Henri de La Rochejaquelein

Henri du Vergier, comte de La Rochejaquelein (* 30. August 1772 auf dem Château de la Durbelière bei Mauléon-sur-Sèvre (Poitou); † 28. Januar 1794 bei Nuaillé) war ein französischer Adliger und einer der Anführer des Aufstands der Vendée in der Zeit der Französischen Revolution.
Biographie
Jugend
Henri du Vergier, comte de La Rochejaquelein war der Spross einer angesehenen Adelsfamilie im Osten der Vendée. Er erhielt gerade seine Ausbildung an der Militärschule (école militaire) von Sorèze, als die Ereignisse der Französischen Revolution ihn und seine Familie überraschten. Während sein Vater in die Emigration ging, schloss sich Henri der königlichen Garde an, die im Sommer 1792 das Tuilerienschloss gegen einen aufgebrachten Mob verteidigte. Am 10. August 1792 wurde Ludwig XVI. jedoch im Temple von Paris gefangengesetzt. Henri ging ins Poitou zurück, wo gerade die ersten spontanen katholisch-royalistischen Volkserhebungen stattfanden. Er schloss sich Rochejaquelein Lescure an, seinem etwas älteren Cousin – beide arbeiteten insgeheim an der Wiederherstellung der monarchischen Ordnung.
Vendée-Aufstand
Im März 1793 wurden sie davon unterrichtet, dass die Bewohner der Nachbardörfer bereit waren sich zu erheben und nur nach einem Anführer Ausschau hielten. Beide brachen auf und trafen im Heerlager auf Charles Melchior Artus de Bonchamps und Maurice d’Elbée, zwei Anführer der ersten Stunde. Als bekannt wurde, dass ein Revolutionsheer im Anmarsch war, ernannten die aufständischen Bauern Henri de La Rochejaquelein zu ihrem Anführer. In einer Ansprache an seine Truppen soll er gesagt haben:
- „Wenn mein vater unter uns wäre, würde er euch mehr Vertrauen einflößen, denn mich kennt ihr kaum. Gegen mich sprechen meine Jugend und Unerfahrenheit, aber ich brenne darauf mich würdig zu erweisen euch anzuführen: Nun lasst uns den Feind aufspüren – wenn ich vorangehe, so folgt mir; wenn ich zurückweiche, so tötet mich; wenn ich falle, so rächt mich.“
Im ersten Scharmützel mit dem Revolutionsheer bei Aubiers blieben die Aufständischen siegreich und konnten sich sogar der Artillerie des Gegners bemächtigen, woraufhin die republikanischen Truppen sich aus der Gegend zurückzogen. Durch den Erfolg angestachelt riefen Rochejaquelein und Lescure in einem Brief 40 Gemeinden zum Kampf auf. Im April gingen die Kämpfe weiter und auch Städte wie Angers, Saumur und Nantes schlossen sich dem Aufstand an. Bei der Eroberung von Thouars erklomm Rochejaquelein als erster die Mauern der Stadt; die Republikaner legten bald die Waffen nieder.
Doch nach der ersten Erfolgen kam auch eine Niederlage bei Fontenay-le-Comte. Anfang Juni 1793 wurde Saumur belagert und konnte nach fünf Tagen eingenommen werden, wobei Rochejaquelein erneut seine Tapferkeit unter Beweis stellte, indem er sich nur in Begeleitung eines Offiziers in das Getümmel stürzte und einige Gegner eigenhändig erschlug. Die militärische Kriegsbeute auf Seiten der Aufständischen war groß. In der letzten der drei Schlachten bei Luçon (8. August 1793) gingen er und seine Truppen als zweiter Sieger vom Platz doch wenig später (4. September 1793) brachte er der republikanischen Armee bei Chantonnay eine schwere Niederlage bei.

Danach beschloss der Nationalkonvent in Paris, den Vendée-Aufstand, den man bisher nur wie eine regionale Angelegenheit behandelt hatte, energischer entgegenzutreten; immer neue Truppen wurden entsandt. Die Generäle Rochejaquelein, Jean-Nicolas Stofflet und Lescure versuchten unterdessen Châtillon einzunehmen – doch ohne Erfolg. Die Schlacht von Cholet (17. Oktober 1793) stellte einen Wendepunkt dar: Die Aufständischen wurden vernichtend geschlagen und zogen sich in der Nähe von Saumur über die Loire nach Norden zurück - vielleicht auch um weiteren Schaden von ihrer Heimat abzuhalten. Diese Loireüberquerung einer geschlagenen Truppe im frühen Winter, die von Heimatlosen und einem Tross von Frauen, Kindern und älteren Personen begleitet wurde, ist als weiten Teilen Frankreichs als Virée de Galerne bekanntgeworden. Da mehrere Generäle der Aufständischen bei Cholet gefallen oder verwundet worden waren, wurde Rochejaquelein – gerade mal 21 Jahre alt – zum Oberbefehlshaber der Vendée-Truppen ernannt.
Er marschierte mit Armee und Tross in Richtung Westen, d. h. in die Bretagne bis hin nach Fougères, Pontorson und Avranches. Letztlich sollte mit diesem Feldzug auch England motiviert werden, Truppen über den Kanal zu schicken um die Aufständischen zu unterstützen und um den Revolutionären entschieden entgegenzutreten, doch dies geschah nicht. Beim Versuch der Einnahme von Granville – etwa 25 Kilometer nördlich des Mont-Saint-Michel gelegen – erlitt man Mitte November 1793 eine schwere Niederlage, woraufhin der Rückzug beschlossen wurde. Man kehrte jedoch nicht in die Vendée zurück, sondern nahm kleinere Städte wie Baugé und La Flèche ein; um zu plündern und um die Nahrungsvorräte aufzufrischen musste der Tross ständig in Bewegung bleiben und so befand man sich Mitte Dezember vor Le Mans, doch wurde die vergebliche Belagerung der Stadt zum 'Grab' für die Vendée-Armee: Sie löste sich in kleine Splittergruppen auf, die auch als Partisanen operierten.
Tod
Rochejaquelein wandte sich mit etwa hundert Mann erneut in Richtung Westen, besetzte einen Ort für einen oder zwei Tage um dann zum nächsten Ort weiterzuziehen. Bei Ancenis setzte er auf die Südseite der Loire über. Seinen Geburtsort, das Château de la Durbelière, fand er gebrandschatzt und zerstört vor; trotzdem verweilte er mehrere Tage in den Ruinen. Dann brach er in Begleitung weniger Kämpfer wieder nach Norden auf; hinter Cholet, das von seinen Bewohnern verlassen und von der dort stationierten republikanischen Garnison in Brand gesetzt worden war, geriet er am 28. Februar 1794 bei Nuaillé – nur 20 Kilometer von seinem Geburtsort entfernt – in einen Hinterhalt und wurde durch einen Kopfschuss getötet. Da der Soldat oder Partisan, der ihn getötet hatte, unmittelbar darauf selber erschossen wurde, waren für den Tod Rochejaqueleins keine Zeugen vorhanden und so begruben ihn die wenigen Getreuen, die bei ihm geblieben waren – darunter Stofflet – an Ort und Stelle. Später erhielt er ein Grab in der Kirche von Saint-Aubin de Baubigné, wo auch zwei seiner Brüder begraben liegen. Einer davon - Louis, der sein Nachfolger als Oberbefehlshaber wurde - starb bei Pont-de-Mathis am 4. Juni 1805.
Bedeutung
Während der Französischen Revolution galt Rochejaquelein einer der schlimmsten Staatsfeinde; nach der Restauration des Königtums und der alten Ordnung in den 1820er und 1830er Jahren galt er vielen Franzosen jedoch als Held und Widerstandskämpfer. Für sie verkörpert er - wie nur wenige sonst - jugendlichen Idealismus, Kampfesmut, Adelsstolz und die Bereitschaft, dafür letztlich auch mit dem Tode zu bezahlen. Einige Maler des 19. Jahrhunderts haben Episoden aus den letzten beiden Jahren seiner nur kurzen Biographie in Bildern wiedergegeben.
Literatur
- Charles-Louis Chassin: La Vendée Patriote (1793-1800) Band II, Édition Paul Dupont, 1893-1895, S.421-426
- Albert Soboul: Die Große Französische Revolution. EVA Frankfurt/M. 1973, S. 264 ff und S. 282 ff ISBN 3-434-00271-5
- Jean Tabeur: Paris contre la Province, les guerres de l'Ouest Éditions Economica, 2008, S. 115-116
- Yves Gras: La Guerre de Vendée Éditions Economica, 1994, S. 56-57.