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Cyanwasserstoff

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Strukturformel
Allgemeines
Name Cyanwasserstoff
Andere Namen Blausäure
Summenformel HCN
CAS-Nummer 74-90-8
Kurzbeschreibung nach Bittermandeln riechende Flüssigkeit
Eigenschaften
Molmasse 27,02 g/mol
Aggregatzustand flüssig
Dichte - kg/m³
Schmelzpunkt -13,3 °C
Siedepunkt 25,7 °C
Dampfdruck 830 hPa
Löslichkeit in Wasser in jedem Verhältnis
Sicherheitshinweise
Gefahrensymbole
Datei:Gefahrensymbol T.png Datei:Gefahrensymbol N.png
T+
Sehr giftig
F+
Hochentzündlich
N
Umweltgefährdend
R- und S-Sätze R: 12-26-50/53
S: 1/2-7/9-16, 36/37-38-45-60-61
MAK 10 ml/m3 = 11 mg/m3
Tödliche Dosis (Mensch) 1-2 mg/kg
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.


Cyanwasserstoff (Blausäure), Summenformel HCN, ist eine farblose bis leicht gelbliche, brennbare und wasserlösliche Flüssigkeit mit einem charakteristischen, unangenehmen Bittermandelgeruch. Der "Bittermandelgeruch" von Mandeln und anderen Kernen setzt sich zusammen aus dem angenehmen Duft von Benzaldehyd und dem eher unangenehmen Geruch der Blausäure. Der Geruch ist auch mit Marzipan zu vergleichen. Ursprünglich ist in den Mandelkernen ein zyanogenes Glykosid, das Amygdalin, vorhanden, das unter dem Einfluss von Enzymen oder Säuren in Blausäure, Benzaldehyd und Glukose zerfällt. Nur etwa 20 - 50 % der Menschen sind - aufgrund ihrer genetischen Veranlagung - in der Lage, den Geruch wahrzunehmen. Der Name Blausäure rührt von der Gewinnung aus Eisenhexacyanoferrat (Berliner Blau) her, einem sehr beständigen Pigment mit blauer Farbe.

Blausäure ist auch der Titel eines Kriminalromanes von Agatha Christie. Die Originalausgabe erschienen 1945 unter dem Titel "Sparkling Cyanide".

Eigenschaften

Der Schmelzpunkt liegt bei etwa -13 °C, der Siedepunkt bei etwa 26 °C.

Die Salze der Blausäure heißen Cyanide. Blausäure ist eine extrem schwache Säure, die schon von Kohlensäure aus ihren Salzen getrieben wird. Als pKs wird meist 9,31, gelegentlich auch 9,21 oder 9,04 angegeben. Cyanid, Salze der Bläusäure (Kaliumcyanid) wirken bei der Hydrolyse stark basisch/alkalisch. Die Salzsäure im menschlichen Magen setzt daher aus Cyaniden Cyanwasserstoff frei.

Blausäure ist sowohl leicht brennbar als auch in jedem Verhältnis wasserlöslich. Bei einem Brand mit Anwesenheit von Blausäure wird empfohlen, nicht mit Wasser zu löschen und gegebenenfalls die Blausäure kontrolliert abbrennen zu lassen.

Ein Gemisch aus Luft und Cyanwasserstoffgas ist hochexplosiv im Bereich von 5,4-46,6 Volumen-%!

Reine wasserfreie Blausäure kann spontan polymerisieren, speziell in Gegenwart kleiner Mengen von basischen Stoffen. Diese Reaktion ist stark exotherm!

In Wasser dissoziert Blausäure zu einem kleinen Teil:

Giftwirkungen

Blausäure sowie alle Cyanide sind hochgiftig. Blausäure verdunstet bei normaler Lufttemperatur; eine Vergiftung kann deshalb leicht durch Einatmen (inhalativ) erfolgen. Eine Resorption über die Haut ist möglich, sie wird durch körperliche Arbeit (welche mit Schweiß verbunden ist) begünstigt, da Blausäure eine hohe Wasserlöslichkeit besitzt.

Die primäre Giftwirkung besteht in der Bildung eines Komplexes mit dem Eisen-III-Zentralion der Cytochrom-Oxidase in den Mitochondrien. Durch die Inaktivierung dieses Enzyms kommt die Zellatmung zum Erliegen, die Zelle kann den Sauerstoff nicht mehr zur Energiegewinnung verwerten. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung ist eine hellrote Färbung der Haut ein typisches Anzeichen einer Vergiftung mit Cyaniden: Das venöse Blut ist noch mit Sauerstoff angereichert, da der Sauerstoff von den Zellen nicht verwertet werden konnte.

Die Bindung des Cyanids an Fe-II-Ionen ist vergleichsweise gering. Die Inaktivierung des Hämoglobins durch Bindung des Fe-II-Ions spielt daher bei Vergiftungen eine untergeordnete Rolle.

Ein nicht zu unterschätzender Anteil der Menschen kann den Geruch von Blausäure nicht wahrnehmen und sollte entsprechende Vorsichtsmaßnahmen beim Umgang mit Blausäure treffen.

Auf keinen Fall bei Rauchvergiftung 4-Dimethylaminophenol verwenden. Das 4-Dimetyhlaminophenol wandelt das Fe(II) in Fe(III) um, was zu einer Methämoglobin-Bildung führt. Das Methämoglobin bindet die Cyanidionen. Gemessen am Gesamthämoglobin genügt schon eine geringe Menge an Methämoglobin, um einen großen Teil des Cyanids zu binden. Die Wirkung dieses Gegenmittels hängt allerdings von der Hämoglobinkonzentration im Blut ab. In den USA wird nach einer Intoxikation das so genannte Cyanokit verwendet. Da Nebenwirkungen jedoch umstritten sind, ist dieses Notfallkit in Deutschland noch nicht freigegeben. Zu beachten ist hier jedoch, dass eine Lebensrettung nur bei 100%ig nüchternem Zustand (auch kein Restalkohol im Blut) Chancen auf Erfolg verspricht.

Als weitere Maßnahme wird Isoamylnitrit zur Inhalation verabreicht, welches den Blutdruck senkt und somit eine Verlangsamung der Vergiftung bewirkt; diese Maßnahme sollte wegen der Gefahr eines möglichen Blutdruckabfalls allerdings nur mit Vorsicht angewandt werden.

Andere Gegenmittel sind:

  • Natriumthiosulfat: Es liefert den für das Enzym Rhodanid-Synthetase benötigten Schwefel, welcher für die Umwandlung in Rhodanid benötigt wird. Da viele Nahrungsmittel Cyanwasserstoff in geringen Konzentrationen enthalten, besitzt der Mensch das Enzym Rhodanid-Synthetase, welches geringe Mengen von Blausäure in den ungefährlichen Stoff Rhodanid umwandelt. Deshalb führen Vergiftungen mit geringen Spuren von Blausäure selten zu Langzeitschäden.

Natürliches Vorkommen

Die Kerne einiger Steinobstfrüchte (Mandel, insbesondere Bittermandel, Aprikose, Pfirsich,Kirsche) enthalten geringe Mengen an Blausäure. Die in den Tropen vielfach als Nahrungsmittel genutzte Knolle des Maniok enthält ebenfalls Blausäure, die durch die Verarbeitung vor dem Verzehr der Pflanze entfernt wird. Zusätzlich enthalten Kirschkerne gebundene Blausäure, welche durch Magensäfte freigesetzt wird.

Kulturelle Vorkommen

Blausäure wird in vielen Prozessen in der Industrie und im Bergbau eingesetzt, beispielsweise zum Auslaugen von Gold:

Die Gold-Lösung wird dann mit Zink reduziert. (Wegen der besseren Handhabung wird hierbei nicht flüssige Blausäure, sondern eine Cyanidlösung eingesetzt.) Dieses Verfahren führt, wie auch mit dem alternativ eingesetzten Quecksilber-Amalgamverfahren, zu den oft katastrophalen Gewässervergiftungen in den Goldfördergebieten der Dritten Welt.

Blausäure wird bei falschen Bedienschritten in der Galvanik frei.

Blausäure ist auch ein wichtiger Ausgangsstoff für viele Erzeugnisse der organischen Chemie. In der Regel wird die Blausäure am Ort ihrer Herstellung sofort weiterverarbeitet, da ein Transport dieses Gefahrstoffes nach Möglichkeit vermieden wird.

Bei dem Verbrennen verschiedener synthetischer Polymere (Kunststoffe) kann Blausäure entstehen. Faustregel: 1/3 des Rauches ist Blausäure.

Beim Rauchen von Tabak entsteht ebenfalls Blausäure.

Schutzmaßnahmen: Schutzhandschuhe, Staubmaske, Atemschutz Gasfilter B; Lagerung: kühl, unter striktem Sauerstoff- und Feuchtigkeitsausschluss

Herstellung und Verwendung

Für die Herstellung von Blausäure sind drei Verfahren von Bedeutung

  • Bei der Ammonoxidation von Methan (Andrussow-Verfahren) wird ein Gemisch aus Ammoniak und Methan bei rund 1200 °C an einem Platinnetz als Katalysator oxidiert.
  • Bei der Ammondehydrierung von Methan (Degussa-BMA-Verfahren) werden Ammoniak und Methan mit Hilfe eines Katalysators zu Blausäure und Wasserstoff umgesetzt.
  • Bei der Formamid-Spaltung (BASF-Verfahren) wird Formamid verdampft und stark erhitzt. Formamid spaltet dabei in Blausäure und Wasser.

Blausäure wird in großen Mengen zur Herstellung von Adiponitril, einem Zwischenprodukt der Kunststoffproduktion, verwendet. Dazu wird Blausäure mittels eines Nickel-Katalysators an Butadien addiert (Hydrocyanierung).

Unfälle im Umgang mit Blausäure

  • 1947, Los Angeles:
    Während der Begasung eines aus Holz gebauten Wohnhauses zur Bekämpfung von Termiten, die es aufzufressen drohten, explodierte das hermetisch abgeriegelte Haus wegen einer zu hohen Konzentration von Blausäure.
  • 1977, Niederbayern, Wiesenfeld:
    In der nur ein Jahr zuvor renovierten evangelischen Kirche färbten sich die Wände blau, nachdem diese mit Zyklon B begast wurde, um die Holzwürmer im Chorgestühl abzutöten. Nur wenige Wochen zuvor war die Kirche frisch verputzt worden. Die freigesetzte Blausäure reagierte mit dem im Verputz enthaltenen Eisen und färbte diesen damit blau (Siehe auch Eisenblau).
  • 1995, Kroatien, Urlaubsort Lovran bei Rijeka:
    Während des Versuches, eine Kirche von Holzwürmern zu befreien, trat ein Teil des Gases wegen unsachgemäßer Versiegelung des Gebäudes aus. Der gesamte Ortskern wurde daraufhin mitten in der Nacht evakuiert.
  • 1998, Iowa:
    Nachdem sich ein Schüler mit Kaliumcyanid getötet hatte, wurden neun Menschen von den aus seinem Körper austretenden Dämpfen krank.

Nachweis

Ein klassisches Verfahren ist der Nachweis über die Cyanid-Ionen: Zu einer alkalischen Cyanid-Lösung wird im Unterschuss Eisen(II)-sulfat-Lösung zugegeben. Sind Cyanid-Ionen vorhanden, bildet sich nach dem Ansäuern Berliner Blau. Vorsicht: es entweicht Blausäure!