Thrakische Sprache
Die ausgestorbene thrakische Sprache (gelegentlich auch Dako-Thrakisch genannt) ist ein eigenständiger Zweig der indoeuropäischen bzw. indogermanischen Sprachen und wurde in der Antike vom Volk der Thraker gesprochen, das weite Teile der Balkanhalbinsel (siehe Thrakien), einige Ägäisinseln und einige Gebiete des nordwestlichen Kleinasien bewohnte (Mysien, Bithynien, Paphlagonien). Die Vermutung einer näheren Verwandtschaft mit dem Phrygischen wurde nicht bestätigt. Dialekte des Thrakischen waren Dakisch, Getisch und Moesisch.
Thrakisch wurde kaum als Schriftsprache verwendet. Es gibt nur wenige Inschriften und die meisten davon sind sehr kurz und auch nicht immer eindeutig als thrakisch zu identifizieren. Die längste ist auf einem goldenen Ring eingraviert.
Dem Thrakischen Balkan entstammt das Wort für Joghurt. Die Schafzucht war bei den Thrakern sehr verbreitet. In der Sprache der Thraker bedeutete das Wort jog „schnittfest, dick“, und das Wort urt „Milch“. Daraus entstand das Wort Joghurt. Nachweislich trugen die Thraker (6. bis 4. Jhd v.Chr.) um den Gürtel einen länglichen Sack aus Lammfell - gefüllt mit Milch. Durch die Körpertemperatur und die Mikroflora im Lammsack kam es zur Milchsäuregärung. Solche Lammsäcke mit Milch banden sie auch um den Körper der Pferde.
Das meiste Sprachmaterial ist aus zahlreichen Orts- und Gewässernamen bekannt, außerdem finden sich Einzelwörter und Götternamen in Werken römischer und griechischer Autoren.
Um die Zeitenwende übernahmen die Thraker allmählich die griechische oder römische Sprache. Ab dem 6. Jahrhundert n. Chr. waren sie vollständig assimiliert.
Dakisch
Dakisch ist der westliche Dialekt des Thrakischen. Gelegentlich wird es auch als eigene Sprache angesehen. Man kennt lediglich eine Inschrift, die auf einer Tonvase gefunden wurde. Außerdem hat der griechische Arzt Dioskurides im 1. Jahrhundert n. Chr. in einem Traktat 57 dakische Namen von Heilkräutern überliefert. Aus dem 3. Jahrhundert stammt eine weitere Liste mit Pflanzennamen, z.B. amalusta (Kamille), mantua (Brombeere) und dyn (Brennnessel). Dazu kennt man noch circa 200 Ortsnamen aus der römischen Provinz Dacia.
Die Rumänen sehen sich als direkte Nachfahren der Daker und daher glaubt man mit ziemlicher Sicherheit mindestens 180 Wörter aus der modernen rumänischen Sprache als dakische Substratwörter identifizieren zu können, so z.B. balaur (Drache) oder branza (Käse).
Getisch
Getisch wurde im östlichen Teil Thrakiens von den Geten gesprochen, also an der Schwarzmeerküste. Manche Forscher nehmen jedoch eine dakisch-getische Spracheinheit an.
Der römische Dichter Ovid, der ab 8 n. Chr. in der Verbannung in der Stadt Tomis (heute Constanta) lebte, behauptete, er habe getische Gedichte geschrieben. (Getico scripsi libellum sermone)
Moesisch
Moesisch wurde südlich der Donau in Moesien gesprochen, möglicherweise aber auch in Kleinasien in der Region Mysien. Es ist nur durch wenige Orts- und Gewässernamen bekannt. Unterschiede zum Dakischen und Getischen sind daher kaum nachweisbar.
Thrakische Wörter
(In Klammern werden die Prototype im Litauischen erwaehnt, da viele Thrakische Wörter sind auch in modernen baltischen Sprachen zu finden).
- achel = Wasser-
- aiz = Ziege
- ala = Strömung, Bach (Litauisch ala, alma, bedeutet "fliesst")
- alta(s) = Strömung, Bach
- ang = gewunden, kurvenreich
- aphus = Wasser, Fluss, Quelle (auch Litauisch upės)
- arma = Moor, Sumof
- arda(s) = Fluss, Strömung
- arzas = weiß
- asa = Stein-
- at(u)- = Strömung, Bach
- aq = steiler Küstenabhang
- bebrus = Biber (auch Litauisch 'bebras')
- bend = binden, verbinden
- beras = braun, dunkel (auch Litauisch "bėras")
- berga(s) = Anhöhe, Ufer
- berza(s) = Birke (auch Litauisch)
- bolinqos = wilder Stier
- bredas = Weidfläche (auch Litauisch "brėdas, brydė")
- brentas = Hirsch
- bria = Stadt
- brink- = anschwellen
- briza = Roggen
- bruzas = schnell
- brynchos = Gitarre
- bryton = Gerstensaft, Bier
- bur(is) = Mann
- calsus = trockener Ort
- chalas = Schlamm
- dama = bewohnbare Gegend
- daphas = Überschwemmung
- darsas = mutig, tapfer (Litauisch drąsa, drąsus; Rumänisch dârz)
- datan = Ort, Wohnort (auch Litauisch "da ten")
- dentu = Genesis, Stamm
- desa, disa, diza(s) = Gott, Gottheit
- dinga = fruchtbarer Ort
- diza = Festung, Fort
- don = Gegend, Stelle
- drenis = Hirsch
- dumas = dunkel
- dun- = Hügel, Gebirge
- ermas = wild, furios
- esvas = Pferd (auch Litauisch)
- gaidrus = hell, heiter (Litauisch "giedras")
- gava(s) = Land, Gegend
- genton = Fleisch
- germas = warm, heiß
- gesa = Storch
- gin = vertrocknen, verderben, sich auflösen
- haimos = Gebirgskamm, -kette
- ida(ide) = Baum, Wald
- ilu- = Erdschlamm
- iuras - = Wasser, Fluss
- jog = dick
- kaba(s) = Moor, Sumpf
- kalamintar = Platane
- kalas = Region (auch Litauisch "klonis")
- kalsas = trocken, vertrocknet (auch Litauisch "(s)kalsus")
- kapas = Hügel, Abhang (auch Litauisch "kapa(s)"
- kela = Wasserquelle
- kenqos = Kind, Nachkommen
- kersas = schwarz
- ketri = vier (auch Litauisch "ket(u)ri)"
- kik- = lebendig, flink
- kir(i) = Wald, Gebirge
- knisa(s) = ausgehobene Erdstelle
- kupsela = Haufen, Hügel (auch Litauisch "kupstas")
- kurta = Wald, Eichenwald
- laza(-as) = Lichtung, Alp, Wiese
- lingas = Weidebene
- mar- = Wasser, Moorgebiet (auch Litauisch "mar/ios")
- mer- = groß, berühmt
- mezena = Pferdereiter
- midne = Dorf, Wohnort
- mukas = Morast
- muka-s = Genus, Familie, Nachkommen
- musas = Moos, Schimmel
- navlohos = Stadt Osra in Bulgarien
- ostas = Flussmündung (auch Litauisch "(u)ostas")
- paibes = Kind, Sprößling, Sohn
- paisa(s) = Ruß
- palma = Moorast, Sumpf
- para = Dorf
- pautas = Schaum (auch Litauisch)
- per(u)- = Felsen
- pes = Kind, Sohn
- phara = Dorf
- piza(s) = Sumpf, Weide
- por, -puris = Sohn
- pras = waschen, besprengen (auch Litauisch "praus(t)i"
- purda = sumpfiger Ort
- putras = Schwätzer, Schreihals
- raimas = bunt ((auch Litauisch "rainas"))
- raka(s) = ausgehobene Erdstelle, Graben
- ramus = ruhig, still (auch Litauisch)
- raskus = schnell, flink, lebendig
- rera = Steine
- rezas (res) = König
- rhomphaia = Speer, Säbel
- ring- = schnell, flink
- rudas = rötlich (auch Litauisch)
- rus-a = Erdloch (auch Litauisch "rūs/ys")
- sabazias = frei
- saldas = golden
- sara = Strömung
- sartas = hellrot (auch Litauisch)
- satras = lebendig, flink, schnell
- seina(s) = Dorf
- sekas = Gras, Grünzeug, Heu (auch Litauisch "šėkas")
- sem(e)la = Erde (auch Litauisch "zem/el/ė, žemė")
- serma(s) = Strömung, Bach
- siltas = warm, angenehm (auch Litauisch "šiltas")
- sind(u)- = Fluss
- singas = Niederung, Ebene
- skaivas = links
- skalme = Messer, Schwert
- skalp- = hauen, stoßen
- skaplis = kleine Axt (auch Litauisch "kaplis")
- skapt- = Erde ausheben (auch Litauisch skapt/uoti)
- skaras = schnell
- skilas = schnell, stürmisch
- skreta = Kreis
- skumbr-as = Anhöhe, Hügel
- spinda = Lichtung im Wald (auch Litauisch spind/i)
- struma = Strömung, Fluss
- suka = Spalt, Defilee
- suku = Mädchen
- sula = kleiner Wald, Forst
- sunka = Saft (auch Litauisch)
- suras = stark, tapfer; salzig, bitter
- svit = leuchten, strahlen (auch Litauisch šviest)
- taru- = Speer
- tirsas = Gebüsch, Walddickicht
- tiqa = Licht
- torelle = Klagelied
- tranas = Faulen, Modern
- traus- = brechen
- tund- = stoßen
- tuntas = Vogelschwarm, Insekten-Ansammlung (auch Litauisch)
- udra(s) = Otter
- ukas = Nebel, trübe
- urda = Strom, Bach
- urt = Milch
- usku- = Wasser, feucht
- ut- = Wasser, Fluss
- varpasas = Wasserstrudel
- veger- = feucht
- veleka(s) = Waschstelle am Fluss
- zalmos = Leder
- zburul = Licht, leuchtend
- zelas = Wein
- zelmis = Nachkomme (auch Litauisch "želmen/ys")
- zenis = geboren
- zetraia = Tonkrug
- zejra = Oberbekleidung
- zum- = Drachen
- zvaka(s) = hell (auch Litauisch "žvakė(s)")