Brüder Wright
Die Brüder Wright, Orville Wright (* 19. August 1871 in Dayton, Ohio; † 30. Januar 1948) und Wilbur Wright (* 16. April 1867 in Melville, Indiana; † 30. Mai 1912 in Dayton, Ohio) sind Pioniere des Motorfluges.

Bedeutung
Die Brüder Wright begründeten den Motorflug: Sie führten den ersten Flug mit einem frei fliegenden, sich mit eigener Kraft vorwärtsbewegenden Flugapparat nach dem Prinzip "schwerer als Luft" durch. Hierüber gibt es jedoch eine Kontroverse (siehe unten).
Anfänge


Wilbur und Orville Wright wuchsen als dritter bzw. vierter Sohn eines protestantischen Bischofs († 1917) in Dayton, Ohio, USA auf. Sie interessierten sich bereits sehr früh für die Technik und dabei auch für die Fliegerei, was nach ihrer eigenen Erinnerung damit begann, dass ihr Vater ihnen im Sommer 1878 ein Schraubenflieger-Spielzeug, ein sogenanntes "Hilicoptere" schenkte, welches die beiden nachbauten, nachdem es zerbrach. Selbstverständlich haben sie auch häufig selbstgebaute Drachen steigen lassen, dies war seit Benjamin Franklins Versuchen mit elektrischen Ladungen speziell unter der Jugend in den USA überaus populär.
Durch den Sezessionskrieg verarmt, konnte Bischof Wright seine Söhne nicht studieren lassen, woraufhin diese Mitte der 1880er Jahre damit begannen, eine Druckerei zu betreiben. Sie druckten Lokalzeitungen, Kirchenzeitungen und Kataloge und am Ende des Jahrzents waren sie mit einer selbst gegründeten Zeitung sogar journalistisch tätig. Dabei übernahmen sie alle wesentlichen Arbeiten bis hin zum Vertrieb selbst. Ihre Pläne, eine Fabrik für Verbrennungsmotoren aufzubauen, mussten sie mangels Kapital allerdings aufgeben. Es reichte nur für eine Fahrrad-Reparaturwerkstätte, welche sie 1890 in Dayton eröffneten und so gut führten, dass schon drei Jahre später eine Fabrik, die Wright Cycling Company daraus geworden war - ein Jahr zuvor hatten sie einige der ersten der so genannten Safety Bikes (Fahrräder mit zwei gleich großen Reifen, was das Fahrradfahren einfacher und populärer machte) erworben. Die Brüder Wright waren durch eigene Anstrengung zu hervorragenden Mechanikern geworden, Zeitgenossen beschrieben sie als bescheiden, pünktlich, fleißig und ein bescheidenes Leben führend. Mit der Fahrradwerkstatt sicherten sie einerseits ihre materielle Existenz, andererseits sammelten sie Erfahrungen, die ihnen später beim Flugzeugbau zugute kamen, zum Beispiel Fragen der Balance, des leichten Gewichts, des Kettenantriebs und der Aerodynamik. 1895 erweiterten sie ihr Unternehmen mit einem ersten selbst entwickelten Fahrradmodell. Bis zum Jahr 1900 entstanden so rund 300 einzeln angefertigte Fahrräder.
Theorie des Fliegens
Die Wrights bewunderten Otto Lilienthal außerordentlich und waren von seinem tödlichen Absturz erschüttert. Daraufhin beschlossen sie, die Unglücksursache zu erforschen und einen sicheren Flugapparat zu bauen. Sie gingen ebenso systematisch wie Lilienthal vor und begannen noch 1886 mit dem Studium aller flugtechnischen Literatur, insbesondere von Sir George Cayley, Octave Chanute, James Means (1853 bis 1920), Louis Pierre Mouillard (1834–1897) und natürlich Otto Lilienthal. In ihrer Autobiographie schrieben sie: "Mouillard und Lilienthal, die großen Propheten des Fluges, erfüllten uns mit ihrer unauslöschlichen Begeisterung und verwandelten die große Neugier in den Eifer von Schaffenden". Am 30. Mai 1899 wandte sich Wilbur an das Smithsonian Institute in Washington mit der Bitte um Nachweis weiterer Literatur, in diesem Schreiben brachte er seine Überzeugung zum Ausdruck, dass "der Flug des Menschen möglich und praktisch realisierbar ist". Er verwandte alle Zeit, die ihm der Betrieb ließ, auf das Studium flugtechnischer Probleme: "Es ist mein Wunsch, mir alles anzueignen, was darüber schon bekannt ist, um dann nach Möglichkeit mein Scherflein zum schließlichen Erfolg eines künftigen Erfinders beizutragen."
Doppeldecker-Gleitapparat

Wilbur l., Orville r. in Kitty Hawk, North Carolina 1901
1899 begannen die Brüder mit dem Bau des ersten Flugapparates, einem Doppeldecker-Gleitapparat. Er besaß bereits ein äußerst wichtiges Merkmal: die Verwindung der Tragflächen, mit der die waagerechte Lage immer wieder hergestellt werden konnte. Edmund Rumpler sagte zu dieser Erfindung, "... welche direkt dem Vogelflug nachgebildet ist", sie hatte "...hauptsächlich dazu beigetragen, die großen Erfolge der Brüder Wright herbeizuführen". Die Wrights verließen sich zunächst auch auf die Tabellen von Lilienthal, fanden jedoch heraus, dass der Smeaton-Koeffizient, eine Variable in den Formeln für Auftrieb und Luftwiderstand, fehlerhaft war. Um praktische Tests durchzuführen, ließen sie von ihrem Angestellten Charlie Taylor einen Windkanal bauen. Die Konstruktion als Doppeldecker brachte für den zukünftigen Motoreinbau gewaltige Vorteile: Solch eine Konstruktion erzeugt bei gleicher Spannweite mehr Auftrieb, so dass der Apparat bereits bei einer geringeren Geschwindigkeit abhob. Der Nachteil des erhöhten Luftwiderstands kam bei den geringen Geschwindigkeiten jener Zeit noch nicht zum Tragen.
Oktober 1900 erprobten die beiden Brüder den Doppeldecker-Gleitflug erst einmal unbemannt auf den von ihnen eigens für Flugversuche erworbenen Gelände in Kill Devil Hills bei Kitty Hawk in North Carolina, einem Ort auf den Outer Banks an der Atlantikküste, der sich wegen starker und konstanter Winde besonders eignete. Im Sommer 1901 erlaubte ein verbesserter Apparat bemannte Gleitflüge bis zu 100 m und bei bis zu 35 km/h Gegenwind, wobei der Pilot im Apparat lag. Im Herbst lud man dann Octave Chanute, den inzwischen fast 70-jährigen "großen alten Mann" der amerikanischen Fliegerei, ein den Experimenten beizuwohnen. Er half mit seinem Assistenten Augustus M. Herring (1865 bis 1926) uneigennützig, den Gleitapparat zu verbessern und war ein enthusiastischer Fürsprecher der Wrights, sowohl in den USA wie auch in Europa.
Bei den Versuchsflügen machte man mit dem negativen Wendemoment eine weitere bedeutende flugtechnische Entdeckung: der Kurvenflug nur mittels Flügelverwindung gelang nicht. Erst durch Anbringen eines beweglichen Seitenruders und dessen synchronen Ausschlägen mit der Flügelverwindung gestattete es, das negative Moment aufzuheben und dadurch beliebig zu manövrieren. Alfred Hildebrand, er würdigte die Aktivitäten als erster in Deutschland, schrieb nach einem Treffen in den USA: "Man hat das Gefühl, dass man Leute vor sich hat, auf die man sich in jeder Beziehung und in allen Lagen des Lebens verlassen kann." Und: "Ihre Ruhe verlieren sie nie, nie ließen sie sich zu etwas drängen, das sie nicht wollten; nie ließen sie sich verleiten, einen Flugversuch zu wagen, in einem Wetter, das ihnen ungünstig war." Die Flugversuche standen aber immer im Vordergrund, Wilbur hatte den Grundsatz:" Wenn man vollkommene Sicherheit will, tut man gut daran, sich an ein Fenster zu setzten und die Vögel zu beobachten - wenn man aber wirklich etwas lernen will, muss man einen Flugapparat besteigen und sich durch praktische Versuche mit seinen Eigenheiten vertraut machen." In den Jahren 1901 bis 1903 folgten zahlreiche Gleitflüge mit dem Doppeldecker-Gleiter, allein 1902 über 1.000, der längste über 622,5 m bei 26 s Flugzeit. Nach diesen Erfolgen beantragten die Wrights am 23. März 1903 ein Patent ihres Flugzeugentwurfs und entschlossen sich, den Apparat mit einen Motor auszurüsten.
Doppeldecker-Motorflugzeug

Die Wrights schnitten einen Propeller mit einem hohen Wirkungsgrad und ließen, da nirgends ein geeignetes Triebwerk zu bekommen war, sich von Taylor in der Fahrradfabrik eins herstellen. Binnen kürzester Zeit entstand ein gerade einmal 110 kg schwerer, wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Benzinmotor, der 12 PS abgab. Zur Kompensation der Momente erhielt der Flugapparat zwei gegenläufige Luftschrauben, deren Antrieb über Rollenketten vonstatten ging, welche in Rohren liefen, um Vibrationen zu vermeiden.
Am Vormittag des 17. Dezember 1903 war es dann so weit, Orville Wright eroberte mit dem Flyer die Lüfte. Er war 12 Sekunden lang in der Luft und legte dabei 37 m zurück (10,8 km/h). Unmittelbar folgte Wilbur, jeder flog an diesem Tag zweimal. Wilbur gelang dabei ein Flug von 59 Sekunden und 260 Meter Flugstrecke (19 km/h) [1]. Orville sagte später darüber, es war das erste Mal in der Geschichte, dass "eine Maschine mit einem Menschen sich selbst durch ihre eigene Kraft im freiem Flug in die Luft erhoben hatte, in waagerechter Bahne vorwärts geflogen und schließlich gelandet war, ohne zum Wrack zu werden." Die Kitty Hawk maß 12,3 m in der Spannweite, 6,4 m in der Länge und 2,8 m in der Höhe, sie bestand aus Holz und einer Stoffbespannung, ihr Fluggewicht betrug 340 kg und der Pilot lag unverändert auf der unteren Tragfläche.
Weiterentwicklung
In den Jahren 1904 und 1905 perfektionierten die Brüder ihren Apparat, wobei sie allein 1904 immerhin 105 Flüge durchführten und immer neue Rekorde aufstellten. Hierzu nutzten sie die Huffman Prairie, eine Kuhweide östlich von Dayton als Flugfeld, wobei sie ein Katapultsystem mit 700 kg Fallgewicht zum Start einsetzten, um den fehlenden Wind in dieser Region auszugleichen. Das Gelände ist heute Bestandteil der Wright-Patterson Air Force Base. Insbesondere gelang am 20. September 1904 der erste Kreisflug, das bedeutet, der Apparat landete wieder am Startplatz. Am 4. Oktober 1905 geland in Dayton mit 33 min 17 s der erste Motorflug über eine halbe Stunde. Alle diese Angaben konnten die Experten und die Öffentlichkeit ab dem 04. September 1908 aus den Tagebücher der Wrights entnehmen. Einige Fachleute wie der Amerikaner Archdeacon, Voisin und Captain Ferber, die schon seit 1905 Briefwechsel mit den Wrights führten, zweifelten aber an den Angaben der Wrights. Am 8. August 1908 führte Wilbur Wright seinen ersten öffentlichen Motorflug in Le Mans mit dem französischen Motor "Barriquand et Marre" mit einem 30 PS starken Motor, den die Gebrüder Wright 1907 bei ihrem Besuch in Frankreich erwarben, vor einem sachkundigen Publikum vor. Knapp 2 Jahre nach dem "Bird of Prey", den ersten beglaubigten und öffentlichen Motorflug, am 12. November 1906 durch Alberto Santos Dumont. Nach 10 Wochen Spott und Pannen seit Ende Mai 1908 in Frankreich war der Flug für die Wrights eine Genugtuung. Wilbur Wright flog im Gegensatz zu seinen früheren Flügen mit einem reinen Flügel-Doppeldecker-Flugzeug, welches die Gebrüder Wright seit 1900 immer wieder weiter entwickelten, erstmals zusätzlich mit einem Längskörper, wo am Ende ein kleines Doppeldecker-Flügelpaar (heute Einfachdecker) angebracht war. Diese Neuerung hatte Alberto Santos Dumont 1906/1907 neben seinem relativ starken Motor und der verbesserten Propellerform erstmals bei seinen Flügen gezeigt. Damit konnten die Wrights ihre bisherigen instabilen Motorflüge verbessern.
Ab 1905 gelang der Motorflug auch in Europa schrittweise: Am 18. März 1906 schaffte Traian Vuia in Frankreich einen 12 m-Sprung, am 12. September 1906 der Däne Jacob Christian Hansen Ellehammer auf der Insel Lindholm einen solchen mit 40 m Weite. Alberto Santos-Dumont flog am 13. September 1906 in Frankreich 13 m, am 23. Oktober 1906 50 m und im November 220 m. Der erste Überlandflug fand am 30. Oktober 1908 statt, Henri Farman flog in 27 min die 20 km von Bouy nach Reims. Orville und Wilbur verstärkten daraufhin ihre Anstrengungen.
Vorführungen und Anerkennung
Um ihre Patentrechte zu schützen, gestatteten die Wrights bei ihren frühen Flügen nur wenige Augenzeugen. Sie dokumentierten aber die ersten Schritte des motorisierten Fluges und andere Details jener Zeit mit über 300 selbst aufgenommenen Fotografien. Noch 1907 begab sich Wilbur nicht nur ohne Flugapparat, sondern auch ohne jegliche Konstruktionspläne nach Frankreich, um Informationen über Motorflüge in Europa zu sammeln und einen geeigneten Motor zu erwerben.
Erst das Jahr 1908 brachte Anerkennung, sowohl in den USA wie auch in Europa: Am 9. September 1908 fand in (Virginia) im Rahmen einer Demonstation für die US Army der erste Flug über eine Stunde statt, am 12. September ein solcher mit Offizier, also doppelter Beladung über 9 min. 5 Tage später kam es dort zu einem Absturz aus 30 m Höhe, wobei der mitfliegende Offizier Thomas Selfridge zu Tode kam und Orville Wright sich eine komplizierte Schädelfraktur zuzog. Orville führte das Flugzeug auf einer Europareise vor, dort erreichte er am 18. Dezember 1908 auf dem Truppenübungsplatz Anvours bei Paris erstmals über 100 m Höhe, die 2 h 20 min Flugzeit stellten ebenfalls einen Weltrekord da. Am 31. Dezember brachte ein 1 h 9 min in der Luft gehaltene Fluggast den mit 20.000 Francs dotierte Michelin-Preis ein.
Im folgenden Jahr erfuhren die Brüder Wright zahlreiche Ehrungen, darunter am 6. März die Ehrenpromotion der TH München und im Juni die Ehrenmedallien der Stadt Dayton, des Staats Ohio und der Regierung der USA. Vom Verleger Scherl eingeladen führte der wiederhergestellte Orville vom 4. bis zum 18. September auf dem Tempelhofer Feld in Berlin Schauflüge durch, bei denen er einmal 172 m Höhe erreichte und ein anderes Mal einen Passagier 1 h 35 min in der Luft halten konnte. Große Aufmerksamkeit erregte auch Wilburs Umrundung der New Yorker Freiheitsstatue.
Wilbur starb bereits im Frühjahr 1912 an Typhus, Orville betätigte sich bis zu seinem Tod 1930 weiter in der Luftfahrt-Forschung, ohne das ihm aber eine erneute Erfindung mit weltweiter Anerkennung gelang. Das erste Motorflugzeug, den Flyer, hielt von 1928 bis 1948 das Science Museum London, bevor es ins National Air and Space Museum gelangte. Der Flyer wird heute auch als Flyer 1 oder Kitty Hawk bezeichnet.
Der erste Motorflug
Die herausragende Leistung der Gebrüder Wright bestand darin, als erste ein Flugzeug gebaut zu haben, mit dem ein erfolgreicher, andauernder, gesteuerter Motorflug möglich war, und diesen Motorflug auch durchgeführt zu haben. Darüber hinaus haben sie ihre Flüge genaustens dokumentiert, so dass keine Zweifel über die Wahrheit ihrer Behauptungen besteht, und innerhalb kurzer Zeit in weiteren Flügen die Tauglichkeit ihres Flugzeuges zweifelsfrei bewiesen. Von herausragender Bedeutung ist, dass Orville bereits 1904 mit dem Wright Flyer einen gesteuerten Vollkreis fliegen konnte. Leider veröffentlichten die Gebrüder Wright erst im September 1908 ihre Flüge von 1903 bis 1905.
Vorhergehende "Flüge" anderer Luftfahrtpioniere endeten mit Abstürzen oder waren ungesteuerte Hüpfer, wenn nicht sogar jeder Beweis für die tatsächliche Durchführung fehlte. Vor allem hatte es aber vor den Gebrüdern Wright niemand geschafft, durch auf den Erstflug folgende Flüge größerer Weite und mit erkennbarer Steuerbarkeit die Brauchbarkeit seiner Flugmaschine zweifelsfrei zu beweisen. Keiner der "Flüge" von Konkurrenten der Wrights, wie Clement Ader (1890), Wilhelm Kress und Gustav Weißkopf (beide 1901), Lyman Gilmor (Mai 1902), Richard Pearse (März 1903), Karl Jatho (1903) mündete in der Erfindung eines praktisch brauchbaren Flugzeuges.
Siehe auch: Luftfahrt, Flugpionier
Literatur
- Andreas Venzke: Pioniere des Himmels - Die Brüder Wright. Eine Biografie. Artemis & Winkler. Düsseldorf und Zürich 2002
- Wilbur und Orville Wright, Die Erfindung des Fliegens; in: Adam, Flug, Leipzig, 1908
- Alfred Hildebrandt: Die Brüder Wright, Eine Studie über die Entwicklung der Flugmaschine von Lilienthal bis Wright, Berlin 1909