Faust – eine deutsche Volkssage
Als im Oktober 1926 "Faust - eine deutsche Volkssage" uraufgeführt wurde, stand Friedrich Wilhelm Murnau auf dem Höhepunkt seiner Karriere: Mit "Nosferatu, eine Symphonie des Grauens" war ihm bereits 1921 einer der bedeutendsten Filme der Stummfilmära gelungen. Drei Jahre später begründete "Der letzte Mann" (1924) Murnaus internationale Karriere, was den Ruf nach Hollywood nach sich zog: Im Januar 1925 unterschrieb er bei seiner ersten Reise in die Vereinigten Staaten einen Vertrag mit dem Produzenten William Fox. Doch ehe Murnau endgültig nach Kalifornien übersiedelte, drehte er einen letzten Film in Deutschland - den "Faust" - mit dem Hauptdarsteller, der bereits in "Der letzte Mann" die Hauptrolle gespielt hatte: Emil Jannings.
Murnaus "Faust - eine deutsche Volkssage" verwebt Motive aus dem Volksbuch "Historia von Doktor Johann Fausten – dem weitbeschreyten Zauberer und Schwarzkünstler" (1587) mit Elementen aus den Dramatisierungen dieses Stoffes durch Christopher Marlowe und J. W. Goethe: Die Suche des alten Faust nach Weisheit, das Angebot Mephistos, dem greisen Gelehrten mittels eines mit Blut besiegelten Pakts ein Leben in ewiger Jugend zu verschaffen, sowie Fausts Begegnung mit Gretchen mit den Episoden Verführung, Duell mit Gretchens Bruder Valentin, Pranger, Scheiterhaufen und Erlösung durch die Liebe. Und dies alles eingerahmt von den Streitgesprächen zwischen dem Erzengel und dem Herrn der Finsternis.
Bereits das Vorspiel im Himmel zeigt einen Hauptcharakterzug von Murnaus "Faust": seine ausgeklügelte Kamera- und Tricktechnik, die ihm eine außerordentliche visuelle Kraft verleiht. Murnau lotet im "Faust" die Grenzen beim Einsatz filmischer Möglichkeiten, insbesondere bei den visuellen Effekten - etwa Doppelbelichtungen - aus. Das Bühnenbild hält die Balance zwischen dem Expressionismus, der seit "Das Kabinett des Doktor Caligari" (Robert Wiene, 1920) den deutschen Film bestimmt, und - vor allem bei den Landschaftsaufnahmen - der romantischen Malerei, etwa von Caspar David Friedrich und Lovis Corinth.
Siehe auch: Faust I