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Flächenbombardement

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Unter Flächenbombardement versteht man die Bombardierung von großen Flächen, bei der keine einzelne Ziele getroffen werden sollen. Der Tod von Zivilisten wird dabei in Kauf genommen, da die bombardierten Gebiete selten unbewohnt sind.

Von Flächenbombardements wird z. B. erwartet, die Industrie zu zerstören und die Loyalität der Bevölkerung des verfeindeten Landes zu schwächen, um auf diesem Weg einen Krieg gewinnen zu können.

Geschichte

Die Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg und die Entwicklung der Luftfahrt in der Zeit danach machten deutlich, dass in zukünftigen Kriegen Flugzeuge eine wichtige taktische und strategische Rolle spielen würden. In seinem Buch "Luftherrschaft" hat der italienische General Giulio Douhet bereits 1921 das Bombardieren von Zivilbevölkerung und Industrieanlagen als Mittel der Kriegführung vorgeschlagen. Das Buch erregte in den militärischen Kreisen aller größerer Nationen Aufsehen und hatte besonders in den USA und Großbritannien erheblichen Einfluss auf die zukünftige Entwicklung der Luftstreitkräfte und Taktiken.

Als erstes Flächenbombardement gilt der Angriff der Legion Condor auf Guernica im spanischen Bürgerkrieg 1937.

Zweiter Weltkrieg

Rotterdam nach der Zerstörung

Flächenbombardements wurden zuerst von den Nationalsozialisten als Mittel des Totalen Krieges in Warschau, Rotterdam und Coventry angewendet.

Nach dem Fall Frankreichs blieben Großbritannien nur noch Angriffe aus der Luft, die Bombardierung von Verkehrs- und Industrieanlagen in deutschen Städten, zur Bekämpfung der Nationalsozialisten.

Umstritten ist bis heute, ob durch punktgenaue Bombenabwürfe die flächenhafte Zerstörung von bewohnten Stadtgebieten hätte verhindert werden können. Der damalige Stand der Technik führte zu einer gewissen Streuung der Bomben bei riskanten Tagangriffen. Die anfängliche deutsche Lufthoheit, die die Royal Airforce zu Nachtangriffen zwang, machten eine präzise Bombardierung einzelner Ziele unmöglich. Vor dem Hintergrund des totalen Krieges der Deutschen führten verschiedene Erwägungen der Zielgenauigkeit, der Waffenproduktion, des Verlustrisikos und der "Effektivität" damals zu der Entscheidung der Militärs, verstärkt Brandbomben und Luftminen über dicht bebauten Stadtgebieten Deutschlands abzuwerfen, um so einen Feuersturm zu entfachen. Arthur Harris wurde beauftragt, das moral bombing als Befehlshaber des Bomber Command zu führen. Hohe Verluste der deutschen Zivilbevölkerung wurden damit in Kauf genommen.

Diese Form der Kriegsführung war in Großbritannien umstritten. Der anglikanische Bischof George Kennedy Allen Bell, Mitglied des Oberhauses, wandte sich mehrfach öffentlich gegen die Politik Winston Churchills und bezeichnete das area bombing als "barbarisch". Die Antwort waren empörte Proteste von Politikern und Privatpersonen.

Nach dem Eintritt der USA in den Krieg bombardierten US-amerikanische Verbände bei Tag deutsche Ziele, legten allerdings den Schwerpunkt auf industrielle Anlagen.

Dresden 1945: Blick auf die Altstadt

Die Luftangriffe auf Hamburg (Operation Gomorrha), Köln und der Luftangriffe auf Dresden durch die Alliierten waren Flächenbombardements. Die Bombardierungen forderten viele Menschenleben.

Der erwartete Einbruch der Moral trat weder während der Luftschlacht um England noch bis kurz vor Kriegsende auf deutscher Seite ein. Die deutsche Rüstungsproduktion steigerte sich trotz Bombardierungen seit 1942 bis 1944 kontinuierlich.

Sonstige Kriege

Im Vietnamkrieg zerstörten die Amerikaner durch Flächenbombardements Städte im Mekong-Delta, zum Einsatz kam vor allem der Langstreckenbomber Boeing B-52.

Im Zweite Golfkrieg war die US Army technisch so gut ausgerüstet, dass Luftangriffe mit höherer Präzision durchgeführt werden konnten und Flächenbombardements von Städten zunehmend überflüssig wurden.

Beim US-Angriff auf Afghanistan löste die nahezu zeitgleiche Kopplung massiver Flächenbombardements mit dem Abregnen von Care-Paketen weltweite Proteste aus.

Völkerrechtliche Bewertung

Die Bombardements behandelnde Haager Landkriegsordnung stammte noch aus dem Jahr 1907 und konnte folglich für die veränderte Realität des Zweiten Weltkriegs nur unzureichende Regeln bieten. Die vorherrschende Interpretation des damaligen Humanitären Völkerrechts wertete solche Flächenbombardements nicht als Kriegsverbrechen.

Nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs wurden Flächenbombardements in den Genfer Abkommen 1949 umfassend neu geregelt und begrenzt. Insbesondere verbietet Art. 51 des Zusatzprotokolls 1 (1977) [1], unter anderen Kriegsverbrechen:

  • ein Angriff durch Bombardierung – gleich mit welchen Methoden oder Mitteln – bei dem mehrere deutlich voneinander getrennte militärische Einzelziele in einer Stadt, einem Dorf oder einem sonstigen Gebiet, in dem Zivilpersonen oder zivile Objekte ähnlich stark konzentriert sind, wie ein einziges militärisches Ziel behandelt werden,
  • ein Angriff, bei dem damit zu rechnen ist, dass er auch Verluste an Menschenleben unter der Zivilbevölkerung, die Verwundung von Zivilpersonen, die Beschädigung ziviler Objekte oder mehrere derartige Folgen zusammen verursacht, die in keinem Verhältnis zum erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen.

Literatur

  • Jörg Friedrich, Der Brand, München, Propyläen, 2002 ISBN 3-549-07165-5
  • Eckart Grote: Target Brunswick 1943 – 1945. Luftangriffsziel Braunschweig – Dokumente der Zerstörung. Braunschweig 1994
  • Peter Guttkuhn, "28./29. März 1942: ... und Lübeck sollte sterben..." in: Vaterstädtische Blätter, Lübeck 1982, 33. Jg., S. 3 - 6.
  • Rudolf Prescher: Der Rote Hahn über Braunschweig. Luftschutzmaßnahmen und Luftkriegsereignisse in der Stadt Braunschweig 1927 – 1945. Braunschweig 1955