Prager Fenstersturz

Fensterstürze waren im Mittelalter und in der frühen Neuzeit nicht unüblich. Sie stellten eine Form dar, die irgendwo zwischen Lynchjustiz (oft mit vorangehender formeller "Verurteilung" durch die Ausführenden), Gottesurteil und gemeinschaftlich begangenem Mord steht. Mit Prager Fenstersturz (auch Defenestration) werden drei bedeutsame Ereignisse der tschechischen Geschichte in Prag bezeichnet:
Erster Prager Fenstersturz
Der Erste Prager Fenstersturz steht am Anfang der Hussitenkriege: Am 30. Juli 1419 stürmten Hussiten, Anhänger des vier Jahre vorher in Konstanz am Scheiterhaufen als Ketzer hingerichteten Jan Hus, das Neustädter Rathaus in Prag, um dort gefangene Glaubensgenossen zu befreien. Dabei warfen sie die katholischen Ratsherren aus dem Fenster, die dann von der wartenden Menge aufgespießt wurden.
Zweiter Prager Fenstersturz
Der wohl bekannteste Prager Fenstersturz ist der zweite Prager Fenstersturz: Der Konflikt der evangelischen Stände mit ihrem katholischen Landesherren, Kaiser Matthias, hatte sich immer mehr zugespitzt. Vordergründig ging es um die Verletzung der von Kaiser Rudolf II. im Majestätsbrief von 1609 zugestandenen Religionsfreiheit. Gleichzeitig stritten die Stände mit Matthias aber auch um die politische Macht in Böhmen.
Unzufriedene protestantische Adlige zogen am 23. Mai 1618 auf die Prager Burg und warfen nach einer improvisierten Gerichtsverhandlung die in der Hofkanzlei anwesenden – katholischen – kaiserlichen Statthalter Jaroslav von Martinic und Vilem Slavata aus einem Fenster im 2. Stock aus etwa 20 m Höhe. Anschließend warfen sie noch den Schreiber Johannes Fabricius hinterher. Alle drei überlebten, weil sie – so heißt es – auf einen Misthaufen unter dem Fenster fielen. Der Schreiber Fabricius wurde später geadelt und erhielt den Namenszusatz von Hohenfall.
Dieses Defenestrieren war eine härtere Version des Werfens eines Fehdehandschuhs, eine Kriegserklärung an den Kaiser. Der Fenstersturz markierte den Beginn des Aufstands der böhmischen Protestanten gegen die katholischen Habsburger und wird oft als Anfang des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) bezeichnet.
Dritter Prager Fenstersturz
Der nichtkommunistische tschechoslowakische Außenminister Jan Masaryk (Sohn des Staatsgründers Tomáš Garrigue Masaryk) stürzte am 10. März 1948 (zwei Wochen nach dem Putsch des Kommunistenführers Klement Gottwald) im Schlafanzug aus dem Fenster seines Büros und starb dabei. Nach damaliger offizieller Darstellung beging er Selbstmord. Die Gerüchte, dass es sich um einen Mord durch die kommunistische Geheimpolizei handelte, führten 1993 zur Wiederaufnahme der Untersuchungen, die nach zehnjähriger Dauer vorerst abgeschlossen wurden. Die Umstände des Todes gelten seitdem als ungeklärt.