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Thomas-Theorem

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Das Thomas-Theorem wurde von den amerikanischen Soziologen W.I. und D.S. Thomas aufgestellt. Dieses Theorem wird auch als das "Grundgesetz der Soziologie" bezeichnet.

"If men define situations as real, they are real in their consequences"

(W.I. Thomas and D.S. Thomas (1928). The Child in America, page 571-572)

Zu deutsch: Wenn Menschen eine Gegebenheit als real ansehen, dann werden sie so handeln, als sei sie real, und insofern kommt es zu realen Konsequenzen einer möglicherweise rational nicht gegebenen Tatsache.

Erklärung: Die Interpretation der Situation bestimmt das Handeln. Diese Interpretation findet jedoch oft nicht objektiv statt. Somit ist Handeln durch die subjektive Wahrnehmung der Situation geprägt.


Further W. I. Thomas Quotations

Moreover, W. I. Thomas precisely stated (in 1923) that particularly within every-day-life social worlds any definition of the situation will not only influence the present but - whenever following a series of definitions the individual is involved in - also "gradually a whole life-policy and the personality of the individual himself" (The Unadjusted Girl. With Cases and Standpoint for Behavioral Analysis; N.Y.: Evanston; London: Harper & Row, ³1967, 42). Consequently, it was no surprise that W. I. Thomas whenever investigating societal problems like, e.g., intimacy, family, education, basically stressed the rôle of the situation when detecting a social world "in which subjective impressions can be projected on to life and thereby become real to projectors." (Edmond H. Volkart [ed.], Social Behavior and Personality. Contribution of W.I.Thomas to Theory and Social Research. N.Y.: Social Research Council, 1951, 14)

Reflexivität von Situationsdefinition

Das der wissenschaftlichen Disziplin Sozialpsychologie zuzuordnende "Thomas-Theorem" kann auch als allgemeiner Hinweis auf die Reflexivität von Situationsdefinition(en) durch handelnde Menschen als Akteure bewertet werden. Es erinnert daran, daß nicht "die Tatsachen, sondern die Meinungen, welche wir über Tathsachen haben" (Alexander von Humboldt), entscheiden.

Aktuelle Rolle des Theorems

Das "Thomas Theorem" wirkt universell und wird auch, etwa bei Meinungsumfragen, so angewandt, aber kaum noch als handlungswissenschaftliches Leitkonzept thematisiert. Der Sozialwissenschaftler Richard Albrecht hat es in den letzten Jahren in Erinnerung gebracht und in zwei Feldern angewandt: Einmal in einem Vortrag über die Wirksamkeit von Mythen am Beispiel des "Rheinmythos" (1), und zum anderen in einem Beitrag zur "Völkermordmentalität" im Zusammenhang mit zeitgeschichtlich-politiksoziologisch-sozialpsychologischer Genozidforschung (2).


(1) gedruckt in: Kultursoziologie, 12. Jg. 2003, I, pp. 125-132

(2) gedruckt in: Kultursoziologie, 13. Jg. 2004, I, pp. 73-90

Beispiele

Klassisches Beispiel

Wenn viele Menschen in einem Ort dem (falschen) Gerücht folgen, dass die Bank ihres Ortes pleite sei, und daraufhin alle zur Bank gehen um ihr gespartes Geld abzuheben, dann ist die Bank pleite, obwohl es sich anfangs nur um ein Gerücht handelte.

Sicherheitspolitik

Implikationen auf bspw. "Anti-Terrormaßnahmen" und "Sicherheitspolitik":

Wenn sich die Bevölkerung vor der "Gefahr" fürchtet, die möglicherweise durch die Medien unverhältnismäßig dargestellt wurde, ist sie bereit, Opfer für die Erhöhung ihrer persönlichen Sicherheit zu bringen bzw. dementsprechende Maßnahmen zu dulden. So werden mehr Personen verdächtigt, unangemessen bestraft oder gar getötet (vgl. z.B. Guantanamo Bay#Gefangenenlager_Camp_X-Ray, oder en:Terrorism#Causes) und erst so wird die fälschlich wahrgenommene Gefahr zu einer rational begründbaren Gefahr.


Siehe auch: Selbsterfüllende Prophezeiung, Wissenssoziologie