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Grindadráp

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Grindabóð! ist der Ruf der Färinger, wenn eine Grindwalherde in die Fjorde der Färöer schwimmt. Er läutet den traditionellen, blutigen Grindwalfang ein.

Dieses Kommando elektrisiert große Teile des ansonsten sehr friedlichen Inselvolks und treibt es in einen regelrechten kollektiven Blutrausch. Viele behaupten, das sei die ererbte Tradition der Berserker. So nannte man die Wikinger, die berauscht durch Fliegenpilze in den Kampf zogen.

Wortherkunft

Grindabóð (sprich: ['grindabou]) kommt von färöisch grindahvalur = Grindwal und bóð = Botschaft, Meldung. Es heißt also wörtlich: Grind-Alarm.

grind bedeutet auf färöisch neben Grindwalherde und Grindwalfleisch (ohne den Speck) auch Grundstein (eines Hauses), ist also gemeingermanisch verwandt mit Grund.

Grind-Alarm

Grindabóð! wird im nationalen Rundfunk durchgegeben, und alles andere ist plötzlich nebensächlich. Es wird berichtet, dass bei Grindabóð! sogar Gottesdienste abgebrochen werden. Von überall her eilen die Menschen herbei, um dem blutigen Schauspiel beizuwohnen.

Die ca. 5 Meter langen Wale werden mit Booten an den Grund am Ende des jeweiligen Fjordes getrieben. Dort werden sie von im Wasser stehenden Männern mit langen Messern abgeschlachtet. Das Meer färbt sich dabei blutrot.

Verwertung

Der Grind, wie ihn die Einheimischen kurz nennen, wird vollständig verwertet. Seine Verteilung erfolgt nach einem Jahrhunderte alten Schlüssel. Den relativ größten Anteil erhalten die Einwohner derjenigen Gemeinde, in deren Fjord die Tiere geschwommen sind. Dann sind die anderen Gemeinden der gleichen Insel an der Reihe und danach das restliche Land. In der Bibliothek von Tórshavn befinden sich hierüber exakte Aufzeichnungen vergangener Zeiten. Dort erkennt man an den Fangzahlen auch immer wieder kehrende erhebliche Schwankungen. Grindabóð! ist reiner Zufall.

Diese Tradition ist mindestens 300 Jahre alt und galt für das abgeschiedene Nordatlantik-Archipel als wichtige Nahrungsquelle und Vitaminversorgung. Noch heute wird geschätzt, dass der Grind ca. 10 % des einheimischen Speiseplans ausmacht.

In Supermärkten der Färöer ist der Grind in der Regel nicht erhältlich. Im Export der Fischereination spielt er keinerlei Rolle. Ähnlich wie die Jagdbeute bei bei den Grönländern, ist der Grind Gegenstand der ererbten Subsistenzwirtschaft.

Traditionelle Zubereitung

Der Grind wird meist im tradtionellen Verfahren der Windtrocknung konserviert. An der kühlen salzhaltigen Luft der Färöer ist das ein heute noch für Klippfisch und Papageitaucher übliches Verfahren. So haltbar gemacht, wird er dann vor dem Verzehr über Stunden in Wasser – oder besser: einer Marinade – eingeweicht.

Meist wird das Fleisch als Steak zubereitet. Dazu wird gerne der in Scheiben geschnittene, tranige Speck gereicht. Als Beilage sind Kartoffeln üblich. In der färöischen Sprache bezeichnet Grind das Fleisch im Gegensatz zum Speck.

Das durch die Lufttrocknung gealterte Fleisch des Meeressäugers ist schwarz und relativ zäh. Im Geschmack ähnelt es ansonsten dem Rindfleisch. Grind ist äußerst nahrhaft. Hinzu kommt das vitaminreiche Tran im Speck des Wales. Nicht zuletzt daher war er früher so wichtig für das Überleben der meist nur von ca. 4.000 Menschen bewohnten Inseln.

Kontroverse

Pro

Vor der internationalen Tierschützergemeinde, wie zum Beispiel Greenpeace, rechtfertigen sich die Färinger damit, dass sie nicht zu den Walen hinausfahren, sondern jene von selbst zu ihnen kommen. Weiter wird angeführt, dass sie den Grindwalfang nicht aus kommerziellen Gründen betreiben, sondern nach wie vor ausschließlich für den internen Verteilerschlüssel der Haushalte. Drittens meinen viele Färinger, dass der Grindwalbestand nicht gefährdet ist, denn die allermeisten würden auf ihrem Zug durch den Atlantik die kleine Inselgruppe verfehlen und so ungeschoren davon kommen. Auf den Färöern sind kritische Stimmen selten, aber immer häufiger, zu hören. Internationale Kritik wird oft als Einmischung in nationale Angelegenheiten empfunden.

Contra

Die Tierschützer argumentieren damit, dass der Grindwalfang nicht nur besonders grausam ist, sondern angesichts der heutigen Versorgungslage der Färöer völlig unnötig. Zusätzliche Argumentationshilfe liefert ein Gutachten des färöischen Gesundheitsministeriums, das inzwischen vor übermäßigem Genuss von Grindwalfleisch warnt, da es mit Umweltgiften wie Quecksilber und PCB angereichert ist [1].