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Dransfelder Rampe

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Datei:Plan Südbahn.jpg
Streckenführung der Hannöverschen Südbahn Göttingen-Hann. Münden 1856-1995

Die Hannöversche Südbahn ist die Bahnstrecke zwischen Hannover und Hann. Münden. Ihr nördlicher Abschnitt Hannover-Göttingen wurde 1854 eröffnet und ist weiterhin in Betrieb. Der südliche Streckenabschnitt Göttingen-Hann. Münden wurde am 8. Mai 1856 eröffnet. Zur Vermeidung einer Linienführung über kurhessisches Gebiet wurde dieser Streckenabschnitt trotz schwierigen Geländes über Dransfeld nach Hann. Münden geführt. Hier schloss die Hannöversche Südbahn an das hessische Netz nach Kassel an. Beschrieben wird hier der südliche Abschnitt zwischen Göttingen, Dransfeld und Hann. Münden (später als eigene Kursbuchstrecke 257 bezeichnet), der in Teilen von 1980 bis 1995 endgültig stillgelet wurde.

Bau

Die als Hauptstrecke ursprünglich zweigleisig angelegte Trasse stellte hohe Anforderungen an Bau und Betrieb: starke Steigungen und Gefälle mit 158 Metern Höhenunterschied, aufwändige Dammschüttungen und kostenintensive Kunstbauten wie der Volkmarshäuser Tunnel, mit 325,5 Metern Länge der einzige Tunnel im hannoverschen Streckennetz, und die mehrbogige steinerne Werratalbrücke.

Dennoch war diese Streckenführung die kostengünstigste von drei möglichen Varianten. Die verbreitete Behauptung, Georg V. habe die Tunnelvariante aus Prestigegründen angeordnet, um in seinem Königreich Hannover auch einen Eisenbahntunnel zu besitzen, ist nicht haltbar. Vorrangig sprachen neben der Kostenabwägung zwei Bedingungen für die dann ausgeführte Variante: Die Strecke mußte auf Höhe gehalten werden, um später problemlos bis Kassel weiter geführt zu werden, und die Trasse durfte nicht durch das Kurfürstentum Hessen-Kassel führen, um gebietsrechtliche Komplikationen zu vermeiden. Durch die höher gelegene Steckenführung befindet sich der Mündener Bahnhof in Hanglage, weitab vom Stadtzentrum. Erst nach der Annektion Hannovers und Hessen-Kassels durch Preußen 1866 spielten territoriale Bedenken keine Rolle mehr, und eine neue Streckenführung durch das Werratal über Eichenberg/Ahrenshausen nach Göttingen konnte 1872 realisiert werden. Daher wechselt heute noch die Streckenkilometrierung zwischen Eichenberg und Kassel in Hann. Münden von 193,54 auf 142,03 in Richtung Kassel.

Eine dieser alternativen Planungen führte die Trasse an der Universitätsstadt Göttingen vorbei, da dieser Südabschnitt aufgrund der großen Höhendifferenzen schwierig zu bauen war. Bei der Planung der Neubaustrecke Hannover-Würzburg gab es etwa 120 Jahre später die gleichen Überlegungen, die Städte Hannover und Kassel (letztere bis dahin nicht im Intercity-Takt eingebunden) direkt entlang des Solling-Gebirges (im Weserbergland) miteinander zu verbinden.

Zur Anbindung des Hann. Mündener Hafens wurde kurz vor der Werraüberquerung die 1,5 km lange Hafenbahn abgezweigt. Sie führte zu den Schiffs-Verladeeinrichtungen am Zusammenfluss von Werra und Fulda.

Betrieb

Datei:Südbahn.jpg
Fernreisezug VT 08 auf der Hannöverschen Südbahn 1952

Bis zur Einführung der Dieseltraktion wurde im Dampfbetrieb mit Schiebeloks gefahren, die sowohl in Göttingen als auch in Hann. Münden ständig bereit stehen mussten. Eigens für die Dransfelder Rampe entwickelte Loktypen kamen zum Einsatz. Aufgrund der hohen Anforderungen und der räumlichen Nähe der Südbahn zu Kassel diente sie dem dort ansässigen Lokomotivbauer Henschel als willkommene Versuchsstrecke. Praktisch wurde jede Lokomotive erst nach bestandener Prüfung auf der Südbahn in Dienst gestellt. So sah die landschaftlich reizvolle Strecke manchen Lok-Exoten wie z.B. die stromlinienförmig verkleidete Dampfmotorlok 19-1001, die als betriebsreifes Unikat in die Dampflokgeschichte einging.

Bedeutung

Datei:Brücke Südbahn0004.JPG
Behelfsbrücke der Südbahn über die Werra in Hann.Münden 2005

Die Bedeutung der Hannöverschen Südbahn verblasste bereits 1872, als die zwar deutlich längere aber dafür problemlos zu befahrende Werratalstrecke zwischen Hann. Münden und Göttingen über Eichenberg eröffnet wurde. Nach Einführung der dieselgetriebenen Fernzüge wie des VT 08 erlebte die Südbahn eine gewisse Wiederbelebung, die aber im Zweiten Weltkrieg durch Abbau des zweiten Gleises jäh endete. Schließlich sprengten abziehende Truppen 1945 kurz vor Kriegsende die steinerne Werratalbrücke in Hann. Münden und unterbrachen so die Trasse. Da aber auch die Werratalstrecke durch Kriegsschäden nicht mehr befahrbar war, wurde der Verkehr auf der Südbahn im Rumpfbetrieb aufrecht erhalten. 4 Jahre lang endeten alle Züge aus Göttingen kommend in der provisorisch eingerichteten Station Münden-Nord. Die Fahrgäste mussten samt Gepäck einen mehrere Kilometer langen Fußmarsch zum Hauptbahnhof zurücklegen, um ihre Reise in Richtung Kassel fortsetzen zu können. 1949 wurde die Lücke durch den Einbau einer provisorischen Gitterstahlbrücke (sie steht heute noch) geschlossen.

Niedergang

Datei:Trasse Südbahn0003.JPG
ehemalige Südbahn-Trasse in Hann.Münden 2005

1964 wurde die Werratalstrecke elektrifiziert und der bis dato durchaus noch rege Fernreiseverkehr im Abschnitt Göttingen-Hann. Münden auf einen bedeutungslosen Nebenbahnbetrieb reduziert. 1975 wurde bundesweit der Personenverkehr auf vielen Nebenbahnen an Wochenenden eingestellt, so auch hier. Anfang 1980 verkehrten auf der Strecke täglich nur noch 3 Bummelzugpaare und ein Güterzug. Mit Wechsel auf den Sommerfahrplan wurde der Personenverkehr am 31. Mai 1980 auf der gesamten Strecke eingestellt und die Strecke nur noch als Güteranschlussgleis zunächst von Hann. Münden bis Dransfeld, später nur noch bis Oberscheden geführt. Die Gleise zwischen Göttingen und Dransfeld wurden nach Einstellung des Personenverkehrs recht schnell abgebaut. Die in Hann. Münden abzweigende Hafenbahn wurde ebenfalls stillgelegt, letzter Nutzer war bis Ende der 1980er Jahre die Bundeswehr, die damit per Schiene schwere Geräte zum Wasserübungsplatz rechts der Weser transportieren konnte.

Im April 1995 führte die Rangier-Diesellok V 60 im Rahmen einer Lokführerausbildung die letzte offizielle Befahrung durch. Der Volkmarshäuser Tunnel und die Werratalbrücke wurden im September 1995 wegen Baufälligkeit geschlossen. Am 9. Oktober 1995 wurde die gesamte Strecke als stillgelegt deklariert und von Mündener Seite das Gleis bis kurz vor Oberscheden abgebaut. Zwischen Dransfeld und Mielenhausen (etwa den Streckenkilometern 124-134 entsprechend) liegt das Gleis noch mit einigen Unterbrechungen durch beseitigte Bahnübergänge oder erfolgte Überbauungen. An anderer Stelle ist dafür die Infrastruktur in noch recht gutem Zustand.

Bahnhöfe und Haltepunkte

Nordabschnitt (KBS 350)

Bahnhöfe und Haltepunkte Streckenkilometer
Hannover Hbf 0,0
Hannover-Bismarkstraße 3,1
Hannover-Wülfel (aufgelassen) 7,0
Hannover Messe-Laatzen 8,0
Rethen 11,9
Sarstedt 18,4
Barnten 22,9
Nordstemmen 26,5
[[]](aufgelassen)  
Elze 32,9
Banteln 39,0
Godenau (aufgelassen) 45,8
Alfeld
Freden 58,7
Kreiensen 68,8
Salzderhelden 76,8
Northeim
Sudheim (aufgelassen)
Nörten-Hardenberg 97,8
Bovenden (aufgelassen) 101,7
Göttingen 108,1

Südabschnitt (ehem. KBS 257)

Bahnhöfe und Haltepunkte Streckenkilometer
Göttingen 108,1
Groß Ellershausen (aufgelassen) 113,1
Dransfeld (aufgelassen) 123,8
Oberscheden (aufgelassen) 132,1
Volkmarshausen (aufgelassen) 136,3
Münden-Nord (aufgelassen) 140,5
(Abzweig Hafenbahn) 141,0
Hann. Münden 142,0

Anschluss nach Kassel (KBS 611)

Bahnhöfe und Haltepunkte Streckenkilometer
Hann. Münden 142.0
Wilhelmshausen (aufgelassen)  
Speele 151,4
Ihringshausen 157,6
Niedervellmar 161,3
Kassel Hbf 166,2

Zukunft

Etwa 10 Kilometer der ehemaligen Trasse zwischen Göttingen und Dransfeld sind heute als Wander- und Radweg ausgebaut. Dieser beginnt im Göttinger Stadtteil Grone im Parallelverlauf mit der Neubaustrecke Hannover-Würzburg, führt dann um Groß Ellershausen herum (die Schleife diente der Höhengewinnung), durch den Groner Wald bis zur Bundesstraße 3, dem damaligen Streckenkilometer 119,2 entsprechend, wo sich früher ein Bahnübergang befand.

Die gesamte Strecke wieder für den Schienenverkehr zu nutzen, scheitert neben der Baufälligkeit des Tunnels und der Brücken; insbesondere der Werratalbrücke (siehe Abbildung) auch an den schon vereinzelt verkauften und überbauten Grundstücken. So ist in Dransfeld der ehemalige Bahnhofsbereich mit einer Raiffeisen-Lagerhalle überbaut, angrenzende Grundstücke werden von einem Asphaltwerk als Halde genutzt. In Scheden sind etwa hundert Meter Gleis dem Ausbau eines Stanzwerks gewichen, in Hann. Münden-Nord, jenem Teil der Bahnstrecke, der am längsten in Betrieb war, befinden sich Wohnhäuser, Fabrikhallen und Kleingärten, wo früher Züge fuhren. Letztlich wird der ehemalige Mündener Güterbahnhof nunmehr von einem Bedachungsgeschäft genutzt, das seine Verkaufsflächen auf die inzwischen vom Eisenbahn-Bundesamt endwidmeten Bahnanlagen ausgeweitet hat. Als Bahnhofsgebäude sind nur noch der Dransfelder Bahnhof mit einem Nebenbau erhalten geblieben, alle anderen Bahngebäude entlang der Strecke wurden - von zwei-drei Strecken- bzw. Schrankenposten abgesehen, inzwischen abgerissen.

Einer verkehrlichen Nutzung stünden auch gesetzliche Auflagen entgegen, da ein Teil dieser alten Bahnstrecke als Ausgleichsfläche für die ICE-Schnellfahrstrecke Hannover-Würzburg ausgewiesen wurde. Weitere Teile der alten Bahnstrecke sollen bis 2008 zum Radweg umgebaut werden. Geplant ist eine Erweiterung im Bereich Bundesstraße 3 und der Ortschaft Ossenfeld sowie dem Abschnitt Wellersen (Streckenkilometer 128) und Oberscheden.