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Geschichte der Geschichtsschreibung

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Antike

Die Geschichte der europäischen Geschichtsschreibung beginnt in der Antike, wobei angemerkt werden muss, dass uns ein Großteil der antiken Geschichtsschreibung verloren gegangen bzw. nur in Fragmenten erhalten ist.

Dabei lassen sich die epischen Gesänge von Homer aus der Ilias und der Odyssee nicht als Geschichtswerke definieren, auch wenn sie historischen Stoff verarbeiten - allerdings aus der Zeit ihrer Entstehung (8. Jahrhundert v. Chr.). Denn die Darstellungsabsicht ist primär eine künstlerische und nicht der Versuch einer genauen Wiedergabe von Geschehenem. Zwar ist die Existenz von Troja seit Heinrich Schliemann als bewiesen anzusehen. Die Handlungen der 24 Gesänge im Einzelnen sind dichterisch gestaltet. Es geht hier nicht um die Überlieferung historischer Vorgänge im engeren Sinne, sondern um eine literarische Verarbeitung.

Geschichtsschreibung im engeren Sinne haben wir seit der Antike, wie die griechischen Geschichtsschreiber Herodot, Thukydides, Ephoros, Xenophon, Diodor und Polybios. Bedeutende Vertreter der römischen Geschichtsschreibung sind Titus Livius, Caesar, Velleius Paterculus, Tacitus, Sueton (dessen Biografien von Wert sind), Cassius Dio (obwohl er Griechisch schrieb) und Ammianus Marcellinus. Darüber hinaus ist auch ein Teil des Alten Testaments als Geschichtsschreibung zu werten, z.B. das Buch der Könige und die Chronik. Ebenso können die Berichte über die Taten ägyptischer Pharaonen als Geschichtsschreibung gewertet werden.

Hierbei lassen sich Wandlungsprozesse erkennen. Ist bei Herodot, dem Vater der Geschichtsschreibung noch stärker Historisches mit Mythologischem verwoben, so ist bei den Nachgenannten überwiegend eine Beschreibung des Tatsächlichen, das heißt Historischen zu erkennen. Dabei ist jedoch nicht gesagt, dass Mythologisches auch hierbei nicht gelegentlich mit einfließt. Thukydides ist bedeutend durch seine Geschichte des Peloponnesischen Krieges, mit welchem die Politische Geschichtsschreibung beginnt. Das Werk war auch als wissenschaftlicher Gegenpol zu Herodots Werk geschrieben worden. Xenophon ist bekannt durch seine Anabasis oder den Zug der Zehntausend in das Perserreich, während er mit seiner Hellenika direkt an das Werk des Thukydides anschloss und damit eine antike historiografische Tradition begründete. Diodor sammelte Inhalte aus zum Großteil verloren gegangenen Werken und schrieb eine Zusammenfassung, die nicht immer zuverlässig, aber dennoch, aufgrund der schlechten Quellenüberlieferung dieser Zeit, wertvoll ist.

In griechischer Sprache schrieben später in der römischen Kaiserzeit noch bedeutende Historiker wie Plutarch, wenn seine historischen Biografien (die sich in der Antike großer Beliebtheit erfreuten) auch nicht streng wissenschaftlich sind, oder Arrian sowie Cassius Dio.

Wichtig ist auch der der Anspruch an die eigene Arbeit, soweit sie von den Geschichtsschreibern überliefert ist. Herodot nennt sein Geschichtswerk Darlegung und Erkundung und erwähnt wiederholt sein mündliches Forschen und Fragen. Er betont, dass er nur von Zusammenhängen berichte, die er selbst erforscht habe (Historien, Prooemium I, 15; II, 19, 118). Thukydides geht noch systematischer vor und, wie er selbst sagt, nach dem Grundsatz der Genauigkeit vor (Thuk. I. 22,2 f.), wobei sich diese Kritik offenbar auch gegen Herodot richtet und Thukydides sein Werk als „Besitz für alle Zeit“ (ktéma eis aeí) anzusehen wünschte.

Im Lateinischen tritt das Lehnwort "Historia" auf, das im Unterschied zur vorangegangenen Annalistik eine tiefere, Zusammenhänge erfassende (zeit)geschichtliche Darstellung bezeichnet (Aulus Gellius, Noctes Atticae, 5, 18).

Titus Livius, dessen Geschichtswerk über die Stadt Rom nur unvollständig überliefert ist, geht von einer Gründung im Jahre 753 v. Chr. aus, die aber nicht belegt ist und soll bis zum Jahr 9 v. Chr. gegangen sein. Erhaltene Werkteile gehen nur bis in die Mitte des 3. vorchristlichen Jahrhunderts. Caesar beschreibt den Krieg in Gallien, den er selbst als Feldherr mitmacht, ebenso ist uns sein Werk über den Bürgerkrieg erhalten. Tacitus schrieb eine Geschichte Germania sowie eine nur in Teilen überlieferte Kaisergeschichte. Uns stehen weiterhin die Kaiserbiografien des Sueton zur Verfügung (von Augustus bis Domitian) sowie die Werke des Velleius Paterculus. Die nachfolgende Zeit ist von einer gewissen Armut an erzählenden Quellen gekennzeinet bzw. von nur fragmentarisch erhaltenen Werken (siehe Cassius Dio).

In dem erhalten gebliebenen Teil des Geschichtswerkes des Ammianus Marcellinus (das zudem das letzte große lateinische Geschichtswerk der Antike war) wird eine bewegte Zeit der Spätantike beschrieben, nämlich dem Zeitraum von 353 bis 378 n. Chr. (bis zur Schlacht von Adrianopel), über die wir sonst kaum etwas wissen würde. Demgegenüber ist die Historia Augusta eine sehr unzuverlässige Quelle, geschrieben von einem spätantik-heidnischen Autor. Ohnehin flachte nach Ammianus die Geschichtsschreibung generell stark ab (siehe Zosimos). Erst Prokopios von Caesarea schrieb wieder auf hohem antiken Niveau, allerdings nicht auf Latein, sondern in Griechisch - im Westen des ehemaligen Imperium Romanum erlosch denn schon bald die antike-historiographische Tradition, die sich im Oströmischen Reich jedoch noch bis ins 7. Jahrhundert halten konnte und erst danach einer neuen Form wich, die stärker christlich geprägt war (siehe unten); bedeutend waren denn auch die spätantiken Kirchengeschichten (siehe Eusebius von Caesarea, Theodoret, Socrates Scholasticus, Sozomenos, Evagrius Scholasticus etc.).

Bibel, Patristik

Da Alte Testament kennt den Begriff "Geschichte" oder "Historie" nicht. Der Ausdruck für "Chronik" ist dibre ha-jamin = Die Ereignisse der Tage. Die erzählenden Schriften des Alten Testaments heißen ketubim = das Geschriebene. Auch im Neuen Testament fehlt ein Wort für den Geschichtsbegriff. in heutigem Verständnis.

In der frühen Kirche wirkt sich die Parusieverzögerung auch auf die Geschichtsschreibung aus. Die Patristik beginnt, die Zeit zwischen Jesu Tod und seiner Wiederkunft als eine Zeit der Entwicklung und des Wachstums zu einem Ende hin zu deuten. Schon der 1. Clemensbrief entwickelt den Gedanken einer Reifezeit. Alsbald wird diese Reife- und Erziehungszeit in die Weltwoche hinein periodisiert. Schon der Barnabasbrief bringt die Projektion der sieben Schöpfungstage auf die Weltgeschichte: Sechs Jahrtausende sind bereits vergangen, das siebte Millenium sei durch Jesus eingeleitet worden. Mit dem achten Tag werse die neue Welt beginnen. Daneben kommt die Vier-Reiche-Lehre, die bereits von Daniel propagiert war. In diesem Zusammenhang ist zu beobachten, dass die Geschichtsschreibung der Patristik es unternimmt, die Geschichte in die Zukunft auszuweiten, was zum Chiliasmus in seiner prämillenaristischen Spielart führt (Parusie im Jahre 1000).

Die Kirchengeschichtsschreibung diente zunächst der Apologie: Die bruchlose Sukzession der Bischöfe soll die Reinheit der Lehre beweisen, weil die Häresien eine solche Kontinuität nicht aufweisen können. Das ist die Auffassung von Clemens von Rom, Tertullian und Irenäus von Lyon. Aus dem gleichen Grund unternimmt es Euseb nach den Vorarbeiten von Julius Africanus die profane Chronographie mit der Heilsgeschichte zusammenzubringen und so eine christliche Weltgeschichte, das Chronikon zu verfassen. In seiner späteren Historia ecclesiastica spricht er davon, dass er als erster bemüht gewesen sei, die vorliegenden Bruchstücke früherer Autoren wie Blumen auf den Fluren des Geistes zu sammeln und in historischer Darstellung zusammenzufügen (Patrologiae cursus completus, Series I: Ecclesia Graeca 20, 51). Das Werk beginnt mit dem uranfänglichen Logos, fährt dann mit den auf Christus hinverweisenden Zeichen fort, bis dann die Menschheit zur Zeit Roms würdig war, den Logos zu empfangen und endet mit der Regierung Konstantins, unter der sich die Kirche erstmals frei entfalten kann. Auf die Veranlassung des Augustinus schrieb Orosius seine historia contra paganos. Der historische Stoff wird detaillierter geschildert und zudem nach dem Vorbild Eusebs in das Schema der vier Weltreiche gebracht, wobei das Imperium Romanum das letzte in der Endzeit darstellen soll. Nach dem Übergang des römischen Reiches auf die germanischen Stämme wird diese Folie beibehalten: Das Endreich wird als von den Römern auf die Germanen übergegangen (translatio imperii) gedacht. Der heilsgeschichtliche Rahmen bleibt aber weitestgehend bestimmend, wenn er auch allmählich in den Hintergrund tritt.

Wenn auch immer wieder vorgegeben wird, das vorgefundene Material kritisch zu prüfen, so ist doch unverkennbar, dass ein vorgängiges Ordnungsschema für die Geschichtsschreibung bestimmend ist. Die klassische Sicht der Welt als geordnet, wie sie die Sphärenharmonie belegt, bedingt, dass auch die Geschichte geordnet sein muss. Dem haben sich die Fakten unterzuordnen. Daraus ergeben sich zwingend die Gewichte der Darstellung, also das, was wesentlich zu überliefern ist, und das was bedeutungslos ist.

Oströmische Geschichtsschreibung

Anders als im lateinischen Westen war im byzantinischen Kaiserreich der Adel des Lesens und Schreibens in der Regel mächtig. Wir verfügen über byzantinische Quellen, die nicht von Geistlichen verfasst werden. Beispielsweise schrieb in der Spätantike Prokopios von Caesarea ein umfassendes Werk über die Regierungszeit Justinians I., zumal es auf hohem Niveau verfasst war, anders als beispielsweise das Werk des Zosimos, der einige Jahrzehnte vor Prokopios schrieb. An Prokop schloss das Werk des Agathias an, ohen jedoch das Niveau Prokops zu erreichen. Schließlich seien noch Menander Protektor, Theophylakt Simokattes und Johannes Malalas zu erwähnen. Für die Zeit von der Mitte des 7. bis ins 9. Jahrhundert sind vor allem die von Geistlichen verfassten Quellen überwiegend (vgl. auch Theophanes).

Im 12. Jahrhundert verfasste Anna Komnene, die Tochter Kaiser Alexios I., eine Geschichte ihres Vaters in ihrer Gefangenschaft unter Kaiser Manuel I. Wichtig ist uns diese Quelle als Zeugnis für den Ersten Kreuzzug, wie die Lateiner in Konstantinopel ankamen, welche Probleme während ihres Aufenthaltes in Konstantinopel auftraten und wie Alexios damit fertig wurde. Diese hat neben der Beschreibung der als Franken bezeichneten Lateiner verherrlichende Züge für ihren Vater. Sie ist keine Ausnahme, wie beispielsweise an Georgios Sphrantzes, Michael Psellos oder Niketas Choniates gezeigt werden kann.

Mittelalter

Die Geschichtsschreibung des Mittelalters unterschied sich teils fundamental von der antiken Historiographie, auch wenn man an die spätantike Tradition insofern anküpfte, als dass man das römische Reich als das letzte Weltreich der Geschichte verstand, bis der Tag des Jüngsten Gerichts anbrechen würde (Eschatologie). Nach der christlichen Konzeption war die Geschichte endlich und stand unter dem Einfluss Gottes.

Wichtig für das Verständnis der mittelalterlichen Historiographie ist das Geschichtsverständnis des Isidor von Sevilla. Demnach musste der Geschichtsschreiber die Wahrheit berichten und sich auf vergangene Ereignisse beziehen. Ebenso ging es aber auch darum, Einblick in den göttlichen Heilsplan zu erhalten bzw. ihn zu verstehen. Er unterschied zwischen Ephemeriden (Tagebücher), Kalendarien (berichte einiger Monate) und Annalen (Berichte über mehrere Jahre); die Historia umfasste dann den Zeitraum vieler Jahre. Haupttypen der Geschichtsschreibung im Mittelalter waren im übrigen Biografien, Annalen, Chroniken und Tatenberichte, wobei die Unterschiede teils fliessend waren. Die mittelalterliche Rethorik verlangte den wahrheitsgetreuen Bericht seines Gegenstandes, die notitia rerum. Der Anspruch der Rethorik an die Historia schlägt sich in den Begriffen vera, brevis, dilucida, probabilis (= wahr, kurz, deutlich, plausibel). Die Forderung der Plausibilität beinhaltete, dass die Umstäde angegeben und ein sinnvolles Ganzes (gegebenenfalls durch Interpolation) erstellt werden musste. Beda Venerabilis hielt es für das wahre Gesetz der Geschichtsschreibung, das allgemein bekannte Erzählgut (fama) zu sammeln und den späteren zur Unterrichtung weiterzugeben. Andere legten Wert auf die Unterscheidung zwischen dem Gerücht und der gesicherten Nachricht (Rudolf von Fulda).

Standen am Anfang auch oft Volkserzählungen (beispielsweise der Franken, Goten, Angelsachsen) im Mittelpunkt, kamen bald auch die Tatenberichte der Päpste hinzu. Durch die Karolingische Renaissance wurde der Blick für die Antike wieder geschärft.

Gleichwohl ist es bezeichnend, dass die Geschichte als Wissenschaft keinen besonderen Platz im Kanon der artes liberales hat. Augustinus und Isidor siedeln die Geschichte bei der Grammatik an. Die Grammatik dient nach ihnen dazu, das die Quellen zu verstehen, und hilft, das Geschehene sich zu vergegenwärtigen.

Hugo von Sankt Victor ist eine wesentliche Voraussetzung für die Geschichtsschreibung die Prüfung der Tatsachen in Bezug auf die Zeit, den Ort und die beteiligten Personen. Die Schilderung soll den Gang der Zeiten in einem kontinuierlichen Zusammenhang darstellen. Dabei richtete sich nach ihm und anderen (Regino von Prüm, Einhard) die Stoffauswahl nach der Wichtigkeit und Würdigkeit der Ereignisse oder Personen und nach ihrer Eignung, lehrreiche Exempla für ein gelungenes Leben zu bilden.

Durch die Kreuzzüge wurde der geographische Horizont erweitert. Im Hochmittelalter erfreuten sich im deutschen Reich vor allem die Weltchroniken großer Beliebtheit, die das Heilige Römische Reich mit dem Imperium Romanum gleichsetzten und es wie Otto von Freisings "Chronica sive Historia de duabus civitatibus" im Sinne der stauferfreundlichen Propaganda in den göttlichen Heilsplan einordnete. Im Spätmittelalter machte sich die Hinwendung der Humanisten zur Antike bemerkbar.

Im Mittelalter haben wir Geschichtsschreibung durch Chronisten wie z.B. Gregor von Tours, Thietmar von Merseburg oder Lambert von Hersfeld in der Form der Annalen. In dieser Zeit sind es vornehmlich Mönche oder Geistliche am Hofe, die durch die Kenntnis der Schrift diese Quellen abfassen. Später sind Historiker wie Jean Froissart, Bischof Otto von Freising, Giovanni Villani, Matteo Villani, Matthäus von Paris, Salimbene von Parma u.v.a. zu nennen, die also überwiegend aus dem weltlichen Bereich stammen. Auch Joachim von Fiore, der hingegen aus dem monastischen Umfeld kommt, liefert sehr umfängliche geschichtliche Darstellungen. Das betrifft besonders seine biblischen Exegesen. Dabei kommt er zur Entwicklung seiner Drei-Zeiten-Lehre, die Fiore mit der Trinität in Verbindung bringt.

Gerade die Chroniken der Städte gewannen an Bedeutung. Nicht unerwähnt bleiben soll der Venetianer Marco Polo, der als der erste Reiseberichterstatter gilt. Die Authentizität seiner Beschreibungen bleibt bis heute allerdings umstritten.

Im 13. Jahrhundert bemühte man sich, die große Menge des historischen Materials verfügbar zusammenzustellen. Lange blieb die schematische und trockene Chronik des Martin von Troppau Hauptquelle der Geschichtskenntnis.

Humanismus - Aufklärung

Das besondere Interesse an der Kunst und der Wissenschaft der Antike gab der Geschichtswissenschaft ab dem 15. Jh. einen neuen Stellenwert. Es handelte sich um eine Disziplin, die neben Rhetorik und Poesie die sittliche Festigung an Hand antiker Historiographien zu leisten hatte. Man löste sich aus der kirchlichen Sichtweise und begann profane Geschichte zu schreiben. Machiavelli schließlich schuf eine Geschichtsschreibung, die nicht in moralischer, sondern in politisch-pragmatischer Absicht die Ursachen der Zwietracht zwischen den Völkern aufzeigen wollte.

Auch die Reformatoren schätzten die Geschichtskenntnis hoch ein. Hier wurde allerdings wieder auf den religiösen Zusammenhang als moralische Unterweisung an historischen Beispielen Wert gelegt. Nach Luther und Melanchthon soll die Geschichte "Gottes Werk, das ist Gnad und Zorn beschreiben". Allerdings ist bei Luther eine entscheidende Änderung zur mittelalterlichen Geschichtsschreibung zu beobachten: Gottes Macht war nach ihm nirgends unmittelbar sichtbar, da sie in Larven und Mummerei verborgen wunderlich regiert und nur den Gläubigen erkennbar ist. Die Theorie der vier Weltreiche kam im 16. und 17. Jahrhundert durch die neuen Kenntnisse über die Geschichte Asiens ins Wanken. Man gliederte in Erdteile und am Ende des 17. Jahrhunderts in Antike, Mittelalter und Neuzeit (Christian Cellarius). Auch die Datierung ab Erschaffung der Welt geriet ins Wanken, da die Bibel verschiedene Datierungen zulässt und die sehr alten orientalischen Kulturen nicht einzupassen waren. Versuche, astronomisch einen Anfangspunkt zu gewinnen, schlugen fehl, und man führte die Zählung "ante Christum natum" ein. Die Geschichtsschreibung dieser Zeit ist durch die zeitliche und die räumliche Entgrenzung charakterisiert. Die Historia mundi zerfiel in die Historia profana et politica und die Historia sacra et ecclesiastica oder divina. Diese wurde zur theologischen Disziplin gerechnet.

Da die Wahrheit der Geschichtsschreibung nicht mehr am christlichen Dogma gemessen werden konnte, wurden wiisenschaftliche Kriterien erforderlich, wozu methodische und wissenschaftstheoretische Überlegungen anzustellen waren. Die Orientierung an den exakten Wissenschaften (Mathematik, Physik) und die Enttäuschung über die romanhaft plaudernde und aus unterschiedlichen Motiven verzerrte Geschichtsschreibung führte an der Wende zum 18. Jahrhundert zum allgemeinen Skeptizismus und Pyrrhonismus (Jean Hardouin, Friedrich Wilhelm Bierling). Die Geschichte ist ein einziger Betrug.

An den Herrscherhöfen der frühen Neuzeit diente die Staats- und Reichshistoriographie der Schule der Staatsdiener und der Erziehung der Fürsten, erklärte die Rechtslage der Territorien und legitimierte Macht- und Herrschaftsansprüche. Die Kirchengeschichtsschreibung hatte den Wahrheitsanspruch der jeweiligen Konfession zu begründen (Matthias Flacius für die evangelische, Cesare Baronius für die katholische Kirche)

Renaissance

Eine ansatzweise auf wissenschaftlichen Grundlagen betriebene Geschichtsschreibung lässt sich wohl erst seit dem 15. Jahrhundert bei den italienischen Humanisten feststellen. Zu denen zählen wir Enea Silvio de' Piccolomini, von dem wir u. a. eine Geschichte Böhmens besitzen bzw. Flavio Biondo, dessen Bücher über die Topographie des antiken Roms. Im 16. Jahrhundert verdienen die Discorsi und Fürst Niccolo Machiavelli nicht nur als philosophische Anleitungen für die Leitung eines Staates, sondern durch ihre historische Begründung auch in historiographischer Hinsicht berücksichtigt zu werden. Machiavelli schreibt auch eine Geschichte von Florenz im Auftrage dieser Stadt bis zu Lorenzo de Medici, die durch Alfred von Reumont ins Deutsche übertragen wird. Es gilt als das erste Werk der modernen Geschichtsschreibung.

siehe auch: Humanistische Geschichtsschreibung

Reformationszeit

Auch die Reformationszeit hat eine zeitgenössische Geschichtsschreibung. Zur Reformation insbesondere zu Martin Luther schrieben u. a. Johannes Sleidanus, Johann Mathesius oder auch Johannes Cochläus. Die Geschichtsschreibung dieser Zeit ist nicht selten sehr polemisch und zugunsten oder ungunsten reformatorischer Strömungen. Das Urteil der späteren katholischen Geschichtsschreibung bezieht sich jahrhundertelang auf eine Lutherbiografie von Cochläus: Historia Ioannis Cochlaei de actis et scriptis Martini Lutheri Saxonis : chronographice ex ordine ab anno domini M.D.XVII. vsq. ad annum M.D.XLVI inclusine, fideliter descripta et ad posteros denarrata. - Colonia : Baumius, 1568, wie erst im 20. Jahrhundert Adolf Herte feststellte.

Seit Christoph Cellarius (16381707) finden wir eine Unterteilung der Geschichte Europas und des Mittelmeerraums in historisch datierbare Zeiträume von Alter Geschichte, Mittelalterlicher Geschichte und Neuerer Geschichte. Tatsächlich wird durch diese Periodisierung eine wesentliche methodische Voraussetzung geschaffen für eine wissenschaftliche Beschäftigung mit der Geschichte.

Aufklärung

Seit dem 18. Jahrhundert wird Geschichte zum Gegenstand akademischer Lehre. Bis dahin fehlte für Geschichtsschreibung ein institutionalisierter Rahmen.

Im 18. Jahrhundert hält man die Philosophie für die entscheidende Wissenschaft, mit der man die Geschichte, die man als Universalgeschichte begreift, erklären will. Friedrich von Schiller in seiner Antrittsvorlesung in Jena stellt hier die Frage: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? Wesentlich ist dabei im gesamten universitären "Lehrgebäude" damit eine veränderte Stellung zur Theologie, welche jahrhundertelang als die höchste Wissenschaft angesehen wurde. Tatsächlich sind bis dahin theologische Gesichtspunkte in der Geschichtsschreibung von entscheidender Bedeutung. Man denkt hinsichtlich einer Geschichtsphilosophie noch verstärkt in ästhetischen Kategorien. Die Kulturgeschichtsschreibung dieser Zeit ist unverkennbar davon gekennzeichnet. Die Geschichte wird einem philosophischen Vernunftbegriff untergeordnet. Die Entwicklung der Geschichte deutet man meistens teleologisch. Das bedeutet, dass man meint, die Geschichte habe ein Entwicklungsziel. Man deutet die Geschichte auf der Grundlage eines Vernunftbegriffes.

Namentlich die Geschichtsschreibung in der Zeit der Spätaufklärung ist hiervon geprägt. Der Vernunftbegriff ist untrennbar mit dem Namen des Philosophen Immanuel Kant verbunden. Dieser wiederum ist für die Aufklärung insgesamt von außerordentlicher Bedeutung. Zu den wichtigsten Vertretern dieser Zeit gehören August Ludwig von Schlözer, Justus Möser, Johann Joachim Winckelmann, der als Begründer der Klassischen Archäologie gilt (Winckelmann versucht als erster die griechische Kunst in einen kulturgeschichtlichen Zusammenhang zu stellen. Sein Ansatz ist primär ein kunsthistorischer), Friedrich August Wolf (versucht als Erster einen kulturgeschichtlichen Ansatz für das klassische Altertum, der eher philologisch orientiert ist), der strenggenommen der eigentliche Begründer der Klassischen Altertumswissenschaft ist, wenn man den Italiener Flavio Biondo im 15. Jahrhundert einmal weglässt, der bald nach seinem Tode vergessen wurde, und erst durch Georg Voigt und seine Schule (z.B. Alfred Masius) eingehender gewürdigt wurde, Friedrich von Schiller und Johann Gottfried Herder.

Weiterhin ist Edward Gibbon von Bedeutung, der mit seinem Werk Decline and Fall of the Roman Empire großen Einfluss auf das Geschichtsbild vom Untergang Westroms ausübte (wenn Gibbons Ansichten heute auch von der modernen Forschung in großen Teilen korrigiert wurden).

Nicht weniger wichtig für die Geschichtsschreibung selbst sind einerseits aufgeklärte Monarchen wie König Friedrich II. von Preußen oder Kaiserin Katharina II. von Russland. Schließlich müssen hier auch die französischen Aufklärer wie Diderot, Voltaire und Montesquieu genannt werden.

Insgesamt hat hier noch die erzählende Funktion der Geschichte gegenüber der wissenschaftlichen quellenmäßigen Neuerkenntnis den Primat. Es ist unverkennbar, dass die Geschichtswissenschaft, wie sie sich im Laufe des 19. Jahrhunderts als eigenständige wissenschaftliche Disziplin herausbildet, in der Aufklärung ihren Vorläufer und ihre Wurzeln hat. Bis dahin betrachtete man Geschichte als Teil der Rechts- oder Staatswissenschaften oder der Philosophie. Eine historische Rechtsschule im Sinne einer Geschichtsphilosophie gibt es erst mit Friedrich Carl von Savigny und Karl Friedrich Eichhorn zum beginnenden 19. Jahrhundert.

Geschichtsschreibung außereuropäischer Kulturkreise

Auch andere Kulturkreise haben Formen der umfassenden Geschichtsschreibung entwickelt, insbesondere in der islamischen Welt und in China. Die älteste Tradition der Geschichtsschreibung ist über 3.000 Jahre alt und stammt aus China, hierbei sind die ältesten Geschichtsschreiber jedoch nicht namentlich bekannt, ihre Werke verfügen jedoch bereits über eine Dokumentation der verwendeten Quellen. Erst mit Simi Guangs Zizhi tongjian von 959 liegt dann eine präzise Beschreibung der historiografischen Methoden vor. (vgl. auch Sima Qian und Ban Gu in der Zeit der Han-Dynastie, sowie Fa-Hien in der Zeit der Jin-Dynastie um 337 - um 422).

Die islamische Geschichtsschreibung (ilm at-tarich) ist religiösen Ursprungs. Geschichte galt als Traditionswissenschaft, deren Auftrag die unverfälschte Überlieferung zentraler religiöser Inhalte war. Dazu bedienten sich die arabischen Historiker ausgefeilter Methoden der Quellenkritik, die auf so genannten "Überliefererketten" (Isnad) aufbaut. In späterer Zeit findet man zunehmend auch Werke säkularen Inhalts. Die arabische Geschichtsschreibung ist auch in Bezug auf die persische Geschichte (Sassaniden) von Bedeutung (siehe Tabari).

Siehe auch

Literatur

  • Volker Reinhardt (Hrsg.): Hauptwerke der Geschichtsschreibung, Kröner, Stuttgart 1997.