Sozialabbau
Sozialabbau bezeichnet die Verminderung von öffentlichen Sozialleistungen und die Beschneidung von Leistungen der Sozialversicherungen. Im politischen Meinungskampf wird der Begriff manchmal auch gebraucht, um den Abbau von Steuerprivilegien oder Subventionen zu kritisieren.
Geschichte
In der Bundesrepublik wurde seit den 1970er Jahren ein hoher Standard sozialer Absicherung erreicht. Die Finanzierung dieser Absicherung war jedoch zu keinem Zeitpunkt gesichert: Die Arbeitslosigkeit stieg und verursachte hohe Kosten; gleichzeitig sanken die Einnahmen aus den Sozialversicherungsbeiträgen. Die dadurch entstehenden Defizite wurden durch höhere Staatsverschuldung ausgeglichen.
In den 90er Jahren verschärften mehrere Ereignisse die Situation: Die Wiedervereinigung, die Einführung des Euro und die wirtschaftliche Globalisierung:
- Durch die Wiedervereinigung wurden zum einen die beitragsfinanzierten Sozialsysteme stark belastet (aus politischen Gründen wurden Steuererhöhungen zur Finanzierung abgelehnt), zum anderen hat sich die Staatsverschuldung innerhalb weniger Jahre versechsfacht.
- Der europäische Stabilitätspakt sorgte dafür, dass die Staatsverschuldung nicht mehr beliebig wachsen konnte. Darüber hinaus stiegen durch die Euro-Einführung die Realzinsen für Kredite in Deutschland relativ zum europäischen Ausland.
- Die härtere internationale Konkurrenz durch offenere Märkte, wachsende Produktivität und vergleichbare Bildungssysteme in Staaten mit weit geringeren Löhnen und Steuern verschärfen den Druck auf Wirtschaft und Politik, im Inland Sozialleistungen und Arbeitskosten zu senken. Dadurch sollen Arbeitsplätze in Deutschland erhalten und deren Verlagerung ins Ausland gebremst werden. (Seit 1995 haben z.B. die deutschen Metallarbeitgeber nach eigenen Angaben 50.000 neue Arbeitsplätze im Ausland geschaffen [1]).
Diskussion
Kritiker des Sozialabbaus sind Gewerkschaften, Sozialverbände, Globalisierungskritiker, sowie einige Parteien. Sie argumentieren, dass durch Sozialabbau die "Soziale Gerechtigkeit" abnehme und die Soziale Ungleichheit wachse. Statt Sozialabbau schlagen sie Steuererhöhungen und eine Verbreiterung der Einnahmenbasis der Sozialversicherungen vor, seltener auch eine höhere Staatsverschuldung zur Finanzierung gezielter Wachstumsprogramme.
Befürworter meinen, dass die hohen Kosten für die Sozialversicherungen die Arbeitslosigkeit steigen und damit letztlich sogar die soziale Ungleichheit wachsen lassen. Weiterhin verweisen sie darauf, dass es nicht gerecht sei, zukünftigen Generationen die doppelte Bürde hoher Staatsverschuldung und der Überalterung aufzuzwingen. Sie äußern zunehmend Kritik an der Politik deutscher Gewerkschaften: Anders als skandinavische Gewerkschaften gingen diese weiterhin davon aus, dass sich hohe Lohnkosten nicht negativ auf die Beschäftigung auswirken. Den Gewerkschaften wird vorgeworfen, sie nähmen keine konstruktive Haltung zu Reformen und Veränderungen ein (DGB-Vorsitzender Sommer am 3. April 2004: "Sozialabbau ist Mist").
Aktuelle Entwicklungen
Die regierende SPD, traditionell gewerkschaftsfreundlich, wandte sich in grundlegenden Positionen von der Haltung der Gewerkschaften ab und setzt, wenn auch moderater als von der Opposition und von der Wirtschaft gefordert, den Sozialabbau in Deutschland fort (Agenda 2010).
Dagegen protestieren zunehmend mehr Menschen. An einem europäischen Aktionstag gegen Sozialabbau demonstrierten am 3. April 2004 alleine in Deutschland mehr als 500 000 Menschen. Ihr Anliegen ist die Verbindung von Reformen mit sozialer Gerechtigkeit. Sie bezweifeln die vorherrschende Lehre, wonach die Entlastung der Unternehmen in den wirtschaftlichen Aufschwung führt.
Siehe auch: Demografie, Hartz-Konzept