Gezielte Tötung
Den Ausdruck Gezielte Tötung verwenden manche Staaten und Medien für die Tötung von Angehörigen befeindeter Organisationen oder Staaten. Sie verwenden den Ausdruck ebenso für die Tötung von Überläufern. Neben geheimdienstlichen Einzelaktionen kann dies auch eine Kommandoaktion einer Spezialeinheit sein. Die Tötungen können sowohl im eigenen Land als auch auf fremden Gebiet erfolgen. Letzteres kann zu außenpolitischen Konflikten führen.
Die gezielte Tötung ist ein Bestandteil der Strategie Israels innerhalb des Nahostkonfliktes, die Führung der Hamas auszuschalten und wichtige Schnittstellen zu paralysieren. Weiterhin suchen die Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika die Anwendung gezielter Tötungen in Afghanistan und dem Irak.
Terminologie
Die Benennung des Sachverhaltes ist umstritten und von der jeweiligen politischen Einschätzung abhängig. Bei gegen den Westen gerichteten Aktionen nannte man sie stets „Mord“. Deutsche Terroristen nannten ihre Tötungen von Symbolfiguren der Gesellschaft "Hinrichtungen". Deutsche Politiker werten die gegenwärtigen „gezielten Tötungen“ Israels entweder als „Hinrichtung“ (Johannes Gerster CDU) oder als „gezielte Ermordung“ (Daniel Cohn-Bendit) (B 90/Grüne). Andere Kritiker werfen dem Terminus grundsätzlich Verschleierung und Beschönigung vor. Die deutsche Bundesregierung hat, ebenso wie eine Vielzahl weiterer westlicher Regierungen, den Begriff "Tötungen" bzw. "gezielte Tötungen" übernommen.
Historische Beispiele
Zum Prinzip der gezielten Tötung können verschiedene teilweise erfolgreiche Aktionen der UdSSR und der USA gezählt werden. So führte die UdSSR einen Anschlag auf Trotzki wegen seiner Aktionen gegen Josef Stalin aus dem Exil heraus durch, der KGB verübte den so genannten Regenschirmmord in London und die USA führte einen Anschlag auf Muammar al-Gaddafi und Raketenangriff im Jemen durch. Eine andere Form ist der amerikanische Versuch, einen langwierigen Krieg durch das Ausschalten des damaligen irakischen Herrschers Saddam Hussein am 20. März 2003 zu verhindern.
Argumentationsstrukturen
Positionen der israelischen Regierung
Israel, das seit dem Ausbruch der al-Aqsa-Intifada diese Strategie auf Führer von Hamas und anderen Gruppen anwendet, verweist auf Aspekte der Notwehr. Es wird der Palästinensischen Autonomiebehörde vorgeworfen, nicht gegen jene Gruppen vorzugehen, die für den Tod israelischer Zivilisten verantwortlich seien. Ziel sei weiterhin die juristische Verfolgung und, im Falle einer Nichtdurchsetzbarkeit, die Abwendung von Gefahr.
Positionen der israelischen Politik
Es ist innerhalb der israelischen Politik umstritten, welche Konsequenzen diese Strategie birgt. Kritiker Ariel Scharons verweisen auf die zunehmende Radikalisierung der palästinensischen Gesellschaft und eine Schwächung der kompromissbereiten Kräfte. Es wird auch eine Zersplitterung der Hamas in viele kleine unabhängig operierende Organisationen befürchtet, was die Überwachung und den Einfluss sowie Verhandlungen erschweren würde. Von der israelischen Armee angefertigte offizielle Studien sehen mittelfristig eine Zurückdrängung des Einflusses der Hamas. Gleichzeitig mehren sich Stimmen aus der politischen Rechten, die auch die gezielte Tötung Jassir Arafats fordern.
Positionen der Staatengemeinschaft
International lehnt die Mehrheit der Staaten diese Maßnahmen ab; sie seien mit dem Gedanken des Rechtsstaats kaum zu vereinbaren, da dem Opfer jede Möglichkeit der Verteidigung gegen die begründenden Anschuldigungen fehle. Auch UN-Generalsekretär Kofi Annan bezog eindeutig Stellung. Anlässlich der Liquidation von Abd al-Aziz Rantissi am 17. April 2004 verurteilte er die Tötung des Hamas-Führes durch Israel, die Tat verletzte internationales Recht. Er forderte Israel auf, die gezielten Tötungsaktionen sofort einzustellen. Vor allem von arabischen Staaten werden die Gezielten Tötungen als Form des Staatsterrorismus bezeichnet und so die Attentate palästinensischer Kämpfer auf israelische Zivilisten und Soldaten verglichen.
Völkerrechtliche Erwägungen
Gegner der Politik der gezielten Tötung verweisen auf die Regelungen der Vierten Genfer Konvention von 1949, nach der es untersagt sei, unbewaffnete Zivilisten militärisch gezielt anzugreifen. Selbst wenn umstritten ist, ob Anführer von bewaffneten Gruppen unter den Definitionsbereich des unbewaffneten Zivilisten fallen, darf ein Kombattant nur angegriffen werden, wenn er bewaffnet ist, sich als solcher zu erkennen gibt und unmittelbar an Feindseligkeiten teilnimmt.
Ebenfalls wird der internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966 angeführt, der auch von Israel ratifiziert wurde und der Tötungen ohne rechtskräftige Urteile verbietet. Auch hier existieren Argumentationen, die in Analogie zu dem - ebenfalls urteilsfreien - finalen Rettungsschuss einem Staat das Recht zuschreiben, unter bestimmten Umständen Mitglieder von allgemein als terroristisch anerkannten Gruppen beim Verüben eines Terroraktes zu töten.
Jüngste Entwicklungen
Ranghöchste Person dieser Gruppen war Ahmed Jassin, der im März 2004 bei einem Angriff der israelischen Armee getötet wurde. Ebenfalls getötet wurde am 17. April 2004 der Nachfolger von Jassin, Abd al-Aziz Rantissi.
Weblinks
junge welt: Tötung auf Verdacht
Siehe auch: Enthauptungsschlag, Tyrannenmord.