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Nordische Purpurschnecke

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Nordische Purpurschnecke

Nordische Purpurschnecken fressen Seepocken

Systematik
Unterordnung: Hypsogastropoda
Teilordnung: Neuschnecken (Neogastropoda)
Überfamilie: Muricoidea
Familie: Stachelschnecken (Muricidae)
Gattung: Nucella
Art: Nordische Purpurschnecke
Wissenschaftlicher Name
Nucella lapillus
(Linnaeus, 1758)
Gehäuse von Nucella lapillus
Gebändertes Exemplar von Nucella lapillus, Natural History: Mollusca (1854), p. 38: "Purpura".

Die Nordische Steinchenschnecke, Nordische Purpurschnecke oder das Steinchen (Nucella lapillus) ist eine Schnecke aus der Familie der Stachelschnecken (Gattung Nucella), die im Nordatlantik verbreitet ist. Sie ernährt sich von Muscheln und Seepocken.

Merkmale

Das eiförmig zugespitzte, dickwandige Schneckenhaus von Nucella lapillus hat ein kegelförmiges Gewinde, konvexe Umgänge und eine dicke, innen gezähnte Lippe. Es ist etwas geglättet, grün gelblich bis weißlich gelblich und oft weiß gebändert. Bei ausgewachsenen Schnecken erreicht das Gehäuse eine Länge von 3,5 bis 4,5 cm. Die Farben variieren sehr. Das Operculum ist hornig. Die Eikapseln sind gestielt, etwa 7,5 mm lang und enthalten etwa 400 bis 600 Eier, von denen sich etwa 25 entwickeln, während die anderen als Nähreier dienen.[1][2] Das Veliger-Stadium wird in der Kapsel durchlaufen. Nach 4 bis 7 Monaten (Nordsee bzw. Weißes Meer) schlüpfen etwa 2 mm lange Schnecken.[3]

Verbreitung

Die Nordische Purpurschnecke tritt im Nordatlantik an den Küsten Europas und Nordamerikas auf, so etwa in der Nordsee, vor Grönland, Kanada und den USA.[4] Außerdem gibt es Vorkommen in der Ostsee.[5]

Lebensraum

Die Nordische Purpurschnecke lebt in der Gezeitenzone und unterhalb bis in eine Tiefe von 40 Metern, bevorzugt auf Felsen.[4]

Nahrung

Nucella lapillus frisst Muscheln und Seepocken.[2] Die Schale der Beute wird entweder mit dem Gehäuserand aufgebrochen oder mit der Radula aufgebohrt. Bei der Auflösung des Calciumcarbonats spielt Carboanhydrase eine Rolle, die in einer Drüse in der Fußsohle der Schnecke produziert wird (ABO, accessory boring organ).[6] Die Färbung des Schneckenhauses wird wahrscheinlich von der Nahrung der Purpurschnecken beeinflusst. So haben Schnecken, die vor allem Seepocken fressen, eher weiße Gehäuse, solche dagegen, die vor allem von Miesmuscheln leben, malvenfarbene bis braune Schalen.[7][8] Größtenteils wird die Farbe jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach vererbt.[9][10] Miesmuscheln verfügen über eine Verteidigungsstrategie, die wirksam ist, wenn viele Muscheln beieinander sind, indem sie mit Hilfe ihrer Byssusfäden die Steinchenschnecken immobilisieren und so verhungern lassen.[11] Frisch geschlüpfte, 1-3 mm große Nordische Purpurschnecken wurden dabei beobachtet, statt Seepocken kleine Polychaeten der Art Spirorbis borealis zu fressen.[12]

Feinde

Hauptfeinde sind verschiedene Vögel (Eiderenten, Meerstrandläufer und andere Watvögel) sowie einige Krebse. Die feste Schale bietet relativ guten Schutz gegen Bruch, während die Zähnung am Gehäuserand das Öffnen des Operculums verhindert. Austernfischer und manche Krebse vermögen die harte Schale zu knacken, während Eiderenten die Schnecke als Ganzes verschlucken.

Bedeutung für den Menschen

Nucella lapillus, lange Zeit unter dem Synonym Purpura lapillus bekannt, bildet wie andere Purpurschnecken in ihrer Hypobranchialdrüse zur Verteidigung ein milchiges Sekret, das sich unter Lichteinwirkung purpurn färbt, und kann deshalb zum Färben verwendet werden.[13] In Irland gibt es von den Inishkea-Inseln im County Mayo Funde von einer Färberwerkstatt aus dem 7. Jahrhundert mit aufgebrochenen Steinchenschnecken und gefärbtem Textil.[14]

Gefährdung

Die Bestände der Nordischen Purpurschnecke in der Nordsee sind seit Anfang der 1970er Jahre durch Tributylzinn (C4H9)3SnH bedroht, eine für Schutzanstriche an Schiffen verwendete Chemikalie. Untersuchungen haben gezeigt, dass Tributylzinn bei Weibchen der Nordische Purpurschnecke und anderer Schnecken (z.B. Wellhornschnecken) zur Bildung männlicher Geschlechtsorgane führt. Diese vom s.g. Imposex betroffenen Weibchen können keine Eier mehr legen.[15][16] Nach der deutschen Bundesartenschutzverordnung (Anlage 1) sind die Populationen der Nord- und Ostsee geschützt.[17]

Einzelnachweise

  1. C. Brüggemann (1838): Die Naturgeschichte in getreuen Abbildungen und mit ausführlicher Beschreibung derselben. Verlag von Eduard Eisenach, Leipzig 1838. Die Weichthiere, S. 68. Das Steinchen. Buccinum (Purpura) Lapillus List.
  2. a b Erwin Stresemann (Hrsg.): Exkursionsfauna. Wirbellose I. S.H. Jaeckel: Mollusca. Volk und Wissen, Berlin 1986. S. 133. Die Purpurschnecke, Nucella lapillus (L.).
  3. J.H. Crothers (1985): Dog-whelks - an introduction to the biology of Nucella lapillus (L.). Field Studies, 6, 291–360.
  4. a b World Register of Marine Species, World Marine Mollusca database: Nucella lapillus (Linnaeus, 1758)
  5. Vollrath Wiese: Vorläufige Artenliste der Mollusken der Ostsee. Haus der Natur - Cismar (Malakologisches Museum)
  6. Monique Chétatl, Jean Fournié (1969): Shell-Boring Mechanism of the Gastropod, Purpura (Thaïs) lapillus: a Physiological Demonstration of the Role of Carbonic Anhydrase in the Dissolution of CaCO3. American Zoologist 9 (3), pp. 983-990.
  7. H. B. Moore (1936): The biology of Purpura lapillus. 1. Shell variation in relation to environment. Journal of the Marine Biological Association of the United Kingdom, vol. 21, pp. 61-89.
  8. Leonard Hill: Muscheln: Schätze der Meere. Übersetzung von Christiane Bergfeld. Könemann, Köln 1999. 304 Seiten. Auszug mit Textstelle zu Nucella lapillus auf der Webseite der Übersetzerin.
  9. J.H. Crothers (1974): On variation in the shell of the dog-whelk, Nucella lapillus (L.). Field Studies 4, pp. 39-60.
  10. Direkte genetische Studien gibt es nur für die verwandte Nucella emarginata: A. Richard Palmer (1985): Genetic Basis of shell variation in Thais emarginata (Prosobranchia, Muricacea). I. Banding in populations from Vancouver Island. Biological Bulletin 169: 638—651. (December. 1985) demonstrated the inheritance of colour, banding and spiral shell sculpture using breeding experiments in .
  11. Peter S. Petraitis (June 1987): "Immobilization of the predatory gastropod, Nucella lapillus, by ist prey, Mytilus edulis." The Biological Bulletin Vol. 172, pp. 307-314.
  12. H. B. Moore (1938): The biology of Purpura lapillus. 2. Growth. Journal of the Marine Biological Association of the United Kingdom, vol. 23, pp. 57-66.
  13. Whelks and purple dye in Anglo-Saxon England. Carole P. Biggam. Department of English Language, University of Glasgow, Scotland, UK THE ARCHAEO+MALACOLOGY GROUP NEWSLETTER. Issue Number 9, March 2006.
  14. Henry, F., 1952. A wooden hut on Inishkea North, Co. Mayo (Site 3, House A). Journal of the Royal Society of Antiquaries of Ireland, 82: 163-178.
  15. P.E. Gibbs, G.W. Bryan (1986): Reproductive failure in populations of the dog-whelk Nucella lapillus, caused by imposex induced by tributyltin from antifouling paints. Journal of the Marine Biological Association of the United Kingdom, vol. 66, pp. 767-777.
  16. Beatrice Froese, Barbara Kohmanns (1997): Umweltchemikalien mit hormoneller Wirkung. Bayerisches Landesamt für Umwelt.
  17. Anlage 1 zur Bundesartenschutzverordnung

Literatur

Commons: Nucella lapillus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien