Emil Brunner (Theologe)
Heinrich Emil Brunner (* 23. Dezember 1889 in Winterthur; † 6. April 1966 in Zürich) war einer der bedeutendsten reformierten Schweizer Theologen des 20. Jahrhunderts. Er war ein früher Weggefährte Karl Barths, wurde von diesem jedoch seit 1934 als Gegenspieler angesehen.
Leben
Brunner, der schon als Jugendlicher von Hermann Kutter geprägt wurde, studierte Evangelische Theologie an den Universitäten Zürich und Berlin. Nach der Ordination 1912 wurde er Vikar in Leutwil (Aargau) und wurde 1913 an der Universität Zürich zum Dr. theol. promoviert. Anschließend arbeitete er als Sprachlehrer in Great Yarmouth und Leeds, musste aber wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs in die Schweiz zurückkehren. wo er zunächst den Wehrdienst ableistete. Nachdem ein erster Versuch zur Habilitation gescheitert war, wurde Brunner im Februar 1916 Pfarrer in Obstalden GL. Wie seine Freunde Karl Barth und Eduard Thurneysen war er zunächst ein Vorkämpfer der religiös-sozialen Bewegung.
Nachdem er 1919/20 sein Studium am Union Theological Seminary in the City of New York fortgesetzt hatte, gelang Brunner 1921 doch die Habilitation an der Universität Zürich. Die Habilitationsschrift Erlebnis, Erkenntnis und Glaube zeigte, dass er inzwischen ein eigenständiger Vertreter der von Barth begründeten dialektischen Theologie war. Nach zwei Jahren als Privatdozent wurde er 1924 als Nachfolger seines väterlichen Freundes Leonhard Ragaz zum Professor für systematische und Praktische Theologie an der Universität Zürich berufen. Hier wirkte er über seine Emeritierung hinaus bis zu seinem Tod, unterbrochen durch Gastdozenturen am Princeton Theological Seminary (1938/39) und an der International Christian University in Tokio (1953-1955). 1942/43 wirkte er als Rektor der Universität.
Theologie
Emil Brunner war einer der Mitbegründer der Dialektischen Theologie, die er - teilweise gegen die Ansichten Karl Barths - eigenständig weiterentwickelte. Insbesondere betonte Brunner - gegen die reformatorische Tradition bzw. die dialektische Theologie Barths - den freien Willen des Menschen. 1934 kam es zu einer vor allem seitens Barths sehr scharf ausgetragenen Kontroverse um die Natürliche Theologie.
Mit dem Titel „Wahrheit als Begegnung“ lässt sich Brunners Theologie gut zusammenfassen. Er kritisiert ein Wahrheitsverständnis des christlichen Glaubens, welches an der griechischen Philosophie orientiert ist. Dort geht es um exklusive, „objektive“ (im Gegensatz zu „subjektiven“) Wahrheiten, die man aus der Offenbarung erschließen zu können meint. Einen solchen Gegensatz zwischen Objektivismus und Subjektivismus möchte Brunner überwinden. Ihm geht es um eine persönliche Begegnung und Beziehung der Menschen zu Gott. Im Gegensatz zu Barth sind hier die Gewichte zwischen Gott und Mensch wechselseitig verteilt, denn Gott möchte sich zum Menschen in Beziehung setzen, er möchte nicht nur über ihn herrschen. Brunner spricht von einer Korrespondenz, einer Entsprechung. Der Glaube des Menschen (bei Brunner genannt: Pistis) ist dann die Initiative, die der Mensch einbringen kann. Brunner möchte die Vorherrschaft des Objektiven in der Kirchengeschichte zugunsten einer Mensch-Gott-Beziehung beenden, die nicht als Streben nach objektiven Wahrheiten oder das Für-wahr-halten von kirchlich ausgegebenen Dogmen verstanden wird. An einer Beschreibung des Glaubensgeschehens zwischen den Polen von Objekt und Subjekt, Wahrheit und persönlichem Glauben ist er nicht interessiert. Wahrheit ereignet sich nur in der Beziehung von Gott und Mensch.
Brunners gesellschafts- und wirtschaftspolitische Positionsbezüge orientierten sich an der Theorie des Ordoliberalismus.
Werke
- Das Symbolische in der religiösen Erkenntnis. Beiträge zu einer Theorie des religiösen Erkennens, 1914
- Erlebnis, Erkenntnis und Glaube, 1921 (1933³)
- Die Grenzen der Humanität (Habil.vorles. Zürich), 1922;
- Die Mystik und das Wort. Der Gegensatz zwischen moderner Religionsauffassung und christlichem Glauben, dargestellt an der Theologie Schleiermachers, 1924 (1928²)
- Reformation und Romantik, 1925
- Philosophie und Offenbarung, 1925
- Die Absolutheit Jesu, 1926 (1934³)
- Der Mittler. Zur Besinnung über den Christusglauben, 1927 (1930²)
- Religionsphilosophie evangelischer Theologie, 1927 (1948²)
- Gott und Mensch. 4 Untersuchungen über das personhafte Sein, 1930
- Das Gebot und die Ordnungen. Entwurf einer protestantisch-theologischen Ethik, 1932 (1933²)
- Meine Begegnung mit der Oxforder Gruppenbewegung, 1933
- Natur und Gnade. Zum Gespräch mit Karl Barth, 1934 (1935²)
- Um die Erneuerung der Kirche. Ein Wort an alle, die sie lieb haben, 1934
- Zur Judenfrage. In: Neue Schweizer Rundschau, 28. Jg. 1935, Heft 7
- Unser Glaube. Eine christliche Unterweisung, 1935 (12. Auflage 1967)
- Vom Werk des heiligen Geistes, 1935
- Die Kirchen, die Gruppenbewegung und die Kirche Jesu Christi, 1936
- Der Mensch im Widerspruch. Die christliche Lehre vom wahren und wirklichen Menschen, 1937 (1965³)
- Eros und Liebe. Vom Sinn und Geheimnis unserer Existenz, 1937 (1952²)
- Wahrheit als Begegnung. 6 Vorlesungen. über das christliche Wahrheitsverständnis, 1938 (1963²)
- Saat und Frucht. 10 Predigten über Gleichnisse Jesu, 1938 (1948²)
- Die Machtfrage, 1938
- Bausteine geistigen Lebens. Ausschnitte aus den Werken von Emil Brunner, hrsg. v. Ernst Hermann Müller-Schürich, 1939
- Ich glaube an den lebendigen Gott. Predigten über das altchristliche Glaubensbekenntnis, 1941 (1945²)
- Offenbarung und Vernunft. Die Lehre von der christlichen Glaubenserkenntnis, 1941 (1961²)
- Gerechtigkeit. Eine Lehre von den Grundgesetzen der Gesellschaftsordnung, 1943
- Die politische Verantwortung des Christen, 1944
- Glaube und Ethik, 1945
- Dogmatik I: Die christliche Lehre von Gott, 1946 (1960³)
- Dogmatik II: Die christliche Lehre von Schöpfung und Erlösung, 1950 (1960²)
- Dogmatik III: Die christliche Lehre von der Kirche, vom Glauben und von der Vollendung, 1960
- Das Wort Gottes und der moderne Mensch (4 Vorlesungen), 1947
- Kommunismus, Kapitalismus und Christentum, 1948
- Der Römerbrief, übersetzt und ausgelegt, 1948 (1956²)
- Vom ewigen Leben, 1951²; Das Mißverständnis der Kirche, 1951 (1957²)
- Fraumünster-Predigten, 1953 (1955²)
- Das Ewige als Zukunft und Gegenwart, 1953 (1965²)
- Das Ärgernis des Christentums. 5 Vorlesungen über den christlichen Glauben. hrsg. v. Hans Heinrich Brunner, 1957 (1960²)
- Gott und sein Rebell (Auszüge aus: Der Mensch im Widerspruch), kommentiert und hrsg. v. Ursula Berger-Gebhardt, 1958
- Fraumünster-Predigten. NF, 1965.
Literatur
- Das Menschenbild im Lichte des Evangeliums. Festschrift zum 60. Geburtstag von Emil Brunner. Zwingli-Verlag, Zürich 1950.
- Frank Jehle: Emil Brunner. Theologe im 20. Jahrhundert. TVZ, Zürich 2006, ISBN 3-290-17392-5.
Weblinks
- Literatur von und über Emil Brunner im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- {{{Autor}}}: Brunner, Emil. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- Emil Brunner im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
Personendaten | |
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NAME | Brunner, Emil |
ALTERNATIVNAMEN | Brunner, Heinrich Emil (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | Schweizer reformierter Theologe |
GEBURTSDATUM | 23. Dezember 1889 |
GEBURTSORT | Winterthur |
STERBEDATUM | 6. April 1966 |
STERBEORT | Zürich |