Zum Inhalt springen

Polymerase-Kettenreaktion

Dies ist ein als exzellent ausgezeichneter Artikel.
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 22. November 2005 um 19:18 Uhr durch 84.190.108.208 (Diskussion) (Schritte des PCR-Prozesses). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Polymerase-Kettenreaktion (englisch Polymerase Chain Reaction, PCR) ist eine Methode, um die Erbsubstanz DNA zu vervielfältigen, ohne einen lebenden Organismus, wie z. B. das Bakterium Escherichia coli oder die Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae zu benutzen. Die PCR wird in biologischen und medizinischen Laboratorien für eine Vielzahl verschiedener Aufgaben verwendet, zum Beispiel für die Erkennung von Erbkrankheiten, für das Erstellen und Überprüfen genetischer Fingerabdrücke, für das Klonieren von Genen und für Vaterschaftstests.

Geschichte

Anfang der 1970er Jahre kam Har Gobind Khorana auf den theoretischen Gedanken, DNA durch 2 flankierende Primer zu vervielfältigen (Kleppe et al. 1971), jedoch geriet die Idee in Vergessenheit. Die Polymerase-Kettenreaktion selber wurde 1983 von Kary Banks Mullis erneut erfunden. Er arbeitete zu dieser Zeit für die Firma Cetus und wurde mit einer Prämie von 10.000 Dollar abgefunden. Jahre später verkaufte Cetus dann die Rechte an der PCR-Methode mitsamt dem Patent für die DNA-Polymerase Taq an die Firma Roche für 300 Millionen Dollar. Nur sieben Jahre nachdem er seine Idee veröffentlicht hatte, wurde Mullis hierfür 1993 der Nobelpreis für Chemie verliehen. Seine Idee war es, ein Verfahren zu entwickeln, das DNA durch wiederholte Verdoppelung in mehreren Zyklen mit Hilfe eines Enzyms namens DNA-Polymerase künstlich vervielfältigt.

DNA-Polymerase kommt in allen Lebewesen vor, sie verdoppelt die DNA vor der Zellteilung. Sie bindet an einen einzelnen DNA-Strang und erzeugt einen dazu komplementären Strang. Bereits in Mullis' ursprünglichem PCR-Versuch wurde das Enzym in vitro verwendet. Die doppelsträngige DNA wurde durch Erhitzen auf 96 °C in zwei Einzelstränge aufgeteilt. Bei dieser Temperatur wurde die DNA-Polymerase zerstört und musste daher nach jedem Erhitzen erneuert werden. Mullis' ursprüngliches Verfahren war sehr ineffizient, da es viel Zeit, große Mengen DNA-Polymerase und ständige Aufmerksamkeit erforderte.

Später wurde der PCR-Prozess verbessert, indem man die DNA-Polymerase von thermophilen (Hitze liebenden) Bakterien verwendete, die bei über 110 °C in Geysiren leben. Die DNA-Polymerase dieser Lebewesen ist thermostabil (stabil bei hohen Temperaturen) und wurde daher beim Erhitzen während der PCR-Zyklen nicht zerstört. Da nicht mehr ständig neue DNA-Polymerase hinzugefügt werden musste, konnte der Vervielfältigungs-Vorgang erheblich vereinfacht und automatisiert werden.

Eine der ersten thermostabilen DNA-Polymerasen wurde aus Thermophilus aquaticus gewonnen und Taq genannt. Das Enzym Taq wurde bereits 1980 von dem russischen Forscher Kaledin beschrieben. Aus diesem Grund wurde der Firma Roche das Patent für Taq inzwischen entzogen. Die Taq-Polymerase erfährt gegenwärtig (Mai 2004) breite Anwendung. Ein Nachteil der Taq-Polymerase liegt darin, dass sie manchmal Fehler beim Kopieren der DNA produziert, was zu Mutationen (Fehlern) in der DNA-Sequenz führt. Polymerasen wie Pwo oder Pfu, die aus Archaea gewonnen werden, haben einen Korrektur-Mechanismus, der die Anzahl der Mutationen in der kopierten DNA erheblich senkt.

PCR in der Praxis

PCR wird eingesetzt um einen kurzen, genau definierten Teil eines DNA-Strangs zu vervielfältigen. Dabei kann es sich um ein Gen oder auch nur um einen Teil eines Gens handeln oder auch um nicht codierende DNA-Sequenzen. Im Gegensatz zu lebenden Organismen kann der PCR-Prozess nur kurze DNA-Abschnitte bis zu ca. 10 kbp (10.000 Basenpaare) kopieren. DNA ist doppelsträngig, und daher wird ihre Länge in komplementären DNA-Bausteinen (Nukleinsäuren) oder Basenpaaren gemessen. Mit Hilfe bestimmter Verfahren können Fragmente bis zu einer Länge von 40 kbp vervielfältigt werden, was immer noch sehr viel weniger ist als die chromosomale DNA einer eukaryotischen Zelle - eine menschliche Zelle enthält beispielsweise etwa drei Milliarden Basenpaare.

In ihren momentanen Anwendungsgebieten benötigt PCR mehrere grundlegende Komponenten. Diese sind:

  • Die Original-DNA, die den zu vervielfältigenden Abschnitt enthält
  • Zwei Primer, um Anfang und Ende des zu vervielfältigenden Abschnitts festzulegen (siehe auch den Abschnitt "Primer")
  • DNA-Polymerase, die bei hohen Temperaturen nicht zerstört wird, um den festgelegten Abschnitt zu replizieren (kopieren)
  • Nukleotide, die Bausteine für den von der DNA-Polymerase synthetisierten DNA-Strang
  • Pufferlösungen, die eine für die DNA-Polymerase geeignete chemische Umgebung sicherstellen

Die Polymerase-Kettenreaktion findet in einem so genannten Thermocycler statt. Diese Maschine erhitzt und kühlt die in ihr befindlichen Reaktionsgefäße präzise auf die Temperatur, die für den jeweiligen Schritt benötigt wird. Um Verdunstung zu verhindern, wird ein beheizbarer Deckel auf den Reaktionsgefäßen oder eine Ölschicht auf dem Reaktionsgemisch benutzt.

Soll die PCR vor allem als quantitativer Nachweis dienen, empfiehlt sich die sog. Real Time PCR.

http://www.gene-quantification.info - The reference in real time PCR: englischsprachige Seite zu allen praktischen Aspekten der real-time PCR

Ablauf

Der PCR-Prozess besteht aus einer Serie von 20 bis 30 Zyklen. Jeder Zyklus besteht aus drei Schritten (Abb. 1). Zunächst wird die doppelsträngige DNA auf 96 °C erhitzt um die Stränge zu trennen. Dieser Schritt wird Melting (Schmelzen) genannt. Die Wasserstoffbrückenbindungen, die die beiden DNA-Stränge zusammenhalten, werden aufgebrochen. Im ersten Zyklus wird die DNA oft für längere Zeit erhitzt um sicherzustellen, dass sich sowohl die Ausgangs-DNA als auch die Primer vollständig voneinander getrennt haben und nur noch Einzelstränge vorliegen.

Nach der Trennung der Stränge wird die Temperatur gesenkt, so dass die Primer sich an die einzelnen DNA-Stränge anlagern können. Dieser Schritt heißt Annealing (Anlagern). Die Temperatur während dieser Phase hängt von den Primern ab und liegt normalerweise 25 °C unter ihrem Schmelzpunkt. Wird die Temperatur falsch gewählt, kann das dazu führen, dass die Primer sich nicht oder an der falschen Stelle an der Ausgangs-DNA anlagern.

Schließlich füllt die DNA-Polymerase die fehlenden Stränge mit Nukleotiden auf . Sie beginnt am angelagerten Primer und folgt dann dem DNA-Strang. Dieser Schritt heißt Elongation (Verlängerung). Der Primer wird nicht wieder abgelöst, da er den Anfang des Einzelstrangs bildet. Die Temperatur hängt nun von der DNA-Polymerase ab, die Zeit, die dieser Schritt benötigt, von der DNA-Polymerase und der Länge des DNA-Fragments, das vervielfältigt werden soll. Sie liegt zwischen 68 und 72 °C.

Schematische Darstellung des PCR-Zyklus

Abbildung 1: Schematische Darstellung des PCR-Zyklus.

  1. Schmelzen bei 96 °C.
  2. Anlagerung bei 68 °C.
  3. Verlängerung bei 72 °C (P=Polymerase).
  4. Der erste Zyklus ist beendet.

Die beiden entstandenen DNA-Stränge bilden die Vorlage für den nächsten Durchlauf, die Menge an DNA verdoppelt sich also mit jedem neuen Zyklus.

Beispiel

Die angegebenen Zeiten und Temperaturen dieses Beispiels stammen aus einem PCR-Programm, das von Magnus Manske erfolgreich zur Vervielfältigung eines 250-bp-Fragment des C-terminalen Endes des insulinartigen Wachstumsfaktor (IGF) (engl. insulin-like growth factor) eingesetzt wurde.

Das Reaktionsgemisch besteht aus:

  • 1,0 µl DNA-Vorlage (100 ng/µl)
  • 2,5 µl Primer, 1,25 µl pro Primer (100 ng/µl)
  • 1,0 µl Pfu-Polymerase
  • 1,0 µl Nukleotide (ATP, GTP, CTP, TTP)
  • 5,0 µl Pufferlösung
  • 89,5 µl H2O

Ein 200 µl Reaktionsgefäß mit den 100 µl Gemisch wird in den Thermocycler gestellt.

Schritte des PCR-Prozesses

Die folgenden Angaben sind als Richtwerte gedacht. Meist muss eine PCR auf die spezifische Reaktion hin optimiert werden. Für eine normale Präparation eines Amplifikats reicht folgendes Programm aber aus:

Schritt 1: Initialisierung. Das Gemisch wird 5 Minuten lang auf 96 °C erhitzt, um sicherzustellen, dass die DNA-Stränge und Primer sich getrennt haben. Die DNA-Polymerase kann vor oder nach der Initialisierung zugefügt werden.

Schritt 2: Zerlegen. Die Temperatur 30 Sekunden lang auf 96 °C halten. Das genügt gewöhnlich, um die DNA während der Zyklen zu zerlegen.

Schritt 3: Anlagerung. Die Temperatur 30 Sekunden lang auf 68 °C halten.

Schritt 4: Verlängerung. Die Temperatur 45 Sekunden lang auf 72 °C halten.
Die Schritte 2-4 werden 25 mal wiederholt.
Mit guten Primern und frischer Polymerase genügen 15 bis 20 Zyklen.

Schritt 5: Das Gemisch wird bei 7 °C aufbewahrt. Es bietet sich an, die PCR am Abend vor dem Verlassen des Labors einzuleiten, so dass sie über Nacht laufen kann. Die DNA wird bei 7 °C nach nur einer Nacht nicht beschädigt.

Das PCR-Produkt kann durch Agarose-Gelelektrophorese anhand seiner Größe identifiziert werden. (Die Agarose-Gelelektrophorese ist ein Verfahren, bei der DNA in ein Agarose-Gel eingebracht wird und anschließend eine Spannung angelegt wird. Dann bewegen sich die kürzeren DNA-Stränge schneller als die längeren auf den Pluspol zu.) Die Menge des PCR-Produkts kann durch einen Vergleich mit DNA-Leiter, die DNA-Fragmente bekannter Größe (auch in Gel) enthält, bestimmt werden.

DNA-Leiter (Bande 1), Das PCR-Produkt in niedriger Konzentration (Bande 2) und hoher Konzentration (Bande 3).

PCR-Anwendungsgebiete

Die PCR kann für eine Vielzahl von Experimenten und Analysen eingesetzt werden, einige Beispiele werden weiter unten vorgestellt.

Genetischer Fingerabdruck

Der genetische Fingerabdruck wird in der Gerichtsmedizin zur Identifikation einer Person eingesetzt, indem seine oder ihre DNA mit einer vorhandenen Probe verglichen wird. Beispielsweise kann eine Blutprobe von einem Tatort mit dem Blut eines Verdächtigen verglichen werden. Die Probe kann minimal sein, das heißt eine einzige Zelle (in deren Zellkern die DNA ist) genügt. An Tatorten findet man meistens Blut, Sperma, Speichel, Haut, Haare oder ähnliche Zellen. Theoretisch genügt ein einziger Strang. Zuerst spaltet man die DNA-Probe in Fragmente auf, die dann mittels PCR vervielfältigt werden. Die vervielfältigten Fragmente werden anschließend durch Gelelektrophorese getrennt. Die so gewonnene Anordnung der DNA-Fragmente nennt man DNA-Fingerabdruck. Diese Fragmente enthalten jedoch größtenteils polymorphe Bereiche. Das sind sich wiederholende DNA-Abschnitte im nicht codierenden Bereich der DNA (junk DNA), sogenannte repetetive Sequenzen. Diese Sequenzen liegen zwischen den Genen. Deshalb lässt sich anhand des genetischen Fingerabdrucks keine Disposition feststellen.

Vaterschaftstest

Obwohl diese erzeugten "Fingerabdrücke" einzigartig sind (außer bei eineiigen Zwillingen), können genetische Beziehungen, zum Beispiel zwischen Eltern und Kindern oder zwischen Geschwistern durch zwei oder mehr genetische Fingerabdrücke bestimmt werden, was bei Vaterschaftstests zum Einsatz kommt (Abb. 3). Eine Abwandlung dieser Technik wird auch zur Bestimmung evolutionärer Beziehungen zwischen Organismen angewandt.

Elektrophorese mittels PCR vervielfältigter DNS-Fragmente

Abbildung 3: Elektrophorese mittels PCR vervielfältigter DNA-Fragmente. (1) Vater. (2) Kind. (3) Mutter. Das Kind hat Teile der Fingerabdrücke der beiden Elternteile geerbt wodurch es über einen eigenen, einzigartigen Fingerabdruck verfügt.

Erkennung von Erbkrankheiten

Die Erkennung von Erbkrankheiten in einem vorliegenden Genom ist ein langwieriger und komplizierter Vorgang, der durch den Einsatz von PCR bedeutend verkürzt werden kann. Jedes Gen, das in Frage kommt, kann durch PCR mit den entsprechenden Primern amplifiziert (= vervielfältigt) und anschließend sequenziert werden (DNA sequenzieren heißt, die Sequenz der Nukleotide (oder Basen) der DNA zu bestimmen), um Mutationen aufzuspüren.

Virale Erkrankungen können ebenfalls durch PCR erkannt werden, indem man die Virus-DNA vervielfältigt. Diese Analyse kann sofort nach der Infektion erfolgen, oft Tage oder Wochen vor dem Auftreten der Symptome. Erfolgt die Diagnose so früh, erleichtert das den Medizinern die Behandlung erheblich.

Klonierung von Genen

Das Klonieren eines Gens - nicht zu verwechseln mit dem Klonen eines ganzen Organismus - ist ein Vorgang, bei dem ein Gen aus einem Organismus isoliert und anschließend in einen anderen eingepflanzt wird. PCR wird oft benutzt, um das Gen zu vervielfältigen, das dann in einen Vektor (ein Vektor ist ein Mittel, mit dem ein Gen in einen Organismus verpflanzt werden kann), beispielsweise ein Plasmid (ein ringförmiges DNA-Molekül), einfügt wird (Abb. 4). Die DNA kann anschließend in einen anderen Organismus eingesetzt werden, in dem das Gen oder sein Produkt besser untersucht werden kann. Das Exprimieren eines klonierten Gens kann auch zur massenhaften Herstellung nutzbarer Proteine wie z. B. Arzneimittel dienen.

Klonen eines Gens mit Hilfe eines Plasmids

Abbildung 4: Klonen eines Gens mit Hilfe eines Plasmids.

  1. Chromosomale DNA von Organismus A.
  2. PCR.
  3. Mehrere Kopien eines einzelnen Gens von Organismus A.
  4. Einfügen des Gens in ein Plasmid.
  5. Plasmid mit dem Gen aus Organismus A.
  6. Einfügen des Plasmids in Organismus B.
  7. Vervielfältigung oder Expression des Gens, das aus Organismus A stammt, im Organismus B.

Mutagenese

Mutagenese ist eine Möglichkeit, die Sequenz der Nukleotide (Basen) der DNA zu verändern. Es gibt Situationen, in denen man mutierte (veränderte) Kopien eines bestimmten DNA-Strangs benötigt, um die Funktion eines Gens zu bestimmen. Mutationen können in kopierte DNA-Sequenzen auf zwei grundsätzlich verschiedene Arten während des PCR-Prozesses eingefügt werden. Gezielte Mutagenese erlaubt es dem Forscher, an spezifischen Stellen auf dem DNA-Strang Mutationen zu erzeugen. Meist wird die gewünschte Mutation in die Primer integriert, die für die PCR verwendet werden. Zufällige Mutagenese beruht hingegen auf der Verwendung von fehlerträchtigen Polymerasen in dem PCR-Prozess. Bei der zufälligen Mutagenese können Ort und Art der Mutationen nicht beeinflusst werden. Eine Anwendung der zufälligen oder gezielten Mutagenese ist die Analyse der Struktur-Funktions-Beziehungen eines Proteins. Nach zufälliger Veränderung der DNA-Sequenz kann man das entstandene Protein mit dem Original vergleichen und die Funktion aller Teile des Proteins bestimmen.

Analyse alter (fossiler) DNA

siehe hierzu den Eintrag ADNA

Geschlechtsbestimmung

Die PCR kann eingesetzt werden, um Material für einen Nachweis der geschlechtsspezifischen Chromosomen zu gewinnen. Das ist bei den üblichen Haussäugetieren nicht üblich, außer eventuell bei Zwittern. Bei manchen Tieren im Zoo, besonders aber bei Vögeln, Reptilien oder Fischen, ist es die schonendste und sicherste Variante. Im Heimtierbereich ist diese PCR Methode bei Papageien üblich.

Weiterführende Literatur

Zu PCR (Polymerase-Kettenreaktion)

Zum Genetischen Fingerabdruck (Genetic Fingerprinting)

Siehe auch

Sequenzanalyse, Elektrophorese , Ligase-Kettenreaktion, Real time quantitative PCR