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Walter Truckenbrodt

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Walter Truckenbrodt (* 19. Dezember 1914 in Hermsdorf; † 1. Mai 1999 in Bonn) war ein deutscher Jurist der Zeit des NS-Zeit und Diplomat der BRD.

Truckenbrodt trat in der Bundesrepublik Deutschland als Diplomat des Auswärtigen Amtes, ferner als Anwalt der rechtsradikalen Deutschen Sozialen Union bei einer Wahlanfechtung und als Redner der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft 1992 auf. Über seine Tätigkeit zur Zeit des Auswärtigen Amtes des Deutschen Reiches informiert sein Buch „Deutschland und der Völkerbund. Die Behandlung reichsdeutscher Angelegenheiten im Völkerbundsrat von 1920-1939“, erschienen 1941 in der Reihe „Veröffentlichungen des Deutschen Instituts für Außenpolitische Forschung“. Das Buch findet sich noch in vielen universitären Bibliotheken, meist der rechts- oder staatswissenschaftlichen Bereiche. Das Exemplar des „Wehrpolitischen Instituts“ der „Universität Berlin“, hat einschlägige Stempel (Hakenkreuze usw.).

Der Jurist kritisiert darin die Haltung des Völkerbundes in der Zwischenkriegszeit. Beispiele sind die Volksbefragung in Eupen-Malmedy (1920), die Saarfrage von 1920-1935, dem Jahr der illegalen Besetzung des Saarlandes durch die Nazis, sowie der Einmarsch der Wehrmacht in das entmilitarisierte Rheinland 1936. Kurz werden die Aktionen in Bezug auf Oberschlesien dargestellt. Der Anschluss Österreichs an das Reich und die offizielle Wiederbewaffnung Deutschlands (seit 1935) werden gestreift.

Ein ausführliches Quellenverzeichnis mit dem genauen Fundort (S. 179-208) und ebenfalls ein überraschend ausführliches Stichwortverzeichnis zeigen, dass das Werk für dienstliche Zwecke gedacht war, damit ein Botschafter vor Ort schnell auf Argumente zurückgreifen konnte.

Der Jurist wirft dem Völkerbund bei der Ausführung des Friedensvertrages von Versailles Einseitigkeit vor. Ihn träfe die Verantwortung dafür, dass die Nazis den 2. Weltkrieg beginnen mussten, „(es) zu einem Kampf auf Leben und Tod zwischen den größten Völkern Europas“ kam. Der Autor fällt ein „objektives Urteil über die wahren Ursachen des gegenwärtigen Kampfes“: dieser Krieg ist ein „deutscher Freiheitskampf“. (Zitate: Vorwort).

Mit Beginn des Nazireichs 1933 meint der Autor eine größere Konzessionsbereitschaft des Völkerbundes, wenigstens in der Saarfrage, zu sehen (103). Er führt das auf eine wachsende deutsch-französische Verständigung zurück (107). Er begrüßt den Einmarsch der Nazis in das Rheinland und weist die Kritik der Weltgemeinschaft daran zurück. Die Nazis seien zum „Schutz des deutschen Westens“ einmarschiert. Der Völkerbund wolle keine „positive Revision“ des Versailler Vertrags. Der Verfasser schreibt, dass der Völkerbund den Anschluss Österreichs stillschweigend zur Kenntnis genommen habe. Lediglich Mexiko protestierte dagegen. „Die Zeit war selbst für platonische Proteste des Völkerbundes zu weit vorgeschritten.“ (144). (Mit platonisch ist hier gemeint: verbaler Protest.)

Kapitel 9 handelt von der illegalen Wiederbewaffnung des Dritten Reichs 1935. Sie war die materielle Voraussetzung für den deutschen Angriffskrieg 1939.

Frankreichs Regierung Laval hatte gegen eine neue „Luftwaffe“ und die Wehrpflicht protestiert. Der Autor bedauert, dass 16 von 17 zuständigen Staaten den Bruch des Versailler Abkommens kritisierten (Entschließung des Rates 17.4.35). Zum Glück, in seinen Augen, enthielt sich Dänemark. Die „Stresamächte“ Frankreich, Großbritannien und sogar (das faschistische) Italien hätten die übrigen Mächte zu dieser „moralischen Verurteilung“ bewegt. Wider Erwarten habe auch Spanien sich angeschlossen.

Der Verfasser rechtfertigt die deutsche Wiederbewaffnung als Selbsthilfe (170), er spricht dem Völkerbund jegliches Recht auf Kritik daran ab. Der Jurist setzt die NS-Waffengewalt an die Stelle der Verträge, die das Zusammenleben der Völker regeln sollten.

Das Buch erschien zu einem Zeitpunkt, als die Massenvernichtung der europäischen Juden sich ihrem Höhepunkt näherte. Die Gaskammern standen zum Holocaust bereit. Der Autor wendet die Taktik des „Haltet den Dieb“ an: Nicht die Nazis, sondern der Völkerbund habe Unrecht getan und damit die Deutschen zur Aufrüstung gezwungen. Der Jurist bereitet damit die Sprachregelung der Nazidiplomaten nach dem Krieg vor.

Solche Juristen prägten den Auswärtigen Dienst nach 1949. Jahrzehntelang konnte Truckenbrodt als Diplomat den deutschen Nachkriegsstaat offiziell vertreten. Die Bundesregierung war der Ansicht, ihn mit dem hohen Titel "Ministerialdirigent" würdigen zu sollen. Zeitweise repräsentierte er die Bürgerinnen und Bürger der BRD, die sich dagegen nicht wehren konnten, als Botschafter im Ausland. Die Grundlage seiner Karriere, sozusagen sein "Bewerbungsschreiben", findet sich in diesem Buch, das die deutschen Kriegsvorbereitungen verherrlicht.

Quelle

  • Walter Truckenbrodt, Deutschland und der Völkerbund. Die Behandlung reichsdeutscher Angelegenheiten im Völkerbundsrat von 1920 - 1939. Essener Verlagsanstalt 1941. Veröffentlichungen des Deutschen Instituts für Außenpolitische Forschung, Hg. Fritz Berber, Band 9