Sexualpraktik
Als sexuelle Praktik werden alle Handlungen bezeichnet, die subjektiv der Befriedigung des Sexualtriebs dienen.
Darunter fallen nicht nur offensichtlich sexuelle Handlungen, wie die Manipulation der Genitalien, sondern alles, was für die Beteiligten sexuell stimulierend ist. Viele dieser Praktiken können daher auch in nicht-sexuellen Zusammenhängen auftauchen (z.B. der Kuss).
Sexuelle Praktik bei Säugetieren
Betrachtet man das gesamte Reich der Säugetiere, ist wohl die häufigste sexuelle Praktik der vaginale Geschlechtsverkehr. Allerdings sind auch bei Tieren andere sexuelle Praktiken bekannt; den ans Bein springenden Hund hat wohl jeder schon einmal erlebt. Als besonders erfindungsreich und die Abwechslung liebend gelten vor allem Bonobos (Zwergschimpansen).
Sexuelle Praktik beim Menschen
Der Mensch hat eine Vielzahl von sexuellen Praktiken entwickelt. Sie entsprechen der Komplexität der menschlichen Sexualität und sind Ausdruck des Erfindungsgeistes des Menschen. Manche sexuellen Praktiken haben einen eher praktischen Hintergrund, so wurde und wird Analverkehr häufig zur Empfängnisverhütung praktiziert.
Autosexualität, Selbstbefriedigung
Sexuelle Praktiken, die eine einzelne Person ausübt, werden unter den Begriffen Autosexualität oder Selbstbefriedigung (auch Onanie, Ipsation oder Masturbation) zusammengefasst.
Die Masturbation im Wortsinne wird mit der Hand durchgeführt (von manus "Hand"). Selbstbefriedigung im allgemeinen kann auch unter Zuhilfenahme der verschiedensten Gegenstände (siehe auch Sexspielzeug) durchgeführt werden.
Auch die Elektrostimulation kann eine Form der Autosexualität sein.
Sexuelle Praktiken zwischen zwei oder mehr Menschen
Sexuelle Praktiken zwischen zwei (verschieden- oder gleichgeschlechtlichen) Personen umfassen erotische Massagen, die Manipulation der erogenen Zonen (z.B. der Lippen, der Zunge, der Ohrläppchen, des Anus) sowie des gesamten Körpers, Petting (Manipulation der primären und sekundären Geschlechtsorgane), Gewalttätigkeiten (Schläge, SM), Elektrostimulation sowie die verschiedensten Arten des Geschlechtsverkehrs. Der Begriff Geschlechtsverkehr bezeichnet je nach Gebrauch entweder sexuelle Praktiken, bei denen ein oder mehrere primäre Geschlechtsorgane beteiligt sind, Penetration durch den Penis (vaginal, anal, oral) oder nur den vaginalen Geschlechtsverkehr.
Dazu kommen jene Praktiken, welche nicht per se sexuell sein müssen, aber von den Beteiligten als sexuell stimulierend empfunden werden, wie Rollenspiele, Verkleidungen, eine beabsichtigte Verzögerung sexueller Handlungen oder sexueller Befriedigung, Ortswahl (z.B. Sex im Fahrstuhl), das gemeinsame Ansehen insbesondere eines erotischen Filmes bzw. eines Pornofilm und so weiter. Es dürfte wenige Handlungen geben, welche noch niemals mit einer sexuellen Praktik in Verbindung gebracht wurden.
Vaginalverkehr
Der Vaginalverkehr, bei dem der Penis in die Vagina eingeführt wird, ist der Standard-Geschlechtsverkehr zwischen Mann und Frau. Er kann in verschiedenen Stellungen praktiziert werden. Wird kein Empfängnisverhütungsmittel verwendet, kann es beim Vaginalverkehr zur Befruchtung (Zeugung) kommen.
Oralverkehr
Als Oralverkehr wird Geschlechtsverkehr mit dem Mund bezeichnet. Die Kombination Mund-Penis wird Fellatio (auch "blasen" oder englisch "Blow Job") genannt, die Kombination Mund-Vagina wird als Cunnilingus bezeichnet. Eine gleichzeitige gegenseitige orale Stimulierung ist sowohl zwischen gleich- als auch verschiedengeschlechtlichen Paaren möglich und wird umgangssprachlich Neunundsechzig genannt.
Analverkehr
Der Begriff Analverkehr bezeichnet Geschlechtsverkehr, bei dem der Penis in den Anus des Partners eingeführt wird. Analverkehr ist sowohl zwischen Mann und Frau als auch zwischen zwei Männern möglich.
Im weiteren Sinn zum Analverkehr kann auch die Liebkosung/Penetration des Anus mit den Fingern ("russisch", siehe unten), mit der Zunge (Rimming/Anilingus), oder mit einem Sexspielzeug (z.B. einem Vibrator oder Butt Plug) gezählt werden.
Sex mit anderen Körperteilen
- Busen-Sex ("spanisch", siehe unten)
- Achselhöhlen-Sex ("italienisch", siehe unten)
- Schenkelverkehr ("russisch", siehe unten)
Spezialtypen des Geschlechtsverkehrs
- Quickie
- Outdoor-Sex, z.B. Dogging
- Triole, auch "flotter Dreier" genannt (drei Beteiligte)
- Gruppensex, "Gangbang" (mehr als drei Beteiligte)
Sexuelle Praktiken ohne physischen Kontakt
- Verbalerotik ("Dirty Talking")
- Voyeurismus
- Exhibitionismus
- Telefonsex
- Cybersex
Andere sexuelle Praktiken
Zu den sexuellen Praktiken, die vorrangig bei bestimmten Paraphilien ausgeübt werden, zählen die Praktiken des:
- Fetischismus
- bezogen auf Körperteile (z.B. Füße, Haare)
- bezogen auf Materialien (z.B. Leder, Lack, Latex, Gummi)
- bezogen auf Gegenstände (z.B. Schuhe, Stiefel, Strümpfe, Strumpfhosen, Windeln, Turnhosen)
- Transvestitischer Fetischismus
- Objektsexualität
- BDSM (Bondage, Dominance and Submission, Sadomasochismus)
- in der Variante des Folterspieles die Elektrostimulation
- Erotisches Rollenspiel/Ageplay
- Klinikerotik
- Sexuelle Praktiken mit
- Sperma
- Urin ("Natursekt" oder "Golden Shower")
- Kot ("Kaviar", "Scat", siehe auch Koprophilie)
Sexuelle Praktiken mit Ländernamen
Viele sexuelle Praktiken werden im Volksmund mit Ländernamen belegt. Die Herkunft dieser Benennungen ist oft unbekannt, spiegelt aber wohl meist Vorurteile (z.B. "russisch", "schwedisch") oder sehr traurige Entstehungsgeschichten (z.B. "serbisch") wieder. In vielen Fällen herrscht kein Konsens über die Namensgebung.
Beispiele hierfür sind:
- "arabisch" oder "persisch": der Mann taucht seinen Penis vor dem Geschlechtsverkehr in warmes Öl und penetriert dann die Frau. (Seltener wird arabisch auch als Analverkehr verstanden)
- "deutsch", normaler Geschlechtsverkehr intravaginal. Häufig wird unter "deutsch" auch die Missionarsstellung verstanden
- "englisch": erzieherische Rollenspiele mit teilweise sadistischen oder masochistischen Zügen ohne die direkte Zufügung von körperlichen Schmerzen. Auch die Einengung von Bewegungen, Bondage, oder die Einschränkung von Hören, Sehen und Tasten. (Früher wurde als "englisch" auch das Flagellieren bzw. Spanking verstanden)
- "französisch": orale Sextechniken wie Zungenkuss, Fellatio und Cunnilingus. Auch "französische Schamhaare" für eine Teilrasur der Scham, so dass noch ein Streifen Schamhaar über der Vagina oder dem Penis stehen bleibt
- "griechisch": Analverkehr
- "indisch": Sex in (vielen) verschiedenen (komplizierten) Stellungen, wie beim Kamasutra
- "italienisch": Sex mit der Achselhöhle des Geschlechtspartners. Hierbei wird die Achselhöhle des Geschlechtspartner quasi penetriert. Der Geschlechtspartner kann mit dem Arm dabei den Druck auf den Penis variieren.
- "russisch": eine anale Praktik (Ölmassage) ohne Geschlechtsverkehr, selten auch die Befriedigung des Mannes zwischen den Oberschenkeln der Frau (Schenkelverkehr), noch seltener echter Analverkehr
- "schwedisch" oder "florentinisch": eine Technik, die eher von Prostituierten ausgeübt wird. Die Frau umfaßt den Penis so, dass die Eichel von der Vorhaut freigelegt ist und der Mann penetriert die Frau. Die freiliegende Eichel bewirkt, dass der Mann durch die stärkere Reizung (im allgemeinen) schneller zum Orgasmus gelangt. Durch Druck auf den Penis an der Wurzel kann auch die Erektion verstärkt (bzw. erst herbeigeführt) werden und so das Eindringen in die Frau ermöglicht werden. Unter "schwedisch" wird selten auch die gegenseitige Masturbation verstanden.
- "serbisch": eine gespielte (schauspielerische) Vergewaltigung
- "spanisch": auch Intermammal oder Busen-Sex genannt. Hierbei wird der Penis des Mannes zwischen den Brüsten der Frau massiert
- "thailändisch": eine Ganzkörpermassage des Mannes durch/mit den/dem Körper des/der Sexualpartners/Sexualpartnerin.
- "belgisch": siehe Paedophil
Sexuelle Praktik und gesellschaftliche Norm
Die Bewertung sexueller Praktiken ist kulturabhängig. So wurde in der westlichen Welt lange Zeit allein der Vaginalverkehr, teilweise nur in bestimmten Stellungen, als "normal" akzeptiert. Die meisten anderen sexuellen Praktiken galten als Perversionen, also Entartungen. Sie wurden tabuisiert und waren durch Gesetz verboten.
Der Begriff der Perversion ist in den letzten Jahren zunehmend durch den neutraleren Begriff der Paraphilie oder der sexuellen Devianz abgelöst worden. Auch wird nicht mehr jede "anormale" sexuelle Praktik als Devianz eingestuft. Eine Devianz liegt demnach nur noch vor, wenn eine bestimmte sexuelle Praktik notwendig zur sexuellen Befriedigung geworden ist (vergleiche Fetisch) oder sie das normale soziale Funktionieren einer Person behindert (siehe auch Zwang).
Inzwischen gelten im größten Teil von Europa gesetzliche Verbote nur noch für sexuelle Praktiken, die nicht auf Freiwilligkeit beruhen. Dagegegen gibt es in einigen Staaten der USA Gesetze, welche Oral- und/oder Analverkehr unter Strafe stellen. Dies entspricht durchaus auch der sozialen Bewertung: Während beispielsweise 80% der europäischen Bevölkerung Oralverkehr als "normal" bewerten, bewerten ihn viele US-Bürger als "pervers".
In Deutschland sind derzeit folgende sexuelle Praktiken verboten:
- sexuelle Handlungen mit Kindern (sexueller Missbrauch von Kindern, siehe auch Pädophilie)
- sexuelle Handlungen mit Tieren (Sodomie): verboten nur bei offensichtlicher Tierquälerei. Der Geschlechtsvekehr mit Großtieren wie Kühen oder Pferden ist nicht strafbar (siehe auch Zoophilie)
- sexuelle Handlungen mit Leichen (siehe auch Nekrophilie)
- Sexuelle Nötigung (z.B. Vergewaltigung)
- Inzest
- Exhibitionismus
Die kulturabhängige Bewertung der sexuellen Praktiken läßt sich auch an der Tatsache erkenne, daß viele sexuelle Praktiken (und andere Bezeichnungen aus dem Bereich der Sexualität) mit Ländernamen belegt sind; oft unabhängig von der faktischen Richtigkeit der Zuordnung.
Siehe auch: Sexualmoral