Zähmung
Zähmung bezeichnet die Anpassung des Verhaltens von Wildtieren an die Bedürfnisse des Menschen bezeichnet. Zur Zähmung gehört, dass die Tiere Zutrauen zum Menschen fassen, Scheu und Fluchtreflex verlieren und den Menschen nicht angreifen oder verletzen und andere wilde Verhaltensweisen ablegen. Die Zähmung von Tieren ist nicht gleichzusetzen mit Dressur, also der weitergehenden Ausbildung des Tieres, oder der Domestikation.
Zähmung wird auch als Synonym für Beruhigung verwendet und im übertragenen Sinn beispielsweise auch auf Flüsse und Menschen angewandt. Historisch wurde Zähmung wurde bis in die Neuzeit hinein auch für angebaute Pflanzen verwendet.[1]
Tiere
Zumeist werden Wildtiere zunächst gefangen. Für eine Zähmung muss Vertrauen aufgebaut werden. Zur Einpassung in die menschliche Lebensweise gehört die Anerkennung des Menschen als Autoritätsperson. Pferde werden hierzu eingeritten. Zähmung wird oft gleichgesetzt mit der gewaltsamen Unterwerfung von Tieren, viel effektiver ist jedoch eine gewaltfreie Zähmung.
Ablauf der Zähmung
Das gefangene Tier muss zunächst artgerecht untergebracht, mit Futter und Wasser versorgt werden. Dann benötigt das Tier eineen gewissen Zeitraum, um zur Ruhe zu kommen und sich an die neue Umgebung zu gewöhnen. Der Mensch sollte langsam und zurückhaltend Kontakt zum Tier aufnehmen. Der erste Kontakt sollte nicht viel mehr sein, als Beobachtung und Nähe zu dem Tier. Wenn es sich um einen Wildfang handelt, wird das Tier möglicherweise sehr ängstlich oder aggressiv auf die Anwesenheit des Menschen reagieren. Es ist kaum einem Tier möglich, über viele Stunden Angst zu fühlen oder aggressives Verhalten zu zeigen. Wenn es merkt, dass der Mensch in seiner Nähe nicht bedrohlich ist, wird es sich mit der Zeit beruhigen. Dann kann das Tier mit ruhiger Stimme angesprochen werden, damit es sich an die menschliche Stimme gewöhnt.
Der nächste Schritt ist die Gewöhnung an den menschlichen Geruch. Dafür sollte man dem Tier ein getragenes Kleidungsstück geben, an dem es riechen kann. Dies ist besonders bei den meisten Säugetieren wichtig, während der Geruch des Menschen für manche Vogelarten oder Reptilien eher unwichtig ist. Wenn es sich um ein sehr junges, ungefährliches Tier handelt, kann man es aus seiner neuen Behausung herausnehmen und auf dem Arm an den menschlichen Geruch gewöhnen. Dabei sollte man darauf achten, dass man das Tier bei diesem ersten Körperkontakt nicht überfordert.
Die meisten erwachsenen Tiere können einen Menschen verletzen, selbst dann, wenn sie nur so groß sind wie Mäuse. Deshalb sollte man beim ersten Körperkontakt zu ihnen sehr vorsichtig sein und ihnen erst einmal den Handrücken der geschlossenen Faust zum Schnuppern anbieten. In einen Finger kann ein Tier viel leichter beißen als in die geschlossene Faust. Viele Tiere lassen sich mit Futter davon überzeugen, dass der Mensch ihnen freundlich gesinnt ist. Hat das Tier Vertrauen zum Menschen gefasst und reagiert es weder ängstlich noch aggressiv auf die Berührung durch den Menschen, gilt die Zähmung als abgeschlossen.
Zähmbare und unzähmbare Tiere

Fast alle Tiere sind zähmbar, wenn sie über ausreichende Gehirnkapazität verfügen und in der Lage sind zu lernen. So gelten z. B. Quallen oder Insekten nicht als zähmbar. Bei den Säugetieren gelten nur wenige als unzähmbar, wie das Zebra.[2] Doch auch Zebras lassen sich mit viel Geduld zähmen. Das bedeutet jedoch nicht, dass man Zebras direkt nach der Zähmung auch reiten kann. Es bedeutet nur, dass sie den Kontakt zum Menschen dulden und keine Aggressionen oder Angst zeigen.
Reptilien gelten als unzähmbar, obwohl sie sich an die Berührung durch den Menschen gewöhnen und diese Berührung auch akzeptieren. Reptilien sind jedoch keine Schmusetiere und reagieren oft mit Stress auf zu viel Nähe des Menschen.[3] Reptilien können trotz jahrelanger Gewöhnung an den Menschen plötzlich angreifen.
Beispiel Pferde
In Europa werden Wildpferde, beispielsweise Dülmener Wildpferde, durch langsame Gewöhnung schrittweise gezähmt und dann eingeritten. Dieser Vorgang ist vergleichsweise langsam. In den USA werden Broncos mit Gewalt gebrochen, um Zeit zu sparen. Erst das, von Monty Roberts bekannt gemachte, Join Up wurde als neue Methode akzeptiert, da sie noch schneller zum Ziel führt, als das Brechen.
Willen brechen
In der englischen Sprache gibt es den Ausdruck Horse breaking. Dabei wird das Pferd über Tage oder gar Wochen hinweg psychisch und vor allem physisch gequält.
Es wird in eine enge Box getrieben, in der es nicht ausschlagen kann. Dort wird ihm ein Halfter angelegt. Ein schwerer Sack simuliert den künftigen Reiter und wird auf seinem Rücken befestigt. Am Kopf des Pferdes wird ein starkes Seil befestigt. Damit wird es an einen Pfosten in der Mitte eines Kraals gebunden. Das Pferd gerät bei dieser Behandlung in Panik und bockt nach der Entlassung aus der engen Box gegen den Sack und wehrt sich gegen den Strick und das Halfter. Wenn es sich nicht beruhigt, wird es geschlagen und es wird ihm ein Bein hochgebunden, so dass es nur auf drei Beinen stehen kann. Damit will man seinen Widerstand weiter schwächen. Verletzungen werden dabei in Kauf genommen. Ist das Tier nervlich und körperlich am Ende und hat aufgegeben, wird es gesattelt. Auf dem Sattel wird der schwere Sack befestigt. Wenn es sich dagegen erneut wehrt, wird es erneut geschlagen und ihm wieder ein Bein hochgebunden.
Bis zu diesem Punkt dauert es manchmal acht bis zehn Tage. Die Pferde haben bis dahin oft abgeschürfte Stellen oder sogar schwere Verletzungen, vor allem an den Beinen. Schließlich steigt ein Bereiter in den Sattel. Dieser zwingt dem Pferd seinen Willen auf und hat dafür mehrere Möglichkeiten. Wenn ein Pferd seinen Reiter abwirft, wird es gefesselt und am Boden liegend geschlagen, bis es sich nicht mehr wehrt. Dann steigt der Reiter erneut in den Sattel. Eine andere Möglichkeit, das Pferd unter Kontrolle zu halten, sind scharfe Gebisse, mit denen der Reiter dem Pferd Schmerzen zufügen kann. Bis ein Pferd gebrochen ist, kann ein Zeitraum von bis zu drei Wochen vergehen.
Join-Up
Schonender und effektiver ist die Methode des Join-Up. Vor dem Join-Up muss das Pferd bereits, wie oben beschrieben zur Ruhe gekommen sein. Auch die Beobachtung durch den Menschen und die menschliche Stimme sollten das Tier nicht mehr in Panik versetzen. Das Wildpferd in einem Round-Pen, einem umzäunten Longierzirkel vom Ausbilder im Kreis getrieben. Da das Pferd ein Herdentier ist, verspürt es nach einer gewissen Zeit immer den Wunsch sich jemandem anzuschliessen, vorausgesetzt der Ausbilder gibt dem Pferd mit seiner Körpersprache die richtigen Signale gibt. Wenn das Pferd seinen Wusch nach Anschluss signalisiert, dann wendet sich der Ausbilder vom Pferd ab, dreht ihm die Seite zu und erlaubt dem Pferd auf diese Weise sich ihm anzuschliessen und es kommt zum sogenannten Join-Up, bei dem das Pferd sich aus eigenem Antrieb vertrauensvoll zum Menschen hingeht.
Der Mensch gewinnt mit dieser Methode das Vertrauen des Pferdes und nutzt dazu die natürlichen Instinkte wie Flucht- und der Herdentrieb. Entsprechende Erfahrung und Können auf Seite des Ausbilders vorausgesetzt, kann man oftmals ein Tier, das zuvor noch nie einen Menschen an sich heran gelassen hat, schon nach weniger als einer Stunde reiten. Monty Roberts hat diese Methode weithin bekannt gemacht. Es haben jedoch auch zuvor schon viele Menschen in aller Welt diese Art der Zähmung angewandt.
Menschen
Gelegentlich wird Zähmung auch auf menschliche Beziehungen angewandt, wie beispielsweise von William Shakespeare in seinem Stück „Der Widerspenstigen Zähmung“ (um 1594). Auch hier geht es unter anderem um die Annäherung an Lebensumstände und -rhythmus einer Person. In der Fabel „Der kleine Prinz“ (1943) von Antoine de Saint-Exupery fordert der Fuchs den Prinzen auf, ihn zu bezähmen, um ihn lieben zu lernen.
Galerie
Die Beispielbilder zeigen die Zähmung eines wilden Eichhörnchens in verschiedenen Phasen. Man sieht die totale Anspannung des Körpers auf dem ersten Bild, die vertrauensvolle Annäherung auf dem zweiten Bild und das entspannte Fressen aus der Hand auf dem dritten Bild. Auf dem vierten Bild frisst das Eichhörnchen mehrere Wochen später aus der Hand und lässt sich anfassen.
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Franz Dornseiff: Die griechischen Wörter im Deutschen, Berlin 1950, S. 49.
- ↑ http://www.zeno.org/Naturwissenschaften/M/Brehm,+Alfred/Brehms+Thierleben/S%C3%A4ugethiere/Vierte+Reihe:+Hufthiere/Zehnte+Ordnung:+Einhufer+(Solidungula)/Einzige+Familie:+Pferde+(Equidae)/Tigerpferde/Zebra+(Equus+Zebra)
- ↑ http://reich-des-tieres.xchaosx.de/?p=254
Literatur
- Jürgen Döring: Kulturwandel bei den nordamerikanischen Plainsindianern. Zur Rolle des Pferdes bei den Comanchen und den Cheyenne; Berlin: Reimer, 1984.