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Richtlinie 2010/75/EU über Industrieemissionen

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Flagge der Europäischen Union
Basisdaten der
Richtlinie 2010/75/EU
Titel: Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung)
Kurztitel: Industrieemissionenrichtlinie
Rechtsnatur: Richtlinie
Geltungsbereich: Europäische Union
Rechtsmaterie: Umweltrecht
Veröffentlichung: 17. Dezember 2010
(ABl. EG L 334, S. 17–119)
Inkrafttreten: 6. Januar 2011
Verabschiedung: 24. November 2010
In nationales Recht
umzusetzen bis:
7. Januar 2013
Umgesetzt durch: Deutschland:

1.) Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen: Änderung des BImSchG, WHG, KrWG, UmwRG, NiSG, UVPG, USchadG, StGB
2.) Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen, zur Änderung der Verordnung zur Begrenzung der Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen beim Umfüllen oder Lagern von Ottokraftstoffen, Kraftstoffgemischen oder Rohbenzin sowie zur Änderung der Verordnung zur Begrenzung der Kohlenwasserstoffemissionen bei der Betankung von Kraftfahrzeugen
3.) Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen, zur Änderung der Verordnung über Immissionsschutz- und Störfallbeauftragte und zum Erlass einer Bekanntgabeverordnung

Bitte beachte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung!

Die Industrieemissionsrichtlinie 2010/75/EU, engl. Industrial Emissions Directive, kurz IED genannt, ist eine EU-Richtlinie mit Regelungen zur Genehmigung, zum Betrieb und zur Stilllegung von Industrieanlagen in der Europäischen Union. Sie basiert auf einem Vorschlag der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2007 und wurde vom Europäischen Rat und Europäischen Parlament im Jahr 2010 verabschiedet. Die Richtlinie vereint sieben Vorläufer-Richtlinien mit Bezug zu Industrieemissionen und entwickelt diese teilweise weiter.

Anlass

Die Industrieemissionsrichtlinie ersetzt die bisherige Genehmigungsgrundlage für Industrieanlagen in EU-Mitgliedsländern, die sogenannte IVU-Richtlinie (2008/1/EG), sowie

Die früheren Richtlinien wurden nach einer mehrjährigen Auswertung durch umfangreiche Studien[1][2] an mehreren Stellen von der EU-Kommission überarbeitet und in den Vorschlag zur Industrieemissionsrichtlinie übernommen. Im Gesetzgebungsverfahren wurden anschließend durch das EU-Parlament und den Europäischen Rat lediglich diese Änderungsvorschläge diskutiert ('Recast'-Verfahren).

Zielsetzung

Die Richtlinie verfolgt das Ziel, die Umweltverschmutzung durch Industrieanlagen durch eine integrierte Genehmigung zu vermeiden oder so weit wie möglich zu vermindern. Dafür müssen Industrieanlagen mit der besten verfügbaren Technik (BVT) arbeiten, die in den BVT-Merkblättern der EU-Kommission veröffentlicht sind. Die BVT-Merkblätter (engl. BREF documents) werden von einem Autor der EU-Kommission unter Mitwirkung von Vertretern aus Behörden, Industrie und Umweltschutzverbänden in einem 2- bis 5-jährigen Diskussionsprozess erstellt (sog. Sevilla-Prozess).[3] Die BVT-Schlussfolgerungen basieren auf den BVT-Merkblättern. Über ihren Inhalt stimmen die Mitgliedstaaten ab. Anschließend werden die BVT-Schlussfolgerungen in alle EU-Sprachen übersetzt und im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Die Dokumente enthalten verbindliche Vorgaben (insbesondere zu Emissionswerten) zur Genehmigung der betroffenen Anlagen, deren Umsetzung die Behörden der Mitgliedstaaten spätestens 4 Jahre nach Veröffentlichung der BVT-Schlussfolgerungen sicher stellen müssen.

Betroffene Industriebranchen

Der Geltungsbereich der Richtlinie schließt folgende Industriezweige ein (teilweise ab vorgegebenen Einsatzmengen):

  1. Energiewirtschaft (z. B. Verbrennungsanlagen ab 50 MW Feuerungswärmeleistung, Öl-/Gasraffinerien)
  2. Herstellung und Verarbeitung von Eisen und Nichteisenmetallen (z. B. Stahlerzeugung ab 2,5 t/h)
  3. Mineralverarbeitende Industrie (z. B. Zementwerk-Drehrohröfen ab 500 t/d, Kalköfen ab 50 t/d, Glasöfen ab 20 t/d)
  4. Chemische Industrie (z. B. Herstellung von Chemikalien, Düngemittel, Pflanzenschutzmittel)
  5. Abfallbehandlungsanlagen zur Verwertung und Beseitigung (z. B. Deponie, Verbrennung, Mitverbrennung)
  6. Herstellung von Zellstoff
  7. Herstellung von Papier und Pappe (ab 20 t/d)
  8. Herstellung von Span-, OSB- und Faserplatten auf Holzbasis (ab 600 m3/d)(*)
  9. Vorbehandlung oder Färben von Textilfasern und Textilien (ab 10 t/d)
  10. Gerben von Häuten oder Fellen (ab 12 t/d)
  11. Nahrungsmittelproduktion (z. B. Schlachthäuser ab 50 t/d Schlachtkörper, Milchverarbeitung ab 200 t/d)
  12. Tierkörperbeseitigung (ab 10 t/d)
  13. Intensivtierhaltung (z. B. Geflügel ab 40.000 Plätzen, Mastschweine ab 2000 Plätzen je 30 kg)
  14. Oberflächenbehandlung mit organischen Lösemitteln ab 150 kg/h oder 200 t/Jahr (z. B. Appretieren, Bedrucken, Beschichten, Entfetten, Imprägnieren, Kleben, Lackieren, Textil-/Teile-Reinigen und/oder Tränken)
  15. Kohlenstoffherstellung
  16. CO2-Abscheidung(*)
  17. Konverservierung von Holz und Holzerzeugnissen (ab 75 m3/d)(*)
  18. bestimmte industrielle Abwasserbehandlungsanlagen(*)

Die mit (*) gekennzeichneten Industrieanlagen wurden mit der bis Ende 2012 geltenden IVU-Richtlinie (2008/1/EG) noch nicht geregelt.

Bisher wurden zu folgenden Branchen Merkblätter über beste verfügbare Techniken (BVT-Merkblätter) und BVT-Schlussfolgerungen veröffentlicht, deren Vorgaben - insbesondere hinsichtlich der Emissionswerte - spätestens 4 Jahre nach Bekanntmachung in den betroffenen Anlagen umgesetzt sein müssen:

  1. Eisen- und Stahlerzeugung, veröffentlicht am 8. März 2012[4]
  2. Glasherstellung, veröffentlicht am 8. März 2012[5]

Änderungen gegenüber der IVU-Richtlinie u.a. integrierter Richtlinien

Die IVU-Richtlinie sah bei Genehmigungen lediglich eine Berücksichtigung der besten verfügbaren Techniken (BVT) vor, die in den europäischen BVT-Merkblättern dokumentiert sind. Die Industrieemissionsrichtlinie verlangt hingegen die verbindliche Einhaltung der mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte spätestens vier Jahre nachdem diese als BVT-Schlussfolgerungen im EU-Amtsblatt veröffentlicht wurden (z.B. Staub-Tagesmittelwert für Sinteranlagen in der Eisen- und Stahlerzeugung: <1-15 mg/Nm3 oder in Altanlagen <20-40 mg/Nm3, falls Gewebefilter dort nicht angewendet werden können)[6]. Um die in den BVT-Schlussfolgerungen festgelegten Emissionswerte beim Betrieb der Anlage sicherzustellen, müssen von den Genehmigungsbehörden entsprechend niedrige Grenzwerte festgelegt werden.

Problematisch ist, dass Behörden von den mit BVT assoziierten Emissionswerten abweichen können, wenn die nationale Umsetzung der Richtlinie die Regelungen von Artikel 15 Absatz 4 übernimmt. Danach kann die zuständige Behörde in besonderen Fällen und wenn aufgrund des geografischen Standorts und der lokalen Umweltbedingungen oder technischen Merkmale der betroffenen Anlage die Festlegung der assoziierten Grenzwerte unverhältnismäßig wäre, von einer solchen Festlegung absehen. Aufgrund des Art. 193 AUEV kann ein EU-Mitgliedstaat schärfere Umweltregelungen einführen, d.h. er kann auf die Gewährung der Ausnahmen verzichten. Der Regierungsentwurf in Deutschland sieht vor, Ausnahmen zuzulassen, wenn wegen technischer Merkmale der betroffenen Anlage die Anwendung der BVT-Werte unverhältnismäßig wäre und wenn für maximal neun Monate Zukunftstechniken erprobt oder angewendet werden sollen. Zukunftstechniken sind so definiert, dass sie entweder ein höheres Umweltschutzniveau erreichen oder das gleiche Schutzniveau mit geringeren Kosten. Aufgrund des geografischen Standorts oder der lokalen Umweltbedingungen soll in Deutschland nicht von BVT-Werten abgewichen werden dürfen.[7]

Eine Neuerung gegenüber der IVU-Richtlinie ist die Bestimmung, dass Betreiber bestimmter Anlagen in den Genehmigungsunterlagen und bei Aktualisierung der Genehmigung über den Zustand des Bodens und des Grundwassers berichten müssen, damit bei Stilllegung der Anlage ein Vergleich mit dem Zustand im Zeitpunkt der Erstellung des sogenannten Ausgangszustandsberichts (engl. baseline report) möglich ist.

Bei der Integrierung der Richtlinie für Großfeuerungsanlagen (2001/80/EG) wurde die Regelung aufgenommen, dass EU-Staaten für Großkraftwerke einen nationalen Übergangsplan aufstellen können. Wenn solch ein nationaler Plan von der EU-Kommission akzeptiert wird, müssen alte Kohlekraftwerke nicht 2016 sondern erst 2020 die gleichen Grenzwerte wie neue Kraftwerke einhalten. Weiterhin gilt für alte Kraftwerke, die nicht erneuert werden sollen, eine Sonderregelung: sie dürfen weitere 17.500 Stunden bis 2023 betrieben werden.[8] In Deutschland ist nicht geplant, einen nationalen Plan zu erstellen.[7]

Während die höhere Verbindlichkeit der BVT-Merkblätter von europäischen Umweltschutzverbänden begrüßt wird, stehen die Regelungen zu Großkraftwerken stark in deren Kritik.[9]

Inkrafttreten und Umsetzung in nationales Recht

Die Richtlinie trat am 6. Januar 2011 in Kraft. Die Umsetzung in nationales Recht der EU-Mitgliedstaaten muss bis zum 7. Januar 2013 erfolgen.

Umsetzung in Deutschland

In Deutschland sind mehrere hundert Intensivtierhaltungsanlagen sowie mehr als 9 000 industrielle Anlagen von der Industrieemissionsrichtlinie betroffen, davon ca. 1 800 Großfeuerungsanlagen, 130 Abfallverbrennungsanlagen und Anlagen zur Abfallmitverbrennung (v.a. Zementwerke), 7.069 Lösemittel einsetzende Anlagen (davon 329 große und 6.740 kleine bzw. mittlere Anlagen) und 6 Titandioxid produzierende Anlagen.[10][11]

Deutschland vollzieht die Umsetzung insbesondere mit Novellen bestehender Gesetze, v.a. des[7]

Der Bundestag stimmte dem Gesetz am 8. November 2012 zu, der Bundesrat am 14. Dezember 2012.[12][13] Die Verkündung im Bundesgesetzblatt erfolgte nicht innerhalb der von der EU gesetzten Umsetzungsfrist bis 7. Januar 2013; mit der Veröffentlichung ist aber noch im Januar 2013 zu rechnen. (Stand: 14. Januar 2013).[14]

Weitere Änderungen erfolgen in zwei Verordnungspaketen, von denen das erste Paket[10] lediglich die Zustimmung des Bundesrates benötigt und folgende Verordnungen beinhaltet:

  • Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV)
  • Bekanntgabeverordnung (41. BImSchV, neu)
  • Verordnung über Immissionsschutz- und Störfallbeauftragte

Das zweite Verordnungspaket[11] benötigt die Zustimmung von Bundesrat und Bundestag, da es zahlreiche Emissionsgrenzwerte betrifft, u.a. zu

Die erste Beratung des Bundestags zum Gesetzentwurf fand am 27. September 2012 statt. Ohne Debatte überwiesen die Fraktionen den Gesetzentwurf in die zuständigen Ausschüsse.[15]

Der Bundesrat beriet am 6. Juli 2012 über den Gesetzesentwurf und schlug zahlreiche Änderungen vor.[16] Die Bundesregierung hat einen Teil der Änderungsvorschläge zurückgewiesen, jedoch auch einige Vorschläge in der Beschlussvorlage für den Bundestag berücksichtigt.[17]

Im federführenden Umweltausschuss des Bundestags fand am 15. Oktober 2012 die öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf und zum Entwurf der zustimmungspflichtigen Umsetzungsverordnungen statt. Während die Sachverständigen der Industrie (BDI, Vattenfall) die Entwürfe der Bundesregierung begrüßten, forderten andere Sachverständige (Ökopol, BZL) schärfere Grenzwerte für Stickstoffoxide, Staub und Quecksilber aus Kohlekraftwerken, um die Gesundheit zu schützen und internationale Vereinbarungen einzuhalten (Göteborg Protokoll, NEC-Richtlinie). Die Entwürfe der Bundesregierung entsprächen weder dem Stand der Technik noch den von der EU-Kommission dokumentierten besten verfügbaren Techniken.[18][19][20] Anstelle der geplanten 10 µg/Nm3, die bestehende Anlagen im Jahresmittel ab 2019 einhalten sollen, hatte auch das Umweltbundesamt eine Senkung der Quecksilberemissionen aus Kohlekraftwerken auf 3 µg/Nm3 im Tagesmittel ab 2016 und 1 µg/Nm3 im Jahresmittel ab 2019 empfohlen.[21] Das Umweltbundesamt hatte auch die Wirksamkeit von Stickstoffoxid-Minderungsmaßnahmen in großen bestehenden Kraftwerken aufgezeigt, für die keine Grenzwertminderungen vorgesehen sind; insbesondere für Steinkohlekraftwerke hatte das Umweltbundesamt ein hohes Nutzen-Kosten-Verhältnis aufzeigt, für Braunkohlekraftwerke ein mittleres, nur teilweise niedriges Nutzen-Kosten-Verhältnis.[22]

Am 17. Oktober 2012 stimmte der Umweltausschuss des Bundestags mit den Stimmen der Regierungskoalition (CDU/CSU und FDP) den Regierungsentwürfen der zustimmungspflichtigen Umsetzungsverordnungen zu.[23] Am 18. Oktober 2012 stimmte auch der Bundestag mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP den Verordnungsentwürfen der Regierung ohne Debatte zu; die fünf vorbereiteten Reden wurden in das Protokoll aufgenommen. Die SPD enthielt sich, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke stimmten gegen den Entwurf. Ein Antrag der SPD auf Gleichsetzung der Emissionsgrenzwerte für Abfallverbrennungsanlagen mit den für mehrere Schadstoffe bisher weniger strengen Grenzwerten bei der Abfallverbrennung in Zementwerken, Kraftwerken und anderen Anlagen wurde ohne Debatte mit den Stimmen der Regierungsfraktionen abgelehnt.[24]

Die zweite und dritte Beratung zum Gesetzentwurf fand am 8. November 2012 statt. Es erfolgte keine Debatte; die Reden wurden lediglich ins Protokoll genommen. Die Beschlussempfehlung[25] des Umweltausschusses zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 15. August 2012[26] wurde mit den Stimmen der Regierungskoalition angenommen. Die SPD enthielt sich, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke stimmten gegen die Gesetzesvorlage.[12]

Am 29. November 2012 behandelte der Umweltausschuss des Bundesrates als 19. Tagesordnungspunkt:[27]

  • das bereits am 6. Juli 2012 erstmals im Bundesrat behandelte Gesetz zur Umsetzung der Industrieemissionsrichtlinie, dem der Bundestag am 8. November 2012 in leicht veränderter Fassung nach zweiter und dritter Beratung mehrheitlich zugestimmt hat,
  • das erste Verordnungspaket zur Umsetzung der Industrieemissionsrichtlinie, das keine Zustimmung des Bundestages benötigt (Drucksache 319/12)[10]
  • das zweite Verordnungspaket zur Umsetzung der Industrieemissionsrichtlinie, dem der Bundestag nach erster Beratung am 18. Oktober 2012 zugestimmt hat (Drucksache: 676/12)[11]

Die von Regierung und Bundestag übernommenen Änderungsvorschläge des Bundesrates zum Gesetzespaket (vom 6. Juli 2012) reichten den Ausschüssen, um eine Zustimmungsempfehlung auszusprechen.[28] Die erstmals behandelten Verordnungen gaben den Mehrheiten in den Bundesrat-Ausschüssen Anlass für zahlreiche Änderungsanträge.[29][30][31]

Am 14. Dezember 2012 stimmte der Bundesrat dem vom Bundestag leicht abgeänderten Gesetzentwurf der Bundesregierung zu.[13] Hinsichtlich des zweiten Verordnungspaketes, das zahlreiche Emissionsgrenzwerte beinhaltet, schlug der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates u.a. vor, mehrere von Bundesregierung und Bundestag beschlossene Emissionsminderungen für Staub und Quecksilber aus bestehenden Kohlekraftwerken sowie für Staub, Stickstoffoxide, Quecksilber, Zinn und Benzo(a)pyren aus Müll verbrennenden Anlagen zu verhindern. Antragsbegründungen des Wirtschaftsausschusses und zugehörige Bundesratsbeschlüsse vom 14. Dezember 2012:[30][13]

  • Streichung des in Deutschland ab 2016 geplanten neuen Quecksilber-Grenzwertes von 0,01 mg/Nm3 im Jahresmittel für Kohlekraftwerke, da dieser nicht europaweit eingeführt wird und der Grenzwert "insbesondere bei den kleineren Anlagen" schwer einzuhalten sei. => Antrag mehrheitlich abgelehnt.
  • Streichung des in Deutschland ab 2019 zusätzlich zum Staubgrenzwert von 20 mg/Nm3 im Tagesmittel geplante neue Staubgrenzwert von 10 mg/Nm3 im Jahresmittel für bestehende große Kohlekraftwerke ab 300 MW, denn dieser führe dazu, dass in der Zeit, in der die letzten Kernkraftwerke vom Netz gehen, "gleichzeitig weitere fossil befeuerte Bestandsanlagen aus dem Markt genommen werden müssten". Die Verbesserung der Staubfilter verursache "in bestehenden Anlagen einen unverhältnismäßigen Aufwand". => Antrag mehrheitlich abgelehnt.
  • Streichung der in Deutschland ab 2016 geplanten Halbierung des Staubgrenzwertes auf 5 mg/Nm3 im Tagesmittel für Müllverbrennungsanlagen, da dieser nicht europaweit eingeführt wird und nicht "im Sinne gleicher Wettbewerbsbedingungen" sei. => Antrag mehrheitlich abgelehnt.
  • Streichung der in Deutschland ab 2016 geplanten Senkung des Staubgrenzwertes auf 10 mg/Nm3 im Tagesmittel für Zementwerke, Kalkwerke, Kraftwerke und andere Anlagen, die Müll mitverbrennen, da dieser nicht europaweit eingeführt werde und bei bestehenden Anlagen zu erheblichem Nachrüstungsbedarf führe. => Antrag mehrheitlich abgelehnt.
  • Streichung der in Deutschland ab 2016 geplanten Senkung des Grenzwertes für Stickstoffoxide von 200 mg/Nm3 auf 150 mg/Nm3 im Tagesmittel für Müllverbrennungsanlagen (bei bestehenden Anlagen ab 2019), da dieser nicht europaweit eingeführt wird. Der Wert führe zu "zusätzlichen Belastungen der betroffenen Unternehmen und darüber hinaus zu einer Wettbewerbsbenachteiligung gegenüber europäischen Wettbewerbern". => Antrag mehrheitlich abgelehnt.
  • Streichung des in Deutschland ab 2019 geplanten neuen Quecksilber-Grenzwertes von 0,01 mg/Nm3 im Jahresmittel für Müllverbrennungsanlagen, da dieser nicht europaweit eingeführt wird. Die Nachrüstungsmaßnahmen seien aufwändig und lieferten "keinen signifikanten Beitrag zur Senkung der Gesamtquecksilberemissionen in Deutschland". => Antrag mehrheitlich abgelehnt.
  • Streichung des in Deutschland ab 2019 geplanten neuen Quecksilber-Grenzwertes von 0,01 mg/Nm3 im Jahresmittel für Müll mitverbrennende Zementwerke, Kalkwerke, Kohlekraftwerke und andere Anlagen, da dieser nicht europaweit eingeführt wird. => Antrag mehrheitlich abgelehnt.
  • Streichung der in Deutschland ab 2016 geplanten neuen Emissionsgrenzwerte für Zinn und Benzo(a)pyren aus Müllverbrennungsanlagen und Müll mitverbrennenden Anlagen, da diese nicht europaweit eingeführt werden. => Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Weitere Änderungsvorschläge und Beschlüsse:[30][13]

  • Wirtschafs- und Umweltausschuss: Beim An- und Abfahren von Kraftwerken sollten anstelle der regulären Emissionsgrenzwerte Sonderregelungen für höhere Emissionswerte von der Behörde getroffen werden können. => Antrag mehrheitlich angenommen.
  • Wirtschaftsausschuss: Wenn "zuverlässig nachgewiesen" ist, dass eine Müllverbrennungsanlage oder eine Müll mitverbrennende Anlage den Quecksilbergrenzwert zu weniger als 20% in Anspruch nimmt, soll die Behörde auf Antrag auf eine kontinuierliche Quecksilbermessung verzichten können. Dies entspricht der bisher in der 17.BImSchV festgelegten Ausnahme. Eine Verschärfung sei nicht gerechtfertigt. => Antrag mehrheitlich angenommen.
  • Umweltausschuss: Streichung der Ausnahmemöglichkeit zur Erhöhung des Quecksilber-Grenzwertes im Tagesmittel bei Müll mitverbrennenden Zementwerken von 0,03 mg/Nm3 auf 0,05 mg/Nm3, weil erprobte Sorptionsmittel wie Aktivkohle und Herdofenkoks zur Quecksilberabscheidung zur Verfügung stehen und eine Ausnahme daher nicht erforderlich ist. => Antrag mehrheitlich abgelehnt.
  • Umweltausschuss: Bei der Giftigkeitsbewertung von Dioxinen und Furanen sollten die von der Weltgesundheitsorganisation nach neuem Stand der Wissenschaft 2005 festgelegten Giftigkeitsfaktoren ("WHO-TEF 2005") übernommen werden und die zu messende Schadstoffliste um zwölf polychlorierte Biphenyle erweitert werden. => Antrag mehrheitlich angenommen.
  • Umweltausschuss: Grenzwerte für Ammoniak, die im Referentenentwurf von 17. April 2012 bereits vorgesehenen waren und im Regierungsentwurf vom 4. September 2012 gestrichenen wurden, sollten - mit erhöhten Werten - wieder aufgenommen werden. Dadurch soll bei Anwendung einer katalytischen oder nicht-katalytischen Stickstoffoxidminderung für Müllverbrennungsanlagen ein Grenzwert von 10 mg/m3 im Tagesmittel und 15 mg/m3 im Halbstundenmittel gelten; für Müll mitverbrennende Zement- und Kalkwerke soll ein Grenzwert von 30 mg/m3 im Tagesmittel gelten, wobei Ausnahmen zulässig sein sollen, wenn diese "auf Grund der Zusammensetzung der natürlichen Rohstoffe erforderlich" seien und ausgeschlossen werden könne, dass durch den Einsatz von Abfällen und Stoffen zusätzliche Emissionen an Ammoniak entstünden. => Antrag mehrheitlich angenommen.

Verabschiedungen der Verordnungspakete erfolgten nicht fristgerecht bis zum 7. Januar 2013. Sie finden voraussichtlich wenige Wochen verspätet in den ersten Sitzungswochen 2013 statt. Die Änderungsvorschläge zu den Umsetzungsverordnungen werden derzeit von der Bundesregierung geprüft und ggf. abgeänderte Verordnungspakete erarbeitet. (Stand: Januar 2013)

Das ggf. veränderte erste Verordnungspaket geht dann erneut in den Bundesrat. Der Umweltausschuss des Bundesrates kann frühestens auf seiner Sitzung am 15. Januar 2013 eine Zustimmungsempfehlung für das Bundesratsplenum aussprechen, das in diesem Fall am 1. Februar 2013 dem ersten Verordnungspaket zustimmen könnte.

Das ggf. veränderte zweite Verordnungspaket, das Grenzwerte beinhaltet, braucht zunächst die erneute Zustimmung des Bundestags, der über das Paket frühestens in den Sitzungswochen 14.-18. Januar 2013 oder 28. Januar bis 1. Februar 2013 beraten wird.[32] Anschließend wird das zweite Verordnungspaket an den Bundesrat weiter geleitet, wo es der Umweltausschuss frühestens am 14. Februar behandeln könnte. Wird keine Einberufung des Vermittlungsausschusses empfohlen, könnte der Bundesrat dem zweiten Verordnungspaket frühestens am 2. März 2013 zustimmen.[33]

Text der Richtlinie

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Hintergrundstudien zur IED-Richtlinie (engl.)
  2. Beispiel einer Hintergrundstudie zur IED-Richlinie Sander/Tebert/Schilling/Jepsen: Umsetzung und Weiterentwicklung der Abfallverbrennungsrichtlinie 200/75/EG, Ökopol im Auftrag der EU-Kommission, 2007 (engl.)
  3. [1] Durchführungsbeschluss der Kommission vom 10. Februar 2012 mit Leitlinien für die Erhebung von Daten sowie für die Ausarbeitung der BVT-Merkblätter und die entsprechenden Qualitätssicherungsmaßnahmen gemäß der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Industrieemissionen. (2012/119/EU)
  4. Schlussfolgerungen zu den besten verfügbaren Techniken (BVT) gemäß der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Industrieemissionen in Bezug auf die Eisen- und Stahlerzeugung, Durchführungsbeschluss der Kommission vom 28. Februar 2012
  5. Schlussfolgerungen zu den besten verfügbaren Techniken (BVT) gemäß der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Industrieemissionen in Bezug auf die Glasherstellung, Durchführungsbeschluss der Kommission vom 28. Februar 2012
  6. BVT-Schlussfolgerungen für die Eisen- und Stahlerzeugung, Kap. 1.2, S. 77, Durchführungsbeschluss, Europäische Kommission, EU-Amtsblatt, 8. März 2012.
  7. a b c Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen (BT-Drs. 17/10486) Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „Gesetzentwurf“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  8. Ralf Ahrens: Kompromiss mit Schwächen. In: VDI-Nachrichten, Düsseldorf, 16. Juli 2010. http://www.vdi-nachrichten.com/artikel/EU-Richtlinie--Kompromiss--mit-Schwaechen/48753/2
  9. Christian Schaible, EU Puts Industry Interests First. European Environmental Bureau (EEB), Brüssel, 18. Juni 2010. http://www.eeb.org/EEB/index.cfm/news-events/news/eu-puts-industry-interests-first/
  10. a b c Verordnungsentwurf zur IED-Umsetzung (Bundesrat-Drucksache 319/12), "Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen, zur Änderung der Verordnung über Immissionsschutz- und Störfallbeauftragte und zum Erlass einer Bekanntgabeverordnung"
  11. a b c Verordnungsentwurf zur IED-Umsetzung (Bundestag-Drucksache 17/10605) Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „Verordnungsentwurf2“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  12. a b Sitzungsprotokoll, TOP 28 "Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen", 204. Sitzung des Bundestages vom 8. November 2012, Seite 23384ff
  13. a b c d Plenarprotokoll zur 904. Bundesratsitzung am 14. Dezember 2012
  14. Bundesgesetzblatt online
  15. Sitzungsprotokoll, TOP 47 a) "Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen - Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen", 195. Sitzung des Bundestages vom 27. September 2012, Seite 23384ff
  16. 899. Sitzung des Bundesrates am 6. Juli 2012, TOP 28 "Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen"
  17. Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates vom 6. Juli 2012, Bundesregierung, 15. August 2012
  18. Textarchiv des Bundestages zur Anhörung am 15. Oktober 2012
  19. Bundestagsmeldung zur Anhörung am 15. Oktober 2012
  20. Stellungnahmen zur Anhörung am 15. Oktober 2012
  21. VDI-Artikel USA setzen Maßstäbe bei Verringerung von Quecksilberemissionen, Ralph Ahrens, VDI-Nachrichten, Düsseldorf, 24. Februar 2012
  22. Hintergrundpapier zu einer multimedialen Stickstoffemissionsminderungsstrategie, Anhang 2 (Maßnahmenkatalog), Kapitel 2.4, Seite 108, Umweltbundesamt, Dessau, April 2009
  23. Pressemeldung des Bundestages zur Umweltausschuss-Sitzung am 17. Oktober 2012
  24. Sitzungsprotokoll, TOP 27 "Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen - Beratung zur Verordnung der Bundesregierung", 198. Sitzung des Bundestages vom 18. Oktober 2012, Seite 24018ff
  25. Beschlussempfehlung des Umweltausschusses zum Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen, Drucksache 17/10486, 7. November 2012
  26. Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen, Drucksache 17/10486, 15. August 2012
  27. Tagesordnung der Sitzung des Umweltausschusses des Bundesrates am 29. November 2012
  28. Empfehlung der Ausschüsse zum Gesetz zur Umsetzung der Industrieemissionsrichtlinie, Drucksache 701/1/12, 3. Dezember 2012
  29. Empfehlung der Ausschüsse zum ersten Verordnungspaket zur Umsetzung der Industrieemissionsrichtlinie, Drucksache 319/1/12, 3. Dezember 2012
  30. a b c Empfehlung der Ausschüsse zum zweiten Verordnungspaket zur Umsetzung der Industrieemissionsrichtlinie, Drucksache 676/1/12, 3. Dezember 2012
  31. Tagesordnung und Ausschussempfehlungen zur 904. Bundesratsitzung am 14. Dezember 2012
  32. Sitzungskalender des Deutschen Bundestags
  33. Sitzungstermine des Bundesrates