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Narkose

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Die Narkose (griech.: ναρκαν = erstarren) ist eine Form der Anästhesie. Die Narkose bewirkt die zeitweilige, umkehrbare Funktionshemmung des zentralen Nervensystems (ZNS) mit Herbeiführung von Bewusstseinsverlust (Bewusstlosigkeit, Hypnose) und Ausschaltung des Schmerzempfindens (Analgesie). Sekundäre, aber durchaus erwünschte Effekte sind ebenso die schlaffe Lähmung der Willkür-Muskulatur und die Dämpfung von Reflexen.

Die Narkosetiefe wird anhand von bestimmten Symptomen und Parametern, z. B. Blutdruck, Herzfrequenz, Pupillengröße, EEG-Kenngrößen, festgestellt.

Die Narkose wird in Deutschland von speziell weitergebildeten Fachärzten durchgeführt (Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin, Anästhesist)

Geschichte (Auswahl)

Es finden sich antike und mittelaterliche Quellen für künstlich herbeigeführte schlafähnliche (hypnotische) und schmerzfreie (analgetische) Zustände:

etwa 3500 v. Chr.Genesis II, 21: "Da ließ Gott der Herr einen tiefen Schlaf fallen auf den Menschen, und er schlief ein. Und er nahm seiner Rippen eine und schloss die Stätte zu mit Fleisch"
etwa 1200 v. Chr.Asklebios (Griechenland): unter Anwendung eines Trunkes wird Schmerzunempfindlichkeit für chirurgische Eingriffe herbeigeführt
etwa 1300Guy de Chaliac (Frankreich): berichtet erstmals über Komplikationen während der Anwendung von Schlafschwämmen

Im ausgehenden Mittelalter und Anfangs des industriellen Zeitalters wurden die entscheidenden Grundlagen für die Entwicklung der modernen Narkose gelegt:

1546Valerius Cordus (Deutschland): Synthese von Äther.
1771Joseph Priestley, Carl Scheele (England und Schweden): Entdeckung des Sauerstoffs.
1775Priestley (England): Synthese von Lachgas
1831Samuel Guthrie, Justus von Liebig, Eugene Soubeiran (Europa): Synthese von Chloroform

Die Anfänge der wissenschaftlichen Anästhesie (Narkose) sind untrennbar mit den Namen Horace Wells, William Thomas Green Morton, John Snow und James Young Simpson verbunden:


erste OP unter Narkose durch den Chirurgen Warren und Morton (links mit Äther-Inhalator)
erste OP unter Narkose durch den Chirurgen Warren und Morton (links mit Äther-Inhalator)


1844

Horace Wells (1815-1848, amerikanischer Zahnarzt) wohnte einer öffentlichen Vorführung des experimentierenden Chemikers G. Q. Colton bei, der einen jungen Mann Lachgas inhalieren ließ. Dabei konnte Wells beobachten, wie dieser sich zufällig, unter dem Einfluss des Gases zwar schwer am Schienbein verletzte, Schmerz aber anscheinend nicht verspürte.

Wells testete mit Coltons Hilfe die Methode bei der Extraktion eines Zahnes mit Erfolg. Die Demonstration an der Havard-Universität (Boston) endete aber im Fiasko, da der Patient trotz Lachgasgabe unter Schmerzen litt.

Wells veröffentlichte seine Ergebnisse 1847. Das Lachgas geriet aber in der medizinischen Fachwelt zunächst aufgrund der Bostoner Vorführung in Vergessenheit. Zu Unrecht, denn Lachgas ist das einzige Anästhetikum der Pionierzeit (wie Äther, Chloroform), das heute noch in Anwendung ist.

1846

William Thomas Green Morton (1819-1868, amerikanischer Chirurg) erkannte die Bedeutung des Äthers zu Narkosezwecken und führte am 16. Oktober eine erfolgreiche Narkose vor (siehe Bild oben), an gleicher Stelle, wie vor ihm der glücklose Wells. Dieses Datum gilt als die Geburtsstunde der modernen Anästhesie (AINS 2003;38).

1847

James Young Simpson (1811-1870, amerikanischer Geburtshelfer) suchte unter dem Eindruck der Nachteile des Äthers nach einem alternativen Narkosegas und fand das Chloroform.

Dabei hat er sich auf der Suche nach dem geeigneten Mittel seiner Familie bedient. Die Wirkung der unterschiedlichen Dämpfe muss beeindruckend gewesen sein. Ein Zeitgenosse berichtete, dass er die Aufgabe übernommen hatte, ab und zu bei den Simpsons vorbei zu schauen, ob sich dort noch alles beim Rechten befände.

1853

John Snow (1813-1885, amerkanischer Anästhesist) war der erste Arzt, der sich ausschließlich der Anästhesiologie widmete.

Er entwickelte u.a. 1847 den ersten Ätherverdampfer.

1853 ermöglichte er die schmerzlose Geburt des Prinzen Leopold durch Queen Victoria.

Was tut der Narkosearzt?

Der Anästhesist versetzt den Patienten in einen Zustand, in dem er durch Dämpfung oder Unterdrückung des Bewusstseins einen vorübergehenden Zustand der Schmerzlosigkeit herbeiführt damit dieser eine absehbar höchst unangenehme Prozedur toleriert (siehe Abschnitt Ziele).

Die natürliche Atmung ist meistens durch den Eingriff aber oft auch durch die Narkose selbst beeinträchtigt. Der Anästhesist hat somit für eine ausreichende Atmung (d.h. Sauerstoffversorgung) des Patienten zu sorgen, so muss er ständig die Atmung des betäubten Patienten überwachen, die Atemwege offenhalten (siehe Abschnitt Sicherung der Atemwege) und ggf. für dessen Beatmung sorgen.


Narkosegerät mit Überwachung
Narkosegerät mit Überwachung


Für die Durchführung der Narkose benötigt er technische Hilfsmittel. Mit einem Narkosegerät kann er neben Sauerstoff auch gasförmige und verdampfbare Narkosemittel (siehe Abschnitt Narkotika) zuführen und den Patienten beatmen. Injizierbare Narkosemittel werden oft mit [Perfursor|Perfusoren] verabreicht.

Weiterhin ist es Aufgabe des Anästhesisten, durch permanente Überwachung Zustandsänderungen und Normabweichungen des Patienten zu erfassen. Diese ergeben sich oft durch die eigentliche Behandlung (z.B. Blutverlust durch eine OP). Er führt dazu führt ein umfangreiches Programm am Überwachungsmaßnahmen durch (siehe Abschnitt Überwachungsmaßnahmen).

Er hat die Beoabachtungen und Messergebnisse zu interpretieren und verfügt über die Mittel, im Notfall geeignete Maßnahmen zu ergreifen um aufgetretene Störungen im Zustand des Patienten zu korrigieren (z.B. Bluttransfusion).

Seine Tätigkeit während der Narkose umfasst also:

  1. Narkosedurchführung
  2. Sicherstellung der Atmungsfunktion
  3. Überwachung des Patienten
  4. Therapie von Störungen

Operationen werden im modernen OP in Teamarbeit durchgeführt. Für den Bereich rund um die Narkose ist der Anästhesist (Narkosearzt) und der Anästhesiepfleger zuständig.

Ziele der Narkose

Die Narkose verfolgt vier Ziele:

  1. Bewusstseinsverlust (Hypnose), hiermit wird psychischer Stress während einer Operation vermieden.
  2. Die Schmerzausschaltung (Analgesie)
  3. Die Muskelentspannung ([[Relaxation[[) macht verschiedene Operationen technisch erst möglich. So sind große Bauch-OPs (z.B. an Darm und Magen) erst unter Muskelentspannung möglich geworden. Sie ist aber nicht bei allen Eingriffen notwendig.
  4. Die Reflexdämpfung verhindert das Auftreten von Störungen u.a. durch Schluck- und Hustenreflexe

Phasen

Narkose und OP
Narkose und OP

Es werden

  1. Einleitung (syn.: Anflutung)
  2. Unterhaltung (syn.: statische Phase)
  3. Ausleitung (syn.: Abflutung)

der Narkose unterschieden.


Einleitung
Phase, in der die zur Narkose verwendeten Medikamente im Organismus eine zu ihrer Wirkung ausreichende Konzentration erst erreichen müssen. Es kommt in der Einleitungsphase zu umfangreichen Umverteilungsvorgängen zwischen Kompartimenten des Organismus. Entscheidend ist die Konzentration am Wirkort (hier Gehirn). In diesem Zeitraum ist eine andere medizinische Intervention (z.B. OP) nicht möglich.
Unterhaltung
die Medikamente haben eine ausreichende Konzentration im Gehirn erreicht. Konzentration und damit Wirkung ermöglichen die medizinische Intervention (z.B. die OP). In dieser Phase wird die Medikamentenzufuhr dem wechselnden Bedarf angepasst. Die Notwendigkeit dazu kann sich mit dem Fortschreiten der Operation ergeben, da die Regionen der Intervention unterschiedlich schmerzempfindlich sind.
Ausleitung
nach Beendigung der Intervention werden die Narkosemittel aus dem Organismus eliminiert.

Einleitung und Ausleitung sind in medizinischem Sinne nicht von Nutzen, deshalb sollen diese Phasen möglichst kurz sein. Die Narkosemittel unterscheiden sich diesbezüglich in ihren physikalisch-biologischen Eigenschaften (s. u.). Moderne Narkosemittel erfüllen diese Forderung immer besser.

Systematik der Narkoseformen

Sicherung der Atemwege (airway management)

Durch zentrale Dämpfungsvorgänge ist unter der Narkose die Spontanatmung tendenziell eingeschränkt (Hypoventilation) und in vielen Fällen gezielt aufgehoben. Durch manuelle oder maschinelle Beatmung wird die Sauerstoffversorgung und CO2-Abatmung sichergestellt.

Auf der anderen Seite führen die oben genannten Dämpfungsvorgänge zur Erschlaffung der Schlundmuskulatur. Besonders in Rückenlage kommt es dabei zu einem Zurückrutschen der Zunge, die dabei die Atmwege verlegt. Die im Folgenden beschriebenen Verfahren dienen dem sog. "Offenhalten der Atemwege".

Intubationsnarkose
unter Einführung eines Schlauches (Trachealtubus) durch Mund oder Nase in die Luftröhre (Intubation) zum sicheren Abdichten der Atemwege.
Maskennarkose
Der Sauerstoff und evtl. die Narkosegase werden über eine vor Mund und Nase dicht aufgesetzte Maske zugeführt. Das Offenhalten der Atemwege erfolgt durch spezielle Handgriffe und Lagerung des Kopfes (leichte Reklination des Kopfes).
Larynxmaskennarkose
eine speziell geformte Kehlkopfmaske sichert die Atemwege undd ermöglicht die Beatmung.

Narkotikum

Narkosen können unter dem Aspekt betrachtet werden, welches Narkotikum zur Unterhaltung (siehe Abschnitt Phasen) benutzt wird:

Inhalationsnarkose
Verwendung von gas- oder dampfförmigen (volatilen) Narkosemitteln (z.B. Lachgas, Halothan, Sevofluran)
iv.-Anästhesie
Verwendung von injizierbaren Narkosemitteln (Barbiturate, Propofol, Opiate)

Eine Inhalationsnarkose wird aber wie die iv.-Anästhesie mit injizierbaren Anästhetika eingeleitet. Dieses Verfahren ist wesentlich schneller, sicherer und angenehmer für den Patienten als die Einleitung mit Inhalationsnarkotika. Lediglich in der Kinderanästhesie wird noch gelegentlich die Inhalationseinleitung bevorzugt.

Sonderformen (Beispiele)

Neuroleptanalgesie
Zustand der Schmerzfreiheit (Analgesie) mit Gleichgültigkeit (Affektindifferenz, Neurolepsie) den Ereignissen gegenüber. Die Neurolepanalgesie (auch Neuroleptanästhesie) wird heute nicht mehr angewendet, da manche Personen sich an Ereignisse während der OP erinnern konnten.
TIVA
Totale Intravenöse Anästhesie unter ausschließlicher Verwendung von injizierbaren (einspritzbaren) Anästhetika. Man kombiniert ein Schlafmittel (Propofol, Methohexital) mit einem schmerzstillenden Mittel (Remifentanil, Fentanil). Das Verfahren verdrängt derzeit die Inhalationsanästhesie, da es sehr nebenwirkungsarm ist. Die Kombination Propofol/Remifemtanil zeichnet sich durch relativ gute Steuerbarkeit und weitestgehendes Ausbleiben von PONV aus (siehe Narkotika und Abschnitt Komplikationen und Nebenwirkungen)

Entsprechend der Ziele der Narkose (s.o.) werden die verwendeten Medikamente wie folgt eingeteilt.

  1. Hypnotika (Schlafmittel)
  2. Analgetika (schmerzdämpfende Mittel)
  3. Muskelrelaxantien (Mittel zur Erschlaffung der Willkürmuskulatur)
  4. Reflexdämpfende Mittel

Eine umfassendere und vergleichende Darstellung findet sich unter dem Stichpunkt Narkotika.

Hypnotika

Bei den Hypnotika finden einige medizinische Gase, volatile (dampfförmige) und injizierbare (einspritzbare) Medikamente.

Gase und Dämpfe

Gase
Lachgas, Xenon
volatile Anästhetika
Äther, Chloroform, Halothan, Enfluran, Sevofluran, Desfluran

Volatile Substanzen liegen unter Standardbedingungen in flüssiger Form vor. Diese Narkosemittel werden durch spezielle Verdampfer dem Frischgas beigefügt. (siehe Narkotika)

Injektionsnarkotika

Diese Medikamente liegen in flüssiger, gelöster Form vor. Sie müssen injiziert (eingespritzt) werden.

Aufnahme und Elimination eines Injektionsnarkotikums unterscheiden sich generell von den Inhalationsnarkotika. Während die Gase im Wesentlichen durch die Atmung dem Organismus zugeführt oder entzogen werden, erfolgt die Zufuhr bei den Injektionsnarkotika durch einspritzen (Injektion) und die Elimination durch Verstoffwechslung in der Leber oder Ausscheidung durch die Nieren.

Analgetika

Die in der Anästhesie verwendeten Analgetika stammen aus zwei Substanzgruppen:

  1. Opioide
  2. Nicht-Opioid-Analgetika
  3. Sonderfall: Ketamin
Opioide
im allgemeinen Gebrauch sind Fentanyl, Sufentanil, Alfentanil und Remifentanil. Wegen seiner extrem kurzen Wirkdauer ist Remifentanil besonders gut im Rahmen der TIVA (siehe oben) einsetzbar.
Nicht-Opioid-Analgetika
die Nicht-Opioid-Analgetika sind zur Verwendung während der Narkose nicht geeignet. Ihre Wirkung, die auf der Hemmung des Enzyms Cyclooxygenase beruht, ist nicht unmittelbar. Diese Substanzen werden vorrangig zur Behandlung des postoperativen Schmerzes eingesetzt.
Ketamin
die unter Hypnotika schon genannte Substanz hat unter anderem μ- und δ-agonistische Eigenschaften und ist deshalb auch ein gutes Analgetikum.

Muskelrelaxantien

Muskelrelaxantien (siehe dort die Definition) kommen in Abhängigkeit von zugrundeliegendem Eingriff und dem Narkoseverfahren in Anwendung. So sind die Operationen in den größen Körperhöhlen, wie Brustkorb und Bauch ohne Muskelrelaxantien schwer vorstellbar.

An anderer Stelle, wie z.B. in der Kniegelenkchirurgie, kommen sie heute aufgrund verbesserter Narkosetechniken (siehe Larynxmaske) kaum noch in Anwendung.

Gebräuchliche Mittel sind unter anderem Suxamethonium, Mivacurium, Atracurium, Rocuronium und Vecuronium.

reflexdämpfende Mittel

Atropin
diente der Vermeidung parasympatischer Reflexe, ist aber heute zu diesem Zweck kaum noch in Gebrauch.
Clonidin
komplexe Wirkungen im Sinne von Vermeidung von Hypertensionen und Reduzierung des Analgetikabedarfs intra- und postoperativ.

Vorerkrankung und Narkose

Die nachstehende Liste versucht typische und interessante Erkrankungen aufzuführen, die mit der Narkose in Verbindung stehen. Diese Aufzählung kann aber nur eine Auswahl enthalten.

maligne Hyperthermie

Die maligne Hyperthermie ist eine seltene, aber bedrohliche Erkrankung, die in Zusammenhang mit Narkosen auftritt.


restless legs-Syndrom

Kennzeichnend für das restless legs-Syndrom sind Mißempfindungen in den Extremitäten, die zum Bewegungszwang führen. Bei dieser relativ häufigen Erkrankung älterer Menschen ist die Verwendung von Propofol kontraindiziert (nicht angezeigt), da es zu einer akuten Verstärkung der Mißempfindungen führt.

Myasthenia gravis

Die Myasthenia gravis ist eine Autoimmunerkrankung mit Bildung von Antikörpern gegen die Actylcholinrezeptoren der Muskelzelle im Bereich der Muskelendplatte. Muskelrelaxantien dürfen bei dieser Erkrankung nur in sehr eingeschränktem Umfang angewendet werden.

Nebenwirkungen und Komplikationen

Die primär anästhesiebedingte Mortalität soll bei 0,05 Promille liegen, dh. bei 5 von 100000 durchgeführten Narkosen.

Zum Vergleich: die primär anästhesiebedingte Mortalität von allgemeinchirurgischen Patienten soll bei 0,07-0,09 Promille liegen, die Gesamtmortalität liegt bei diesen Patienten jedoch bei 6 Promille (also knapp 100mal höher!). [Heck, M., Fresenius, M.: Repetitorium Anaesthesiologie 3. Aufl., 2001]

Im Folgenden eine (lückenhafte) Liste der Nebenwirkungen und Komplikationsmöglichkeiten von Narkosen:

Übelkeit und Erbrechen

Relativ häufige Nebenwirkung (bis zu 80% bei gynäkologischen Eingriffen). Diese Nebenwirkung (PONV = postoperative nausea and vomitus) geht meistens mit dem Gebrauch von bestimmten Opioiden in der Anästhesie einher und kommt nach der Wahl geeigneter Mittel seltener vor (z. B. TIVA mit Propofol).

Zahnschäden

Diese Komplikation ist häufig Folge der trachealen Intubation. Beim Einlegen des Tubus in die Luftröhre (lat.: Trachea) muss der Anästhesist mit Hilfe des Laryngoskopes die Zunge wegdrängen, um freie Sicht auf den Trachealeingang mit Stimmlippen und Kehlkopf zu haben. Bei diesem Vorgang kann es zur Schädigung von Oberkiefer-Frontzähnen kommen.

Die Häufigkeit soll bis zu 1% der Intubationen betragen. In den letzten Jahren setzt sich immer mehr die Verwendung der Larynxmaske durch. Bei Fehlen von Kontraindikationen kann der Einsatz der Larynxmaske diese Komplikation sicher vermeiden.

Fehlintubation

Zum Zwecke der Beatmung wird normalerweise das Ende des Beatmungstubus in der Luftröhre (Trachea) platziert.

Fehlintubationen sind:

  • Ösophagusintubation,
  • endobronchiale Intubation oder
  • Verletzung der Trachea (Penetration).

Im ersten Fall wurde der Tubus in die Speiseröhre (Oesophagus)eingeführt. Damit kann kein Gasaustausch stattfinden. Klnisch fällt -in Abhängigkeit von der Sauerstoffvoratmung- rasch eine Zyanose auf. Die Kapnografie/-metrie zeigt keine expiratorischen CO2-Werte an. Lediglich gleichzeitige Kallibrierung des Sensors, Coca-Cola-Genuß oder Antazida-Einnahme kurz vor Messung können zu Fehlinterpretationen führen (CO2-Blase im Magen).

Die Therapie besteht in der sofortigen Umintubation nach tracheal.

Bei der endobronchialen Intubation gelangt das distale Tubusende in einen der Hauptbronchien oder tiefer. Folge ist zumindest eine einseitige Ventilation mit resultierender pulmonaler Shuntdurchblutung. Die Diagnose kann durch Auskultation gestellt werden, indem in der nichtbelüfteten Lunge keine Vetilationsgeräusche festgestellt werden können.

Die Therapie besteht im kontrollierten Zurückziehen des Tubus unter Beatmung. Das Stethoskop sollte auf der nichtbelüfteten Lunge liegen während der Tubus langsam herausgezogen wird. Beim Auftreten von Atemgeräuschen liegt der Tubus korrekt.

Es sei darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Thoraxchirurgie und -intensivmedizin Techniken zur endobronchialen Intubation zweckgebunden in Anwendung kommen. Das kann der gezielten Ruhigstellung eines Lunegnflügels oder der seitengetrennten Beatmung dienen und somit gewollt sein.

Durch tracheale Verletzung kann das Tubusende nach paratracheal gelangen. Extrem seltenes Ereignis.

Aspiration von Mageninhalt

Die Aspiration von Mageninhalt ist eine der gefürchtetsten Komplikationen der Narkose.

In der Narkose sind normalerweise die Schutzreflexe erloschen. Dieser Zustand ist erwünscht. Es kann aber unter ungünstigen Verhältnissen dazu kommen, dass sich Mageninhalt passiv in den Rachen entleert und dann passiv in die Luftröhre und Lunge gelangt (Aspiration).

Hier können grobe Nahrungsbrocken zur Verlegung führen und die Ventilation beeinträchtigen. Die Folge ist die Ausbildung von Atelektasen, also unbelüftete Lungenabschnitten, die für den Luftaustasch nicht mehr zur Verfügung stehen.

In anderen Fällen kann es durch den niedrigen pH-Wert des Magensaftes zur Verätzung des empfindlichen Lungengewebes kommen. Man spricht von einer chemischen Pneumonitis, die zum ARDS führen kann. Dieses Krankheitsbild ist lebensbedrohlich und führt bei überstandener Krise oft zu Folgeschäden (Lungenfibrose). Diese sog. Aspirationspenumonie (Mendelson-Syndrom) erfordert immer Behandlungsmethoden der Intensivmedizin.

Der Vermeidung dient normalerweise die Nahrungkarenz vor Narkosen. So muss jegliches Essen für mindestens 8 Stunden vor Narkosen vermieden werden. Die Einnahme von 150ml einer klaren Flüssigkeit wird heute meistens in einem Zeitraum bis 4-3 Stunden vor der Narkose als unproblematisch angesehen.

Im Notfall oder unter besonderen Bedingungen muss das Risiko der Aspiration durch Medikamente (z. B. pH-Wert-Anhebung oder Verwendung von Magensonden und -blockern) minimiert werden.

intraoperative Wachzustände

Die Inzidenz wird mit bis zu 2% angegeben, wobei herzchirurgische und gynäkologische Eingriffe besonders häufig genannt werden.

Die Ursache liegt in der unzureichenden Narkosemittelbedarfsdeckung des Patienten, sei es durch Schwierigkeiten in der Interpretation der Narkosetiefe (z. B. Einsatz von Muskelrelaxantien, vorbestehender Drogenabusus) oder durch technische Dysfunktionen (z. B. Störungen in der zentralen Gasversorgung).

Als wichtigste Vermeidungsstrategie wird - wo möglich - der Verzicht auf die Anwendung von Muskelrelaxantien angesehen, so können reflexhafte Gliedmaßenbewegungen das drohende Gewahrwerden anzeigen. Andererseits wird der Einsatz von Benzodiazepinen und der kombinierte Einsatz von volatilen Anästhetika empfohlen.

In manchen Einrichtungen wird das Neuromonitoring in Form von EEG- und EP-Analysen eingesetzt. Diese Verfahren sind noch in der Entwicklung. Es gibt aber schon eine Reihe einsatzbereiter Geräte und engagierter Anwender (z. B. Narcotrend, siehe auch Abb. des Narkosegerätes oben).