Aristide Briand
Aristide Briand (* 28. März 1862 in Nantes, Frankreich; † 7. März 1932 in Paris) bekleidete zwischen 1909 und 1932 mit Unterbrechungen wechselnd die Ämter des französischen Ministerpräsidenten, das des Unterrichts- oder des Außenministers. Er war insgesamt elfmal Regierungschef und dreiundzwanzigmal Minister in einem der rasch wechselnden Kabinette der Dritten Republik. 1926 erhielt er für seine Mitarbeit an den Verträgen von Locarno zusammen mit Gustav Stresemann den Friedensnobelpreis.
Leben
Herkunft und Kindheit
Briand wurde am 28. März 1862 in der westfranzösischen Hafenstadt Nantes geboren. Seine Eltern besaßen in der Rue du Marchix im Hafenviertel ein bescheidenes kleines Café namens "Croix Verte". Die Gäste waren hauptsächlich Matrosen und Hafenarbeiter.
Als Briand, der "Ary" genannt wurde, zwei Jahre alt war, zog seine Familie nach Saint-Nazaire, einer Hafenstadt an der Loiremündung. Hier eröffnete sein Vater einen Wein- und Spirituosenhandel, den er jedoch bald verkaufte, um ein „Café chantant“, ein kleines Musikcafé, zu eröffnen. Auch die Gäste dieses Cafés waren Seeleute, die hier die Bekanntschaft von Mädchen aus der Stadt suchten.
Briand besuchte die höhere Bürgerschule von Saint-Nazaire. Er war kein fleißiger Schüler und störte gelegentlich den Unterricht durch kleine Späße, jedoch fiel seinen Lehrern schon früh seine außergewöhnliche Intelligenz, Geistesschärfe und Auffassungsgabe auf. Er erhielt mehrfach Preise für das auswendige Rezitieren langer Texte, was ihm Dank seines hervorragenden Gedächtnisses nicht schwer fiel. Er wurde zum Protegé des Schulleiters Genty, den er „papa“ nannte. Dieser unternahm mit Briand lange Spaziergänge, auf denen er mit dem Jungen viel über Philosophie und Literatur sprach und so großen Einfluss auf dessen Denken und Rhetorik hatte. Briand behielt seinen Mentor stets in liebevoller Erinnerung und verlieh diesem später als Unterrichtsminister das Kreuz der Ehrenlegion.
Mit 16 Jahren erhielt Briand aufgrund seiner Begabung ein Stipendium für das Lycée in Nantes und zog dorthin, um als Internatsschüler das Baccalaureat, das französische Abitur, zu machen. Bilder aus dieser Zeit zeigen Briand als schlanken, gepflegten jungen Mann, der jedoch leicht kränklich wirkt. Seine Freunde nannten ihn scherzhaft „Trompe la mort“ (der den Tod betrügt), da eine kurze Zeit der Verdacht auf eine Tuberkuloseerkrankung bestand. In Nantes begegnete er Jules Verne, der Gönner eines Mitschülers von Briand war. Der Schriftsteller fand großen Gefallen an den Gesprächen mit dem intelligenten jungen Mann und lud ihn an Wochenenden wiederholt zu Spaziergängen durch Nantes und die Umgebung ein. Verne nahm den Charakter des 16jährigen Briand in seinem 1888 veröffentlichten Roman „Deux ans de vacances“ (deutscher Titel: „Zwei Jahre Ferien“) zum Vorbild für die Figur des „Briant“. Dieser ist der Anführer einiger Kinder, die durch ein Unglück allein auf einer einsamen Insel stranden. Die Figur des Briant zeichnet sich in dem Roman durch ihre Intelligenz und ihren Wagemut aus.
Politisches Wirken
Nach seinem Studium der Rechtswissenschaften trat Briand der Französischen Sozialistischen Partei bei und schrieb für mehrere linke Zeitungen, so zum Beispiel für das anarchistische Blatt „Le Peuple“. 1904 später gründete er gemeinsam mit Jean Jaurès die noch heute existierende Zeitung l'Humanité. Nachdem es ihm zwei Jahre zuvor nach mehreren Anläufen gelungen war, als Abgeordneter ins Parlament gewählt zu werden, setzte er sich für die Abschaffung des Religionsunterrichts und die Trennung von Kirche und Staat ein, die er als Berichterstatter der zuständigen Parlamentskommission gegen den zum Teil erbitterten Widerstand der Rechten und der katholischen Kirche 1905 durchsetzen konnte. 1906 nahm Briand, der sich zuvor wiederholt mit seiner Forderung eines bloc von Sozialisten und den bürgerlichen Radikalsozialisten nicht hatte durchsetzen können, das Angebot des neuen Ministerpräsidenten, des Radikalsozialisten Ferdinand Sarrien, an und wurde Unterrichtsminister. Als er daraufhin aus der sozialistischen Partei ausgeschlossen wurde, gründete er eine eigene Partei, die „Republikanischen Sozialisten“, mit der er einen undogmatischen, nicht-marxistischen Kurs verfolgte. Er blieb Unterrichtsminister auch in den folgenden Kabinetten bis 1909 und setzte das von ihm mitgeschaffene laizistische Gesetz in die Praxis um, wobei es dem geschmeidigen Unterhändler gelang, Kompromisse mit dem Vatikan zu finden, der das Gesetz zuvor bekämpft hatte.
Nach dem Ersten Weltkrieg zählte Briand zu den Unterstützern der internationalen Friedensbemühungen und des Völkerbundes. Nachdem er 1921 erneut die Regierungsgeschäfte übernahm, trat er ein Jahr später wieder zurück, da er die harten Bedingungen des Versailler Friedensvertrages gegenüber Deutschland kritisiert hatte. Aristide Briand war 1925 Chefarchitekt der Verträge von Locarno. 1926 bekam er dafür zusammen mit dem deutschen Außenminister Gustav Stresemann den Friedensnobelpreis. Außerdem war er 1928 Initiator des Briand-Kellogg-Paktes, eines Vertrages über den gegenseitigen Verzicht auf Krieg zwischen Staaten.
Briand war wie Stresemann Freimaurer und wurde in der Loge Le Trait d'Union de Saint Nazaire (GOdF) initiiert. In Paris wechselte er zur Loge „Le Chavalier du Travail“.
Werke
- Aristide Briand: Frankreich und Deutschland
Literatur
- Maurice Baumont: Aristide Briand - Diplomat und Idealist, Musterschmidt-Verl., Göttingen 1966
- Ernst Geigenmüller: Briand: Tragik des grossen Europäers, Athenäum-Verl., Bonn 1959
- Daniel Müller Hofstede: Aristide Briand und der französische Sozialismus. Die Frühzeit des Politikers 1883-1906, Lit Verl., Münster, 1996, ISBN 3-8258-2756-9 (Zugl. Freiburg Univ. Diss. 1995)
- Victor Margueritte: Aristide Briand, S. Fischer Verlag, Berlin 1932
- Ferdinand Siebert: Aristide Briand: 1862-1932. Ein Staatsmann zwischen Frankreich und Europa, Rentsch, Erlenbach-Zürich, 1973, ISBN 3-7249-0439-8
- Max Josef Wolff: Der Rattenfänger von Europa : Aristide Briand, Brunnen-Verl., Berlin 1931
Weblinks
- Ausführliche Biografie (engl.)
- Informationen der Nobelstiftung zur Preisverleihung 1926 an Aristide Briand (englisch)
- Vorlage:PND
Vorgänger: |
Nachfolger: |
Personendaten | |
---|---|
NAME | Briand, Aristide |
KURZBESCHREIBUNG | französischer Ministerpräsident und Außenminister |
GEBURTSDATUM | 28. März 1862 |
GEBURTSORT | Nantes, Frankreich |
STERBEDATUM | 7. März 1932 |
STERBEORT | Paris, Frankreich |