Thüringer Rostbratwurst
Die Thüringer Rostbratwurst (in Ostthüringen auch Roster genannt) ist eine Bratwurst-Spezialität, die seit dem 6. Januar 2004 EU-weit eine geschützte geografische Angabe (g.g.A.) ist. Laut EU-Verordnung ist sie eine mindestens 15-20 cm lange, mittelfeine Rostbratwurst im engen Naturdarm, roh oder gebrüht, mit herzhaft würziger Geschmacksnote. Sie ist sehr verwandt mit der Coburger Rostbratwurst, aber nicht identisch in der Grobheit.
Geschichte
Die Thüringer Rostbratwurst hat eine jahrhundertealte Tradition. Die älteste bekannte urkundliche Erwähnung einer Bratwurst, die mit der Thüringer Rostbratwurst in Zusammenhang gebracht wird, findet sich im Thüringischen Staatsarchiv Rudolstadt in einer Abschrift der Propstei-Rechnung des Arnstädter Jungfrauenklosters von 1404. Dort heißt es wörtlich: "1 gr vor darme czu brotwurstin" (1 Groschen für Bratwurstdärme). Allerdings ist nicht bekannt, welcher Art die damals hergestellten Würste waren.
Das älteste bekannte Rezept befindet sich im Staatsarchiv Weimar. Es stammt aus der "Ordnung für das Fleischerhandwerk zu Weimar, Jena und Buttstädt" vom 2. Juli 1613. Ein weiteres Rezept enthält das "Thüringisch-Erfurtische Kochbuch" aus dem Jahr 1797, das auch eine geräucherte Variante erwähnt.
Herstellung
Nur fein gehacktes Schweinefleisch, eventuell auch entsehntes Kalb- oder Rindfleisch wird zur Herstellung verwendet. Neben Salz und Pfeffer werden insbesondere Kümmel, Majoran und Knoblauch verwendet. Die Gewürzmischungen variieren jenach überlieferter Rezeptur oder regionaler Ausprägung. Mindestens 51 % der verwendeten Rohstoffe müssen aus der Region Thüringen stammen. Diese Zutaten werden gut miteinander vermengt und in einen sehr feinen Schweinedarm oder Schafsaitling gefüllt.
Gemäß § 5 der Hackfleischverordnung müssen rohe Thüringer Rostbratwürste spätestens am Tag nach ihrer Herstellung verbraucht werden (Ausnahme: Gaststätten bis zum Ende ihrer Öffnungszeit, wenn sie über 24 Uhr hinaus geht). Gebrühte oder vorgegrillte Würste dürfen 15 Tage, die unmittelbar nach der Herstellung tiefgefrorene Wurst sogar bis zu sechs Monate, aufbewahrt werden.
Zubereitung
Wenn die Enden der Thüringer Rostbratwurst noch offen sind, wird sie unmittelbar vor der Zubereitung an Ihren Enden gefasst und schwungvoll zum Rotieren gebracht, dadurch werden die Enden verschlossen. Danach wird sie in klarem Wasser gewaschen.
Die bevorzugte Zubereitungsart für rohe oder gebrühte Thüringer ist das Braten über Holzkohle auf einem mit Speck eingeriebenen Rost. Das Holzkohlefeuer sollte nicht zu heiß sein, damit die Haut nicht aufplatzt. Eine dunkle (nicht schwarze) Kruste ist aber erwünscht. Die vorgegrillte Version kann nach Herstellerangaben auch einfach in der Mikrowelle erhitzt werden.
Die Thüringer Rostbratwurst wird meist in einem aufgeschnittenen Brötchen mit Senf bestrichen gereicht.
Thüringer Lebensstil
Für den Thüringer ist seine Rostbratwurst - genau wie das Rostbrätchen - nicht nur ein Lebensmittel, sie verkörpert auch ein Lebensgefühl, das sich vor allem durch die Art der Zubereitung und des Verzehrs ausdrückt.
Diese kulturelle Besonderheit wird schon im Wortstamm der Rostbratwurst sichtbar. Diese wird auf einem Rost gegrillt.
Infrage kommen dabei ausschließlich rohe Thüringer Rostbratwürste, die auf einem Holzkohlerost gerostet werden. Gebrühte oder auf andere Art haltbar gemachte Würste, die Zubereitung auf einem Gasgrill oder gar das Frittieren in Öl sind dabei verpönt. Um den echten Thüringer Geschmack zu erreichen, verwendet der echte Thüringer Gourmet würziges Bier statt Wasser, um einen zu heiß gewordenen Rost auf die richtige Gartemperatur abzukühlen. Dabei setzt sich ein angenehmer, leicht brotartig riechender Dunst frei, der appetitanregend wirkt. Über die ideale Form der fertig gebratenen Würste wird unter Kennern gestritten. Die meisten Würste weisen eine gewisse Krümmung auf, die aber keinen geschmacklichen Einfluß hat. Auch der Lagerichtung der Wurst auf dem Grill werden bestimmte Einflüsse auf das Bratergebnis zugeschrieben. Häufig wird die Bratwurst 1-2 Stunden vor dem Braten in einen Biersud eingelegt, der bevorzugt aus Pils, Senf und Zwiebelringen besteht. Dies gibt der Wurst einen besonders guten Geschmack.
Dem ausschließlichen Servieren im aufgeschnittenen Brötchen mit original Thüringer Senf stehen inzwischen auch andere Formen gegenüber, unter anderem mit thüringer Kartoffelsalat oder anderen Salaten oder asiatisch angehauchten Beilagen mit süßsauren Soßen.
In Thüringen wird original Thüringer Senf deutlich bevorzugt, ein ursprünglicher Senf, der nur aus gemahlener Senfsaat, Brandweinessig und etwas Meerrettich besteht. Die Verwendung von Ketchup oder Majonäse kommt im Vergleich zu Traditionen anderer Regionen in Thüringen eher seltener vor.
Der Verzehr von Bratwürsten ist in Thüringen überdurchschnittlich hoch. Sie werden häufig mit dem Schlagwort "Rost brennt" zum Kauf angeboten und haben in Thüringen die Stellung inne, die in Berlin oder dem Ruhrgebiet die Currywurst einnimmt, welche ihrerseits in Thüringen nur sehr gering verbreitet ist. Der Verzehr von zwei bis drei Thüringer Rostbratwürsten pro Tag durch einen Erwachsenen ist durchaus üblich. Durch Aufnahme von zwei Würsten in ein gemeinsames Brötchen kann der durchschnittliche Ballaststoffanteil der Mahlzeit weiter gesenkt werden.
Literatur
- Das große Thüringisch-Erfurtische Kochbuch oder deutliche Anweisung zu Bereitung schmackhafter Speisen, Backwerks und allerlei dahin einschlagenden Früchte, Säfte etc. 2 Bde. Erfurt (1797-1798)
- Wolfgang Held/Heinz Sonntag: Das Thüringer Rostbratwurst-Büchlein, Erfurt 1993, ISBN 392966206X
- Wolfgang Held/Heinz Sonntag: Das neue Thüringer Rostbratwurst-Büchlein, Erfurt 1998, ISBN 3896831283