Kinderzeichnung



Kinderzeichnungen entwickeln sich etwa nach dem folgenden Schema (die Altersangaben sind natürlich keine absoluten und für jedes Kind gültigen Werte):
Spurschmieren
Bis zu einem Alter von etwa 1,6 Jahren "bearbeiten" Kinder gerne flüssige oder breiige Substanzen, ohne sich um die Ergebnisse zu kümmern.
Kritzeln
Sobald Kinder einen Stift o. ä. fassen und führen können, also ungefähr ab einem Lebensalter von einem Jahr, beginnt die Kritzelphase. Zunächst geht die Bewegung noch hauptsächlich vom Schultergelenk aus (so genanntes Hiebkritzeln), was einzelne Striche auf dem bekritzelten Untergrund hinterlässt, dann vom Ellenbogengelenk (Schwingkritzeln), was zu dichten Strichlagen, die in beide Richtungen verlaufen (also etwa von links unten nach rechts oben und wieder zurück), führt, dann vom Handgelenk. Damit ist das Kreiskritzeln möglich, das knäuelartige Spuren hinterlässt. Diese Phase ist mit ca. 1,9 - 1,11 Jahren erreicht. Die Kinder sind jetzt auch in der Lage, den Stift anzuheben und dann wieder neu aufzusetzen, also voneinander getrennte Gebilde auf dem Untergrund zu hinterlassen. Etwa um das dritte Lebensjahr herum, wenn ein geschlossenes Kreisgebilde gezogen werden kann, endet die Kritzelphase. Die Kinder beginnen jetzt - ungefähr mit zweieinhalb Jahren - auch ihre Zeichnungen zu kommentieren und erste Darstellungsabsichten lassen sich erkennen.
Die ersten Gebilde auf Kinderzeichnungen, die für Erwachsene etwas Erkennbares darstellen, sind die so genannten Kopffüßler. Sie bestehen zunächst aus einem Kreis mit fühler- oder tentakelartigen Gebilden, die nach allen Richtungen abstehen - dem so genannten Tastkörper. Er hat zwar Ähnlichkeit mit Sonnendarstellungen auf späteren Kinderbildern, wird aber eher als Ausdruck der momentanen Entwicklungssituation des Kindes selbst, das nach allen Seiten hin Erfahrungen macht und seinen Horizont ausdehnt, angesehen. Später beschränkt sich die Anzahl an angehängten Gliedmaßen auf zwei bis vier und in den Kreis wird ein schematisches Gesicht eingefügt. Warum bei diesen frühen Menschendarstellungen regelmäßig der Rumpf fehlt, obwohl schon sehr viel jüngere Kinder wissen, dass es einen Bauch gibt, und diesen an sich selbst und anderen auch zeigen können, ist umstritten. Gegen Ende der Kopffüßlerphase, wenn sich auch die Strichmännchen entwickeln, werden auch andere Formen, etwa Rechtecke, in das Repertoire aufgenommen, so dass nun auch andere Bildinhalte als nur die "Urlebewesen" dargestellt werden können.
Vorschemaphase
Ab einem Alter von etwa vier Jahren beginnen Kinder, ihre Bilder stärker zu komponieren. Sie arbeiten nun mit Koordinatenlinien wie z. B. einem Strich oder Balken, der den Himmel, und einem anderen, der den Boden darstellt, achten auf Differenzierung und Details wie z. B. Vorhänge oder Augenwimpern und setzen zahlreiche Gegenstände im Bild zueinander in Bezug. Auch die Farbwahl wird jetzt bewusst vorgenommen.
Werkreife
Mit ungefähr fünf Jahren haben Kinder ihr individuelles Repertoire gefestigt und die Zeichnungen beginnen typischer für das einzelne Kind zu werden. Eine gewisse Unverwechselbarkeit setzt in dieser Phase ein.
Schemaphase I
Typisch für die nun folgende Schemaphase I, die ungefähr bei Fünf- bis Achtjährigen zu verzeichnen ist, sind die "Röntgenbilder", die mehrere Schichten des Gegenstandes abbilden, obwohl dieser eigentlich undurchsichtig wäre. So sieht man auf diesen Bildern z. B. ein Haus zugleich von außen und von innen oder den Körperumriss unter den Kleidern. Die Größenverhältnisse der Gegenstände sind oft noch nicht realistisch erfasst, sondern richten sich nach dem Stellenwert des Dargestellten für das Kind.
Schemaphase II
Ab einem Alter von etwa acht Jahren bis zum Abschluss der Entwicklung mit etwa zwölf Jahren beginnen die Kinder sich um realistische Größenverhältnisse und die Darstellung des dreidimensionalen Raums zu bemühen. Typisch für diesen Entwicklungsschritt sind so genannte Steil- oder Horizontbilder, auf denen weiter entfernte Objekte kleiner und weiter oben im Bild zu sehen sind als Gegenstände, die sich im Vordergrund befinden sollen. An perspektivischen Zeichnungen etwa von Möbelstücken versuchen sich ungefähr Zehnjährige; noch später wird gelegentlich auch die Vogelperspektive gewählt, so dass auch Grundrisse u. ä. gezeichnet werden können. Oft neigen Kinder gegen Ende dieser Phase dazu, zu karikieren und zu ironisieren - vielleicht aus Unzufriedenheit mit ihren Versuchen, Dinge wirklich realistisch abzubilden.
Kinderzeichnungen in der Literatur
- Friedrich Dürrenmatt, Das Versprechen