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Verwaltungsgericht der Internationalen Arbeitsorganisation

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Der Sitz der ILO in Genf, Tagungsort des Gerichts

Das Verwaltungsgericht der Internationalen Arbeitsorganisation, englisch ILO Administrative Tribunal (ILOAT), ist ein internationales Gericht mit Sitz in der Schweizer Stadt Genf, das für arbeitsrechtliche Angelegenheiten zwischen internationalen Organisationen und ihren Mitarbeitern zuständig ist. Es geht zurück auf das 1927 entstandene Verwaltungsgericht des Völkerbundes, das zugleich für die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) zuständig war. Mit der Auflösung des Völkerbundes und der Umwandlung der ILO in eine Sonderorganisation der neu gegründeten Vereinten Nationen wurde das Gericht 1946 in die Organisationsstruktur der ILO überführt, womit es seine heutige Bezeichnung erhielt. Seitdem haben mehr als 50 weitere Organisationen die Zuständigkeit des Gerichts für die arbeitsrechtlichen Belange ihrer Mitarbeiter anerkannt.

Zuständigkeit

Das Verwaltungsgerichts der Internationalen Arbeitsorganisation ist zuständig für arbeitsrechtliche Angelegenheiten zwischen internationalen Organisationen in ihrer Rolle als Arbeitgeber und ihren Mitarbeitern. Der Aufgabenbereich des Gerichts, der ab 1946 zunächst auf die ILO selbst beschränkt war, wurde 1949 durch eine entsprechende Änderung des Statuts erweitert um Organisationen, die mit Zustimmung des ILO-Verwaltungsrates die Zuständigkeit des Gerichts anerkennen. Die erste Organisation, die dies tat, war im gleichen Jahr die WHO.

Derzeit haben über 50 Organisationen die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts der Internationalen Arbeitsorganisation anerkannt, darunter die Mehrzahl der UN-Sonderorganisationen, internationale Großforschungseinrichtungen wie das CERN, das ITER-Projekt und das EMBL sowie mit dem Internationalen Strafgerichtshof und dem EFTA-Gerichtshof zwei andere internationale Gerichte. Es ist damit zuständig für die Belange von mehr als 45.000 Arbeitnehmern.

Rechtsgrundlagen

Die Rechtsgrundlagen des Verwaltungsgerichts der Internationalen Arbeitsorganisation sind das 1946 von der Internationalen Arbeitskonferenz beschlossene und zuletzt 2008 geänderte Statut sowie die 1993 vom Gericht beschlossenen Verfahrensregeln in der Fassung von 2011. Wichtige allgemeine Grundsätze, die das Gericht bei der Bewertung eines Falls berücksichtigt, sind insbesondere das Naturrecht, das Prinzip der Rechtssicherheit und die sich aus dem Völkerrecht ergebenden Kernnormen der ILO, zu denen unter anderem die Chancengleichheit, der Gleichbehandlungsgrundsatz, das Diskriminierungsverbot und die Vereinigungsfreiheit zählen. Obwohl es an kein bestimmtes Rechtssystem gebunden ist, haben sowohl das französische Verwaltungsrecht als auch das Common Law die Rechtsprechung des Gerichts und die Formulierung seiner Entscheidungen stark beeinflusst.

Organisation und Arbeitsweise

Das Verwaltungsgericht der Internationalen Arbeitsorganisation besteht aus sieben Richtern, die aus verschiedenen Ländern stammen und durch die Internationale Arbeitskonferenz auf Vorschlag des Verwaltungsrates der ILO für eine Amtszeit von drei Jahren ernannt werden. An einem Verfahren nehmen in der Regel drei, in Ausnahmefällen fünf oder alle sieben, der Richter teil. Für die Entscheidungen ist die Stimmenmehrzeit der beteiligten Richter notwendig.

Voraussetzung für die Anrufung des Gerichts ist im Regelfall die Ausschöpfung der internen Einspruchs- und Klärungsmöglichkeiten der jeweiligen Organisation, einschließlich Schlichtungs-, Mediations- und Ombudsmannsverfahren. Während seiner Tagungen, die im Frühjahr und im Herbst jeden Jahres für eine Zeit von drei Wochen im Sitz der ILO in Genf stattfinden, erlässt das Gericht derzeit etwa 50 Entscheidungen. Im Lauf seiner Geschichte hat das Gericht mehr als 2.800 Fälle entschieden. Die Amtssprachen des Gerichts sind Englisch und Französisch. Für die Abwicklung des Schriftverkehrs und andere Verwaltungsaufgaben besteht eine Registratur, deren leitender Registrar von der ILO ernannt wird.

Die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts der Internationalen Arbeitsorganisation sind in der Regel endgültig. Bei Zweifeln an der Zuständigkeit oder der Annahme eines wesentlichen Verfahrensfehlers kann jedoch der Verwaltungsrat der jeweiligen Organisation ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) anfordern. Ein solches Gutachten kam 1956 aufgrund der Anfechtung verschiedener Entscheidungen des Gerichts durch die UNESCO zustande.

Literatur

  • Catherine Comtet-Simpson: The ILO Administrative Tribunal Genf 2009 (PDF-Datei, 163 KB)
  • Michael Ogwezzy: An Appraisal of the Role of ILO Administrative Tribunal: Promoting and Protecting the Contractual Rights of International Civil Servants. Lambert Academic Publishing, Saarbrücken 2012