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Jablonec nad Nisou

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Jablonec nad Nisou (deutsch Gablonz an der Neiße, Romani Jablonka) ist eine Stadt mit 45.000 Einwohnern an der Neiße im nordöstlichen Böhmen, Tschechien. Die Stadt ist ein Zentrum des Liberecký kraj und ein wichtiger Industriestandort. Er bildet das Verwaltungs-, Kultur- und Sportzentrum des Isergebirges (Jizerské Hory).


Bevölkerung

Geschichtliche Entwicklung der Bevölkerung

Jahrin Tsd. damaliges Stadtgebietin Tsd. bezogen auf heutiges Gebiet
1830 3 n.n.
1869 7 13
1890 15 23
1910 30 43
1930 34 50
1950 23 33
1970 34 42
1991 46 46

In: Dějny obyvatelstva českých zemí (Geschichte der Bevölkerung der Böhmischne Länder), Mladá fronta, Prag 1996, S. 397, 398

Die erste Zahl ist die Bevölkerung im Stadtgebiet (Kataster) in der damaligen Zeit, die zweite Zahl im heutigen Gebiet (die Stadt ist gewachsen, einige Dörfer wurden eingemeindet).

Politik

  • Bürgermeister: Dr. Jiři Čeřovský (ODS - Konservative/Liberale), seit 1994
  • Anschrift der Stadtverwaltung: Městský úřad, Mírové náměstí 19, 46751 Jablonec

Ortsteile

  • Jablonec nad Nisou (Gablonz an der Neiße)
  • Jablonecké Paseky (Bad Schlag)
  • Kokonín (Kukan)
  • Lukášov (Luxdorf)
  • Mšeno nad Nisou (Grünwald an der Neiße)
  • Proseč nad Nisou (Proschwitz an der Neiße)
  • Rýnovice (Reinowitz)
  • Vrkoslavice (Seidenschwanz)

Partnerstädte

Geschichte

Die erste schriftliche Erwähnung finden wir im Jahr 1356. Nach der Vernichtung durch Gegner des böhmischen Königs Georg von Podiebrad im August 1496 verschwand die Siedlung völlig. Auf Dauer bewohnt wird sie erst seit dem 16. Jahrhundert, als die erste Glashütte in Grünwald (Mšeno) entstand. Im Dreißigjährigen Krieg wurde Gablonz am 2. Mai 1643 erneut niedergebrannt; nach Kriegsende wurden die protestantischen Einwohner zwangsweise ausgewiesen. 1808 wurde Jablonec zum Marktflecken erhoben, und im Jahr 1866 durch ein Dekret von Franz Josef I. zur Stadt. Im Jahre 1868 wurde Gablonz zum Sitz des Bezirkshauptmanns. Der neue politische Bezirk Gablonz bestand aus den Gerichtsbezirken Tannwald und Gablonz.

Ein Beweis für den Reichtum der Stadt sind eine Reihe bedeutender Bauten und Stadtviertel. Zu den interessantesten gehörten Jugendstilbauten und private Villen in der jetzigen Podhorská ulice (Gebirgsstraße) und 28. října (Josef-Pfeifer-Str.); prächtige Bauten des Funktionalismus der 1930er Jahre sind die Villa Schmelowsky, die Villa Hásek (Architekt Heinrich Lauterbach), die Villa Kantor (Adolf-Loos-Schueler Architekt Heinrich Kulka), das Rathaus (Architekt Karl Winter) und die Katholische Kirche am Gewerbe-Platz (Architekt Josef Zasche).

Durch das Münchner Abkommen wurde 1938 die Tschechoslowakei aufgelöst, und die vorwiegend von Sudetendeutschen bewohnten Gebiete einschließlich Gablonz wurden an das nationalsozialistische Deutsche Reich angegliedert. Im Oktober 1938 wurden Juden und Tschechen aus der Stadt vertrieben. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die deutschen Bewohner vertrieben, und der Ort wurde durch tschechische Bewohner bevölkert.

Nach Volkszählung 1930 waren 79,5% der Gablonzer deutsch und 16,5% tschechisch. Heute (nach Volkszählung 2001) sind 92,5% Tschechisch und 1,5% Deutsch.

Nach 1945 gründeten vertriebene Deutsche den Stadtteil Neugablonz der Stadt Kaufbeuren in Bayern, um dort die berühmte Glasindustrie (Gablonzer Bijouterie ) fortzuführen.

Bürgermeister

  • ? - 1918 Adolph Heinrich Posselt
  • 1918-1934 Dr. h. c. Karl Richard Fischer (Nationalisten - DNAP)
  • 1934-1938 Oskar Petrowsky (Nationalisten - SdP)
  • 1938-1942 Oswald Wondrak (NSDAP, 1942-45 als Strafe an der Front)
  • 1942-1945 (Mai) Karl Lehmann (NSDAP, als Stellvertreter)
  • 8. Mai 1945 - 21. Mai 1945 Karel Šimon (Gablonzer, Demokrat)
  • 21. Mai 1945 - 1950? Karel Šilhán (Kommunist)
  • 1990-1994 Dr. Jiří Musil (Občanské fórum (Bürgerforum), später Sozialdemokraten)
  • 1994 bis heute Dr. Jiří Čeřovský (ODS - Konservative/Liberale)

Wirtschaft und Infrastruktur

Zunächst waren im Ort Glashütten angesiedelt. In der 2. Hälfte des 17. Jahrhundert entwickelt sich die Glasindustrie schnell. Auch die Lage an der deutsch polnischen Grenze macht deutlich, dass sich Jablonec auch als Handelsplatz eignet. Weiterer Aufstieg kam in der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts mit dem Aufkommen der Bijouterie-Manufakturen. Heute ist neben diesem Industriezweig Jablonec ein ausgezeichneter Ausgangspunkt für touristische Aktivitäten im Isergebirge und Riesengebirge.

In der Bijouterie- und Glasherstellung sollen in Jablonec und Umgebung auch heute noch 11 000 Leute beschäftigt sein, wobei die Produktion aus grosser Mehrheit Export-orientiert ist. Ausser der Bijouterie- und Glasherstellung ist auch Maschinenbau, Möbelproduktion und holzverarbeitende Industrie vertreten.

In Jablonec ist auch das Münzhaus Bižuterie Česká mincovna (Bijouterie Tschechisches Münzhaus), dass tschechische Kronen für das ganze Land produziert (wurde nach dem Zerfall der Tschechoslowakei gegründet, weil das tschechoslowakische Münzhaus im slowakischen Kremnica war). Wichtigste Firmen, Glasherstellung: Ecoglass, Preciosa, Ornela, Bižuterie Česká mincovna (Bijouterie Tschechisches Münzhaus), Glass Tomeš [tomesch]. Firmen Preciosa, Bižuterie Česká mincovna und Ornela haben sich zum Verband Bijou Terra zusammnengeschlossen, der die Exportgesellschaft Jablonex (Export von Glass) besitzt.

Die Firma Soliter produziert Metallschmuck.

Die Gesellschaft Jablotron produziert Alarmanlagen, Gartentechnik, Handys etc. Sie hat grosses Aufsehen mit ihrem "grössten Handy" der Welt" erregt. Das Gerät "JABLOTRON GDP 02 Grand" war ursprünglich für ältere Menschen gedacht, grosse Nachfrage Interesse zeigten aber auch Regionen mit schlechter Festnetzversorgung und auch Mobilfunkanbieter, die darin ein neues Mittel im Konkurrenzkampf gegen Festnetzbetreiber sehen.

Die Firma Lucas Varity produziert Autobremsen in Jablonec und Umgebung unter dem Namen TRW Automotive Aftermarket CZ LUCAS Autobrzdy (sie nutzt hierbei Anlagen der früheren Autobrzdy, später Ateso).

Verkehr

Die Stadt ist über eine Strassenbahn der Verkehrsbetriebe Liberec mit Liberec verbunden, dorthin fahren auch auch Züge und Busse. Die Stadt verfügt auch über eine ausgezeichnete Autobahnverbindung mit Prag.

Kultur und Sehenswürdigkeiten

  • Das neue Rathaus wurde 1931–1933 im funktionalistischen Stil nach Entwurf des Architekten K. Winter erbaut.
  • Das alte Rathaus, ein dreistöckiges Gebäude mit dem vierkantigem Turm, wurde 1867-1869 vom Reichenberger Baumeister Gustav Sachers erbaut.
  • Das Glas- und Bijouterie Museum im Jugendstil - das Gebäude gehörte ursprünglich der Exportfirma Zimmer & Schmidt. Heute ist es Sitz des Museums für Glas und Bijouterie. Seine Sammlungen enthalten Objekte zur Dokumentation der Geschichte der Glasmacherei, des Herstellung von Schmuck und Bijouterie, und neu auch der Medaillenkunst und Münzenprägerei, das alles in besonderer Hinsicht zur Entwicklung in Nordböhmen.
  • Die römisch-katholische Annenkirche, ein einschiffiges rechteckiges Barockobjekt mit polygonalem Presbyterium wurde 1685-1687 erbaut.
  • Das ehemalige Pfarramt ein Gebäude vom Anfang des 18. Jahrhunderts mit einer Neo-Renaissance-Fassade vom Ende des 19. Jahrhunderts. Bemerkenswert sind die Statue der hl. Maria vor der Kirche und ein etwa 1 m hohes Versöhnungskreuz an der Kirchwand von 1666.
Stadttheater Jablonec nad Nisou
  • Das Stadttheater (Mestské divadlo) wurde nach den Plänen der Wiener Theaterarchitekten Fellner und Helmer 1906-1907 im Jugendstil erbaut.
  • Die römisch-katholische Herz Jesu Kirche ein dreischiffiges rechteckiges Ziegelobjekt mit einem Querschiff und einem vierkanigen Turm - wurde in den Jahren 1930 - 1931 erbaut. Autor des Entwurfes war ein Gablonzer Landsmann, der Architekt Josef Zasche.
  • Die evangelische Pfarrkirche ein pseudogotische einschiffige Objekt mit einem rechteckigen Turm an der Vorderfront – erbaut 1892 vom Baumeister Arwed Thamerus.
  • Die altkatholische Kreuzkirche im Jugendstil in den Jahren 1900 - 1902 erbaut. Die Pläne stammen vom Gablonzer Architekten Josef Zasche.
  • Die Talsperre von Jablonec 1906 - 1909 im Gebiet der Gewässer der Neiße erbaut. Sie soll den regelmäßig sich wiederholenden Überschwemmungen vorbeugen. Die Talsperre liegt 513 m über dem Meeresspiegel und fasst 3 Millionen Kubikmeter Wasser. Dieses technische Baudenkmal ist ein attraktives Erholungsgebiet der Stadt.
  • Das Schützenhaus das Gebäude war Sitz des hiesigen Scharfschützenvereines, der im Jahr 1761 gegründet wurde. Das spätere Zentrum des Gablonzer Sport- und Kulturlebens wurde in den Jahren 1870 - 1771 erbaut.
  • Petřín dieses Ausflugsrestaurant (früher Niklkoppe genannt) mit einem 20 m hohen Aussichtsturm am Südrand der Stadt wurde im Jahr 1906 erbaut.
  • Galerie Belveder ein spätbarockes zweistöckiges Haus mit einem Mansardendach - gehört zu den ältesten Gebäuden der Stadt. Die erste Erwähnung finden wir aus dem Jahre 1773.
  • Nad Prosečí (Proschwitzer Kamm) ein beliebtes Ziel für Spaziergänge zwischen Jablonec und Liberec mit Baude und Aussichtsturm.
  • Černá Studnice (Schwarzbrunnwarte) ein Granit-Aussichtsturm mit Baude aus dem Jahr 1905 nach Entwurf des Gablonzer Architekten Hemmrich.
  • Die Neißequelle befindet sich im Gelände der Ortschaft Nová Ves nad Nisou (Neudorf), in der Nähe der Hauptstraße nach Lučany nad Nisou (Wiesenthal) .

Persönlichkeiten

  • Peter Hermann Adler (1899-1990), Dirigent, lebte in Prag, Brünn, Bremen, Kiew und ab 1939 in den USA
  • Adolf Benda (1845-1878), Historiker, Autor der Geschichte der Stadt Gablonz (1876-77)
  • Walter Dolch (1883-1914), Literaturhistoriker und Bibliotekar, lebte in Zittau, Prag und Braunau in Böhmen
  • Josef Duchač(geb. 1938), Politiker (CDU), von 1990-1992 Ministerpräsident in Thüringen
  • Fidelio Finke (1860-1940), Heimatkundler, Komponist und Lehrer
  • Karl Richard Fischer (1871-1934), Historiker, Heimatkundler und Bürgermeister
  • Richard Fleissner (1903-1989), Maler und Professor der Kunstgewerbeschule in Gablonz und in München
  • Rudolf Hasek (1890-1993), Kommandant der Angriffsgruppe der Tschechischen Legion im Kampf gegen die Bolschewiken, Exporteur in Gablonz, Teilnehmer des Widerstands gegen die Nationalsozialisten und gegen die Kommunisten
  • Robert Hemmrich (1871-1946), Architekt
  • Konrad Henlein (1898-1945), sudendeutscher Politiker und Nationalsozialist; Gauleiter des Reichsgaus Sudetenland; geboren in Maffersdorf, studierte und lebte in Gablonz
  • Heinrich Joseph (1875-1941), Professor der Zoologie und Anatomie, lebte in Wien
  • Gustav Leutelt (1860-1947), Schriftsteller und Dichter
  • Wladimir Mikolasek (1918-1997), Schriftsteller
  • Karel Mrazek (1910-1998), Kommandant der böhmischen Auslandsarmee in der Royal Air Force im 2. Weltkrieg
  • Jost Pietsch, Bildhauer
  • Rudolf Prade (1888-1944), Maler und Professor an der Kunstgewerbeschule
  • Anton Randa (1864-1918), Mäzen und Gründer der Stadtbibliothek
  • Marcel Safir (1912-1978), Naturforscher und Kinderbuchautor
  • Josef Vaclav Scheybal (1928-2001), Etnograph und Volkskundler
  • Josef Schindler (1814-1890), Kurarzt, Nachfolger Vincenz Prießnitzs in Bad Gräfenberg
  • Ladislav Stoll (1902-1981), kommunistischer Ideologe und Vorkämpfer der "sozialistischen Literatur", geboren in Gablonz
  • Johann Franz Schwann (1740-1812), Begründer des Gablonzer Exporthandels
  • Karel Simon (1887-1960), französischer Legionär, Führer des Widerstands gegen die Nationalsozialisten und Bürgermeister (Mai 1945)
  • Josef Zasche (1871-1957), Architekt der katholischen und altkatholischen Kirchen in Gablonz, lebte in Prag
  • Jan Železný (*1966) tschechischer Speerwerfer, dreimalige Olympiasieger, spielte eine Zeitlang für Jablonecer Leichtathletik-Verein TJ Liaz


Siehe auch: Portal:Tschechien - Liste deutscher Bezeichnungen tschechischer Orte - Liste der Städte in Tschechien

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