Jürgen-Peter Graf
Jürgen-Peter Graf (* 22. Dezember 1952 in Oberkirch (Baden)) ist Richter am deutschen Bundesgerichtshof.
Ausbildung
Sein Abitur bestand Graf 1971 am heutigen Hans-Furler-Gymnasium in Oberkirch. Nach Erfüllung seiner Wehrpflicht begann er 1972 das Studium der Rechtswissenschaften an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, wo er 1977 das erste juristische Staatsexamen ablegte.
Nach dem Referendariat in der baden-württembergischen Justiz legte er 1979 sein zweites juristisches Staatsexamen in Stuttgart ab. Danach war er als wissenschaftlicher Assistent an der Universität Freiburg tätig. 1984 promovierte er über das familienrechtliche Thema „Dispositionsbefugnisse über den Versorgungsausgleich gem. § 1408 Abs. 2 BGB“.
Berufslaufbahn
Im Januar 1983 trat Graf als Richter in die baden-württembergische Justiz ein und war in der Folgezeit bei dem Amtsgericht Emmendingen, der Staatsanwaltschaft Freiburg, dem Landgericht Freiburg, dem Amtsgericht Lörrach und dem Amtsgericht Freiburg tätig.
Im August 1988 wurde er als wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Behörde des Generalbundesanwalts nach Karlsruhe abgeordnet. Dort war er zunächst in der Ermittlungsabteilung, danach in der Abteilung für Revisionsstrafsachen eingesetzt.
Vom April 1992 bis September 1992 war er dann bei der Generalstaatsanwaltschaft in Karlsruhe als Dezernent eingesetzt.
Zum 1. Oktober 1992 kehrte er zur Behörde des Generalbundesanwalts zurück, wo er in der Folge zunächst Ermittlungsverfahren gegen rechtsextremistische Straftäter bearbeitete. Etwa zeitgleich mit seiner Ernennung zum Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof im Dezember 1994 spezialisierte er sich neben seiner Ermittlungstätigkeit vor allem auf Fragen der Telekommunikationsüberwachung, Providerverantwortlichkeiten und ganz allgemein den Bereich von Straftaten im Internet. Daraus resultieren zahlreiche nationale und internationale Vorträge zu diesen Themen (u. a. als Mitarbeiter der G8-Subgroup High-Tech-Crime) sowie entsprechende Veröffentlichungen. Daneben war er mehrere Jahre stellvertretender Datenschutzbeauftragter der Behörde des Generalbundesanwalts.
Am 5. Februar 2003 wurde er zum Richter am Bundesgerichtshof ernannt, wo er zunächst dem u. a. für das Gesellschaftsrecht zuständigen II. Zivilsenat zugewiesen war. Seit 1. April 2004 ist er Mitglied des 1. Strafsenats, welcher für Revisonssachen aus den Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern, für alle Revisionen in Steuer- und Zollstrafsachen sowie Militärstrafsachen zuständig ist.
Nebentätigkeiten
Sachverständigentätigkeit
Vielfach war er in den letzten Jahren als Sachverständiger zu öffentlichen Anhörungen des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags berufen, unter anderem am 21. März 2007 zum Thema Bekämpfung der Computerkriminalität,[1] am 25. April 2007 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zollfahndungsdienstgesetzes,[2] am 19./21. September 2007 zur Änderung des Rechts der Telekommunikationsüberwachung[3] sowie Einführung der Vorratsdatenspeicherung,[4] am 18. März 2009 zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform des strafrechtlichen Wiederaufnahmerechts[5] und am 22. April 2009 zu den Entwürfen eines Gesetzes zur Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten.[6] Am 27. Mai 2009 war er als Sachverständiger zu der zu öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie des Deutschen Bundestages zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen berufen.[7] Benannt war er auch als Sachverständiger für die beiden öffentlichen Anhörungen des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags am 10. September 2010 zum Thema „Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung“[8] sowie an demselben Tag zu den Gesetzentwürfen der Oppositionsparteien zur Aufhebung des Gesetzes zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornographischen Inhalten in Kommunikationsnetzen.[9]
Am 26. Januar 2011 war er als Sachverständiger bei der öffentlichen Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht (PrStG) geladen, wodurch die Straflosigkeit von Journalisten wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat durch Amtsträger (§ 353b StGB) erreicht werden soll.[10] Zuletzt war er am 13. Juni 2012 als Sachverständiger bei der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses geladen zum Entwurf von Änderungsgesetzen der SPD-Fraktion und des Bundesrats mit dem Ziel, menschenverachtende, insbesondere rassistische oder fremdenfeindliche, Beweggründe und Ziele des Täters als besondere Strafzumessungsgründe in § 46 Absatz 2 des Strafgesetzbuchs (StGB) aufzunehmen, die im
Rahmen der Strafzumessung strafschärfend zu berücksichtigen sind.[11]
Herausgeberschaften
Er ist Herausgeber des neuen Beck’schen Online-Kommentars zur StPO und kommentiert dort selbst §§ 99–100b StPO[12] (Postbeschlagnahme, E-Mail-Beschlagnahme und Telekommunikationsüberwachung), der 96 ff TKG[13] (insbes. Zulässigkeit von Datenspeicherungen durch Provider und zur Problematik einer Vorratsdatenspeicherung) sowie der neuen §§ 198 ff. GVG zum Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren. Dieser StPO-Kommentar ist im April 2010 erstmals als Printversion Graf / StPO[14] erschienen; die zweite Auflage ist im September 2012 auf den Markt gekommen.[15] Des Weiteren ist er Mitautor des nunmehr in 2. Auflage erschienenen Münchener Kommentars zum StGB (insbesondere zu §§ 201 ff.[16] und §§ 353b, 353d StGB), des Karlsruher Kommentars zum OWiG (Fragen der Elektronischen Aktenführung) sowie des Karlsruher Kommentars zur StPO (Recht der Untersuchungshaft, Elektronische Dokumente, Beschleunigtes Verfahren). Außerdem ist der Mitherausgeber und Autor des im Juli 2011 erschienenen Kommentars von Graf/Jäger/Wittig zum gesamten Wirtschafts- und Steuerstrafrecht. Im Januar 2011 ist das von ihm völlig neubearbeitete Buch in der JUS-Schriftenreihe "Mustertexte zum Strafprozess" erschienen, welches sich in erster Linie an Rechtsreferendare sowie junge Richter und Staatsanwälte richtet. Im April 2011 ist erstmals eine von ihm zusammengestellte Rechtsprechungsübersicht bezüglich wichtiger Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts im Strafrecht und Strafprozessrecht für das Jahr 2010[17] erschienen; im März 2012 ist die entsprechende Entscheidungsübersicht für das Jahr 2011[18] erschienen.
Referententätigkeit
Bereits seit 1995 ist er ständiger Referent der Deutsche Richterakademie in Trier und Wustrau für Fragen des Strafrecht und der Strafprozessordnung, vor allem aber für Computer- und Internetstraftaten; dies gilt ebenso für jährliche Referate bei Fortbildungen und Seminaren von Polizeibeamten und Rechtsanwälten zu diesen Themen, insbesondere auch zu den für die Praxis sehr bedeutsamen Problemfeldern Telekommunikationsüberwachungsrecht und den dadurch sich ergebenden Möglichkeiten und Grenzen für Ermittlungen zur Aufklärung von Straftaten. In diesem Zusammenhang referierte er 2012 bei den Jahrestagungen der Landesverbände Sachsen und Berlin des Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK). An der Polizeiakademie Niedersachsen hielt er am 21. März 2012 bei der Fachtagung "Kriminalität und Internet. Rechtsgrundlagen und Anforderungen an die Beweisführung"[19] den Eingangsvortrag zum Thema "Grundlagen, Rechtsprechung und aktuelle Entwicklungen im Internetstrafrecht"; an der baden-württembergischen Hochschule der Polizei in Villingen-Schwenningen referierte er im Juni 2012 zu "Möglichkeiten und Grenzen von Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen, insbes. im Hinblick auf Zulässisgkeit von Quellen-TKÜ sowie Überwachung Sozialer Netzwerke". Im August 2011 war er auf Einladung der Deutschen Botschaft in Panama, um zum Thema Internetstraftaten und Cyberkriminalität verschiedene Vorträge zu halten und Workshops durchzuführen. Außerdem sprach er mit dem Generalstaatsanwalt von Panama, José Ayú Prado,[20] sowie Richtern des Obersten Gerichtshofs über die Möglichkeit eines gemeinsamen künftigen Erfahrungsaustausches sowie Hilfen bei der Fortbildung von Polizei und Justizangehörigen aus Panama.[21]
Lehraufträge
Graf war von 2005 bis 2010 Lehrbeauftragter der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg; seit dem SS 2011 ist er Lehrbeauftragter der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und seit dem WS 2011/12 zusätzlich auch der Hochschule Offenburg.
Veröffentlichungen
- Jürgen-Peter Graf et al. (Hrsg.): Wirtschafts- und Steuerstrafrecht. Kommentar. C.H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-60962-6
- Juergen Graf: Strafprozessordnung. 1. Aufl. C.H. Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-59788-6
- Juergen-Peter Graf: BGH-Rechtsprechung Strafrecht 2010. 1. Aufl. 2011, ISBN 978-3-11-025962-9
- Juergen-Peter Graf: BGH-Rechtsprechung Strafrecht 2011. 1. Aufl. 2012, ISBN 978-3-11-027391-5
- § 41 a, §§ 112–118a, §§ 417–420 StPO. In: Rolf Hannich (Hrsg.): Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung. 6. Aufl. 2008, ISBN 978-3-406-49798-8
- §§ 110a–110e OWiG. In: Lothar Senge (Hrsg.): Karlsruher Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz. 3. Aufl. 2006, ISBN 3-406-53746-4
- Graf, Schroers: Mustertexte zum Strafprozess. 8. Auflage. 2011, ISBN 978-3-406-61326-5
- §§ 201–202a, §§ 204–205 StGB. In: Joecks, Miebach (Hrsg.): Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Bd. 3. 1. Aufl. 2003, ISBN 3-406-48827-7
- §§ 353b–353d StGB. In: Joecks, Miebach (Hrsg.): Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Bd. 4. 1. Aufl. 2006, ISBN 3-406-48828-5
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ webarchiv.bundestag.de (PDF)
- ↑ webarchiv.bundestag.de (PDF)
- ↑ webarchiv.bundestag.de (PDF)
- ↑ webarchiv.bundestag.de (PDF)
- ↑ webarchiv.bundestag.de (PDF)
- ↑ webarchiv.bundestag.de (PDF)
- ↑ webarchiv.bundestag.de (PDF)
- ↑ bundestag.de (PDF)
- ↑ bundestag.de (PDF)
- ↑ bundestag.de (PDF)
- ↑ bundestag.de (PDF)
- ↑ Leseprobe zu § 100a StPO
- ↑ Leseprobe zu § 113a TKG
- ↑ d-nb.info
- ↑ d-nb.info
- ↑ d-nb.info
- ↑ portal.d-nb.de
- ↑ portal.dnb.de
- ↑ pa.polizei-nds.de
- ↑ panama.diplo.de
- ↑ panama.diplo.de
Personendaten | |
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NAME | Graf, Jürgen-Peter |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Jurist, Richter am Bundesgerichtshof |
GEBURTSDATUM | 22. Dezember 1952 |
GEBURTSORT | Oberkirch (Baden) |