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Pseudowissenschaft

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Eine Pseudowissenschaft ist ein nicht anerkanntes Arbeitsgebiet oder eine Weltanschauung, die sich als Wissenschaft versteht, die aber nicht den formalen Anforderungen der in einer Kultur vorherrschenden Wissenschaftsanschauung genügt. Anders ausgedrückt: Die jeweils herrschende Wissenschaftstheorie und -methodik bestimmt in einer Gesellschaft, was wissenschaftlich ist und was nicht; natürlich sind diese Theorien aber nicht beliebig festgesetzt. Die von unserer Gesellschaft akzeptierte Wissenschaftstheorie enthält einige Mindestanforderungen an seriöse Wissenschaften wie z.B. innere und äußere Widerspruchsfreiheit, Überprüfbarkeit und Falsifizierbarkeit der Hypothesen (s.u.). Es ist charakteristisch für Pseudowissenschaften, dass sie diese Mindestanforderungen regelmäßig nicht erfüllen.

Viele - in diesem Sinne - Pseudowissenschaften wie Astrologie, Esoterik, Futurologie geben dem Menschen durchaus Hilfestellung in der Bewältigung von körperlichen oder seelischen Problemen. Darüber hinaus entstammen einige heute anerkannte Wissenschaften früher in gewissen Kreisen anerkannten, heute jedoch als Pseudo- bezeichneten Wissenschaften; z.B. entstand aus der Alchemie die Chemie und aus der Astrologie die Astronomie. Auch grosse Teile der früheren Medizin müssen aus Sicht der heutigen Medizin als Pseudowissenschaft gelten. In der Frühen Neuzeit betrieben zahlreiche Sternenforscher die Astrologie weiter, um sich somit ihr Auskommen zu sichern, und führten nebenbei empirische astronomische Studien durch. Diese Aufspaltung hat sich bis in die heutige Zeit stark weiterentwickelt. Obwohl sich herausgestellt hat, dass grosse Teile der Ablehnung gegenüber ethnischer (Natur-)Medizin nicht gerechtfertigt war und auf einen Kulturchauvinismus der Kolonialmächte zurückgeführt werden kann gab es vieles, was einfach nur als pseudowissenschaftliche Scharlatanerie bezeichnet werden kann.

Die am herrschenden Wissenschaftverständnis orientierte Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften definiert Pseudowissenschaft folgendermassen: "Unter Pseudowissenschaften werden Theorien und Ansätze verstanden, die Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erheben, ohne ihn einzulösen" siehe: http://www.skeptiker.de

Zu den pseudowissenschaftlichen Therapieformen werden von der Schulmedizin oder Schulpsychologie z.B. Familienaufstellung, Astralberatung, Reinkarnationstherapie gezählt. Sie sieht in diesen Disziplinen auch einen (positiven) Placeboeffekt. Allerdings wird hierbei auch immer ein möglicher negativer Einfluss, insbesondere bei Sekten, die Pseudowissenschaften lehren, geltend gemacht.

Eine Gemeinsamkeit vieler, jedoch nicht aller, "Pseudowissenschaften" ist die besondere Hochschätzung einer Gründerfigur und ihrer Lehren, z.B. Rudolf Steiner in der Anthroposophie und Samuel Hahnemann in der Homöopathie. Diese Hochschätzung zollen natürlich auch gewisse Vertreter der Schulwissenschaft (besonders solche, die selbst keine allzu großen Geister sind) ihren "Heroen", z.B. Isaac Newton für das klassische mechanistische Weltbild, Charles Darwin für die Evolutionstheorie. Andererseits hindert dies gute Wissenschaftler nicht daran, Erkenntnisse dieser "Heroen" ad acta zu legen, sobald sie sich als überholt herausstellen. Beispielsweise sind Newton und Darwin heute in vieler Hinsicht überholt; bei Steiner ist das nach Ansicht der meisten Anthroposophen dagegen nicht der Fall.

Es ist in den letzten Jahren ein bedeutsamer Markt für pseudowissenschaftliche Literatur und Ausbildungseinrichtungen entstanden. Im Buchhandel werden viele Werke hierzu unter dem Schlagwort "Lebenshilfe" geführt.

Manche Aussagen oder "Lehrmeinungen" der genannten Pseudowissenschaften konnten bisher durch empirische Methoden der klassischen Wissenschaften widerlegt werden. Diese Tatsache wird oft als Begründung dafür angeführt, dass "Pseudowissenschaften" nicht als Forschungs- oder Lehrgebiet an anerkannten Hochschulen zu finden sind.

Wie so oft in der Geschichte ist es auch heute so, dass Methoden, die zunächst zur Pseudowissenschaft gezählt werden, sich im Laufe der Zeit eine wissenschaftliche Reputation durch die Empirik erarbeiten. Sie werden danach manchmal und nur zögerlich auch in den tonangebenden Wissenschaftskreisen anerkannt bzw. als Parawissenschaft bezeichnet und werden teilweise an anerkannten Hochschulen in Zusatzseminaren angeboten.

Jüngste Beispiele hierfür sind die Homöopathie oder die Neurolinguistische Programmierung, deren Wirkungen (nach Ansicht ihrer Anhänger) inzwischen zweifelsfrei nachgewiesen seien. Da diese Nachweise aber derzeit wissenschaftlich nicht immer und vollständig erklärbar sind, entbrennen auf den Gebieten der Parawissenschaften mitunter hitzige Auseinandersetzungen.

Wobei bei der Neurolinguistischen Programmierung und bei der Homöopathie auch die empirischen Belege kritischen Untersuchungen nicht standhalten. Lediglich Anekdoten werden zu hauf gemeldet. Doch Anekdoten machen keine Wissenschaft aus. Jeder Kaffeesatzleser hat zufriedene Kunden. Die Erklärungen hierfür liegen vielmehr in psychologischen Aspekten. Es gibt zahlreiche Mechanismen, die erklären, wieso die Menschen von der Richtigkeit pseudowissenschaftlicher Behauptungen überzeugt sind, auch wenn sie haltlos sind.

Eine vielen Pseudowissenschaften eigene Gemeinsamkeit ist in den Augen der heutigen Wissenschaft die fehlende Falsifizierbarkeit, d.h.: es gebe kein Experiment, dessen Fehlschlag auch die Anhänger einer solchen Pseudowissenschaft als Gegenbeweis akzeptieren würden. Im Gegensatz dazu ist die potentielle Falsifizierbarkeit sogar Bedingung in der bei uns domininanten Methodik der wissenschaftlichen Hypothesen- und Theoriebildung. Eine Theorie, die nicht experimentell überprüft werden kann, gilt bestenfalls als Spielerei ohne besonderen Wert. Naiv gilt dies allerdings natürlich auch für die Theorie von der notwendigen Falsifizierbarkeit von Theorien, die sich freilich von dieser Regel der Falsifizierbarkeit ausnehmen muss, da sie sich selbst sonst ad absurdum führen würde. Jedoch kann man dieses scheinbare Paradox schnell aufklären, wenn man bemerkt, dass die Regel von der Falsifizierbarkeit gar keine naturwissenschaftliche Theorie ist, sondern zur Erkenntnistheorie gehört.

In der Physik waren allgemein akzeptierte Vorläufer der anfänglich teilweise selbst als "Pseudowissenschaft" bekämpften neuen Erkenntnisse zum Beispiel das Konzept der flachen Erde, das darauf folgende geozentrische Weltbild, das Newtonsche Weltbild, welches durch die Relativitätstheorie umgeworfen wurde, die Quantenmechanik und daraus weitergehenden Erkenntnisse von Heisenberg, welcher die Relativitätstheorie von Einstein erweitert, ihr aber auch in Teilen widerspricht (siehe Überlichtgeschwindigkeit). Interessant ist, dass in vielen Fällen die Vertreter der neuen Theorien sich im Detail kaum an die jeweils herrschende Wissenschaftsmethode hielten, sondern auf neuen methodischen Wegen zu ihren Erkenntnissen kamen. Die Grundmethoden von Hypothesen- und Theoriebildung haben sich dabei allerdings nicht wesentlich verändert.

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