Regierung Petr Nečas
Die Regierung Nečas bildet seit dem 13. Juli 2010 die Regierung von Tschechien.
Sie besteht aus einer konservativ-bürgerlichen Koalition der Parteien ODS, TOP 09 und LIDEM unter dem Ministerpräsidenten Petr Nečas. Die anfängliche Regierungspartei Věci veřejné (VV) hatte im April 2012 den Koalitionsvertrag formell aufgekündigt und versteht sich seitdem als "konstruktive Opposition". Die bisherigen VV-Minister um Vizeregierungschefin Karolína Peake gehören weiterhin dem Kabinett an. Sie können sich auf einige Abgeordnete stützen, die mittlerweile die Partei LIDEM aus der Taufe gehoben haben.
Die Regierung löste die Regierung Jan Fischer ab, eine Übergangsregierung aus von den großen Parteien ODS und ČSSD vorgeschlagenen Experten und hohen Beamten, nachdem sich bei der Parlamentswahl in Tschechien 2010 für die stimmenstärksten Sozialdemokraten (ČSSD) keine Koalitionschancen ergeben hatten. Mit allen 118 Stimmen der Koalition (von 200 Parlamentariern) erhielt sie am 10. August 2010 das Vertrauen des tschechischen Abgeordnetenhauses.[1]
Zusammensetzung
Die ODS stellte neben dem Premier zunächst fünf Minister, die TOP 09 fünf Minister, die VV vier.[2] Mit der Spaltung der VV-Fraktion verließen die amtierenden Minister der VV ihre Fraktion und verblieben in der Regierung. Derzeit (Ende 2012) arbeiten drei Parteilose im Kabinett.
Der Regierung Nečas gehörten anfangs nur Männer an. Seit 1. Juli 2011 sitzt mit Karolína Peake auch eine Frau am Kabinettstisch.
Umweltminister Pavel Drobil trat nach einem Korruptionsskandal um den Umweltfonds am 21. Dezember 2010 zurück. Gleichzeitig kam es im Abgeordnetenhaus zu einem Misstrauensantrag der linken Opposition.[3] Das Amt wurde bis 17. Januar 2011 geschäftsführend von Rut Bízková geleitet.
Bildungsminister Josef Dobeš gab am 21. März 2012 seinen Rücktritt bekannt. Das Kabinett Nečas verlor somit zwei Jahre nach seinem Amtsbeginn bereits den achten Minister. Als Grund gab Dobeš die Sparvorgaben der Regierung an, für die er nicht die Verantwortung übernehmen wollte. Während seiner Amtszeit musste er sich allerdings mit mehreren Skandalen auseinandersetzen und stand unter starker öffentlicher Kritik.[4]
Justizminister Jiří Pospíšil wurde am 27. Juni 2012 von Staatspräsident Klaus auf Bitten von Ministerpräsident Petr Nečas überraschend entlassen. Nečas begründete diesen Schritt offiziell mit Managementversagen des Ministers bei der Umsetzung des Sparkurs der Regierung. Die Opposition behauptete dagegen, dass der Entlassung ein Machtkampf innerhalb der Regierung über die Kontrolle der Staatsanwaltschaft zu Grunde liege.[5]
Arbeitsminister Jaromír Drábek musste im Oktober 2012 wegen einer Korruptionsaffäre um seinen Stellvertreter zurücktreten.
Verkehrsminister Pavel Dobeš reichte am 14. November 2012 seinen Rücktritt zum 3. Dezember ein. Der Parteivorstand der LIDEM hatte ihn für Probleme verantwortlich gemacht, die mit einer Software der Kfz-Zulassungsbehörden entstanden waren.[6]
Verteidigungsminister Alexandr Vondra erklärte am 28. November 2012 seinen Rücktritt mit Wirkung zum 7. Dezember 2012. Er begründete den Rücktritt mit seiner klar verpassten Wiederwahl bei den Wahlen zum Senat des Parlaments der Tschechischen Republik Anfang Oktober 2012. Tatsächlich gab es aber schon früher häufige Rücktrittsforderungen gegen Vondra im Zusammenhang mit der Vergabe überteuerter staatlicher Aufträge.[7] Zur Nachfolgerin wurde am 12. Dezember Vizeregierungschefin Karolína Peake ernannt.[8] Nach nur 8 Tagen im Amt wurde jedoch auch Peake von Staatspräsident Klaus auf Betreiben des Ministerpräsidenten wegen eines Streits um die personelle Ausrichtung des Ministeriums wieder entlassen. [9]
Regierungskrisen
Die Verurteilung des ehemaligen Verkehrsministers und amtierenden Fraktionsvorsitzenden der VV-Partei, Vít Bárta, wegen Bestechung von Abgeordneten seiner eigenen Partei führte mit dem Auseinanderbrechen der VV-Fraktion auch zu einer größeren Regierungskrise. Der Ministerpräsident schloss vorgezogene Neuwahlen nicht aus. Allerdings überstand die Regierung eine Vertrauensabstimmung am 27. April 2012, weil regierungstreue Abgeordnete der VV ihre Fraktion verlassen hatten. Die Regierung erhielt dabei die Zustimmung von 105 von 200 Abgeordneten der Abgeordnetenkammer, 93 Abgeordnete erklärten ihr Misstrauen. Die Fraktionen der ODS, der TOP 09 und der Plattform von Karolína Peake stimmten geschlossen für die Regierung, zudem stimmten drei der in der VV-Fraktion verbliebenen Abgeordneten, der fraktionslose Abgeordnete Pavel Bém und ein weiterer aus der ODS-Fraktion ausgetretener Abgeordneter für die Regierung und sicherten so ihre Mehrheit.[10] Die in der Regierung verbliebenen Minister traten der von Karolína Peake gegründeten Partei LIDEM bei.
Zu einer erneuten Regierungskrise kam es im Herbst 2012 während der Haushaltsberatungen. Sechs Abgeordnete der ODS von Premier Nečas erklärten, den Haushalt wegen vorgesehener Steuererhöhungen nicht mittragen zu können. Die Regierung hätte damit keine Mehrheit mehr in der Abgeordnetenkammer. Finanzminister Miroslav Kalousek zog den Haushaltsentwurf daraufhin am 24. Oktober 2012 zunächst wieder zurück.[11] Am 31. Oktober 2012 trat einer dieser sechs Abgeordneten auch formal aus der ODS-Fraktion aus. Die Regierungsfraktionen der ODS, TOP 09 und LIDEM verfügen damit nur noch über 99 von 200 Sitzen im Abgeordnetenhaus.[12] Letztendlich legten drei der fünf verbliebenen Abgeordneten ihr Parlamentsmandat nieder, zwei stimmten dem Reformpaket doch zu. Die Regierung überstand dadurch – auch dank der Unterstützung einiger fraktionsloser Abgeordneter – mit 101 zu 93 Stimmen am 7. November 2012 die mit dem umstrittenen Reformpaket verknüpfte Vertrauensabstimmung.[13]
Die Entlassung von Vizepremierministerin Peake vom Amt der Verteidigungsministerin nach nur acht Tagen löste eine erneute Regierungskrise aus. Peake erklärte bei ihrer Entlassung, dass damit ein Verbleib der LIDEM in der Regierung nur noch schwerlich vorstellbar sei.[14] Am 3. Januar bestätigte der Vorstand der LIDEM einen unmittelbar nach der Entlassung Peakes gefassten Beschluss, dass die in der Regierung verbliebenen Minister am 10. Januar ihren Rücktritt erklären sollen, aber gleichzeitig beschloss der Vorstand, einen bereits angekündigten Misstrauensantrag der Opposition gegen die Regierung nicht zu unterstützen. Gleichzeitig zeigte sich der Vorstand grundsätzlich gesprächsbereit über einen Verbleib in der Koalition.[15] Die LIDEM hobt am 08. Januar den Rücktrittsbeschluss ihrer Minister wieder auf. Stattdessen sollte bis Ende des Monates der Verbleib der LIDEM in einem erneuerten Koalitionsvertrag geregelt werden.[16]
Minister
Amt | Name | Partei |
---|---|---|
Ministerpräsident | Petr Nečas | ODS |
Außenminister und Vize-Ministerpräsident | Karel Schwarzenberg | TOP 09 |
Vize-Ministerpräsident | Radek John bis 20. Mai 2011 Karolína Peake seit 1. Juli 2011 |
VV VV, ab 2012 LIDEM |
Innenminister | Radek John bis 21. April 2011 Jan Kubice seit 22. April 2011 |
VV parteilos |
Finanzminister | Miroslav Kalousek | TOP 09 |
Minister für Wirtschaft und Handel | Martin Kocourek bis 14. Nov. 2011 Martin Kuba seit 16. Nov. 2011 |
ODS ODS |
Justizminister Chef des Legislativrates bis 1. Juli 2011 |
Jiří Pospíšil bis 27. Juni 2012 Pavel Blažek seit 3. Juli 2012 |
ODS ODS |
Minister für Arbeit und Soziales | Jaromír Drábek bis 31. Okt. 2012 Ludmila Müllerová ab 16. Nov. 2012 |
TOP 09 TOP 09 |
Verkehrsminister | Vít Bárta bis 21. April 2011 Radek Šmerda bis 1. Juli 2011 Pavel Dobeš seit 1. Juli 2011 Zbyněk Stanjura seit 12. Dez. 2012 |
VV parteilos (für VV) VV, ab 2012 LIDEM ODS |
Gesundheitsminister | Leoš Heger | TOP 09 |
Umweltminister | Pavel Drobil bis 21. Dez. 2010 Tomáš Chalupa seit 17. Jan. 2011 |
ODS ODS |
Landwirtschaftsminister | Ivan Fuksa bis 4. Okt. 2011 Petr Bendl seit 6. Okt. 2011 |
ODS ODS |
Kulturminister | Jiří Besser bis 16. Dez. 2011 Alena Hanáková seit 20. Dez. 2011 |
TOP 09 parteilos (für TOP 09) |
Verteidigungsminister | Alexandr Vondra bis 7. Dez. 2012 Karolína Peake bis 20. Dez. 2012 |
ODS LIDEM |
Minister für regionale Entwicklung | Kamil Jankovský | VV, ab 2012 LIDEM |
Minister für Erziehung, Jugend und Sport | Josef Dobeš bis 31. März 2012 Petr Fiala seit 2. Mai 2012 |
VV parteilos |
Minister ohne Portefeuille und Chef des Legislativrates ab 12. Dezember 2012 |
Petr Mlsna | parteilos (für LIDEM) |
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Till Janzer: Vertrauensabstimmung: Premier Nečas erläutert Regierungsprogramm Radio Prag, 10. August 2010, abgerufen am 15. November 2012.
- ↑ Daniel Kortschak: Überraschende nächtliche Einigung. Tschechien hat eine neue Regierung, Radio Prag, 30. Juni 2010, abgerufen am 15. November 2012
- ↑ Nečasova vláda pokračuje Lidovky.cz, 21. Dezember 2010
- ↑ Markéta Kachlíková: Nach vielen Skandalen freiwilliger Rücktritt: Bildungsminister Josef Dobeš Radio Prag, 22. März 2012, abgerufen am 15. November 2012
- ↑ Justizminister fliegt wegen Spar-Faulheit raus Spiegel online, 27. Juni 2012
- ↑ Tschechischer Verkehrsminister tritt zurück Der Standard online, 15. November 2012, abgerufen am 15. November 2012
- ↑ [1] Radio Prag, 29. November 2012, abgerufen am 2. Dezember 2012
- ↑ [2] Radio Prag, 12. Dezember 2012, abgerufen am 12. Dezember 2012
- ↑ [3] Spiegel-Online, 20. Dezember 2012, abgerufen am 20. Dezember 2012
- ↑ Nečas gewinnt Vertrauensabstimmung Tschechien online, 27. April 2012
- ↑ Lothar Martin: Minister Kalousek: Können nicht mit Partner regieren, der die Vereinbarungen bricht Radio Prag, 25. Oktober 2012
- ↑ Till Janzer: Tschechische Regierung verliert verlässliche Mehrheit Radio Prag, 31. Oktober 2012
- ↑ Premier Necas übersteht Vertrauensfrage Spiegel online, 7. November 2012, abgerufen am 15. November 2012
- ↑ [4] Spiegel online, 20. Dezember 2012, abgerufen am 20. Dezember 2012
- ↑ [5]idnes.cz (tschechisch), 3. Januar 2013, abgerufen am 4. Januar 2013
- ↑ [6]idnes.cz (tschechisch), 8. Januar 2013, abgerufen am 8. Januar 2013