Zum Inhalt springen

Augustinus von Hippo

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 23. November 2005 um 23:20 Uhr durch Asthma (Diskussion | Beiträge) (Zusammenfassung: Auflösung von irreführendem Link). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Älteste bekannte Darstellung von Augustinus in der Tradition des Autorenbildes (Laterankirche, 6. Jhd.)

Augustinus von Hippo, (auch: Augustinus von Thagaste, dt. Augustin, fälschl. Aurelius Augustinus aufgrund einer Verwechslung mit Aurelius von Karthago), (* 13. November 354 in Thagaste in Numidien; † 28. August 430 in Hippo Regius im heutigen Algerien), war ein bedeutender spätantiker westlicher Kirchenlehrer, christlicher Theologe und Philosoph. Er wird als katholischer Heiliger verehrt; sein Tag ist der 28. August. Aber auch auf den Protestantismus hatten seine Gedanken immensen Einfluss, vielleicht noch stärker als im Katholizismus selbst.

Zusammenfassung

Augustinus gilt als einer der einflussreichsten Theologen und Philosophen der christlichen Spätantike bzw. der Patristik, dessen Wirken das Denken des Abendlandes wesentlich geprägt hat. Seine Theologie beeinflusste die Lehre der katholischen Kirche ebenso wie Martin Luther und Johannes Calvin. In der Orthodoxen Kirche dagegen war er praktisch unbekannt und als seine Lehre erst im 14. Jahrhundert schließlich durch griechische Übersetzungen auch in Konstantinopel bekannt wurde, wurde sie abgelehnt, so weit sie nicht dem Konsens der Kirchenväter entsprach.

In seiner Jugend studierte er Rhetorik. Begeistert von Ciceros "Hortensius" wandte er sich der Philosophie zu. Er folgte zuerst dem Manichäismus, dann der Skepsis und schließlich dem Neuplatonismus. Nach seiner Bekehrung zum Christentum (387) durch Ambrosius von Mailand wurde er 396 Bischof von Hippo Regius in Afrika.

Augustinus hat neben theologischen auch viele wissenschaftliche Schriften verfasst, die zu einem großen Teil erhalten sind. Diese Schriften bilden für Augustinus eine Einheit; der christliche Glaube ist ihm Grundlage der Erkenntnis (crede, ut intelligas).

Augustinus' Philosophie enthält von Platon übernommene, jedoch im christlichen Sinn modifizierte Elemente wie die Idee vom Absoluten oder den 'Dualismus' von Geist und Materie, der sich im Menschen in der spannungsvollen Einheit von Leib und Seele ausdrückt.

Neueste Forschungen haben ergeben, dass diese herkömmliche Augustinus-Interpretation fragwürdig ist. Vielmehr geht man heute davon aus, dass Augustinus' Denken seinen eigentlichen Ursprung im Dasein des Philosophen hat - also eine Art frühen Existenzialismus darstellt.

Die erste Biographie des Augustinus stammt von Possidius von Calama, der ihn als Schüler noch gut gekannt hat; allerdings beinhalten auch seine Werke biographische Details.

Leben

Nimm und lies (tolle lege)

Augustinus wurde in der kleinen nordafrikanischen Stadt Thagaste geboren, welche zur römischen Provinz Numidien gehörte. Numidien lag am Rand des Römischen Reiches, erfreute sich dafür aber relativer Sicherheit und eines gewissen Wohlstandes. Der Vater Patricius war ein städtischer Verwaltungsbeamter ohne großes Vermögen. Erst kurz vor seinem Tod (372) ließ er sich taufen. Die Mutter Monica (Schreibweisen: Monika, Monnica u.ä.) war überzeugte Christin.

Bis 370 besuchte Augustinus die Schule in Thagaste (Madaura). Schon hier wurde, v.a. anhand Vergils, die Wort(-für-Wort)-Exegese betrieben. Ab 370 studierte Augustinus dann Rhetorik in Karthago. In dieser Zeit war die Beschäftigung mit Ciceros Hortensius, einer Einführung in die Philosophie, für Augustinus bestimmend. Damit einhergehend lehnte er in dieser Phase das Christentum ab und wandte sich dem Manichäismus zu.

Eine nordafrikanische Konkubine, fast 15 Jahre mit ihm liiert, gebar ihm 372 einen Sohn, Adeodatus (Gottesgabe), der 389 starb. Nach seiner Bekehrung zum Christentum schickte er die Mätresse niederer Herkunft wieder nach Nordafrika zurück, um 385 ein christliches und mit reicher Mitgift ausgestattetes Mädchen zu heiraten. Bis zur Heiratsfähigkeit des Mädchens lebte er allerdings zwei Jahre mit einer anderen Mätresse zusammen (Confessiones 6, 15, 25).

Ab 375 fand sich Augustinus dann als Lehrer für Grammatik und Rhetorik erst in Thagaste, dann in Karthago. Gleichzeitig wirkte er als auditor im Manichäismus. Nach einer Begegnung mit dem dieser Richtung zugehörigen Bischof Faustus (Bischof) kam es zur enttäuschten Abkehr vom Manichäismus um 383. Stattdessen machten sich nun Tendenzen hin zum Skeptizismus der Neuen Akkademie bemerkbar, der ihm allerdings zu erkenntnistheoretisch ausgerichtet war.

383 ging Augustinus nach Rom, 384 dann als Lehrer für Rhetorik nach Mailand. In der Begegnung mit dem Bischof Ambrosius wurde Augustinus dessen sog. allegorische Schriftauslegung vermittelt, die ihm einen Zugang zum Alten Testament eröffnen sollte. Dennoch wandte sich Augustinus 386 erst einmal dem Neuplatonismus zu und rezipierte die libri platonicorum, die von Marius Victorinus ins Lateinische übertragen worden waren. Durch den Presbyter Simplicianus wurden Augustinus erstmals die logos-Spekulation in der Lehre Plotins und die Gnadenlehre des Apostel Paulus vermittelt.

387 erfolgte dann die Bekehrung zum Christentum, mit der sowohl die Niederlegung des Lehramtes als auch ein Eheverzicht und ein fortan in nahezu monastischer Rückgezogenheit auf einem Landgut in Cassiciacum geführtes Leben einhergingen. In der Osternacht ließ sich Augustinus gemeinsam mit seinem Sohn Adeodatus und seinem Freund Alypius von Ambrosius taufen. Schon 388 bereitete er seine Rückkehr nach Nordafrika vor. Bei der Einschiffung in Ostia starb Augustinus' Mutter Monica (* ca. 332; † 387), so dass sich die Abreise um nahezu ein Jahr verzögerte.

Augustinus wird von Ambrosius von Milano getauft

389 war Augustinus schließlich wieder in Thagaste angekommen. 390 (oder 391) akzeptierte er widerwillig die Priesterweihe durch Bischof Valerius, den Augustinus zunehmend als informell bereits designierter Nachfolger vertritt. Es kam zu ersten kirchenpolitisch-dogmatischen Auseinandersetzungen mit dem Manichäismus, Donatismus und Pelagianismus. Um 397 wurde Augustinus Bischof von Hippo. Dort starb er 430 während der Belagerung durch die Vandalen (zum geschichtlichen Zusammenhang vgl. Bonifatius, der auch mit Augustinus bekannt war, und Spätantike). Augustinus' Gebeine befinden sich heute in der Kirche "San Pietro in Ciel d'Oro" in Pavia/Norditalien.

Theologie

Trinität

Sein dogmatisches Hauptwerk sind die 15 Bücher "De trinitate dei" (Über die Dreieinigkeit). Einen Unterschied zwischen den einzelnen Personen, die er gleich ewig, gleich vollkommen und gleich allmächtig sieht, verneint Augustinus nicht; er will zwar nicht Modalist sein, nähert sich ihm aber stark. Die Personen betrachtet er vor allem als "Relationen" innerhalb des göttlichen Wesens. Damit entfernt er sich von der üblichen Christologie vor ihm, die eine Unterordnung Christi unter den Vater gelehrt hat.

Die Lehre des Ausgangs des Geistes aus Vater und Sohn hat er erstmalig vorgetragen. Später führte diese Aussage zum Filioque-Streit. Nach griechischer Lehre geht der Geist aus dem Vater hervor.

Noch nach seinem Tod leistete er einen entscheidenden Beitrag zum Konzil von Chalcedon (451), da Papst Leo I. in seinem Tomus an die Versammlung eine christologische Schlüsselaussage enthielt, die von Augustinus stammte: "zwei Naturen in einer Person" (Jesus sei Gott und Mensch zugleich).

Vom Prämillenarismus zum Amillenarismus

Augustinus ist für den Aufstieg und die Annahme des Amillenarismus verantwortlich und verursachte so den Niedergang und die Verwerfung des Prämillenarismus, die bis zu dieser Zeit als feststehende orthodoxe Lehre in der Eschatologie der frühen Kirchenväter galt. Zunächst dachte er in damaliger dispensationalistischer Sicht von 5000 Jahren von Adam bis zur Fleischwerdung Christi (De civitate dei 20,7), an der sich das 1000-jährige Reich anschließt. Dann argumentierte er, unter Einfluß der aufkommendes allegorischen Auslegung, es gäbe doch kein irdisches 1000-jähriges Reich für Israel, sondern dass dies "symbolisch" als "Ewigkeit" betrachtet werden müsse. Die 1000 Jahre bezog er statt dessen auf den Zeitraum zwischen Jesu erstem und zweitem Kommen (De civitate dei 20,9). Als Grund gab er an, die Aussicht auf fleischliche Genüße und Schlemmereien, die sich einige Kirchenleute ausmalten, von einem ernsthaften Halten der kirchlichen Gebote abhalten würde. Die Verheißungen des Reiches dürfen nicht mehr auf Israel angewendet werden, sondern würden jetzt schon sich innerhalb der Kirche erfüllen (Substitutionstheologie). Als 1000 n. Chr. Christus nicht kam, wurde es für die Anhänger des Augustinus notwendig, auch die Dauer der 1000 Jahre zu allegorisieren. Jetzt sollten die 1000 Jahre für einen unbestimmten Zeitraum zwischen den beiden Kommen Christi stehen. Satan sei zwar gebunden, aber noch nicht ganz - das gegenwärtige Zeitalter ist als Kampf zwischen Gemeinde und Welt, zwischen "Stadt Christi" und "Stadt des Teufels" zu sehen (De civitate dei 20,11). Diese grundsätzliche Sicht setzte sich weithin im Christentum durch; sie wurde von der römischen Kirche akzeptiert - selbst die Führer der Reformation schlossen sich hieran an.

Prädestination

Augustinus ist bekannt als ein Vertreter der doppelten Prädestination, in der der Mensch zum ewigen Leben oder zur Verdammung von Gott vorherbestimmt ist. In seinem Spätwerk "Vom Gottesstaat" (De civitate dei) geht er vor der Schaffung des Menschen von zwei Engelsstaaten aus, dem Staat der bösen Engel (civitas diaboli) und dem Staat der guten Engel (civitas dei), einige der Engel haben sich "grundlos" von Gott "abgekehrt" und sind böse geworden. Nach Schaffung des Menschen wurden diese beiden Staaten in den irdischen Staat (civitas terrena) und den Gottesstaat (civitas coelestis) übergeleitet, wiederum in dualistischer Ausrichtung. Nach dem jüngsten Gericht schließt sich der Kreis; am Ende gibt es wieder zwei Staaten: Civitas Mortalis, d.h. die Höllenstrafe in Ewigkeit und auf der anderen Seite Civitas Immortalis, die ewige Herrschaft mit Gott (Himmel). Die Anzahl der Menschen, die in den Himmel kommen, entspreche dabei genau der Anzahl der abgefallenen Engel, so dass der Ausgangszustand wieder hergestellt ist: „Das andere vernunftbegabte Geschöpf, der Mensch, der durch ererbte und eigene Sünden und Strafen ganz verlorengegangen war, sollte aus seinem wiederhergestellten Teil ergänzen, was der Fall der Dämonen der Gemeinschaft der Engel genommen hatte” (Enchiridion ad Laurentium, 9, 29). Sein Begriff des Gottesstaates wurde später lange Zeit in dem Sinne interpretiert, dass der Gläubige nur durch Gehorsam gegenüber der Kirche der Hölle entfliehen könne und trug so zur großen Macht der Kirche im Mittelalter bei.

Erbsündenlehre, Freier Wille

Augustin führte eine große Auseinandersetzung mit Pelagius, der die Theorie des freien Willens vertrat und Augustinus vorwarf, noch in den Schlingen des Manichäismus verfangen zu sein. Pelagius wurde zwar 418 im Sinne von Augustinus verurteilt, fand aber seinen Nachfolger in Julian von Eclanum. In dieser noch heftigeren Auseinandersetzung entwickelte Augustinus die Lehre der Erbsünde. Augustinus hat dabei die Interpretation von Römer 5:12 übernommen, die Hilarius eingeführt hat: "In ihm [Adam] haben alle gesündigt", so als wären alle in Adam enthalten gewesen (quasi in massa). Diese augustinische Interpretation ist philologisch fraglich (denn es heißt dort tatsächlich "durch" Adam - Augustinus konnte kein Griechisch) und auch theologisch umstritten. Im Gegensatz zu Pelagius meinte Augustinus, dass die Erbsünde physisch übertragen wird (Concupiscentia carnalis). Augustinus argumentierte, dass nur diejenigen, die völlig unverdient die Gnade Gottes erhielten, dieser Erblast entkommen können und ewiges Leben erhalten würden. Für Augustinus war klar, dass "Gott im Herzen der Menschen wirkt, um ihren Willen dahin geneigt zu machen, wohin immer er will: entweder zum Guten gemäß seiner Gnade oder zum Bösen nach ihren bösen Verdiensten". Und er lehrte, dass von der Minderheit, die der Hölle entgehe, nur wenige einer schmerzlichen Läuterung nach dem Tod entrönnen.

Höllenlehre

Augustinus war daher der bedeutendste Vertreter der Ansicht, dass man in einer Hölle endlose Qualen leiden muss. Stellen wie Matthäus 25:46 legte er so aus, dass das äonische (lateinisch: aeternam) Leben wie auch die äonische Strafe endlos sein müsse: "Ist beides ewig, so ist unweigerlich auch beides entweder langwährend, aber endlich, oder beides ist immerwährend und endlos." (andere Theologen sahen das äonische Leben tatsächlich nur auf wenige aufgabenbelegte Äonen begrenzt). Auch auf die Frage der Unverhältnismäßigkeit einer endlosen Strafe für eine einzige falsche Entscheidung fand er eine Antwort. Er hielt dafür, dass der Mensch durch die Erbsünde "ewiges Übel" verdiene für den größten Frevel durch Adam der im Garten Eden passiert sei (andere Theologen sagten dazu, dass Gott die Sünde zur Erkenntnis des Guten wollte, was jedoch dem Wesen Gottes widerspricht, da Sünde gerade Abwendung von Gott und seinen Geboten bedeutet). Augustinus stritt auch ab, dass Gericht reinigenden Charakter haben könne, sondern dass sie allein strafenden sei – er meinte, dass jemand der vor seinem Tode Gott abgewiesen habe, dies auch nach dem Tod machen würde, da er sich nicht bessern könne (andere Theologen sagten dazu, dass Gott alles bewirken könne, auch das; weil Gott jedoch den freien Willen des Menschen akzeptiert und auch Jesus lehrt, dass Menschen verloren gehen, ist diese Auslegung äußerst fragwürdig).

Damit grenzte sich Augustin ebenso wie Johannes Chrysostomos und ältere Kirchenlehrer wie Ambrosius von Mailand oder Hieronymus oder Hippolyt von Rom, der Zeitgenosse von Origenes, stark von Origenes' Lehre der Apokatastasis ab. Augustinus Argumentationsmuster hatte einen großen Einfluss auf die westliche Theologie bis zur Gegenwart.

Fegefeuer

Neben Gregor der Große wird vor allem Augustinus zugeschrieben, die Lehre vom Fegefeuer systematisiert und ihr einen Platz in der katholischen Kirche verschafft zu haben. Er entfaltete sie in seinem Werk "Vom Gottesstaat" (XXI, 13, 16, 24) und stellt in seinen Bekenntnissen (IX, 13, 34-37) einen Bezug zwischen ihr und den Gebeten für die Toten her. Sowohl er, als auch Gregor der Große, interpretieren die "Flammen" in 1. Korinther 3:11-15 so, dass sie züchtigen und somit zur Besserung dienen (in Exposition Psalm 37,3), was in einem merkwürdigen Widerspruch zu seiner Annahme steht, dass seine "Flammen der Hölle" nicht reinigend sein können. Matthäus 12:31 legt er so aus, dass Gott über den Tod hinaus Sünden vergibt.

Antijudaismus

In seiner Kampfschrift "Gegen die Juden" griff Augustinus die Juden sowohl in ihrer Lebensführung als auch theologisch an. Für Augustinus waren Juden bösartig, wild und grausam, er vergleicht sie mit Wölfen, schimpft sie "Sünder", "Mörder", "zu Essig ausgearteter Wein der Propheten", "eine triefäugige Schar", "aufgerührter Schmutz". Sie seien des "ungeheueren Vergehens der Gottlosigkeit" schuldig. Das Alte Testament sprach er ihnen ab: "Sie lesen sie als Blinde und singen sie als Taube", verneinte nicht nur ihre "Auserwählung", sondern sogar das Recht, sich noch Juden zu nennen. Als erster Theologe legt er auch den Juden seiner Zeit Jesu Tod zur Last, was wieder ihre ewige Knechtschaft bedinge, ihre perpetua servitus. 1205 wird dieser Gedanke von Papst Innozenz III. aufgenommen und geht 1234 in die Dekretensammlung Gregor IX. ein.

Einstellung zu Andersdenkenden (am Beispiel der Donatisten)

Augustinus verurteilte scharf die Abspaltung der Donatisten von der römischen Kirche. In seinen Augen hatten sie sich damit dem "Verbrechen des Schismas" schuldig gemacht, sie waren nichts als "Unkraut", Tiere: "diese Frösche sitzen im Sumpf und quaken: 'Wir sind die einzigen Christen!' doch "Mit offenen Augen fahren sie zur Hölle hinab". Im Jahr 411 kam es zu einem 'Religionsgespräch', der sog. collatio, in deren Folge der Einfluss der Donatisten verringert werden konnte. Nachdem auch die Gewaltbereitschaft der Donatisten zunahm, akzeptierte er die Notwendigkeit, diesem Übel durch harte Strafen, striktes polizeiliches Durchgreifen und Verbot des Zugangs zu Gerichten ein Ende zu machen. Die Verfolgung soll so heftig gewesen sein, dass es zu zahlreichen Selbsttötungen kam. Augustinus verwendete als Rechtfertigung einen Satz aus dem Gleichnis Jesu: "Nötige die Leute hereinzukommen" (Lukas 14:23), was er effektvoller noch mit "zwingt sie" überträgt (cogite intrare). "Duldung" nannte Augustinus nur "unergiebig und nichtig" (infructuosa et vana) und begrüßte die "Bekehrung" vieler "durch heilsamen Zwang" (terrore perculsi). Und so wurden schließlich auch die Donatisten in jahrelangen Pogromen "genötigt" - durch den römischen Staat und später gründlicher durch die Byzantiner. Man enteignete, enterbte und drohte dem donatistischem Klerus Verbannung von afrikanischem Boden an. 414 entzog man den Donatisten alle bürgerlichen Rechte und belegte ihre Gottesdienste mit der Todesstrafe. 420 erscheint Augustinus letzte anitdonatische Schrift "Contra Gaudentium". Durch diese Befürwortung der Gewalt Andersdenkenden gegenüber wird Augustinus von Kritikern als ein Rechtfertiger und Begründer der Inquisition gesehen.

Die Lehre vom gerechten Krieg

Augustins Bündnis mit den staatlichen Autoritäten veranlasste ihn auch zur Entwicklung der folgenreichen Theorie vom "gerechten Krieg". Er fügte zwar als Bedingung hinzu, dass der Krieg von der eigenen Obrigkeit erklärt werden muss, die Verteidigung der eigenen Rechte zum Ziel haben und mit möglichst zurückhaltenden Mitteln geführt werden solle. "Krieg zu führen", lehrt Augustinus, "und durch Unterwerfung der Völker das Reich zu erweitern, erscheint den Bösen als Glück, den Guten als Zwang. Aber weil es schlimmer wäre, wenn die Ungerechten über die Gerechten herrschten, so nennt man nicht unpassend auch jenes ein Glück". Diese Aussage wurde - häufig unberechtigt - aufgrund der weiten Interpretierfähigkeit in der Folge zur Rechtfertigung von Kriegen verschiedener Art verwendet.

Kirche als Alleinseeligmachende

Augustinus hat erheblich dazu beigetragen, den wenig organisierten und dezentralisierten Hauskreis-Charakter der Urchristenheit in eine zentralisierte Massenkirche zu überführen. Er meinte zwar, dass die "Vernunft" zu jedem Christen redet und ihn zu Gott führt, diese aber nur in der Kirche gereinigt werden kann: "Ich würde nicht einmal dem Evanglium trauen, wenn mich die Autorität der Kirche nicht dazu bewegen würde" (c. ep. Man.5). "Nichts Heilsameres geschieht in der katholischen Kirche, als dass die Autorität den Vorrang hat" (mor 1,25). Die Theologie Augustinus scheint daher dem Ziel, die Interpretationshoheit und den Mittlercharakter der Kirche zu stärken, eher verpflichtet zu sein als der Bibeltreue. Augustinus vertrat ein Menschenbild, das von Geburt an negativ ist (Erbsündenlehre) und daher jedem mit einem schrecklichen Ende drohe (Höllenlehre), der sich nicht dem Sohn Gottes bzw. der Organisation Kirche anvertraut. Ausgeschlossen ist für Augustinus, dass der Mensch durch das glaubende Aufnehmen von Bibelworten allein als Individuum ohne die Organisation Kirche seelig und gläubig werden kann, was noch die Lehre Jesu war. Zudem wurde durch die von Augustinus angewendete Allegorisierung Bibelauslegung (im Unterschied zur literalen Auslegung) scheinbar willkürlich und eine normierende Instanz nötig, die festlegt, welche der jetzt nun vielen möglichen Auslegungen die offizielle ist (Beispiel Amillenarismus). Zusätzliche Lehren, die z.B. in Konzilen unter Hoheit der Kirchen festgelegt wurden, nehmen den gleichen oder fast höheren Stellenwert wie der Bibeltext ein und nehmen für sich in Anspruch, die allein richtige Sicht zu sein (z.B. Trinität). Will man "recht" glauben, müsse man den Lehren der Kirche glauben. Mit diesem Dogmensystem wird Jesus Christus als Mittler zwischen Gott und dem einzelnen Menschen von der Organisaton Kirche zurückgedrängt und der Klerus als unverzichtbar für das persönliche Heil dargestellt.

Kritik

Einige Historiker und Theologen wie Alfred Adam und Wilhelm Windelband vertreten die Ansicht, dass Augustinus bei der Entwicklung seiner Lehren stark vom Manichäismus und Neuplatonismus beeinflusst gewesen war und viele seiner Ideen daher biblisch nicht haltbar seien. Sie führen Lehren wie den starken Dualismus an, der auch im Manichäismus vorherrscht (Staaten des Guten und Bösen in seinem Werk "Gottesstaat"), die Fegefeuerlehre (Inkarnation der "Hörer"), die Höllenlehre, die Erbsündenlehre, die Lehre der doppelten Prädestination (electi, auditores und Sünder), den Kreislauf (zwei Staaten zu Anfang und zum Ende) und die Körper- und Sexualfeindlichkeit. Insgesamt habe Augustinus nach Ansicht seiner Kritiker die Überzeugungen des Urchristentums fast bis hin zur Unkenntlichkeit und Deformierung nachhaltig verändert.

Insgesamt fragen sich desweiteren Kritiker wie der Theologe David Edwards, ob seine Theologie wirklich von dem Gottesbild beherrscht war, das Jesus vermittelt hat. Seine zunehmend düsteren Einschätzung der geistigen Aussichten der Menschheitsmehrheit lässt nicht deutlich werden, wieso im Zentrum der Bibel ein von Mitleid erfüllter Vater steht und wieso der Erlöser, der den Vater repräsentiert, Freund der Sünder genannt werden konnte.

Werke

Augustinus überreicht dem hl. Norbert von Xanten seine Regel, um 1140
Confessiones (dt. Bekenntnisse) -- Autobiographische Betrachtungen
De civitate Dei (dt. Vom Gottesstaat)
De Trinitate (dt. Über die Dreifaltigkeit) -- fünfzehnbändiges Hauptwerk
De beata vita (dt. Über das Glück) -- Über den Zusammenhang zwischen Glück und Gottesbegegnung
De magistro (dt. Über den Lehrer) -- Zur Bedeutung der Sprache
De vera religione (dt. Über die wahre Religion) -- Zur Bedeutung der christlichen Religion
Soliloquien (dt. Selbstgespräche) -- Zur rationalen Selbsterkenntnis
De immortalitate animae (dt. Von der Unsterblichkeit der Seele)
De doctrina christiana (dt. Über die christliche Bildung)
Retractationes (dt. Überarbeitungen) -- enthält nachträgliche Korrekturen und Anmerkungen zu seinen früheren Schriften
De libero arbitrio (dt. Der Freie Wille) -- erläutert die Willensfreiheit


Literatur

zum Leben

  • Peter Brown: Augustinus von Hippo. Eine Biographie, ND München 2000. (Wichtiges Standardwerk)
  • J. Bouman: Augustin - Lebensweg und Theologie, 1987
  • C. Cremona: Augustin. Eine Biographie, 1988
  • Kurt Flasch: Augustinus - eine Einführung in sein Denken, Stuttgart 1994.
  • Therese Fuhrer: Augustinus, Darmstadt 2004. (Einführung)
  • Johann Kreuzer: Augustinus zur Einführung, Hamburg 2005, ISBN 3885066092
  • H. Marrou: Augustin, 1958
  • James J. O'Donnell: Augustine. A New Biography, New York 2005, ISBN 0060535377. (Gut lesbare und aktuelle Biographie)
  • G. Wills: Augustinus, Berlin 2004

zum theologischen Werk

  • W. Bessner: Augustins Bekenntnisse als Erneuerung des Philosophierens. 13 Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie von Augustin bis Boethius, 1991
  • Robert Dodaro: Christ and the Just Society in the Thought of Augustine, Cambridge 2004.
  • H.R. Drobner: Persons-Exegese und Christologie bei Augustin. Zur Herkunft der Formel Una Persona, 1986
  • N. Fischer: Augustins Philosophie der Endlichkeit. Zur systematischen Entfaltung seines Denkens aus der Chorismoproblematik, 1987
  • F. Genn: Trinität und Amt nach Augustin, 1986
  • C. Horn (Hg.): Augustin. De civitate dei, 1997
  • M. Löhrer: Der Glaubensbegriff des heiligen Augustinus in seinen ersten Schriften bis zu den Confessiones, 1955
  • Chr. Müller: Geschichtsbewusstsein bei Augustin. Ontologische, anthropologische und universalgeschichtlich/heilsgeschichtliche Elemente einer augustinischen "Geschichtstheorie", 1993
  • W.M. Neumann: Die Stellung des Gottesbeweises in Augustins "De libero arbitrio", 1986
  • H.de Noronha Galvão: Die existentielle Gotteserkenntnis bei Augustin, 1981
  • K. Pollmann: Doctrina Christiana. Untersuchungen zu den Anfängen der chrristlichen Hermeneutik unter bes Berücksichtigung von Augustins ""De doctrina christiana", 1996
  • Joseph Ratzinger: Volk und Haus Gottes in Augustins Lehre von der Kirche, 1954
  • J. Rief: "Bellum" im Denken und in den Gedanken Augustins, 1990
  • H. Rommel: Zum Begriff des Bösen bei Augustin und Kant, 1997
  • T. Schächtele: Das Verständnis des allgemeinen Priestertums bei Augustin, 1990
  • A. Schindler: Wort und Analogie in Augustins Trinitätslehre, 1965
  • U. Störmer-Caysa: Augustins philosophischer Zeitbegriff. Ein Vorschlag zum Verständnis der distentio animi im Lichte von "De musica", 1996
  • K.A. Wohlfahrt: Der metaphysische Ansatz bei Augustin, 1969

zu den Confessiones

  • N. Fischer/ C. Mayer (Hg.): Die Confessiones des Augustinus von Hippo. Einführung und Interpretation zu den 13 Büchern, Freiburg/Basel/Wien 2004.
  • Kurt Flasch: Was ist Zeit? Augustinus von Hippo. Das XI. Buch der Confessiones. Historisch-philosophische Studie, 1993
  • Romano Guardini: Die Bekehrung des Aurelius Augustinus. Der innere Vorgang in seinen Bekenntnissen, 2.Aufl. 1950
  • G.N. Knauer, Psalmenzitate in Augustins Confessiones, 1955
  • Annemaré Kotzé: Augustine's Confessions. Communicative Purpose and Audience. Supplements to Vigiliae Christianae 71, Leiden/Boston 2004.
  • Jostein Gaarder: Vita Brevis - Das Leben ist kurz, 1997
  • Barbara Kursawe: docere - delectare - movere. Die officia oratoris bei Augustinus in Rhetorik und Gnadenlehre, 2000

Gedenktage

Siehe auch:

Vorlage:Wikiquote1 Vorlage:Commons1

Vorlage:Kandidat (Lesenswert)