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Heinrich von Kleist

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Heinrich von Kleist

Dichter und Schriftsteller (1777-1811)

Bernd Wilhelm Heinrich von KLEIST wurde am 18.10. 1777 in Frankfurt a.d.O. als Sohn des Obristen Joachim Friedrich von Kleist, einem Vertreter eines alten und bedeutenden Militäradels und dessen zweiter Ehefrau Ulrike, geboren. Nach dem Tode seines Vaters 1788 wurde er in ein Erziehungsinstitut nach Berlin geschickt.

Ausbildung und Militärzeit

Im Juni 1792 tritt der junge Kleist treu seiner Familientradition als `Gefreiterkorporal' in das `Garderegiment' zu Potsdam ein und nimmt u.a. am Rheinfeldzug gegen Frankreich teil. Trotz aufkommender Zweifel an seiner militärischen Tätigkeit führt er seinen Miltärdienst weiter fort und wird 1795 zum Fähnrich und 1797 zum Leutnant befördert. Privat jedoch nimmt Kleist zusammen mit seinem Freund Rühle von Lilienstern mathematische und philosophische Studien in Potsdam auf und erwirbt sich den Universitätszugang. Im März 1799 äußert er die Absicht, den als unerträglich empfundenen Militärdienst aufzugeben und seinen `Lebensplan' auch gegen den zu erwartenden Widerstand der Familie nicht auf `Reichtum, Würden, Ehren', sondern auf die `Ausbildung' des Geistes zu gründen und ein wissenschaftliches Studium aufzunehmen. Nach seiner erbetenen Entlassung aus dem Militär beginnt Kleist im April 1799 in Frankfurt a.d.O., Mathematik als Hauptfach und Physik, Kulturgeschichte, Latein und - zur Beruhigung seiner Verwandten - Kameralwissenschaften zu studieren. Die hoffnungsvoll begonnene wissenschaftliche Ausbildung vermag Kleist jedoch schon bald nicht mehr voll zu befriedigen, das Buchwissen reicht ihm nicht aus. 1799 lernt er die Generalstochter Wilhelmine von Zenge kennen, mit der er sich bereits Anfang 1800 verlobt.

Paris und Thuner See (Schweiz)

1800 beginnt Kleist als Volontär im preußischen Wirtschaftsministerium in Berlin zu arbeiten, obwohl dies seinem Verständnis eines Lebensplanes' freier Geistesbildung' nicht entspricht. Die berufliche, soziale und individuelle Problematik "das Leben ist ein schweres Spiel... weil man beständig und immer von neuem eine Karte ziehen soll und doch nicht weiß, was Trumpf ist“, (Brief an Ulrike vom 5.2.1801) verdichtet sich in der sog. `Kant-Krise', “Wir können nicht entscheiden,ob das wir Wahrheit nennen, wahrhaftig Wahrheit ist oder ob es uns nur so scheint. ... Mein einziges ,mein höchstes Ziel ist gesunken, ich habe nun keines mehr -“(Brief an Wilhelmine vom 22.3.1801 ). Die erfahrene Unsicherheit der Erkenntniss stellt seinen auf Bildung und Erkenntnisstreben gestellten Lebensplan in Frage. Dieser zugespitzten Lebenskrise versucht Kleist, durch eine Reise zu entfliehen. Im April 1801 bricht er zusammen mit seiner Schwester Ulrike in Richtung Dresden auf. Un reist dann nach nach Paris weiter. Doch angesichts der von ihm als sittenlos empfundenen Hauptstadt scheinen ihm die Werke der französischen Aufklärung (Helvétius, Voltaire, Rousseau), das Gegenteil ihrer Absicht zu bewirken. Abermals verarbeitet Kleist seine enttäuschenden Erfahrungen als Zweifel an der Eindeutigkeit der Vernunft und dem geschichtlichen Wollen. Durch Rousseau sieht er sich angeregt, ein bäuerliches Leben zu führen, „ein Feld zu bebauen, einen Baum zu pflanzen, und ein Kind zu zeugen.“ (Brief vom 10.10.1801 an Wilhelmine) Ab April 1802 nimmt er Wohnsitz auf der Delosea-Insel im Thuner See (Schweiz). Es folgt der Bruch mit Wilhelmine, da diese nicht seinen Vorstellungen folgen will, mit ihm zusammen als Bäuerin zu leben. Er arbeitet nun an dem bereits in Paris unter dem Titel „Die Familie Ghonorez“ begonnenen Trauerspiel “Die Familie Schroffenstein“ (Anfang 1803 anonym erschienen, am 9.1.1804 in Graz uraufgeführt), und schreibt weiter an seinem Trauerspiel „Robert Guiskard -Herzog der Normänner“ (Fragment April/Mai 1808 in der Kleist'schen Zeitschrift „Phöbus“ erschienen). Desweiteren beginnt er das Lustspiel „Der Zerbrochne Krug" (Uraufführung am 2.3.1808 in Weimar).

Im Staatsdienst

Nach Zwischenstation in Leipzig (März 1803) kommt Kleist im April in Dresden an, wo er u.a. Friedrich de la Motte Fouqué kennenlernt und seinen Jugendfreund Ernst von Pfuel wiedertrifft, dem er wiederholt gesagt haben soll, es gebe für ihn nur das Ziel, `der größte Dichter seiner Nation zu werden'. Zusammen mit von Pfuel reist Kleist abermals, diesmal über Bern, Mailand, Genf und Lyon, nach Paris, wo er am 14.2.1803 ankommt und dort in Verzweiflung, seine Vorstellungen nicht realisieren zu können, das bisher geschriebene Manuskript des „Guiskard“ verbrennt („Der Himmel versagt mir den Ruhm, das größte der Güter der Erde“, Brief an Ulrike vom 26.10.1803). Kleist faßt den Entschluß, in der französischen Armee gegen England zu kämpfen, um `den Tod in der Schlacht zu sterben', wird aber durch einen Bekannten dazu überredet, nach Potsdam zurückzukehren. Im Dezember 1803 bricht Kleist über Mainz und Leipzig nach Frankfurt a.d.O. auf und beantragt in Berlin eine Anstellung im diplomatischen Dienst. Nach einer kurzen Tätigkeit im vom Freiherrn von Stein geleiteten Finanzdepartment (Mitte 1804) arbeitet er ab 1.5.1805 auf Empfehlung von Hardenbergs als Diätar in Königsberg und läßt sich bei dem Staats- und Wirtschaftstheoretiker Christian Jacob Krause im Finanzwesen ausbilden. In Königsberg trifft er u.a. die inzwischen mit dem Philosophieprofessor Wilhelm Traugott Koch verheirate Wilhelmine wieder. Kleist vollendet den "Zerbrochnen Krug" und arbeitet an dem Lustspiel "Amphitryon" (1807 erschienen, Uraufführung 1898 in Berlin), dem Trauerspiel "Penthesilea" (1808 erschienen, Uraufführung 1876 in Berlin) und an den Erzählungen "Michael Kohlhaas" (vollständig 1810 erschienen) und "Das Erdbeben von Chili" (unter dem ursprünglichen Titel "Jeronimo und Josephe" 1807, leicht redigiert 1810 erschienen). Im August 1806 teilt Kleist seinem Freund von Lilienstern seine Absicht mit, aus dem Staatsdienst zu scheiden, um sich nunmehr durch `dramatische Arbeiten' zu ernähren. Auf dem Wege nach Berlin (Januar 1807) werden Kleist und seine Begleiter von den französischen Behörden als angebliche Spione verhaftet, zunächst in das Fort Joux bei Besançon und dann in das Kriegsgefangenenlager Châlons-sur-Marne transportiert, wo er vermutlich die Novelle "Die Marquise von O..." schreibt und an der "Penthesilea" weiterarbeitet.

Dresden

Nach seiner Freilassung (12.7.1807) reist er über Berlin nach Dresden (ab Ende August 1807), wo er u.a. den Freund Schillers, Christian Gottfried Körner, die Romantiker Ludwig Tieck, G.H. Schubert, C.D. Friedrich und vor allem den Staats- und Geschichtsphilosophen Adam Müller und den Historiker Friedrich Christoph Dahlmann kennenlernt. Zusammen mit Müller gibt Kleist ab Januar 1808 das "Journal für die Kunst", den "Phöbus" heraus, dessen erstes Heft mit dem Beitrag "Fragment aus dem Trauerspiel: Penthesilea" er u.a. Goethe zusendet, der in einem Antwortschreiben vom 4.2.1808 seine Verwunderung und sein Unverständnis bekundet. Im Dezember 1808 vollendet Kleist unter dem Eindruck der spanischen Erhebung gegen Napoleon (1808), der Besetzung Preußens und der Anfänge des österreichischen Freiheitskampfes das Drama "Die Hermannsschlacht" (erschienen 1821, Uraufführung am 18.10. 1860 in Breslau). In der Hoffnung auf einen wachsenden anti-napoleonischen Widerstand reist er zusammen mit Dahlmann über Aspern, wo Napoleon einige Tage zuvor besiegt wurde ( 21./22.5. 1809 ), nach Prag (31.5. 1809). Hier bekommen Kleist und Dahlmann Zugang zu österreichisch-patriotischen Kreisen und planen, ein Wochenblatt mit dem Titel "Germania" herauszugeben. Es soll ein Organ der `deutschen Freiheit' werden. Durch die Kapitulation Österreichs bleibt das Projekt unverwirklicht. In dieser Zeitschrift sollten seine sogenannten politische Schriften "Was gilt es in diesem Kriege?", "Katechismus der Deutschen - abgefaßt nach dem Spanischen, zum Gebrauch für Kinder und Alte", das "Lehrbuch der französischen Journalistik", Satiren und die Ode "Germania an ihre Kinder" erscheinen. Nach kurzem Besuch in Frankfurt a.d.O. reist er einen Monat später wieder nach Berlin wo er sich, mit einer kurzen Unterbrechung, bis zu seinem Tod aufhält.

Berlin

In Berlin macht von Kleist die Bekanntschaft u.a. mit Arnim, Brentano, Eichendorf, W. Grimm, Varnhagen und Rahel. Im April 1810 erscheint der erste Band mit seinen Erzählungen ("Michael Kohlhaas", "Die Marquise von O...", "Das Erdbeben in Chili") und im September das Bühnenstück "Käthchen von Heilbronn". Iffland als Direktor der Berliner Bühne lehnte es ab, dieses Stück aufzuführen. Nach der Einstellung der Zeitschrift "Phöbus", startet Kleist ab dem 1.10.1810 ein neues Zeitungsprojekt. Die "Berliner Abendblätter" ist ein täglich erscheinendes Zeitungsblatt mit lokalen Nachrichten, als dessen Zweck die `Unterhaltung aller Stände des Volkes' und die `Beförderung der Nationalsache' angegeben wird. Als Autoren schreiben hier so prominente Autoren wie:Ernst Moritz Arndt, Achim von Arnim, Clemens Brentano, Adelbert von Chamisso, Rühle von Lilienstern, Friedrich Karl von Savigny und Friedrich August von Staegemann. Kleist selbst läßt u.a. seine Abhandlungen "Gebet des Zoroaster", "Betrachtungen über den Weltlauf", "Brief eines Malers an seinen Sohn", "Allerneuester Erziehungsplan" und vor allem "Über das Marionettentheater" hier erscheinen. Als Besonderheit und Publikumsmagnet erweisen sich die Veröffentlichungen von aktuellen Polizeiberichten. Im Frühjahr 1811 muß die Zeitung allerdings wegen verschärfter Zensurbestimmungen eingestellt werden. Als sein Versuch scheitert, eine Anstellung in der preußischen Verwaltung zu erlangen, und auch sein 1809 begonnenes Schauspiel "Prinz von Homburg" (Uraufführung 1821 am Burgtheater in Wien) bis 1814 mit einem Aufführungsverbot durch Friedrich Wilhelm III. belegt wird, muß Kleist innerhalb kurzer Zeit einige Erzählungen schreiben, um sich Mittel zum Lebensunterhalt zu beschafffen. Daraus entsteht sein zweiter Band mit Erzählungen (u.a. "Das Bettelweib von Locarno", "Die Verlobung in St. Domingo"). Nahezu ohne Mittel und innerlich „ so wund, daß mir, ich möchte fast sagen, wenn ich die Nase aus dem Fenster stecke, das Tageslicht wehe tut, das mir darauf schimmert“ (Brief an Marie von Kleist vom 10.10.1811) nehmen die Gedanken an einen Freitod Überhand. Er sucht und findet eine Begleiterin für diesen Weg in der an Krebs erkrankten Henriette Vogel. Mit deren Einverständnis erschießt Kleist am 21.11. 1811 am Berliner Wannsee seine Begleiterin und anschließend sich selbst.


Werkausgaben

Heinrich von Kleists gesammelte Schriften. Hrsg. von Ludwig Tieck. 3 Bde. (1826)

Heinrich von Kleist. Werke und Briefe. Hrsg. von Siegfried Streller. 4 Bde. (Berlin-Weimar 1978)

Heinrich von Kleist - Sämtliche Werke und Briefe, Hrsg.von Helmut Sembdner, 9.Auflage, München 2001 ISBN: 3423129190


Literatur

Hinderer, Walter (Hrsg.),- Kleist Dramen . Neue Interpretationen .Stuttgart 1981 ISBN: 3150103037 ders. (Hrsg.), Interpretationen: Kleist Dramen . Stuttgart 1997 ISBN: 315017502X

Inka Kording / Anton Phillip Knittel (Hrsg.) - Heinrich von Kleist. Neue Wege der Forschung. Darmstadt, 2003.ISBN: 353415813X

Loch, Rudolf - Heinrich von Kleist -Leben und Werk, Leipzig 1978

Mayer, Hans - Heinrich von Kleist. Der geschichtliche Augenblick , Pfullingen 1962

Schmidt,Jochen - Heinrich von Kleist. Die Dramen und Erzählungen in ihrer Epoche. Darmstadt ,2003,ISBN: 3534157125

Müller-Salget, Klaus - Heinrich von Kleist, Stuttgart 2002 ISBN: 3150176352

Müller-Seidel, Walter- Verstehen und Erkennen. Eine Studie über Heinrich von Kleist (1961); - Müller-Seidel, Walter. (Hrsg.)- Heinrich von Kleist. Aufsätze und Essays. (Wege der Forschung.147), Darmstatt 1967 ISBN 3-534-03989-0.

                                                                            ders. (Hrsg.), Kleists Aktualität. Neue Aufsätze und Essays 1966-1978 (Wege der Forschung.586), Darmstatt 1981 ISBN: 3534083849    
                                                                           Sembdner, Helmut (Hrsg.) , Dichterüber ihre Dichtungen- Heinrich von Kleist, München,1969