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André-Hercule de Fleury

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André-Hercule de Fleury (* 22. Juni 1653 in Lodève, Hérault; † 20. Januar 1743 in Issy bei Paris) war ein französischer Kardinal und Staatsmann.

Leben

Kardinal Fleury, Elisabeth Louise Vigée le Brun nach Hyacinthe Rigeaud, 1775
Öl auf Leinwand, 63 x 52 cm,
(Versailles, musée national du château et des Trianons)

Fleury war der Sohn des Steuereintreibers Jean de Fleury, Seigneur de Dio, und dessen Ehefrau Diane de La Treille. Im Alter von sechs Jahren kam de Fleury nach Paris an das Collège de Clermont und später an das Collège d'Harcourt, die von Jesuiten geleitet wurden. Anschließend wurde er zum Priester geweiht und wurde mit 15 Jahren 1668 Kanoniker in Montpellier. Als solcher studierte Fleury an der Sorbonne und beendete dieses Studium mit dem Titel Dr. theol.

Durch den Einfluss des Kardinals Pierre de Bonzi wurde Fleury 1683 zum Almosenier der Königin Maria Theresia, Gemahlin Ludwigs XIV. ernannt; dieses Amt hatte Fleury nach dem Tod der Königin weiter für den König inne. 1686 erhielt Fleury die Abtei Rivour (Diözese Troyes) als Pfründe und 1698 wurde er zum Bischof von Fréjus geweiht. 1714, nach siebzehn Jahren in diesem ländlichen Bistum entschloss er sich, eine Stellung am Hof zu suchen. Er wurde Lehrer von Ludwig XV., dem Urenkel und Erben der Königs. Ohne den nötigen Ehrgeiz erlangte er einen Einfluss auf das Kind, der sich als sehr dauerhaft erweisen sollte.

Nach dem Tod des Regenten Orléans 1723 dehnte Fleury, inzwischen schon siebzig Jahre alt, seine Vormachtstellung aus, indem er vorschlug, Louis Henri, Herzog von Bourbon, zum Premierminister zu ernennen. Fleury war durch Gewohnheitsrecht bei allen Gesprächen zwischen Ludwig XV. und dessen Premierminister anwesend, und als der König Fleury dieses Recht aufhob, zog sich Fleury vom Hof zurück. Doch schon kurze Zeit später veranlasste Ludwig, durch den Duc de Bourbon, die Rückkehr seines Lehrers und Beraters. Am 11. Juli 1726 nahm der die Angelegenheiten selbst in die Hand und erreichte die Verbannung des Duc de Bourbon und dessen Mätresse Madame de Prie vom Hof. Fleury lehnte für sich Titel und Amt eines Premierministers ab, aber seine Ernennung zum Kardinal noch im selben Jahr stellte seine Vorrangstellung gegenüber allen anderen Ministern sicher.

Fleury war auf natürliche Weise bescheiden und umsichtig und brachte diese Qualitäten in die Verwaltung ein, mit dem Ergebnis, dass es 1738/39 einen Überschuss von 15.000.000 Livres statt des üblichen Dezifits gab. 1726 legte er den Währungsstandard fest und stellte die Kreditwürdigkeit der Regierung sicher, indem er von nun an mit den Zinsen die Schulden abtrug. Durch die Einforderung von Zwangsarbeit von den Bauern sorgte er für einen guten Zustand der französischen Straßen, allerdings um den Preis, wütende Unzufriedenheit zu wecken. Während der siebzehn Jahre seiner eigentlichen Regierungszeit fand das Land nach den Extravaganzen Ludwigs XIV. eine Zeit der Erholung, und der allgemeine Wohlstand nahm schnell zu. Der innere Frieden wurde nur in den siebziger Jahren gestört, in denen Fleury die Zeit reif fand, gegen die Jansenisten vorzugehen. Er inhaftierte Priester, die sich weigerten, die Bulle Unigenitus zu akzeptieren, und er traf auf die Opposition des Pariser Parlaments, indem er vierzig ihrer Mitglieder exilierte.

In außenpolitischen Angelegenheiten war seine Hauptsorge die Wahrung des Friedens, die er mit Sir Robert Walpole teilte; dies führte zum Fortbestand der guten Beziehungen zwischen Frankreich und England. Nur mit Widerwillen unterstützte er die ehrgeizigen Pläne von Elisabetta Farnese, Königin von Spanien, 1729 die Nachfolge ihres Sohnes Don Carlos in den Herzogtümern Parma und Toskana durchzusetzen. De Fleury hatte in Armee und Marine – wie überall – gespart, und als er 1733 zum Krieg gezwungen wurde, war er kaum darauf vorbereitet. Durch die öffentliche Meinung war er gezwungen, nach dem Tod Augusts II. die Ansprüche von Ludwigs Schwiegervater Stanislaus Leszczynski (Ex-König von Polen) auf die polnische Krone gegen den russisch-österreichischen Kandidaten zu unterstützen. Aber die Absendung einer französischen Expedition von 1500 Mann nach Danzig führte nur zu einer Demütigung Frankreichs.

Fleury wurde durch den Großsiegelbewahrer Germain Louis de Chauvelin zu energischeren Maßnahmen gedrängt und so schloss er eine engere Allianz mit den spanischen Bourbonen und schickte zwei Armeen gegen die Österreicher. Militärische Erfolge am Rhein und in Italien sicherten die günstigen Bedingungen des Vertrags von Wien (1735–1738). Frankreich hatte sich mit den anderen Mächten zusammengeschlossen, um die Nachfolge Maria Theresias unter der Pragmatischen Sanktion sicherzustellen, aber nach dem Tod Karls VI. 1740 fand Fleury durch eine diplomatische Spitzfindigkeit eine Ausrede für die Zurückweisung seiner Verabredungen, da er im Rat des Königs die Kriegspartei überlegen fand.

Nach den Katastrophen des böhmischen Feldzugs schrieb Fleury einen vertraulichen, demütigen Brief an den österreichischen Feldmarschall Graf Lothar Joseph Königsegg, der diesen bereits am darauffolgenden Tag veröffentlichte. Fleury leugnete seinen eigenen Brief und starb einige Tage nach der französischen Räumung Prags am 20. Januar 1743 in Issy bei Paris.

Fleury hatte die königliche Bibliothek durch persönliche Schenkungen mit vielen wertvollen orientalischen Manuskripten bereichert. Seit 1717 war er ordentliches Mitglied der Académie Française, der Académie des sciences und der Académie des Inscriptions.

Literatur

  • Maxime de Sars: Le cardinal de Fleury: apôtre de la paix. – Paris: Hachette, 1942
  • Guy Chaussinand-Nogaret: Le Cardinal de Fleury: Le Richelieu de Louis XV. – Zürich: Payot, 2002. – ISBN 2228896527