Großröhrsdorf
Wappen | Deutschlandkarte | |
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Basisdaten | ||
Koordinaten: | 51° 9′ N, 14° 1′ O | |
Bundesland: | Sachsen | |
Landkreis: | Bautzen | |
Verwaltungsgemeinschaft: | Großröhrsdorf | |
Höhe: | 279 m ü. NHN | |
Fläche: | 40,94 km2 | |
Einwohner: | 9429 (31. Dez. 2023)[1] | |
Bevölkerungsdichte: | 230 Einwohner je km2 | |
Postleitzahl: | 01900 | |
Vorwahl: | 035952 | |
Kfz-Kennzeichen: | BZ, BIW, HY, KM | |
Gemeindeschlüssel: | 14 6 25 200 | |
Stadtgliederung: | 2 Ortsteile | |
Adresse der Stadtverwaltung: |
Rathausplatz 1 01900 Großröhrsdorf | |
Website: | www.grossroehrsdorf.de | |
Bürgermeisterin: | Kerstin Ternes (parteilos) | |
Lage der Stadt Großröhrsdorf im Landkreis Bautzen | ||
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Großröhrsdorf ist eine sächsische Stadt im Landkreis Bautzen und Sitz der Verwaltungsgemeinschaft Großröhrsdorf.
Geografie
Großröhrsdorf ist eine Stadt in Ostsachsen südlich von Pulsnitz an der Alten Poststraße, an der der Ort auf beiden Seiten der Straße etwa vier Kilometer entlang verläuft. Die etwa 7300 Einwohner zählende Stadt an der Großen Röder verfügt zudem über die nahe gelegenen Anschlussstellen Ohorn und Pulsnitz der A 4. Die Landeshauptstadt Dresden ist etwa 20 Kilometer entfernt.
Die nächstgelegenen Ortschaften im Umkreis der Stadt sind das unmittelbar östlich anschließende Bretnig-Hauswalde, zu dem seit 2002 eine Verwaltungsgemeinschaft besteht, weiterhin der Ortsteil Kleinröhrsdorf, die Orte Leppersdorf, Lichtenberg, Ohorn, Wallroda, Seeligstadt sowie die Städte Radeberg und Pulsnitz.
Der bis heute in der Form eines Waldhufendorfes bestehende Ort am Rande des Landschaftsschutzgebietes Westlausitz ist teils von landwirtschaftlich genutzten Flächen und ausgedehnten Waldgebieten umgeben, dem Niederforst nördlich des Ortes und der etwa 1500 ha großen Massenei am südlichen Ortsende. Diese besteht überwiegend aus dem alten Landeswald, der bis 1892 sächsisch-kurfürstliches Jagdgebiet war. „Massenei“ entstammt vermutlich dem mittelhochdeutschen „mastunge“, etwa dem heutigen Wort „Schweinemast“ entsprechend. Früher trieb man angeblich die Schweine der Umgebung zur Mast in den Wald.
Geschichte
Die bereits um 1250 gegründete Ansiedlung wurde erstmals urkundlich als Kirchdorf Grozen-Rudigersdorf[2] (nach dem Lokatornamen Rüdiger) im Jahre 1349 erwähnt. Die Wahl des Ortsnamens resultiert aus der mittelalterlichen Verfahrensweise, neue Siedlungsgründungen nach den Kolonistenführern zu benennen. Ursprünglich zur Herrschaft Pulsnitz gehörend, fiel Großröhrsdorf um etwa 1400 an das markgräfliche Amt Radeberg.
Der Dreißigjährige Krieg sowie schwere Pestepidemien forderten dem Ort und seinen Einwohnern erhebliche Belastungen ab. Allein in den Jahren 1631 bis 1633 fielen dem Schwarzen Tod 304 Menschen zum Opfer.
In dem einstigen Bauerndorf siedelten seit dem 16. Jahrhundert kleine Gewerbebetriebe. Im Jahre 1680 führte George Hans die Bandweberei in Großröhrsdorf ein. Die Einführung dieses Industriezweiges beschleunigte den wirtschaftlichen Aufschwung des Ortes und sollte über Jahrhunderte das prägende Gewerbe für die Region bleiben. Seit 1768 werden erste Bandfabrikanten in Pulsnitzer Gerichtsakten erwähnt. Der Ort erlangte große Bedeutung als wichtiger Zulieferer für zahlreiche Industriezweige sogar bis über die Grenzen des Landes hinaus. Mitte des 19. Jahrhunderts war Großröhrsdorf mit 32 Bandfabriken und mehr als 1000 Bandwebstühlen eines der größten Zentren der Band- und Gurtweberei in Deutschland. 1834 zählte Großröhrsdorf bereits 2742 Einwohner. Im Zuge der Industrialisierung der Bandmacherei im Jahre 1855 wurden auch erste produktionstechnische Neuerungen eingeführt, 1857 nahm der erste mechanische Bandwebstuhl englischer Produktion seinen Betrieb auf. Der größte Betrieb vor Ort war die Firma C.G. Großmann, die um 1850 gegründet worden war. Bereits um 1900 beschäftigte sie mehr als 1100 Arbeiter, davon 800 in der Fabrik. Die Besitzerfamilie schuf wichtige Einrichtungen zur Verbesserung der Infrastruktur wie das Carl-Großmann-Stift, zur Förderung von Schulzwecken (Emil-Großmann-Stiftung) und zur Unterstützung von Arbeitern außerhalb der Krankenkassen. 1893 nahm die Firma C.G. Großmann an der Weltausstellung in Chicago teil und wurde mit einer Medaille geehrt.
Weiterhin entstanden metall- und holzverarbeitende Fabriken in der stetig wachsenden Industriegemeinde, die 1871 Anschluss an die Eisenbahnstrecke Radeberg–Kamenz erhielt. 1887 eröffnete eine Dampfbrauerei, das heutige Böhmisch Brauhaus Großröhrsdorf. Am 11. Oktober 1924 wurde Großröhrsdorf das Stadtrecht verliehen.
1945 verurteilte ein sowjetisches Militärtribunal fünf Jugendliche im Alter von 18 und 19 Jahren (davon zwei Mädchen) unter der Anschuldigung zum Tode, einer Untergrundorganisation "mit feindlicher Einstellung gegen den Kommunismus" anzugehören. Zwei Todesurteile wurden vollstreckt, darunter an einem der Mädchen. Die anderen Jugendlichen wurden zu 10 Jahren Arbeitslager "begnadigt" und 1950 bzw. 1954 aus Zuchthäusern entlassen. Die gesamte Gruppe wurde 1996 von russischer Seite rehabilitiert.[3]
Von 1972 bis 1978 erfolgte endgültig die Verstaatlichung aller Bandindustriebetriebe und eine Zusammenfassung zum VEB Bandtex im Kombinat Baumwolle mit etwa 5000 Beschäftigten. Die meisten Anlagen und Betriebsmittel befanden sich 1989 in einem extrem vernachlässigten Zustand. Nach der politischen Wende in der DDR kam auch die Bandherstellung größtenteils zum Erliegen, heute führen nur noch vier Betriebe das traditionsreiche Gewerbe fort.
Am 1. Januar 1998 wurde Kleinröhrsdorf eingemeindet.[4]
Bevölkerungsentwicklung
Jahr | Großröhrsdorf | Kleinröhrsdorf |
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1551 | 72 besessene Mann, 18 Häusler, 97 Inwohner, 60 Hufen | 19 besessene Mann, 1 Häusler, 25 Inwohner, 16 Hufen |
1764 | 68 besessene Mann, 12 Gärtner, 98 Häusler, 57 Hufen je 16-20 Scheffel, | 20 besessene Mann, 5 Gärtner, 14 Häusler, 16 3/4 Hufen |
1834 | 2742 | 371 |
1871 | 4452 | 407 |
1890 | 5862 | 446 |
1910 | 8012 | 542 |
1925 | 8372 | 592 |
1939 | 8844 | 666 |
1950 | 9221 | 701 |
1964 | 9037 | 709 |
1990 | 6898 | 563 |
2000 | 7647 | seit 1998 nach Großröhrsdorf eingemeindet |
2009 | 6949 | |
2020 | 6800 (Prognose) |
Alle Zahlen bis 2000 nach Historischen Ortsverzeichnis von Sachsen; 2009 und Prognose 2020 gemäß Statistischen Landesamt. Insgesamt gibt das Statistische Landesamt drei Prognosenvarianten für die Bevölkerungsentwicklung bis 2020 an. Zwei Varianten gehen von einer Bevölkerung von etwa 7000 Einwohner aus, eine von 6800. Die Bevölkerung Großröhrsdorfs sollte selbst in der ungünstigen Variante erst um 2012 unter 7000 fallen, doch ist dies bereits 2009 der Fall.
Wirtschaft
Das bereits in den neunziger Jahren erschlossene neue Gewerbegebiet von Großröhrsdorf beherbergt einen Branchenmix aus Kunststoff- und Metallverarbeitung, Maschinenbau, IT-Dienstleistungen und neuerdings auch Solarindustrie. Am 1. Juni 2007 erfolgte der erste Spatenstich für eine 60-MW-Dünnschichtmodul-Produktionsstätte der Firma Sunfilm AG, welche nur ein Jahr nach deren Fertigstellung bereits wieder Insolvenz anmelden musste. Im Oktober 2010 wird die Firma jedoch von der Firma Schüco gekauft und unter neuem Namen weitergeführt.
Sehenswertes
Die barocke Stadtkirche wurde in den Jahren 1731/1736 errichtet. Altar und Taufstein stammen aus dem Jahre 1745, die Bildnisse Martin Luthers und Philipp Melanchthons von 1614. Die Kirche war 2011 Drehort für Hochzeitsszenen der TV-Verfilmung von Uwe Tellkamps Roman „Der Turm“.[5][6]
Das Rathaus wurde 1907/1908 im Jugendstil erbaut und ist Zeugnis des um die Jahrhundertwende industriell aufstrebenden Ortes. Zudem prägen zahlreiche, großzügig angelegte Jugendstilvillen und Herrenhäuser das Stadtbild.
In der Kulturfabrik befindet sich das Technische Museum, das einen Einblick in die umfangreiche Geschichte der Bandweberei in Großröhrsdorf gibt. Das Heimatmuseum in der Mühlstraße ist in einem Umgebindehaus von 1798 eingerichtet.
Am Rande der Massenei befindet sich das Massenei-Bad. Nach seiner Eröffnung im Jahre 1935 wurde es in den Jahren 1996 bis 1998 aufwändig saniert. Das Bad ist für seine ruhigen Lage und seiner Eingliederung in den Masseneiwald bekannt.
Stadtwappen

Mit der Stadtrechtverleihung 1924 erhielt der Ort als Ergebnis eines Preisausschreibens das in seiner heutigen Form seit 1926 bestehende Stadtwappen. Es zeigt einen silbernen Bandwebschützen auf blauem Grund. Vor der Erlangung des Stadtrechtes führte Großröhrsdorf ein Gemeindesiegel, welches zwei gekreuzte Breitwebschützen, einen Bienenkorb und zwei Getreideähren zeigte. Sie versinnbildlichten das bestimmende Handwerk des Ortes und den Fleiß seiner Bewohner.
Bildung
Die Stadt Großröhrsdorf verfügt über eine Grundschule, die „Praßerschule“,[7] und das teilweise neuerbaute „Ferdinand-Sauerbruch-Gymnasium“. Voraussichtlich im Sommer 2012 wird auch die Mittelschule für das gesamte Rödertal von Bretnig-Hauswalde zurück an ihren dann sanierten Großröhrsdorfer Standort ziehen und damit das Schulzentrum Großröhrsdorf komplettieren.[8] Weiterhin ansässig ist das private Institut für Gesundheit und Soziales.
Söhne und Töchter der Stadt
- Johanna Juliane Schöne (geb. Schurig; 1807–1841), Hutfabrikantin[9]
- Carl Friedrich Richter (Pseud. Carl Rosen; 1811–1862), Dichter und Revolutionär[10]
- August Berthelt (1813–1896), Pädagoge
- Friedrich Ehregott Praßer (1819–1888), Astronom, Erfinder, Pädagoge und Publizist[11]
- Edmund Theophron Boden (1860-1936), Reißzeugfabrikant in Emskirchen und Wilhelmsdorf (Mittelfranken)[12]
- Werner Felfe (1928–1988), Mitglied des Politbüros des Zentralkomitees der SED
- Friedrich Wilhelm Hesse (1817–1897), sächsischer Medicinalrath, Träger des Sächsischen Verdienstordens 1. Klasse[13]
- Volker Sielaff (* 1966), deutscher Schriftsteller
- Marko von Oppen (* 1970), DDR-Meister im Go
- Frank Radschunat (1958–2011), Landtagsabgeordneter
- Jens Wonneberger (* 1960), deutscher Schriftsteller
Sonstiges
Unter den Einwohnern Großröhrsdorfs und Umgebung wird die Stadt umgangssprachlich auch als Gage bezeichnet. Eine Theorie zur Herkunft dieser Bezeichnung ist das besonders im Herbst vermehrte Auftreten von großen Krähenschwärmen, welche in der Region mundartlich als „Gagen“ bezeichnet wurden. Dadurch wurde der Begriff Gage regional zum Synonym für Großröhrsdorf.
Literatur
- Friedrich Ehregott Praßer: Chronik von Großröhrsdorf, Stadt und Dorf Pulsnitz, Lichtenberg etc. etc. Bischofswerda, 1869
- Gerd Kunze, Michael Müller (Herausgeber): Großröhrsdorf, die Stadt der Bänder im Wandel. Großröhrsdorf, 2002.
- Cornelius Gurlitt: Großröhrsdorf. In: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen. 35. Heft: Amtshauptmannschaft Kamenz (Land). C. C. Meinhold, Dresden 1912, S. 56.
Weblinks
- www.grossroehrsdorf.de
- Großröhrsdorf im Historischen Ortsverzeichnis von Sachsen
Fußnoten
- ↑ Bevölkerung der Gemeinden Sachsens am 31. Dezember 2023 – Fortschreibung des Bevölkerungsstandes auf Basis des Zensus vom 15. Mai 2022 (Gebietsstand 01.01.2023). Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, abgerufen am 11. Februar 2025. (Hilfe dazu).
- ↑ Ernst Eichler (Hrsg.): Historisches Ortsnamenbuch von Sachsen. Band II: M–Z. Akademie-Verlag, Berlin 2001, S. 301
- ↑ Benno Prieß:Die Jugendlichen von Großröhrsdorf/Sachsen in Erschossen im Morgengrauen. Eigenverlag, Calw 2002. Mitherausgeber: Landesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR. ISBN 3-926802-36-7. S.127-131
- ↑ StBA: Änderungen bei den Gemeinden Deutschlands, siehe 1998
- ↑ Hochzeitsszenen für TV-Zweiteiler "Der Turm" in Großröhrsdorf gedreht - Görlitz folgt im November (radiolausitz.de, 29. September 2011)
- ↑ sz-online.de: Wo Tellkamps Turm verfilmt wird
- ↑ GRUNDSCHULE "PRASSERSCHULE" MIT GANZTAGSANGEBOTEN bei lienig-baumeister-architekten.de
- ↑ Uwe Menschner: Drei-Feld-Sporthalle kommt erst im nächsten Jahr. In: Rödertal-Anzeiger. Nr. 41, 14. Oktober 2011, S. 9 (online [PDF; abgerufen am 6. November 2001]).
Uwe Menschner: Turnhalle kommt erst im nächsten Jahr. In: Alles-Lausitz.de. Lokalnachrichten Verlagsgesellschaft mbH, Bautzen, 8. Oktober 2011, abgerufen am 6. November 2011 (erg. s. Monika Lenz: Beim Schulbau wird alles umgemodelt, 10. Oktober 2011, Alles-Lausitz.de). - ↑ http://saebi.isgv.de/
- ↑ Carl Friedrich Richter im Biographischen Lexikon der Oberlausitz
- ↑ Friedrich Ehregott Praßer im Biographischen Lexikon der Oberlausitz
- ↑ Boden Reißzeuge Bavaria GmbH: Historie
- ↑ Friedrich Hesse im Biographischen Lexikon der Oberlausitz