Grünbrücke



Eine Grünbrücke oder Wildbrücke ist ein Ingenieurbauwerk und dient vornehmlich wildlebenden Tieren als Hilfsmittel, stark frequentierte Verkehrswege wie Autobahnen, Bundesstraßen, aber auch Bahnstrecken gefahrlos zu queren. Grünbrücken verbinden zudem Lebensräume des Wildes, die durch Verkehrswege zerschnitten sind, und versuchen so, die Folgen der zunehmenden Landschaftszerschneidung abzumildern.
Aufbau und Klassifizierung
Damit eine Grünbrücke ihrem Zweck entsprechend vom Wild benutzt wird, muss sie einige Voraussetzungen erfüllen. So haben Wildbrücken in der Regel eine Mindestbreite von 50 m, damit sie von größeren Tieren wie Hirschen angenommen werden. Mit Bewuchs spricht man bei etwas größerer Breite allerdings dann von einer Grünbrücke. Die Breite der Brücken variiert aber und beträgt gelegentlich mehr als 80 m. In diesem Fall wird das Kreuzungsbauwerk als Landschaftstunnel bezeichnet.[1]
Es gibt jedoch auch Kleintierbrücken, die nur wenige Meter breit sind. Die Lage der Querungsstelle spielt ebenfalls eine besondere Rolle: Grünbrücken werden an bekannten Wildwechseln erbaut, um die Tiere möglichst unkompliziert über die Brücke zu führen.
Um die Sicht auf die zu querenden Verkehrswege abzuschirmen, werden die Seitenränder der Brücke oft heckenartig bepflanzt, wobei meistens auch die übrige Fläche der Brücke Bepflanzungen aufweist. Im Allgemeinen setzt sie sich aus Stauden, Gras und Büschen zusammen. Etwaige eine Grünbrücke querende Wege werden durch Gitterroste gesichert, weil Wild- und Nutztiere diese Gitterroste meiden, da sie für deren Beine gefährlich sein könnten.
Die West Autobahn in Österreich wurde im Bereich der Stadt Salzburg (Abfahrt Salzburg-Mitte) mit einer Grünbrücke eingehaust, die dazu dient, das ursprüngliche, von der Autobahn geteilte Dorf Liefering als Siedlungsraum wiederherzustellen. Über der Autobahntrasse befindet sich ein Park.
Nutzen
Untersuchungen zur biologischen Wirksamkeit von Grünbrücken haben gezeigt, dass sie in großem Maße zur Verbindung von Lebensräumen beitragen. Sie werden nicht nur von größeren Wildtieren zur Querung genutzt, sondern auch von wirbellosen Tieren wie Faltern, Spinnen und Käfern. Nach einer Untersuchung der Landesforstanstalt Eberswalde, die von Mai 2005 bis April 2006 durchgeführt wurde, passierten fast 2.300 Wildtiere eine Grünbrücke über die A 11 in Brandenburg. Bei Versuchsreihen auf einer Brücke in Kroatien über die Autobahn zwischen Karlovac und Rijeka haben Forscher mit Infrarotschranken die Tierwanderungen gemessen. Dabei wurden Tiere ab der Größe eines Fuchses erfasst. Innerhalb eines Jahres passierten rund 6000 Tiere, darunter Bären, Wölfe und Luchse diese Brücke. Bei den Untersuchungen werden Infrarot-Fotofallen genutzt.[2] [3]
Grünbrücken haben eine verbindende Funktion und tragen zu einer Reduzierung von Wildunfällen bei. Wildbrücken wurden in Europa, Nordamerika und Australien gebaut.
Fehlplanungen
Bei der Planung von Grünbrücken ist ihr Umfeld zu berücksichtigen.
Zum Beispiel wurde 2010 im Zusammenhang mit der Planung einer Grünbrücke über die A4 bei Kerpen kritisiert bzw. gefordert, man solle auch eine Grünbrücke über die parallel verlaufende Bundesstraße (und auch eventuell über eine Bahntrasse) bauen.[4]
Alternativen
Ebenfalls zur Querung von Verkehrswegen eignen sich Wildbrücken. Diese sollten aber eine Höhe von 10 m nicht unterschreiten, da sie sonst von einigen Arten schlecht angenommen werden. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, Kleintieren oder Amphibien eine sichere Querung von Verkehrswegen in Form von Kleintiertunneln/Kleintierdurchlässen zu ermöglichen. Diese Röhren können von Amphibien, aber auch von kleinen Säugetieren wie Dachsen oder Ottern benutzt werden. Tunnel werden jedoch von Huftieren gemieden.
Kosten
Laut ADAC-Angaben belaufen sich die Baukosten je Grünbrücke in Deutschland auf ein bis drei Millionen Euro.[5] Wenn eine Grünbrücke zeitgleich mit einer Autobahn gebaut wird, ist ihre Errichtung preisgünstiger, als wenn sie nachträglich errichtet wird.[6]
Nationales
Deutschland
Derzeit gibt es in Deutschland 36 Grünbrücken über Autobahnen oder Bundesstraßen, ebenso viele sind im Bau oder geplant. Der ADAC, der BUND und andere Verbände sehen einen erheblich höheren Bedarf. Das Bundesamt für Naturschutz geht von 30.000 „Konfliktstellen“ im überregionalen Verkehrsnetz aus.[5] An diesen Gefahrenstellen stirbt ein Großteil der jährlich 202.000 Rehe, 16.000 Wildschweine und 3.100 Hirsche, welche in Deutschland durch so genannte „nicht jagdliche Einwirkungen“ (Fallwild) zu Tode kommen.[7]
Im Rahmen des Konjunkturpaket II wurden einige Wildbrücken geplant und beschlossen, zum Beispiel die vier Brücken bei Geldern. Eine 50 Meter breite Grünbrücke kostet im Schnitt drei Millionen Euro. Der Landesjagdverband NRW befürwortet die Brücken, weil er hofft, dass sie die Inzucht bei einigen Wildarten verringern. Vor allem Rotwild sei davon betroffen.
An folgenden Stellen findet sich mindestens eine fertiggestellte Grünbrücke:
- Bundesautobahn 1 bei Wittlich
- Bundesautobahn 2 bei Burg
- Bundesautobahn 3 bei Duisburg
- Bundesautobahn 4 bei Burkau
- Bundesautobahn 6 bei Wattenheim
- Bundesautobahn 7 bei Nietheim[8]
- Bundesautobahn 8 bei Stuttgart und Aichelberg
- Bundesautobahn 11 bei Joachimsthal
- Bundesautobahn 13 bei Großräschen
- Bundesautobahn 14 bei Schwerin
- Bundesautobahn 20 bei Lüdersdorf, Bobitz, Wismar, Neukloster, Kröpelin, Bad Doberan, Rostock, Sanitz, Neubrandenburg und Strasburg
- Bundesautobahn 21 bei Wahlstedt
- Bundesautobahn 33 bei Bad Rothenfelde (NRW)
- Bundesautobahn 39 bei Cremlingen und bei Scheppau
- Bundesautobahn 52 westlich der Flughafenbrücke (dort sind zwei Landschaftstunnel, die auch die Funktion einer Grünbrücke erfüllen)
- Bundesautobahn 52 bei Elmpt (NRW) [9]
- Bundesautobahn 71 bei Ilmenau, Meiningen und Münnerstadt
- Bundesautobahn 93 zwischen Rehau und Schönwald (Bayern)
- Bundesautobahn 96 zwischen Leutkirch und Wangen bei Gebrazhofen und Kißlegg Ot. Dürren
- Bundesautobahn 98 bei Kalkhofen
- Bundesautobahn 395 bei Schladen
- Bundesautobahn 861 bei Rheinfelden
- Bundesstraße 2 bei Stettenhofen
- Bundesstraße 6 bei Westerhausen
- Bundesstraße 10 bei Ruppertsweiler
- Bundesstraße 29 bei Schorndorf (zwei Landschaftstunnel)
- Bundesstraße 31 bei Ludwigshafen am Bodensee, sechs innerhalb 10 km
- Bundesstraße 38 bei Birkenau (Odenwald) (Südhessen) kurz nach dem Saukopftunnel
- Bundesstraße 62 bei Biedenkopf
- Bundesstraße 207 bei Lübeck
- Bundesstraße 295 zwischen Leonberg und Renningen
- Bundesstraße 464 bei Böblingen
- Landesstraße 361 bei Bergheim (NRW)
In den Artikeln der Bundesautobahnen sind fertige und geplante Grünbrücken in den Listen der Anschlussstellen und Bauwerke aufgeführt und mit diesem grünen Symbol
gekennzeichnet.
Bei der Wildbrücke bei Großräschen an der A 13 handelt es sich um eine umgebaute ehemalige Straßenbrücke.[10]
Österreich
Die erste wissenschaftliche Forderung nach Wildbrücken erfolgte beim Bau der Ostautobahn im Jahr 1987 im Zuge des Alpen-Karpaten-Korridors. Dieser Forderung wird aber nicht nachgekommen. Erst im Jahr 1997 nach Herausgabe der Richtlinie Wildschutz (RVS 3.01) wurden weitere Untersuchungen bei Autobahnen und Schnellstraßen durchgeführt. Nach diesen Berechnungen ergibt sich für die damals aktuelle Länge von 2000 km übergeordneten Straßen ein Bedarf von 84 Tunnel und Überführungen, sowie 422 Unterführungen mit einer Breite größer als 30 m.[11]
In Österreich wurde von der ASFINAG im Jahr 2004 auf der Süd Autobahn in Kärnten der Bärentunnel mit einer Länge von 91 Meter Länge nachträglich errichtet, da sich das Gebiet im Natura 2000-Gebiet Schütt-Graschelitzen befindet und Teil des LIFE - Natur Projektes 'Schütt - Dobratsch' ist.[12]
Weiters existieren Grünbrücken über die Donauufer Autobahn bei Jedlesee, im Abschnitt Eibesbrunn - Schick der Nord Autobahn, bei der Parndorfer Platte über die Ost Autobahn sowie über Strecken der ÖBB, z.B. im Bereich der Koralmbahn.
Sonstiges
In New York wird die High Line, eine über 2,33 km erhaltene, nicht mehr als solche genutzte Hochbahntrasse im Westen von Manhattan, seit 2006 zu einer Parkanlage ("High Line Park") umgebaut.[13]
Weblinks
- Verkehrswegeplan des NABU (PDF-Datei; 1,12 MB)
- Sind Grünbrücken immer sinnvoll? Eine Hintergrundinformation
- Autobahnatlas online mit Bildern von Grünbücken
- Querungshilfen und Grünbrücken zur Wiedervernetzung von Lebensräumen mit Bildern verschiedener Grünbrücken
Literatur
- Wildtiere und Verkehr. - Eine kommentierte Bibliographie. 2000. PDF, 75 Seiten. Hrsg.: Schweizerische Vogelwarte Sempach Kapitel 5 (Seite 61 - 75). Umfassende Literatursammlung und -zusammenfassung.
Einzelnachweise
- ↑ DIN 1076 Unterscheidung Brücke und Tunnel ab einer Länge von 80 Metern
- ↑ Reinhard Möckel: Nutzung einer umgestalteten Straßenbrücke als Tierquerungshilfe in Brandenburg. Artenschutzreport 2010, H. 26, S. 45-49.
- ↑ Rheinische Post 18. Februar 2012 (Seite C4 Schwalmtal/Brügfgen/Niederkrüchten): "Grünbrücke ist ein Erfolg"
- ↑ Brücke kann zur Todesfalle werden (12. August 2010)
- ↑ a b ADAC, 2008: Grüne Brücken für Bambi und Co. ADAC Motorwelt. Heft 4. B2706E. S 76f.
- ↑ Querungshilfe für Wildtiere, RP 11. August 2010 Zitat: "Die Grünbrücke an der A 52 hat rund 2,3 Millionen Euro gekostet, weil sie in einem Zug mit der Autobahn gebaut wurde. Bei nachträglicher Einrichtung liegen die Kosten bei etwa 3,5 Millionen Euro."
- ↑ Jagd Online – Deutscher Jagdschutzverband: Daten und Fakten
- ↑ Wild wechselt sicher die Seiten, Gmünder Tagespost vom 21. Dezember 2011
- ↑ Querungshilfe für Wildtiere, RP 11. August 2010
- ↑ Reinhard Möckel: Nutzung einer umgestalteten Straßenbrücke als Tierquerungshilfe in Brandenburg. Artenschutzreport 2010, H. 26, S. 45-49.
- ↑ Straße und Wild in Österreich vom Umweltbundesamt von 27. November 2003 abgerufen am 30. Januar 2012
- ↑ ASFINAG: Neue Grünbrücke "Bärentunnel" sichert Wildquerung über die A 2 Süd Autobahn im Kärntner Natura 2000-Gebiet Schütt - Graschelitzen. vom 27. August 2004 abgerufen am 21. September 2010
- ↑ RP 2. Juli 2011