeugnase und einer am Flugzeugheck. Die Kegel öffnen sich entgegen der Flugrichtung. Bei kleinen Flugzeugen oder Projektilen laufen diese dicht genug zusammen, um als einzelner Knall wahrgenommen zu werden, bei großen Flugzeugen sind die Schockwellen klar zu unterscheiden und verursachen einen "Doppelknall" im Abstand weniger Zehntelsekunden. Auch wenn der Knall nur einmalig wahrgenommen wird, so darf man nicht zu dem Trugschluss kommen, es entstehe nur ein einziger Knall, nämlich wenn die Schallmauer durchbrochen wird. Die Tangente aller Kreise des Kegels, also sozusagen die "Seite" des Kegels, bestimmt den Zeitpunkt des Knalls. Wenn der Empfänger von ihr erreicht wird, ist der Knall zu hören, danach z.B. die Motorengeräusche. Währenddessen bewegt sich die Tangente allerdings fort, weshalb ein weiterer Empfänger in einiger Entfernung ebenfalls von ihr erreicht wird und einen weiteren Knall hört. Der Knall beim Durchbrechen der Schallmauer wird lediglich (verzögert um die Flughöhe, also bei 330 Metern um eine Sekunde) wahrgenommen, sobald das Flugobjekt sich senkrecht über dem Beobachter befindet; der Knall eines sich mit Überschallgeschwindigkeit bewegenden Objekts wird "nachgeschleppt".
Mit zunehmender Geschwindigkeit legen sich die Kegel "enger" um das Flugzeug, und gleichzeitig nimmt, aufgrund der höheren Energie, die pro Wegeinheit an die Luft übergeben wird, ihre Amplitude und damit auch die Lautstärke des Überschallknalls zu. Die Lautstärke des Knalls hängt zudem von der Menge der verdrängten Luft und somit von der Größe des Flugzeugs ab. Die pro Wegstrecke Δs freigesetzte Energie ΔE ist dabei
wobei der Widerstandsbeiwert im Überschallbereich ist und zumeist etwa das Doppelte des Wertes im Unterschallbereich beträgt. Ferner ist A die Stirnfläche des Flugzeugs, ρ die Luftdichte und v die Fluggeschwindigkeit relativ zur umgebenden Luft. Entsprechend ist die an die Luft abgegebene Leistung bei konstanter Fluggeschwindigkeit
Die Energie pro Streckeneinheit ist maßgebend für die Amplitude und damit für die Lautstärke des Knalls, während die Leistung direkten Einfluss auf den Treibstoffverbrauch hat.
Bei sehr großen Flughöhen berühren die Kegel nicht mehr den Boden, sondern wandeln sich in sehr niederfrequente Schallwellen um, und der Knall wird dort nicht mehr wahrgenommen. (siehe auch: Infraschall). Bei extrem hohen Überschallgeschwindigkeiten kann die Druckwelle dennoch stark und zeitlich konzentriert genug sein, dass hörbare Schallwellen oder gar Schockwellen den Boden erreichen. Das ist z.B. beim Wiedereintritt von Raumfähren oder beim Eintritt von größeren Meteoriten der Fall.
Die Concorde hat aus diesen Lärmgründen die Fluggeschwindigkeit im Normalfall nur über unbewohntem Gebiet (in der Regel über dem offenem Meer) auf Überschall erhöht. Eine Besonderheit stellt deswegen auch der Flug einer Concorde 1986 von Paris nach Leipzig dar. Vom VOR Funkfeuer Trend auf Rügen bis zum VOR Fürstenwalde ist die Maschine mit Überschall über das Gebiet der DDR geflogen. Die DDR hat Lärmmessungen durchgeführt und die Ergebnisse an die französische Seite übermittelt.
Geschichte
Am 14. Oktober 1947 durchbrach der amerikanische Testpilot Chuck Yeager in einer Bell X-1 in etwa 15.000 m Höhe als erster Mensch die Schallmauer. Er hatte bei den Flugversuchen mit den Schockwellen und einer daraus resultierenden Umkehrwirkung des Höhenruders zu kämpfen. Erst die Idee, die gesamte Höhenflosse für die Höhensteuerung zu verwenden, ermöglichte diese Pioniertat.
Der Rumpf des Raketenflugzeugs X-1 hatte noch die Form eines maßstäblich vergrößerten Gewehrgeschosses. Der reguläre Überschallflug von düsengetriebenen Flugzeugen wurde erst durch nach der Flächenregel konstruierte Flugzeuge möglich.
Das erste strahlgetriebene Serienflugzeug, das im leichten Bahnneigungsflug Überschallgeschwindigkeit erreichte, war ein Prototyp der North American F-86 Sabre (XP-86 Sabre, 26. April 1948). Mit der Französin Jacqueline Auriol flog im Sommer 1953 die erste Frau mit einer Dassault-Breguet Mystère Überschall. Den ersten offiziellen FAI- Geschwindigkeitsrekord mit Überschallgeschwindigkeit erreichte eine North American F-100 am 20. August 1955.
Der deutsche Jagdflieger Hans Guido Mutke behauptete, bereits am 9. April 1945 die Schallmauer durchbrochen zu haben, allerdings fehlt für diese Behauptung jeder Beweis. Piloten der ersten Düsenflugzeuge stellten fest, dass mit der damaligen Technologie ein Durchbrechen der Schallmauer wenig wahrscheinlich war, da bei Geschwindigkeiten über Mach 0,95 schwere mechanische Belastungen und ein Verlust der Steuerungswirkung auftraten, welche in einzelnen Fällen zum Absturz oder Auseinanderbrechen der Maschinen führten.
Militärflugzeuge, die mit Überschallgeschwindigkeit fliegen können, gibt es seit den späten 1950ern. Kampfflugzeuge erreichen etwa Mach 2, die MiG-25 und das Aufklärungsflugzeug SR-71 fliegen Mach 3. Raketenflugzeuge wie die X-15 kamen auf die 7-fache Schallgeschwindigkeit, Scramjets wie die X-43A erreichen knapp Mach 10. Militärische Flugzeuge oder wissenschaftliche Testflugkörper mit Überschallgeschwindigkeit sind bis heute im Einsatz.
Die Raumfähre (Space Shuttle) fliegt bei der Rückkehr zur Erde antriebslos im Überschall.
Ziviler Überschallflug
Das erste zivile Überschallflugzeug war die sowjetische TU-144. Sie erreichte als erstes Verkehrflugzeug am 26. Mai 1970 doppelte Schallgeschwindigkeit (2.150 km/h), war jedoch mehr ein politischer und technischer denn ein wirtschaftlicher Erfolg. Im Gegensatz zu der fast zur gleichen Zeit mit hohen Kosten entwickelten britisch-französischen Concorde, die bis 2003 erfolgreich ihren Liniendienst mit über Mach 2 versah, wurde die TU-144 wegen der hohen Kosten im Flugbetrieb wieder außer Dienst gestellt. Auch andere Flugzeugproduzenten wie Boeing entwickelten in dieser Zeit Überschallpassagierflugzeuge, aber stellten nach dem Erfolg der Concorde und im Zeichen der späteren Ölkrise ihre Entwicklung ein. Bis heute gab es immer wieder Bestrebungen, einen weiterentwickelten Nachfolger für die Concorde zu bauen. Diese scheiterten aber bis zuletzt an den hohen Entwicklungs- und Betriebskosten. Das erste Passagierflugzug, das Überschallgeschwindigkeit erreichte war eine Douglas DC-8. Dies geschah jedoch im Sinkflug und das Flugzeug war eigentlich nicht dafür ausgelegt. Auch wenn die Entwicklung ziviler Überschallflugzeuge kein echter wirtschaftlicher Erfolg war, so ist der Nutzen für den Flugzeugbau nicht zu unterschätzen. Viele Neuerungen, die heute zu den Selbstverständlichkeiten im Flugzeugbau zählen, wären ohne die "Forschungskostenzuschüsse" bei der Entwicklung der zivilen Überschallflugzeuge bis heute undenkbar.
Im Juli 2000 stürzte eine Concorde in Folge einer durch einen Fremdkörper auf der Startbahn ausgelösten verheerenden Kettenreaktion kurz nach dem Start im Ort Gonesse bei Paris ab. 113 Menschen kamen bei dem Unglück ums Leben. Air France und British Airways stellten daraufhin vorübergehend den Flugbetrieb der Concorde ein und besserten die Kerosintanks in den Flügeln nach. 2001 entschieden Frankreich und England nach einer kurzen Wiederaufnahme der Flüge, die Concorde insgesamt außer Dienst zu stellen. Die wichtigen Flugrouten in die USA hatten wegen dortiger Widerstände seit langem ein Defizit. Am 26. November 2003 fand der letzte Flug statt, womit die Ära des zivilen Überschallflugs bis auf weiteres endete. Es sind heute keine zivilen Flugzeuge mit Überschallgeschwindigkeit mehr im Dienst.
Im Juni 2005 unterzeichneten Frankreich und Japan anlässlich der Flugmesse in Le Bourget ein Abkommen, demzufolge beide Staaten künftig jährlich 1,5 Millionen Euro an Forschungsmitteln zur Entwicklung eines gemeinsamen zivilen Überschallflugzeugs bereit stellen werden.