Sellafield
Sellafield ist ein Dorf an der irischen See in Cumbria, Nord-West England, Großbritannien. Weltweit bekannt und Gegenstand dieses Artikels ist der nahe gelegene Nuklearkomplex gleichen Namens.
Allgemeines und Aktuelles
Auf dem Gelände befinden sich unter anderem zwei Wiederaufarbeitungsanlagen. Die ältere Anlage B205 verarbeitet abgebrannte Brennelemente aus den britischen Gas-Graphit-Reaktoren. Die neuere Anlage THORP ist für die Wiederaufarbeitung oxidischer Brennstoffe aus britischen und ausländischen Reaktoren ausgelegt. Die Anlagen sind wegen ihrer Einleitungen von radioaktiven Stoffen in die irische See umstritten. In den letzten 15 Jahren wurde jedoch auf behördlichen Druck eine deutliche Reduktion dieser Einleitungen durchgesetzt. Unter anderem wurde durch ein neues Abtrennverfahren die Einleitung des Isotops Technetium-99 fast vollständig beendet. Der Betrieb ist allerdings auch umstritten, weil Sellafield als Müllkippe für radioaktive Abfälle aus dem Ausland verwendet werde.
Ein Teil der Nuklearanlagen einschließlich der Wiederaufbreitungsanlagen wird von "British Nuclear Fuels plc." (BNFL), der Rest von der "United Kingdom Atomic Energy Authority" (UKAEA) betrieben.
In Sellafield wird im April 2005 ein Leck entdeckt, durch das etwa 83.000 Liter einer hoch radioaktiven, aus Schwefelsäure, Uran und Plutonium bestehenden Flüssigkeit über Monate hinweg unbemerkt entwichen sind. Die Flüssigkeit wurde jedoch in der Anlage aufgefangen. Nach Betreiberangaben sind Teile der Anlage schwer kontaminiert, eine Kontamination der Umwelt konnte verhindert werden. Es handelt sich um den schwersten Atomunfall in Großbritannien seit 10 Jahren. Die Öffentlichkeit wurde erst Wochen nach dem Störfall informiert, erste Presseberichte über den Störfall stammen vom 9. Mai 2005. Später berichtet der „Independent on Sunday“, dass das Rohr schon seit August 2004 leck sei, dies aber erst am 19. April entdeckt wurde. Dies ist der schwerste Zwischenfall in einer Atomanlage Großbritanniens seit 1992 und wurde von der Internationalen Atomenergieorganisation als ernst (INES: 3) eingestuft.
Geschichte

Der Komplex Sellafield hieß ursprünglich Windscale (benannt nach einem anderen Dorf in der Gegend).
Am 8. Oktober 1957 gab es im Reaktor Windscale (der nur zur Erzeugung von Plutonium für den Bau von Atombomben benutzt wurde) ein Feuer. Es war einer der schwerwiegendsten Atomunfälle vor Tschernobyl. Es kam zu einer erheblichen Freisetzung radioaktiver Stoffe. Die britische Regierung erließ in der Umgebung zeitweilig ein Verzehrverbot für Milch. Nach diesem Unfall wurde der Reaktor stillgelegt. Siehe auch: Windscale-Brand.
Der luftgekühlte, graphitmoderierte Windscale-Reaktor war die erste britische Produktionsanlage für waffenfähiges Plutonium-239, das für das britische Kernwaffenprogramm in den späten 1940er und 1950er Jahren errichtet wurde. In den hastigen Bemühungen, eine britische Bombe zu bauen, wurde kaum auf die Umwelt geachtet und radioaktiver Abfall einfach in die irische See geleitet.
Im September 2004 verklagte die EU-Kommission Großbritannien vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit dem Vorwurf, gegen den Euratom-Vertrag zu verstoßen. Nach diesem Vertrag sind für Wiederaufarbeitungsanlagen Kontrollen durch die Europäische Gemeinschaft vorgeschrieben. Dabei wird die Buchführung über die radioaktiven Materialien geprüft und mit den bei den Inspektionen vor Ort ermittelten Ergebnissen verglichen. Nach Darstellung der EU-Kommission sind in Sellafield wegen hoher Radioaktivität und schlechter Sichtverhältnisse keine Kontrollen in der Anlage möglich.
Umweltverschmutzung durch Sellafield
Die Irische See gilt mittlerweile als das radioaktiv am stärksten verseuchte Meer der Welt. Täglich gelangen durch die Anlage rund 8 Millionen Liter radioaktiv kontaminiertes Wasser in die Irische See. Daran haben auch neue Abtrennungsverfahren für hochradioaktive Stoffe wenig geändert. So werden durch das so genannte Verglasungsverfahren zwar die gefährlichsten Gammastrahler in Glas eingeschmolzen und zwischengelagert, jedoch gelangen – staatlich genehmigt – unter anderem Plutonium- und Technetiumpartikel ins Meer. Hierbei handelt es sich um Alphastrahler.
Wind und Wetter transportieren die strahlenden Partikel wieder zurück an Land, sodass in ganz Cumbria die Krebshäufigkeit angestiegen ist. Nicht nur in Cumbria, sondern in ganz Großbritannien lassen sich die radioaktiven Staubpartikel nachweisen, die zweifelsfrei nur aus der Wiederaufbereitung stammen können. Eine Untersuchung der Zähne britischer Kleinkinder hat ergeben, dass in ganz Großbritannien Plutonium- und Technetiumspuren in den Zähnen vorhanden sind. Je näher die Kinder an Sellafield wohnen, desto höher ist die Konzentration.
1997 musste in der Nähe der Wiederaufbereitungsanlage eine ganze Taubenpopulation getötet werden, da ihr Kot so stark verstrahlt war, dass dieser als Sondermüll entsorgt werden musste.