Elsässisch

Unter der Bezeichnung Elsässerdeutsch oder Elsässisch (elsässisch: Elsässerditsch) werden die im Elsass gesprochenen alemannischen Dialekte zusammengefasst. Im größten Teil des Elsass wird Oberrhein-Alemannisch gesprochen, lediglich der Sundgau mit Randbereichen im Süden gehört zum Südalemannischen. Im nördlichsten Teil des Elsass wird Pfälzisch gesprochen. Die deutschen Dialekte in Lothringen gehören nicht zu dieser Dialektgruppe.
Die elsässische Wortschatz wird beschrieben im Wörterbuch der elsässischen Mundarten.
Sprachgeschichte und -geographie

Die Mundarten des Elsaß gehören ganz überwiegend zum Alemannischen. Dabei bestehen sehr große Unterschiede zwischen den Dialekten des Unterelsaß und denen des Sundgau im Süden. Diese Unterschiede in Aussprache und Grammatik haben sich im wesentlich während des Mittelalters herausgebildet und zwar gleichzeitig auf beiden Seiten des Rheins. Die sprachgeographischen Verhältnisse können durch den Verlauf von Isoglossen dargestellt werden [nach Maurer, F. (1972) modifiziert nach Klausmann, H. et al. (1994)].
Die rote, in N-S-Richtung verlaufende westliche Linie stellt die 1871 gezogenen Staatsgrenze zwischen Frankreich und dem "Reichsland Elsass-Lothringen" dar. Diese deckt sich nicht mit der Sprachgrenze zwischen Französisch und Deutsch, da bereits vor der Eroberung durch das Königreich Frankreich im 17. Jahrhundert einige Gebiete östlich dieser Grenze französisch- bzw. romanischsprachig waren. Beispiele hierfür sind das obere Tal der Breusch um Schirmeck, das Tal von Sainte-Marie-aux-Mines (Markirch) einschließlich Lièpvre, das Dorf Aubure (Altweier), die Gegend um Lapoutroie (Schnierlach), die Region um Montreux-Vieux und die Dörfer Courtavon und Levoncourt.
Von übergeordneter Bedeutung für die Gliederung des Oberrhein-Alemannischen, das früher als Niederalemannisch bezeichnet wurde, sind dabei die beiden Grenzlinien
- Bruder, Bruuder ↔ Bruader, Brüeder, Brueder im Norden sowie
- Kind ↔ Chind-Grenze im Süden.
Die erstere beschreibt die große Sprachgrenze zwischen dem fränkischen und dem alemannischen, die Kind/Chind-Grenze trennt das Oberrhein-Alemannische vom Südalemannischen, das seine Hauptverbreitung in der Schweiz hat.
Dazwischen sind mehrere Isoglossen dargestellt, an denen sich die sog. "Rheinstaffeln" besonders schön zeigen lassen. Die Entstehung dieser Staffeln kann man sich dadurch erklären, daß im Mittelalter, in dem das Elsaß eine überragende Bedeutung im Deutschen Reich hatte, die Einflüsse der "modernen" fränkischen Dialekte durch den stärkeren Verkehr im Elsaß schneller vorgedrungen sind als auf der rechten Rheinseite.
- gwää, gwä, gwan ↔ gsii, gsi, gsin -- gewesen
- Seif ↔ Seife, Seifa, Seifi, Seipfe -- Seife
- sei ↔ bisch, bis -- Befehlsform (sei still!)
Damit wird auch deutlich, daß die Dialekte auf der elsässischen Seite bis ins 17. Jahrhundert eine gemeinsame lautliche und grammatikalische Entwicklung mit dem gesamten Oberrheindialekt hatten. Spezifisch für das Elsässerdeutsch sind erst die zahlreichen Einflüsse aus dem französischen nach der Annexion des Elsaß im Laufe des 17. Jahrhunderts, vor allem jedoch nach der rigorosen Politik der "Spracheinheit" durch Frankreich nach der Französischen Revolution.
Diese Auswirkungen beschränken sich jedoch fast ausschließlich auf die Übernahme neuer Wörter, die im übrigen mit alemannischer Lautung und Betonung ausgesprochen werden und die vielfach der angestammten Grammatik unterworfen und damit sprachlich "alemannisiert" worden sind.
Merkmale der alemannischen Mundart in verschiedenen Gegenden des Elsaß, die aber durchaus auch rechtsrheinisch gesprochen werden:
hochdeutsches und alemannisches er und ir wird zu r:
- deutsch Mutter - alemannisch Muodder - elsässisch Muodr
- deutsch wir - alemannisch mir - elsässisch mr
eine sonst untypische Lautverschiebung von g zu w:
- deutsch Magen,Wagen - alemannisch Mage,Wage - elsässisch (ebenfalls im rechtsrheinischen Hanauerland) Mawe,Wawe/Waue
Verwendung vieler französischer Wortstämme:
- deutsch Fahrrad - elsässisch Velo (auch in Teilen Südbadens und der Schweiz üblich)
- deutsch Bürgersteig - elsässisch Trottoir (auch in anderen Gegenden Deutschlands, in Baden und der Schweiz üblich)
Ein Beispiel für "Alemannisierung": Wörter französischer Herkunft werden mit deutschen Grammatik-Endungen verwendet -> deutsch wählen - elsässisch schwasîere(n) (von französisch choisir)
Vergleich Dialekte Schlettstadt - Kaiserstuhl mit Schriftdeutsch
Am Beispiel einer Ansprache, die bei einer muttersprachlichen Gesellschaft in Schlettstadt gehalten wurde [1], soll ein Vergleich zwischen Elsässerdeutsch in der Gegend von Schlettstadt, dem Dialekt, wie er am Kaiserstuhl gesprochen wird und Schriftdeutsch dienen.
Elsässerditsch | Liewi Frend,
Schon 20 Johr han mer ein Ziel un ein Ideàl : die Verteidigung un die Ferderung vu unsera elsasserditsch Sproch un Kultur. Mer han schon alles Megliga gemàcht: Bettschrefta, Manifestationa en Strossburg, Colmar, Melhüsa, Unterschrefta gsàmmelt, Theater gspelt, Vortraj un Stammtesch organisert, Fierunga en Dorf un Stadt, Dechterowa, Radiosandunga sogàr Tele-Sandunga, 10 Johr làng jede Wuch a Elsasser-Stub em College vu Ingersheim, ja sogar Strossasänger en Colmar met der Schnetzelbànk usw. .. Alla dana Persona, da vergàngena wia da jetziga Komiteemetglieder, sowie alla Heimetsproch Metglieder, besonders Eich liawi Frend, wo emmer so zàhlrich an unseri Generàlversàmmlung komma: a grossa Dànk un vergalt's Gott! Merci vielmol, merci, dàss Ehr àlli kumma sen, von St Louis bis Hàgenau! |
Dialekt aus der Gegend des Kaiserstuhls 20 km östlich von Schlettstadt | Liewi Freind,
schu 20 Johr hämmr ei Ziel un ei Ideal: d’ Verteidigung und d’ Ferderig vu unsera elsässerdisch Küldür. Mr hän schu alls meglige gmacht: Bittschrifde, Manifeschdatione in Schdroosburg, Colmar, Milhüse, Underschrifde gsammlet, Theader gschbield, Vorträg und Schdammdisch organisert, Fierige in Dorf un Schdad, Dierchderowene, Radiosändige sogar im Färnseh simmer scho gsi. 10 Johr lang jedi Wuch ne Elsässer Schdube im College vu Ingersheim, jo sogar Schdroosesänger in Colmar mit nere Schnitzelbank un so widder. Allene däne Persone, dr freijere wia dr jetzige Kommiteemitglieder wie allene Heimetsprooch-Mitglieder, bsunders Eich liebi Freind, wu alliwiil so zahlriich an unsri Generalversammlig kumme: ne große Dank und vergäld’s Godd! Dankscheen viemol, dankscheen, daß’r alli kumme sin, vu St. Luis bis Hagenau! |
Schriftdeutsch | Liebe Freunde,
schon 20 Jahre haben wir ein Ziel und ein Ideal: die Verteidigung und die Förderung unserer elsässerdeutschen Kultur. Wir haben schon alles mögliche unternommen: Bittschriften, Manifestationen in Straßburg, Colmar, Mülhausen. Unterschriften gesammelt. Theater gespielt, Vorträge und Stammtische organisiert. Führungen durch Dorf und Stadt, Dichterabende, Radiosendungen, sogar Fernsehsendungen. 10 Jahre lang jede Woche eine „Elsässer Stube“ im College von Ingersheim, ja sogar Straßensänger in Colmar mit einer Schnitzelbank und so weiter. All den Personen, den früheren wie den heutigen Kommiteemitgliedern wie all den Heimatsprache-Mitgliedern, besonders Euch, liebe Freunde, die immer so zahlreich an unsere Generalversammlung kommen: einen großen Dank und vergelt’s Gott! Dankeschön vielmals, daß Sie alle gekommen seid, von St. Luis bis Hagenau! |
Stroossburijer Dialekt
Isszitt
S’isch kalt drüsse, isskalt! Un wenn von de Kerichühre d’Schläg erab rolle, verkleppere se in de Stross und verfahre wie d’Isszäpfe, wie sich von Büchieslidach leese und ins gefrorene Dräckgräwel falle.
S’isch still, drüsse, isstill!
Isszäpfe hänge vom Büchhieseldach erunter, dick wie Glockeseil.! Un manchmol, ganz ploetzlig, weisch nit worum, bekummt einer s’Iwergwicht un fallt sänkrächt in de Schnee, wie n’r versinkt und numm noch a Loch losst in de Schneekruscht. Un es rennt d’r e kalter Schücker de Buckel nunter... vor dem dursichtige, spitzige, gschliffene Dolch. Un dee Schneekruscht splitert uff wie de Glasürzucker, wenn me de Neujohrskueche anschnied.
E verklärti Welt draijt si in’re blasse Wintersunn, wie d’Kölje im Kerzeliecht vom Tannibauim! De Froscht hücht sinni Kunscht an d’Fenschter in Sternesplitter, Schneebluescht, Heckreesle un Heckebletter.
D’Luft isch issig, bissig! Gfrore, stiff und starr, in Riffe und Froscht isch s’Hoeftel, wiss, silwrig und liss in Iss und Glarriss de Garte. D’Matt macht e Buckel untrem wisse Schimmelpeltz vum Froscht wie e satti milchigi Schoofwoll... ...... (Üsszug üss Emilienne Kauffmann. In: Basler Zeitung 10. Jan. 1997)
Elsässisch heute
Laut einer Studie von 2001 bezeichnen sich 61 Prozent der Bevölkerung des Elsass als elsässischsprechend (DNA/ISERCO Untersuchung veröffentlicht in "Dernières Nouvelles d’Alsace" vom 21. September 2001, im Artikel "Erosion naturelle", Claude Keiflin).
Von den Jugendlichen gab nur jeder vierte an, sich gelegentlich in der Regionalsprache zu unterhalten. Nur noch etwa 5 Prozent der Schulanfänger verfügen über entsprechende Sprachkenntnisse, da nur 28,8 Prozent der Eltern ihren Kindern mindestens ein wenig Elsässisch beibringen.
Deutlich ist ein Stadt-Land-Gefälle zuungunsten der Städte. Am besten konnte sich die Sprache im Norden und Nordwesten (Unterelsass) und in landwirtschaftlichen Berufen und Berufen mit viel Publikumsverkehr erhalten. Mitte des 20. Jahrhunderts verstanden noch etwa 90 Prozent Elsässisch (Elsässerdeutsch) und/oder Hochdeutsch.
Straßenschilder sind oft zweisprachig auf Französisch und Elsässisch bzw. bei Straßenname mit dem alten deutschen Namen aufgeführt. Dafür können Fördermittel bei der OCLA (Office pour la Langue & la Culture d'Alsace) beantragt werden. Auch werden manche Ortsschilder seit mehreren Jahren neben dem offiziellem Namen auch mit dem elsässisch gesprochenem Namen beschrieben. Beispiel: Steinbourg, "Steiweri".
In jüngerer Zeit wird ein zweisprachiger Unterricht angestrebt. Dafür engagieren sich nicht nur Privatinitiativen, sondern auch zunehmend die Administration, die den Wirtschaftsfaktor Bilinguismus erhalten möchte.
Schriftsteller, die französisch, hochdeutsch und elsässisch schreiben oder schrieben sind unter anderem René Schickele, Jean Egen und André Weckmann. Besonders Weckmann hat in seinen Gedichten die Tragödie des Elsässischen Dialekts und der Elsässer Identität eindringlich beschrieben.
... und morgen – am Abgrund des Verstummens
Die Situation des elsässischen Dialekts wird in den übrigen deutschsprachigen Ländern kaum wahrgenommen. Lediglich in der benachbarten Schweiz findet man in Zeitungen immer wieder Artikel, die sich mit diesem Thema beschäftigen. In Deutschland gibt es neben Gleichgültigkeit vor allem zwei extreme Standpunkte.
Die deutschnational Gesinnten beklagen die Unterdrückung des Dialekts durch den französischen Staat und benutzen dies zu ihren Zwecken, ohne zu bedenken, daß die nahe verwandten Dialekte auf der rechten Rheinseite durch die Hochsprache ebenfalls in Lautung, Grammatik und Vokabular in den letzten Jahrzehnten stark bedrängt werden. Die "politisch Korrekten" betonen, daß dies eben "französische Sprachpolitik" und damit ein innerfranzösisches Problem sei und im übrigen auch andere Minderheitensprachen in Frankreich betroffen seien.
.. das Nachwort des Dialektforschers Fernand Hoffmann zu André Weckmanns Gedichtband "elsassischi grammatik oder ein Versuch die Sprache auszuloten" trifft den Nerv der Situation des Elsässischen heute:
"Was ich eben gelesen habe, das ist Lyrik in höchster Potenz. Aus dem Schweigen geboren. Dem Schweigen überantwortet. Dem Schweigen abgerungen. Innere Schreie. Zum Flüstern, gedämpft von tapfer hinuntergerungenen Tränen. Verlorene Worte, aufgesammelt am Abgrund des Verstummens. Elsässisches Schicksal, elsässisches Leid in lyrischen Kürzeln."
Epilog: speak white!
im unterelsässischen Dialekt von André Weckmann (Auszug )
speak white | speak white |
---|---|
redd wiss | Sprich weiß |
nêger | Neger |
wiss ésch scheen | Weiß ist schön |
wiss ésch nôwel | Weiß ist nobel |
wiss ésch gschît | Weiß ist gescheit |
wiss ésch fránzeesch | Weiß ist Französisch |
fránzeesch ésch wiss | Französisch ist weiß |
wiss un chic | Weiß und schick |
elsasser | Elsässer |
elsassisch degaje | Elsässisch dagegen |
net | nicht |
zall ésch brimidîv | Das ist primitiv |
vülgêr | vulgär |
pfùi! | Pfui! |
. | . |
. | . |
. | . |
. | . |
drum redd wiss | Deshalb sprich weiß |
nêger | Neger |
dáss d wiss wursch! | damit du weiß wirst |
andli | endlich |
wiss un gschît | Weiß und gescheit |
nêger | Neger |
wiss un chic! | Weiß und schick |
wiss wi z báriss | Weiß wie in Paris |
Schriften
- Klausmann, Hubert, Konrad Kunze und Renate Schrambke (1994): Kleiner Dialektatlas - Alemannisch und Schwäbisch in Baden-Württemberg. Veröff. Alem. Inst. Frbg. Themen der Landeskunde 6:192 S. Konkordia Bühl/Baden.
- Maurer, Friedrich (1972): Neue Forschungen zur südwestdeutschen Sprachgeschichte. In: Sprachgeographie Beih. Wirkendes Wort. 21:119-163. Schwann Düsseldorf.
Siehe auch: Elsass, Lothringisch (Fränkisch), Lothringisch (Romanisch), Baseldeutsch