Diabetes mellitus
Diabetes mellitus (DM) (v. griech. διάβασις „Durchgang“ und lat. mellitus „honigsüß“) ist die Bezeichnung für eine Gruppe von Stoffwechselkrankheiten und beschreibt deren ursprüngliches Hauptsymptom: Ausscheidung von Zucker im Urin. Inzwischen ist es in der Fachsprache der Sammelbegriff für eine heterogene Störung des Stoffwechsels, deren Leitbefund eine Hyperglykämie (Überzuckerung des Blutes) ist. Ursache ist entweder ein Insulinmangel, eine Insulinresistenz (Insulinunempfindlichkeit) oder beides. Je nach Ursache gibt es unterschiedliche Diabetestypen, zunächst sollen aber die verbindenden Gemeinsamkeiten erläutert werden.
Physiologische Grundlagen
Der Verdauungsapparat verarbeitet die mit der Nahrung aufgenommenen Kohlenhydrate, die beispielsweise in Zucker, Brot und anderen Getreideprodukten enthalten sind, in Glucose. Diese wird anschließend über die Blutbahn im gesamten Körper verteilt. Die Bauchspeicheldrüse erzeugt ihrerseits in den Langerhansschen Inseln das regulierende Hormon Insulin. Dieser Wirkstoff dockt an den Körperzellen an und bewirkt die Öffnung von Poren in den Zellmembranen, durch welche die Glucose in die Zellen zu ihrer Energiegewinnung gelangt. Im Blutkreislauf darf sich jedoch eine größere Menge von Glucose nicht länger als maximal 5 bis 6 Stunden befinden, da sie sonst u. a. eine schädigende, irreversible (nicht mehr rückgängig zu machende) chemische Verbindung mit den Zellmembranen eingehen kann, die nicht durch einen niedrigen Stoffwechsel zu kompensieren (auszugleichen) ist. Weiterhin werden die für das Immunsystem zuständigen weißen Blutkörperchen in ihrer Funktion behindert, was insgesamt eine Schwächung des Immunsystems bewirkt. Über den Blutparameter (Blutkennzeichen) des HbA1c wird der durchschnittliche Blutzuckerspiegel der letzten acht bis zehn Wochen ermittelt. Ein gesunder Mensch hat einen HbA1c von etwa 4 bis 7 %. Ist dieser Wert dauerhaft deutlich erhöht, dann befindet sich also ständig eine zu große Menge Blutzucker frei zirkulierend im Blutkreislauf und man spricht von einem Diabetes mellitus.
Mechanismus der Insulinfreisetzung

In den Langerhans'schen Inseln, die zu etwa 60 Massenprozent aus Beta-Zellen bestehen, wird durch den oxidativen Abbau von Glukose ATP gebildet. Die Kaliumkanäle in den Beta-Zellen sind ATP-gesteuert; durch die Anhäufung von ATP wird die Kaliumpermeabilität gesenkt, es werden also weniger Kaliumionen transportiert. Somit wird das Membranpotenzial erniedrigt, wodurch ein Kalziumionen-Einstrom induziert wird. Eine erhöhte Ca2+-Konzentration löst die exocytotische (per aktiven/passiven Transport durch die äussere Zellmembran) Insulinsekretion aus. Dies nennt man auch den betazytotopen Effekt. In der Schemazeichnung sind SUR1 und Kir6.2 die Untereinheiten des ATP-gesteuerten Kaliumkanals.
Die Kaliumkanäle der Beta-Zellen bestehen aus zwei Untereinheiten, Kir6.2 und SUR1. Bei Kir6.2 handelt es sich um eine Membranpore, SUR1 (Sulfonylharnstoff-Rezeptor, Subtyp 1) bindet Sulfonylharnstoff. Wenn Sulfonylharnstoff-Derivate an die intrazelluläre Seite von SUR1 binden, so schließen sich die Kaliumkanäle. Somit haben solche Derivate eine Steuerungsfunktion für die exocytotische Insulinsekretion. Dies erklärt auch, warum Sulfonylharnstoff-Derivate nur dann Wirkung zeigen, wenn die Beta-Zellen noch in der Lage sind, zumindest zum Teil noch selbst Insulin herzustellen, da sie nur die Freisetzung, nicht aber die Produktion induzieren (veranlassen).
WHO-Einteilungen
Hinsichtlich der Unterscheidung verschiedener Erkrankungstypen veröffentlichte 1965 die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Empfehlungen zur Klassifikation und Diagnostik [WHO, 1965]. 1997 änderte die Amerikanische Diabetes Gesellschaft (ADA) die Kriterien für Klassifizierung und Diagnose, die 1998 von der WHO und 2000 von der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) 2000 übernommen wurden. In dem neuen Modell wird nicht mehr zwischen insulinabhängigem Diabetes mellitus (IDDM) und nicht-insulinabhängigem Diabetes mellitus (NIDDM) unterschieden, da sich diese Einteilung nur auf die Behandlung und nicht auf die Krankheitsursache bezieht.
WHO-Einteilung bis 1997
Bis zu diesem Datum wurde der Diabetes mellitus von der WHO nach der Art der Behandlung in fünf Gruppen eingeteilt:
- NIR: (non-insulin-requiring) Behandlung ohne externe Insulinzufuhr, z. B. nur mit Diät und/oder oralen Antidiabetika.
- IRC: (insulin requiring for control) Neben dem körpereigenen Insulin wird zusätzlich externes Insulin benötigt, um erhöhte Blutzuckerwerte zu senken.
- IRS: (insulin requiring for survival) Externe Insulinzufuhr wird zum Überleben benötigt. Dabei handelt es sich nach der alten Einteilung um Typ-1-Diabetes und um Typ-2-Diabetes mit stark reduzierter oder eingestellter eigener Insulinproduktion.
- IGT: (impaired glucose tolerance) Gestörte Glucosetoleranz.
- ND: (non diabetic) Nicht an Diabetes erkrankt.
WHO-Einteilung seit 1998
Seit diesem Datum teilt einerseits die Weltgesundheitsorganisation und andererseits ab dem Jahr 2000 die Deutsche Diabetes Gesellschaft die Erkrankung je nach Ursache in folgende Krankheitstypen auf:
- Typ-1-Diabetes mellitus: absoluter Insulinmangel aufgrund meist autoimmunologisch bedingter Destruktion (Zerstörung) der Inselzellen des Pankreas (früher Jugenddiabetes genannt)
- Typ 1a: immunologisch vermittelte Form
- Typ 1b: idiopathische Form
- Typ-2-Diabetes mellitus: Insulinresistenz (Hyperinsulinismus) dadurch relativer Insulinmangel. In der Folge nachlassende (versagende) Insulinproduktion. Oft im Zusammenhang mit Übergewicht und Metabolischem Syndrom (früher Altersdiabetes genannt)
- Typ-3-Diabetes mellitus: Alle anderen spezifischen Formen.
- Typ 3A: Betazellen genetisch gestört
- Typ 3B: genetische bedingte Insulinresistenz
- Typ 3C: Bauchspeicheldrüse (Pankreas) erkrankt oder zerstört
- Typ 3D: Diabetes durch hormonelle Störungen
- Typ 3E: Diabetes durch Chemikalien oder Drogen
- Typ 3F...3H weitere Ursachen
- Typ-4-Diabetes mellitus: Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes, GDM)
In dieser Einteilung fehlt die so genannte LADA-Form. Es handelt sich um eine spät auftretende und milde Form eines Typ-1-Diabetes. Es lassen sich Autoimmunvorgänge nachweisen und damit eine Sonderform des Diabetes mellitus Typ 1a feststellen. Meist sind die betroffenen Personen normalgewichtig und brauchen anfangs nur orale Antidiabetika oder eine niedrige Dosis Insulin.
In dieser Einteilung fehlt weiterhin die MODY-Form des Diabetes mellitus. Der MODY-Diabetes (maturity-onset diabetes in the young) tritt bei Kindern und Jugendlichen auf und erfordert längere Zeit keine Insulingaben. Es lassen sich mehrere genetische Defekte als Ursache der Blutzuckererhöhung feststellen und so eine Zugehörigkeit zum Diabetes mellitus Typ 3 (meist 3A) erkennen.
Verbreitung aller Typen
Laut Zahlen der "International Diabetes Federation", werden im Jahre 2025 weltweit 333 Millionen Diabetiker erwartet. Der neue Diabetes-Atlas weist eine Zahl von 314 Millionen Menschen aus, die ein Risiko haben, an Diabetes mellitus zu erkranken. Die meisten Menschen mit Diabetes mellitus sind im Alter zwischen 40 und 59 Jahren, wobei 10 % mehr Frauen als Männer Diabetes mellitus und 20 % mehr Frauen als Männer eine gestörte Glucosetoleranz haben.
Während 1960 nur 0,6 % der Deutschen an Diabetes litten, waren es im Jahr 2005 10 %. Derzeit leiden 6,3 Millionen Menschen in Deutschland an Diabetes. Experten schätzen, dass ihre Zahl im Jahre 2010 auf zehn Millionen angestiegen sein wird. Jeder einzelne Fall kostet im Durchschnitt 5000 Euro.
Diagnose allgemein für alle Typen
In der Antike wurde die Diagnose durch eine Geschmacksprobe gestellt. Der Harn von Personen mit Diabetes wies einen süßlichen Geschmack auf.
Zur Diagnosestellung muss heute mindestens zweimal ein erhöhter Blutzuckerwert vorliegen. Zu beachten ist, dass für die verschiedenen Materialien (Kapillarblut oder venöses Blut, Messung im Plasma oder im Vollblut) verschiedene Grenzwerte gelten. Deren Festlegungen sind nicht weltweit gleich. Von Bedeutung sind die Definitionen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die der American Diabetes Association (ADA). Die Messung sollte zeitnah zur Blutentnahme erfolgen und muss mit einem Laborgerät durchgeführt werden; die auch in Praxen oder Krankenhäusern verbreiteten Patientenmessgeräte sind hierfür nicht geeignet. Schließlich sind Krankheitsbilder auszuschließen, die als Nebeneffekt vorübergehend zu erhöhten Blutzuckerspiegeln führen können.
Kriterien der ADA:
Diabetes mellitus liegt vor, wenn eines der folgenden Kriterien erfüllt ist (Glukose jeweils gemessen im Blutplasma):
- Nüchternblutzucker ≥ 7,0 mmol/l (126 mg/dl)
- Blutzucker ≥ 11,1 mmol/l (200 mg/dl) zwei Stunden nach der Gabe von 75g Glukose, das ist der orale Glukose-Toleranztest (oGTT)
- Blutzucker ≥ 11,1 mmol/l (200 mg/dl) und sonstige Anzeichen für Diabetes, wie beispielsweise starker Durst und häufiges Wasserlassen oder unerklärlicher Gewichtsverlust
Kriterien der Deutschen Diabetes Gesellschaft:
kein Diabetes: | 60-100 mg/dl nüchtern | < 140 mg/dl postprandial (nach dem Essen) |
Gestörte Glukosetoleranz: | 100-110 mg/dl nüchtern (IFG) | 140-200 mg/dl postprandial (IGT) |
Diabetes mellitus: | > 110 mg/dl nüchtern | > 200 mg/dl postprandial |
Langzeit-Blutzuckerwert
Der sogenannte HbA1c-Wert ist ein Langzeit-Blutzuckerwert, mit dem der durchschnittliche Blutzuckerspiegel der letzten acht bis zehn Wochen ermittelt werden kann. Er sollte sowohl bei Gesunden wie auch bei gut eingestellten Diabetikern stets unter sieben Prozent (< 7 %) liegen.
Symptome aller Typen
Da alle Krankheitstypen unbehandelt letztlich zu einem dauerhaft überhöhten Blutzuckerspiegel führen, ist es sinnvoll, die allen gemeinsamen Symptome hier zusammenzufassen.
Bei Hyperglykämie
(Überzuckerung = überhöhte Blutzuckerwerte)
- Durst
- häufiges Wasserlassen (Harndrang)
- Müdigkeit
- Antriebsarmut
- Kraftlosigkeit
- Sehstörungen
- Juckreiz
- Entzündungen der Haut
- schlecht heilende Wunden
- Infektionen an den Geschlechtsorganen
- Harnwegsinfekte
- Gewichtsverlust
- Fußprobleme
- Muskelzuckungen
Ein besonderes Erscheinungsmerkmal des fortgeschrittenen Diabetes mellitus ist das „honigsüße Hindurchfließen“. Damit ist die Glukoseausscheidung im Urin gemeint, die bei Blutzuckerspiegeln über 180 mg/dl auftritt. Bei diesen Werten kommt die Niere mit ihrer Filterleistung nicht mehr nach (Nierenschwelle) und Glucose tritt in den Urin über (Glucosurie). Meist leiden Diabetiker dann darunter, häufig auf Toilette gehen zu müssen (Polyurie), da die Niere versucht, überflüssigen Zucker über den Urin abzulassen. Weil sie so häufig auf Toilette gehen müssen, haben sie auch einen vermehrten Durst und müssen viel trinken (Polydypsie).
Eine Hyperglykämie in Verbindung mit absolutem Insulinmangel führt zum diabetischen Koma, auch hyperglykämisches Koma.
Bei Hypoglykämie
(Unterzuckerung = zu niedrige Blutzuckerwerte)
Blutzuckersenkende Medikamente führen bei Überdosierung oder bei einer zu geringen Nahrungsaufnahme zwangsläufig zu einer Hypoglykämie. Folgende Symptome sind dabei typisch:
- Kribbeln
- pelziger Mund
- Blässe
- Schweißausbrüche (kalter Schweiß)
- weiche Knie
- Nervosität
- Zittrigkeit
- Heißhunger
Bei schwerster Hypoglykämie
- Sehstörungen
- Konzentrationsstörungen
- Sprachstörungen
- Schwindelzustand
- Lähmungen
- Krämpfe
- zunehmende Trübung des Bewusstseins, bis hin zur Bewusstlosigkeit
- irreversible (bleibende) Hirnschäden bis zum apallischen Syndrom oder sogar Tod
Allen Typen gemeinsame Folgeerkrankungen und Spätschäden
An Diabetes Erkrankte haben erhöhte Risiken einiger Erkrankungen. Typische Spätschäden können sein:
- Schädigung der kleinen Blutgefäße (Mikroangiopathie): Hierbei kommt es zur Erkrankung der kleinen sauerstoffhaltigen Blutgefäße, die dadurch auch eine diabetische Netzhauterkrankung hervorrufen können. Diese Erkrankung wird zu den häufigsten Ursachen der Erblindung gezählt. Sie führt oft auch zu Minderdurchblutungen des Gehirns und zu einer schlechten Ausheilung von Fußwunden.
- Periphere Nervenschädigungen (Polyneuropathie) mit Empfindungsstörungen und z. T. erheblichen Schmerzen, vor allem in den Beinen
- Diabetischer Fuß: Bei dieser Erkrankung werden kleine Hautgefäße durch Druckstellen an Zehen oder Ferse geschädigt. Dies kann dazu führen, dass durch schlechte Durchblutung Gewebe zerstört wird (Nekrosen) und es zu septischen Infektionen kommt. Es besteht das Risiko der Bildung von tiefen lochförmigen Hautgeschwüren. Durch die verminderte Schmerzwahrnehmung werden kleinere Verletzungen nicht oder zu spät bemerkt, auch wenn schon schwerwiegende Gewebsdefekte aufgetreten sind. Um dem diabetischen Fuß vorzubeugen, sollte man Füße sauber und trocken halten, sie entlasten und täglich auf schlecht durchblutete, bläuliche Stellen und Verletzungen prüfen. Außerdem sollte man stets bequeme Strümpfe und Schuhe tragen und Druckstellen sorgfältig vermeiden.
- Schädigung der großen Blutgefäße (Makroangiopathie): Dabei handelt es sich um eine Erkrankung der großen sauerstoffhaltigen Blutgefäße. Diese Krankheit führt gehäuft zu Herzinfarkt, Schlaganfall und Durchblutungsstörungen (schmerzhafte Einschränkung der Gehstrecke, Schaufensterkrankheit)
- Hoher Blutdruck (Hypertonie): Als komplexe Folge diabetischer und hypertoner Gefäßschäden und einer diabetisch bedingten oder durch aufsteigende Harnwegsinfektionen hervorgerufenen Nierenschädigung.
- Fettleber und Fettleberhepatitis: Durch die Beeinträchtigung des Fettstoffwechsels kommt es zu einem verstärkten Abbau der köpereigenen Fettbestände (einer verstärkten Lipolyse) und Neubildung der Triglyceriden (Verbindung eines Alkohols mit Fettsäuren, 95 % des menschlichen Körperfetts besteht daraus) in den Leberzellen. Dies führt zu einer Verfettung der Leber.
- Nierenschädigung (Nephropathie) von leichter Eiweißausscheidung bis zum Nierenversagen mit Dialyseabhängigkeit.
- Diabetisches Koma: Das diabetische Koma ist die schwerste Entgleisung des Diabetes, es ist lebensgefährlich. Bei einem diabetischen Koma können die Blutzuckerwerte über 1000 mg/dl (normaler Blutzuckerwert: 60-120 mg/dl) erreichen. Außerdem kommt es zu einer schweren Übersäuerung des Blutes (metabolische Azidose). Ein solches Koma wird meist durch Infekte, Diätfehler (zu viel Kohlehydrate) oder bei insulinspritzenden Diabetikern durch falsche Dosierung des Insulins verursacht.
Prognoseverbesserung allgemein
Eine Verbesserung der Prognose über die Wahrscheinlichkeit von Spätschäden (siehe unten) ist sicher (durch die DCCT-Studie und andere Studien belegt) durch eine Normalisierung der Blutzucker- und HbA1c-Werte erreichbar. Beim alimentär bedingten Altersdiabetes muss die Prognoseverbesserung durch Tabletten allerdings erst nachgewiesen werden.
Personen, die ihren Lebensstil nicht entsprechend den Empfehlungen (siehe UKPDS-Studie, Steno-2-Studie) ändern, haben ein erhöhtes Risiko, Spätschäden zu erleiden. Nur eine Minderzahl von Diabetikern bleibt trotz schlechter Lebensgewohnheiten (fettes Essen, Bewegungsmangel, mangelhafte Kontrolle des Blutzuckers) von Spätschäden verschont (siehe auch metabolisches Syndrom).
Die Verzuckerung der Zellen (messbar anhand der Glycolisierung der roten Blutkörperchen durch den HbA1c-Wert) geht bereits nach 2 Stunden erhöhtem Blutzuckerwert eine irreversible chemische Verbindung mit den Zellmembranen ein, die nicht durch einen niedrigen Stoffwechsel kompensiert oder rückgängig gemacht, sondern höchstens aufgehalten werden kann, um Spätschäden zu vermeiden. Oberstes Ziel der Diabetestherapie ist es daher, diese irreversible chemische Reaktion der Glucoseablagerungen zu minimieren. (AGE-"RAGE"-Bildungsprozess (siehe Typ-2-Diabetes mellitus - Neue Erkenntnisse zu einer Volkskrankheit - Hellmut Mehnert, Thomas Haak, - Diabetes Akademie Bad-Mergentheim - 1. Auflage 2003 - Seite 40, 1. Absatz)
Die Chance auf ein langes Leben frei von Spätschäden ist um so größer, je niedriger die Glycolisierung ist. Starke Schwankungen des Blutzuckerspiegels verringern diese Chance. Ein zu niedriger Blutzuckerspiegel und zu hoher Insulinspiegel schädigt die Intima media (Innenwand der Blutgefäße) genauso wie ein zu hoher Blutzuckerspiegel. Bei jedem Betroffenen muss individuell festgestellt werden, wie die niedrigsten Blutzuckerwerte mit der niedrigsten Zahl von Hypoglycämien erreicht werden können.
Für den betroffenen Diabetiker gilt deshalb, dass er selbst zum Spezialisten für seine Krankheit werden und Verantwortung übernehmen sollte. Er muss die Feinsteuerung und nach Möglichkeit auch die Basalratenfindung im Alltag selbst lösen, da nur er die genaue Reaktion seines Körpers durch die Rahmenbedingungen (Essen, Bewegung, Insulin, Krankheit, Sport ...) kennt und einzuschätzen kann. Insofern verbessert sich die Prognose, wenn sich die Betroffenen durch Wechsel der Lebensführung, Wissensaneignung und Umsetzung des Wissens um ihre Krankheit bemühen.
Diabetes Typ 1
Bei diesem Krankheitstyp zerstört das körpereigene Immunsystem selbst die insulinproduzierenden Betazellen und die Bauchspeicheldrüse kann somit kein Insulin mehr liefern.
Verbreitung
Von den geschätzten 180 Millionen Diabetikerinnen und Diabetikern weltweit (5,1 % der erwachsenen Weltbevölkerung) sind nur etwa 10 % von der Typ-1-Zuckerkrankheit betroffen.
Ursachen
Relativer oder absoluter Insulinmangel bei Funktionsstörung der Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse, die das Insulin bilden. Meist sind über 80 Prozent dieser insulinproduzierenden Zellen dauerhaft zerstört.
Folgende Argumente sprechen für eine multifaktorielle Genese (durch viele Einflüsse bedingte Entstehung bzw. Entwicklung), bei der jedoch ein Selbstangriff des Körpers auf die Inselzellen der Bauchspeicheldrüse am Ende steht:
- Genetische Prädisposition beim Typ-1-Diabetes in ca. 30 %.
- Kuhmilch-Hypothese zur Erklärung des erhöhten Risikos von Kindern mit nur kurzer Stillzeit für die Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ 1.
- Diabetogene (Diabetes verursachende) Viren: Coxsackie B-Viren (besonders B4), intrauterine (in der Gebärmutter während der Schwangerschaft stattfindende) Rötelninfektion mit dem Rubivirus (führt in 50 % zum Diabetes), Echoviren, Cytomegalievirus (CMV), Herpesviren. Alle diese Viren können möglicherweise eine autoimmune (durch das eigene Immunsystem verursachte) Zerstörung der Inselzellen des Pankreas auslösen.
Neuesten Forschungsergebnissen zufolge löst offenbar das Hormon Insulin selbst den Angriff des Immunsystems auf die Bauchspeicheldrüse aus. Lymphozyten von Typ-1-Diabetikern reagieren nachweislich auf einen bestimmten Teil des Insulineiweißes. Damit ist das normale Insulin selbst bei dieser Diabetesvariante ein wichtiges Antigen und kann daher auch ein Zielpunkt für eine neuartige Therapie werden.
Spezielle Symptome
Siehe: Symptome aller Typen.
Therapie
Beim Diabetes vom Typ I RS bzw. 1 muss das fehlende körpereigene Insulin künstlich zugeführt werden (siehe Insulintherapie).
Im Januar 2005 transplantierte Shinichi Matsumoto vom Kyoto University Hospital, Japan, erstmals erfolgreich Inselzellen eines Lebendspenders, sodass die Empfängerin anschließend keine Insulingaben mehr benötigte.
Diabetes-Diät
Eine ausgewogene Ernährung besteht aus etwa 50-60 % Kohlenhydraten, 10-15 % Eiweiß und 20-30 % Fett. Der normalgewichtige Typ-1-Diabetiker kann sich ganz normal ernähren wenn er seinen Blutzuckerspiegel im Griff hat. Inklusive Süßigkeiten. Von der GMA empfohlene Mengen sind etwa 4 Gramm Kohlehydrate pro Tag und Kilo Körpergewicht.
Die durch intensivierte Insulintherapie (Basis-Bolus-Therapie, ICT) behandelten Typ-1-Diabetiker bekommen so die Möglichkeit, selbst über die Zusammensetzung ihrer Ernährung zu entscheiden. Die Broteinheit wird deshalb von den heute geschulten Typ-1-Diabetikern lediglich zur einfacheren Berechnung der bei einer Mahlzeit verzehrten Kohlendydrate verwendet, statt - wie früher - zur Mahlzeitenplanung und Kohlenhydratereduktion. Eine Berechnung der Kohlenhydrate ist dann zur Errechnung einer für die jeweilige Mahlzeit notwendigen Insulindosis ("Bolusinsulin") von Bedeutung, wobei die Gesamtmenge der Kohlenhydrate oft zwecks besserer Diabeteseinstellung bei normalgewichtigen Patienten nicht mehr begrenzt wird.
Schnell wirkende Insuline (Insulinanaloga mit Wirkzeit von 3-3,5 Stunden) lassen eine Korrektur zu hoher Blutzuckerspiegel (problematisch ab 5 bis 6 Stunden) noch zu. Daher kann ein an Typ-1 Erkrankter auch mal ein Schokoladeneis oder eine Scheibe Brot "zuviel" essen.
Bewährt hat es sich jedoch, die Broteinheiten in Form von niederglykämischen Kohlenhydraten wie Vollkornbrot zu sich zu nehmen, da dies den Blutzuckerspiegel langsamer ansteigen lässt. So konnte in der Zeit vor Vermarktung schnellwirkender Insulinanaloga (Stoffe, die in ihrer Grundstruktur gegenüber dem Insulin verändert sind) - Wirkzeit ca. 3 Stunden, erhältlich seit Ende der 1990er Jahre - unter Verwendung vom "Normalinsulin" (Wirkzeit ca. 5 Stunden) die nach einer Mahlzeit entstehende vorübergehende Überzuckerung vermieden werden.
Sozialmedizinische Bedeutung und Kosten
Die Kosten der Insulinbehandlung bei Typ-1-Diabetikern sind vergleichsweise gering und wurden in Deutschland bis zur Gesundheitsreform von den Krankenkassen übernommen. Typ-1-Diabetiker müssen nun je nach Insulin 5 bis 10 € aufzahlen. Dazu kommen weitere Kosten für Selbstbeteiligungen. Die Kosten für Blutzuckermessungen (Messgerät und Teststreifen) werden von den Krankenkassen getragen. Jedem Typ-1-Diabetiker stehen pro Quartal mindestens 500 Teststreifen zu.
In Österreich werden sämtliche Utensilien (Pens, Messgeräte, Lanzetten und Nadeln) von den Krankenkassen zur Verfügung gestellt. Das Insulin ist jedoch rezeptpflichtig mit der aktuellen Gebühr von 4,45 €.
Diabetes Typ 2
Bei diesem Krankheitstyp produziert der Körper zu Beginn der Erkrankung viel Insulin. Die Insulinmenge reicht jedoch nicht aus, um den Blutzucker zu kontrollieren. Früher hatte der Diabetes Typ 2 den Beinamen Altersdiabetes, weil er in der Regel erst nach dem 30. Lebensjahr auftritt. Allerdings wird Diabetes Typ 2 bei immer jüngeren Menschen diagnostiziert, in letzter Zeit sogar bei Jugendlichen. Deswegen ist der Begriff Altersdiabetes nicht mehr angebracht.
Der Typ-2-Diabetes wird oft nicht erkannt, nicht ernst genommen oder unzureichend behandelt und Ärzte sind bei der Behandlung bisweilen unsicher. Um eine gleichbleibende Qualität zu erreichen, fördern die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland seit 2003 einheitliche Diagnose- und Therapierichtlinien für interessierte Mediziner im Rahmen des sogenannten Disease-Management-Programmes (DMP) für Diabetes Typ 2.
Verbreitung
Der Diabetes-Typ 2 ist mit 90 % zur Massenerkrankung geworden, und zwar vorwiegend in den industrialisierten Ländern. Hauptursachen sind Bewegungsmangel und daraus resultierend Übergewicht. Nahezu alle Diabetes-Typ-2-Patienten könnten auf Medikamente verzichten, wenn sie sich mehr bewegen und ihr Gewicht reduzieren würden. Dadurch gewinnen die Körperzellen ihre Insulin-Aufnahmefähigkeit zurück (Zahl der Rezeptoren je Zelle kann durch Bewegunsgtraining verdoppelt werden), sodass das körpereigene Insulin ausreicht. Bei den vermeidbaren Fällen von Diabetes belaufen sich die Kosten auf ca. 27 Mrd. €. Für die Behandlung müssten im Jahr 2010 jährlich 40 Milliarden Euro aufgewendet werden. Besorgniserregend ist der dramatische Anstieg zuckerkranker übergewichtiger Kinder.
Die USA weisen ein ähnliches Verhältnis von Typ-1-Diabetes (ca. 10 %) und Typ-2-Diabetes (ca. 90 %) auf. Die höchste Erkrankungsrate hat der Inselstaat Nauru, wo etwa 30 % der Bevölkerung an Diabetes mellitus und zugleich an Adipositas leidet.
Ursachen
Als eine der Hauptursachen für diesen Erkrankungstyp wird die Fettleibigkeit angesehen. Aus ihr resultiert eine verminderte Insulinempfindlichkeit (Insulinresistenz) der insulinabhängigen Körperzellen. Diese geht der Manifestation des Diabetes u. U. bis zu 20 Jahre voraus. Ein Forscherteam um Qin Yang von der Harvard Medical School in Boston (USA) hat 2005 herausgefunden, dass im Fettgewebe übergewichtiger Menschen das Eiweiß RBP4 in großen Mengen produziert wird. Dieses spezielle Eiweiß führt dazu, dass Muskel- und Leberzellen kaum noch auf das blutzuckerregulierende Hormon Insulin reagieren. (zu den therapeutischen Konsequenzen siehe unten unter Therapie/neue Forschungsansätze)
Ein weiterer entscheidender Faktor ist die genetische Veranlagung, wobei wahrscheinlich viele Gene beteiligt sind (heterogene Erkrankung). Die unterschiedliche Genetik ist wahrscheinlich der Grund für die unterschiedlichen Verlaufsformen. Im Jahr 2004 ist es Forschern am Wake Baptist Medical Center der Forest University (USA) gelungen, eines der beteiligten Gene zu ermitteln: PTPN1. Das auf dem humanen Chromosom 20 lokalisierte Gen kodiert für eine Protein Tyrosine Phosphatase (N1). Es gibt mehrere Varianten des PTN1-Gens: Die riskante Variante findet sich in etwa 35 % aller Individuen der weißen (amerikanischen) Population, während die protektive (schützende) Form bei rund 45 % vorkommt. Bei etwa 20 % der Individuen findet man die neutrale Variante von PTPN1. Ist das Protein der riskanten Variante im Organismus im Überfluss vorhanden, unterdrückt es die Insulin-Reaktion des Körpers, so dass mehr Glucose (Zucker) im Blutkreislauf verbleibt und sich der Typ-2-Diabetes manifestiert.
Die Existenz weiterer für Altersdiabetes verantwortlicher Gene gilt als gesichert. Die Forscher schätzen, dass bei etwa 20 % der hellhäutigen Bevölkerung das PTPN1-Gen verantwortlich ist. Bei den Afro-Amerikanern dagegen scheint das Gen keine Rolle zu spielen, ein weiterer Hinweis, dass mehrere Gene an der Entstehung des Typ-2-Diabetes beteiligt sind.
Als weiterer Faktor ist eine erhöhte Zuckerbildung in der Leber durch erhöhte Glukagonbildung in der Bauchspeicheldrüse festgestellt. Glukagon ist ein Hormon der Bauchspeicheldrüse, das den Zuckerspiegel anhebt. Es wird vermehrt als Antwort auf den Zuckerbedarf in den Körperzellen gebildet, die auf Insulin vermindert reagieren und daher weniger Zucker aufnehmen und verarbeiten können.
Noch nicht endgültig nachgewiesen ist eine direkte Mutagenese durch Strahlentherapie in Folge einer Krebsbehandlung.
Symptome
Viele Typ-2-Diabetiker haben jahrelang keine Symptome. Für später ohne Behandlung auftretende Krankheitszeichen siehe Symptome aller Typen.
Therapie
Beim Typ-2-Diabetes muss die erhöhte Insulinresistenz durch Gewichtsabnahme, mehr Bewegung oder Medikamente (orale Antidiabetika) (OAD) verringert werden. Eine medikamentöse Therapie ist erst nach Ausschöpfung der Diätmaßnahmen angezeigt und sollte sich am Körpergewicht und weniger am Blutzucker orientieren. Medikamente, die die Insulinausschüttung erhöhen (z. B. Sulfonylharnstoffe), dürften eine ungünstige Wirkung haben. Medikamente, die die Insulinresistenz reduzieren (Acarbose, Metformin), sind wahrscheinlich vorzuziehen.
Je besser es gelingt, die Blutzuckerwerte zu normalisieren (vor einer Mahlzeit bei 110 mg/dl, danach unter 140 mg/dl), umso geringer ist die Gefahr von Komplikationen. Die Schwierigkeit besteht darin, nicht über das Ziel hinauszuschießen und eine Unterzuckerung (Hypoglykämie) zu erzeugen. Wenn vorhanden, muss auch ein Bluthochdruck gesenkt werden.
Auch bei Typ-2-Diabetikern hilft eine regelmäßige Selbstkontrolle der Blutzuckerwerte, eine gesundheitsbewusste Diät einzuhalten und führt so nach einer wissenschaftlichen Untersuchung (ROSSO-Studie, siehe Weblinks) zu einem deutlichen Rückgang von Folgeerkrankungen und zu einer erheblichen Senkung der Todesrate.
Eine Operation, der laparoskopische Magen-Bypass, zur drastischen Gewichtsabnahme bei massivem Übergewicht (Körpermassenindex > 35), führt zu einer raschen Besserung, meistens sogar vollständigen Behebung des Altersdiabetes.
Orale Antidiabetika
- Acarbose (zum Beispiel Glucobay®)
- Biguanide (beispielsweise Metformin). Problem: Viele Kontraindikationen, z. B. Niereninsuffizienz.
- Sulfonylharnstoffe -> Hemmung der ATP-abhängigen Kalium-Kanäle (zum Beispiel Tolbutamid, Glibenclamid, Glimepirid). Problem: Zusätzliche Gewichtszunahme durch Insulinmast.
- Insulin-Sensitizer (beispielsweise Actos®, Avandia®). Sie richten sich gegen die Insulinresistenz; das im Blut vorhandene Insulin gelangt besser in die Zelle und kann dort seine Arbeit tun, nämlich aus der Nahrung gewonnene Glukose verwerten helfen. Problem: Noch zu wenig Erfahrung. Entzug der Zulassung einiger Sensitizer.
- Glinide (Novonorm, Starlix): Sie wirken auf die Bauchspeicheldrüse, die daraufhin mehr Insulin produziert. Sie wirken schneller und nicht so lange wie Sulfonylharnstoffe und werden zu den Mahlzeiten eingenommen nach dem Prinzip: "Eine Mahlzeit-eine Tablette, keine Mahlzeit-keine Tablette"
Neue Forschungsansätze
Unter den bereits zugelassenen und im Handel befindlichen Medikamenten haben die oben genannten Forscher aus Boston (USA) zwei Substanzen gefunden, die die Überproduktion von RBP4 in den Fettzellen von Diabetes-Typ-2-Patienten verringern können:
- Rosiglitazon (Handelsname Avandia) ist ein Wirkstoff, der die Rezeptoren der Körperzellen für Insulin empfindlicher macht.
- Fenretinid, ein Wirkstoff ursprünglich für die Krebstherapie geschaffen, führte in Tierversuchen mit Mäusen dazu, dass das überschüssige Enzym RBP4 über den Urin ausgeschieden wurde. Die behandelten Tiere verloren anschließend ihre Insulinresistenz.
- Exenatide wird aus dem Speichel einer Echsen-Art (Gila-Krustenechse) gewonnen und wirkt beim Menschen wie das Darmhormon GLP1, welches den Blutzuckerspiegel dauerhaft im Normalbereich halten kann. In den USA ist das Mittel bereits auf dem Markt, für die EU will der Pharmakonzern Lilly 2006 die Zulassung beantragen.
Diabetes-Diät
Eine ausgewogene Ernährung besteht aus etwa 50-60 % Kohlenhydraten, 10-15 % Eiweiß und 20-30 % Fett.
Eine übliche Diabetes-Reduktionsdiät beim übergewichtigen Typ-2-Diabetiker enthält beispielsweise 13 Broteinheiten (BE) verteilt auf 5 Mahlzeiten, wobei 1 Broteinheit 12 g Kohlenhydraten entspricht:
- 3 BE morgens
- 2 BE Zwischenmahlzeit
- 3 BE mittags
- 2 BE Zwischenmahlzeit
- 3 BE abends
Neben der BE-Berechnung muss auch die über das Fett aufgenommene Kalorienmenge berücksichtigt werden. Sie wirkt sich zwar nicht unmittelbar auf den Blutzucker aus, führt aber bei zu hoher Zufuhr zum Übergewicht und damit zur Insulinresistenz.
Bei den Kohlenhydraten sollten Vollkornprodukte bevorzugt werden, denn der hohe Ballaststoffgehalt wirkt sättigend und lässt den Blutzuckerspiegel langsamer ansteigen. Gleiches gilt für Kartoffeln, Milch, Obst und Hülsenfrüchte.
Einer ersten Studie zufolge bewirkt auch die Einnahme von Zimt bei Diabetes 2-Patienten eine kurzfristige Senkung des Blutzuckerspiegels.
Sozialmedizinische Bedeutung und Kosten
Die Kostensituation bei den Typ-2-Diabetikern stellt sich wie folgt dar: Gemäß der CODE-2® -Studie beliefen sich 1998 in Deutschland die durch Typ-2-Diabetes entstandenen volkswirtschaftlichen Gesamtkosten auf 16,05 Milliarden € (31,4 Mrd. DM). Hiervon trugen die gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen mit 61 % den Löwenanteil. Ein Patient mit Typ-2-Diabetes verursachte abhängig von seinem Komplikationsstatus (sekundäre durch die Diabetes verursachte Erkrankungen) 1,3- (keine Komplikationen) bis 4,1-fach (makro- und mikrovaskuläre Komplikationen) höhere Kosten als durchschnittlich für GKV-Versicherte ausgegeben wird. Die Hälfte der Gesamtkosten wurde durch die stationäre Behandlung verursacht, weitere 27 % der Ausgaben entfielen auf die medikamentöse Behandlung (davon Insulin und orale Antidiabetika: 7 %) und schließlich 13 % auf die ambulante Behandlung. Zusätzliche Kosten entstehen durch Patente: Insulinpatronen sind nur mit Pens bestimmter Hersteller nutzbar. Außerdem verhindern Patente das Eintreten neuer Unternehmen und damit Kostensenkungen.
Vergleich von Typ 1 und Typ 2
Typ 1 | Typ 2 | |
---|---|---|
Häufigkeit Deutschland | ca. 500000 | ca. 5 Mio bekannt, hohe Dunkelziffer |
Manifestationsalter (Lebensalter) | Kinder und Jugendliche, selten Erwachsene (bis ca. 30 Jahre) | Erwachsene (ab ca. 40 Jahre), in den letzten Jahren zunehmend auch junge Erwachsene, sogar Jugendliche |
Hauptursache | Genetische Prädisposition. Autoimmunprozess. Organisch: Zerstörung der Beta-Zellen | Genetische Prädisposition und Adipositas |
Behandlung | Insulintherapie | Gewichtsreduktion, orale Antidiabetika, u. U. Insulintherapie |
Typ-3-Diabetes mellitus
Typ 3D
Ein vermehrtes Vorkommen von Glukokortikoiden im Organismus durch medikamentöse Therapie oder eine Cushingsche Erkrankung bedingt oder begünstigt die Entstehung dieses Diabetestyps (kortikoidinduzierter Diabetes).
Typ-4-Diabetes mellitus
Therapie
Beim so genannten Gestationsdiabetes, der nur während der Schwangerschaft auftritt, sollte die Blutzuckerregulierung im Interesse des Kindes besonders streng erfolgen. Die Blutzuckerwerte sollten denen eines Nichtdiabetikers entsprechen. Dies ist oft durch Diät, manchmal erst durch Insulingabe möglich.
Allerdings ist in der Schwangerschaft während der Phase der Organgenese des Embryos unbedingt zu beachten, dass in dieser Phase auch bei einer Nicht-Diabetikerin ein grundsätzlich niedrigerer Blutzuckerwert als während der sonstigen Lebens- und Schwangerschaftsphasen zu messen sein wird. Ein möglicher Grund ist die Gefäßgröße der sich entwickelnden Organe des Embryos. Bei Blutzuckerwerten von mehr als 110 mg/dl ist mit einer gestörten Organbildung oder unreifen Organen des Kindes zu rechnen.
Charakteristisch für eine unzureichenden Diabeteseinstellung in der Spätschwangerschaft (letztes, 3. Trimenon, d. h. 27.-40. Schwangerschaftswoche) ist eine Makrosomie (übergroßes Neugeborenes).
Geschichte des Diabetes mellitus und des Wirkstoffs Insulin
Zuerst wurden bei kranken Menschen süßliche Urinausscheidungen entdeckt. Daher stammt der Name Diabetes mellitus. Als scheinbar logische Konsequenz durften die Patienten nichts "Süßes" oder Zuckerhaltiges mehr essen. Daher auch die Bezeichnung "Zuckerkrankheit". Handelsüblicher Zucker ist natürlich nur eine Form von Kohlenhydraten. Diese sind auch in vielen anderen Grundnahrungsmitteln enthalten, wie etwa Nudeln, Brot oder Kartoffeln.
Die physiologische Ursache von Diabetes mellitus blieb bis in das 20. Jahrhundert hinein ungeklärt. Erst 1921 gelang es Frederick Grant Banting und Charles Herbert Best, das Insulin zu isolieren. 1922 war eine wirkungsvolle Therapie gegen die Krankheit entwickelt.
Überraschend schnell erhielt Banting 1923 den Nobelpreis für Medizin. Das Preisgeld teilte er mit seinem Assistenten Best, der als Biochemiker dem Nobelpreiskommitee als nicht preiswürdig erschien.
Banting, Best und James Bertram Collip erwarben ein Patent auf ein Verfahren zur Extraktion von Insulin aus Bauchspeicheldrüsen von Rindern. Sie verkauften das Patent für einen symbolischen Dollar an die Universität von Toronto mit der Auflage, die Produktion von Insulin zu standardisieren und die Produktion auch wirklich umzusetzen. Damit verzichteten sie auf entsprechende patentrechtliche Einnahmen und ermöglichten somit eine rasche Verbreitung der Insulintherapie in aller Welt.
Im Laufe der Jahre wurden die Insuline immer weiterentwickelt und deren Wirkzeit immer weiter verkürzt. Moderne "Humaninsuline" wirken innerhalb von zwei Stunden. Zudem gibt es "Insulinanaloga", synthetische insulinähnliche Stoffe, die schon innerhalb einer Stunde wirken.
Eines dieser Insulinanaloga ist Lispro (Austausch der Aminosäure 28 (Prolin) und 29 (Lysin) von humanem Insulin), welches unter dem Handelsnamen Humalog von Lilly vertrieben wird. Wirkbeginn ist bereits nach ca. 15 min, Wirkhöhepunkt bereits nach ca. 45-60 min, und Wirkende nach ca. 90 min. Somit kann Humalog als erstes Insulin auch erst kurz nach der Nahrungsaufnahme injiziert werden, was eine bis dahin nie dagewesene Freiheit von Diabetikern ermöglichte.
Literatur, Abstracts
- Liebl A, Neiss A, Spannheimer A, Reitberger U, Wagner T, Gortz A, "Costs of type 2 diabetes in Germany. Results of the CODE-2 study", Dtsch Med Wochenschr. 2001 May 18;126(20):585-9
- Liebl A, Goertz A, Spannheimer A, Reitberger U, Renner R. Assessing cost of complications in patients with type 2 diabetes in Germany: Poster presentation at EASD, Jerusalem September 2000; Diabetologia, Vol. 43:1.
- The Diabetes Prevention Program Research Group: Impact of Intensive Lifestyle and Metformin Therapy on Cardiovascular Disease Risk Factors in the Diabetes Prevention Program. Diabetes Care 2005; 28: 888-894
- Knowler WC, Barrett-Connor E, Fowler SE et al.: Reduction in the incidence of type 2 diabetes with lifestyle intervention or metformin. N Engl J Med 2002; 346: 393-403
Literatur
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- Helmut Schatz: Diabetologie kompakt, Thieme, Stuttgart, 2004, ISBN 3-1313-7723-2
- Gerhard-Walter Schmeisl Schulungsbuch für Diabetiker, Elsevier, München, 2005, ISBN 3-4374-7271-2
- Renate Jäckle: Gut leben mit Typ-1-Diabetes, Elsevier, München, 2003, ISBN 3-4374-5297-5
- Rosemary Walker & Jill Rodgers: Diabetes - Die Krankheit verstehen - die Lebensqualität erhalten, DK, 2005, ISBN 3-8310-0661-X
- Elisabeth Lange: Diabetes Typ 2 (2002)
- Arthur Teuscher: Gut leben mit Diabetes Typ 2 (2002)
- Birgit Kuhn: Schwangerschaft, Diabetes und Kinderglück (2004)
- Peter Hürter, Karin Lange: Kinder und Jugendliche mit Diabetes (2004)
- Deutscher Diabetiker Bund (DDB): Kids und Diabetes (CD-ROM, ab 6 Jahre)
- Kristiane Hallermann, Angéla Ellwanger: Die Erlebnisse des Teddybären Wuschel
- Hagge, Bartus: Mama, mir ist komisch
- Melanie Hoffmann, Frieda Funke: Out of Glukiter
- Jean Betschart: Diabetes? Packen wir's an! Wichtiges Wissen für Schulkinder im Comic-Stil
- Prof. Dr. med. P. Hürter, Dr. K. Lange: Diabetes-Buch für Kinder (und Eltern)
- o.A: Micha und Su-Lina - eine ungewöhnliche Freundschaft (ab ca. 3 Jahre)
- Birgit Richter, Larysa Golik: Ein Schlüssel für Tim - Mama, was ist zuckerkrank? (ab ca. 4 Jahre)
- Dr. med. B. Jäger-Glogauer: Geschichte von Herrn Fettauge und seinen Freunden (ab 4 Jahre)
- Solfried Rück: Weglaufen gilt nicht (ab Jugendalter)
- Solfried Rück: Billa auf Stelzen (ab Jugendalter)
- Karen Hesse: Nennt mich einfach Jule (ab Jugendalter)
- Lurlene McDaniel: Das Leben fängt noch einmal an (ab Jugendalter)
- Lurlene McDaniel: Sommer der Entscheidung (ab Jugendalter)
- Hans Lauber: Fit wie ein Diabetiker
- Gerhard Fleischner: Der Zuckerfuß
- Prof. Dr. Michael Berger: Diabetes mellitus
Siehe auch
Deutsche Diabetes-Stiftung - Insulin - Insulintherapie - Broteinheit - Blutzucker - Hyperglykämisches Koma - MODY -- LADA - Übergewicht -- Diabetesdiät - Deutsche Diabetes-Union - Deutsche Diabetes-Gesellschaft - Deutscher Diabetiker Bund - Diabetes-Symposium - Institut für Diabetesforschung - Verbliebene Eigensekretionsrate