Weservertiefung
Die Weservertiefung war eine Reihe wasserbaulicher Maßnahmen an der Unter- und Außenweser zur besseren Schiffbarkeit.
Die 2012 geplante erneute Vertiefung der Weserfahrrinne wird von der Bundesrepublik und den Ländern Niedersachsen und Bremen aus ökonomischen Gründen befürwortet und ist andererseits aus ökonomischen und naturschutz-fachlichen Gründen umstritten.
Zusätzlich ist ein Ausbau der Mittelweser geplant, so dass zwischen Bremen und Minden ab 2013 Binnenschiffe mit einer Länge von 110 Metern fahren können. Der Ausbau wird circa 270 Millionen Euro kosten und soll die Wasserstraße attraktiver für den Güterverkehr machen und den bestehenden Verkehr sichern.
Geographie
Die Unterweser vom Bremer Weserwehr in Hastedt bis zur Mündung in die Nordsee unterliegt den Gezeiten. Sie ist der Übergangsbereich von der Binnenwasserstraße zur Seeschifffahrtsstraße. Seit 1867 wechselt die Binnenschifffahrtsstraße zur Seeschifffahrtsstraße an der Brücke der Bahnstrecke Bremen–Oldenburg. In Bremerhaven an der Geestemündung endet die Unterweser und beginnt die innere Außenweser.
Die Außenweser ist die Fortsetzung des in Südost-Nordwest-Richtung verlaufenden Mündungstrichters (Ästuar) der Weser im Wattenmeer Nordsee. Die Außenweser durchschneidet den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. Zwei hintereinander in der Außenweser gelegene Wattflächen, Robbenplate und Tegeler Plate, teilen sie in zwei Arme: Wurster Arm / Tegeler Rinne im Nordosten und Fedderwarder Fahrwasser / Hohewegrinne im Südwesten. Heute wird nur noch dieser westliche Arm als Fahrwasser genutzt. Die seewärtige Begrenzung als Binnenwasserstraße zur Nordsee endet etwa in Höhe der Gemeinde Misselwarden. Hier beginnt die äußerer Außenweser mit der Seewasserstraße Nordsee.
Geschichte
Im 18/19. Jahrhundert versandete die Weser zunehmend. Die Bremer Häfen waren deshalb für größere Seeschiffe unerreichbar geworden. Vorübergehend wurden in dem 20 km flussabwärts gelegene, zu Bremen gehörende Hafen von Vegesack die Waren auf kleinere Kähne oder Leichter umgeladen, welche die Waren zu den Bremer Häfen brachten. Als auch der Hafen Vegesack zu versanden drohte, war aus wirtschaftlichen Gründen eine Korrektur der Weser notwendig geworden.
Der Wasserbauingeneuer Ludwig Franzius wirkte seit 1875 in Bremen als Oberbaudirektor. Er gilt als Pionier der Begradigung und Vertiefung der Weser zwischen der Mündung in die Nordsee bei Bremerhaven und den Häfen in Bremen – der sogenannten Weserkorrektion. Sie ermöglichte nach Fahrt von Seeschiffen mit bis zu 5 m Tiefgang bei Flut die Bremer Häfen in einem Durchgang zu erreichen. 1881 wurde ein Plan vorgelegt, der eine Weservertiefung für Schiffe mit einem Tiefgang bis zu 5 Meter vorsah. Die Erfahrungen aus einem Hochwasser der Weser von 1880/81 beeinflussten zudem die Vorbereitungen des baulichen Projekts. Ab 1883 bis 1886 erfolgten die ersten Maßnahmen mit dem Durchstich der langen Bucht. Die Arbeiten an der Weserkorrektion begannen 1887 und fanden in der ersten Baustufe bis 1895 ihre Realisierung.
Durch den Ausbau der Unterweser kam es in den nächsten Jahrzehnt zu Tiefenerosionen der Weser mit erheblichem Sandaustrag. Der Tidenhub stieg von etwa 0,80 bis 1 Meter (Pegel Weserbrücken) auf bis zu heute 5 Metern (Pegel Oslebshausen). Um ein Fortschreiten der Sohlenerosion in die Mittelweser zu verhindern, wurde von 1906 bis 1911 das Weserwehr in Bremen-Hastedt gebaut. Eine weitere Folge war dass die ehemalige Weserinsel Fährplate gegenüber von Elsfleth durch die Weserkorrektion mit dem rechten Ufer verbunden wurde. Das mindestens seit dem 18. Jahrhundert besiedelte Gebiet gehört heute zur Ortschaft Rade in der Gemeinde Schwanewede.
Ausbau 2012
Von 2013 solle Binnenschiffe mit einer Länge von 110 Meter auf der Weser zwischen Bremen und Minden fahren können. Durch den 270 Millionen Euro teuren Ausbau soll die Wasserstraße attraktiver für den Güterverkehr werden. Großmotorgüterschiffe mit einem Tiefgang von 2,50 Metern können dann von Bremen aus über Minden auf den Mittellandkanal gelangen.
Zwischen Bremerhaven und Bremen soll auf 57 Kilometer länge der Weser vor allem die Massengutschifffahrt die Häfen in Brake und Bremen besser anlaufen können. Von Bremerhaven zur Nordse soll auf 65 Kilometer länge die Fahrrinne der Außenweser so vertieft werden, dass Bremerhaven tideunabhängig von Großcontainerschiffen erreicht werden kann. Die Fahrrinnenvertiefung bei Bremerhaven soll von 12,8 Meter auf 13,5 Meter, bei Brake von 11,9 Meter auf 12,8 Meter und bei Bremen von 10,7 Meter auf 11,1 Meter erfolgen.
Bestandteil des Ausbaues sind 19 Uferrückverlegungen, d. h. Verbreiterungen des Flusses. Außerdem ist die Vertiefung und Verbreiterung von drei Schleusenkanälen sowie der Ausbau und die Ertüchtigung von drei Schleusenvorhäfen für das Projekt notwendig. Zur Regelung des Verkehrs sollen sieben Regelungsstrecken eingerichtet werden. Ein Neubau der Schleusen Dörverden und Minden ist ebenfalls vorgesehen.
Auswirkungen auf die Flussstruktur

Flussvertiefungen sind immer mit gravierenden Änderungen des Strömungsverlaufes und damit der Flussstruktur verbunden. Besonders der Tidenhub in der Weser ist seit den ersten Ausbauschritten extrem angestiegen. Grund ist der ungehinderte und schnelle Durchlauf der Flutwelle durch das begradigte und vertiefte Flussbett. In Bremen an der Großen Weserbrücke (heute Wilhelm-Kaisen-Brücke) betrug der Tidenhub um 1880 im Durchschnitt circa 50 cm. Heute liegt er bei 4,20 m mit einer steigenden Tendenz. Zur Sicherung der Ufer ist die Weser daher im Bremer Stadtgebiet weitgehend in eine Struktur von Steinschüttungen und Spundwänden gezwungen.
Nebenflüsse der Weser sind ebenfalls von wasserbaulichen Maßnahmen am Haupstrom betroffen: an der tidenbeinflussten Wümme wird durch einen erhöhten Pegel der Ufergürtel zerstört. Bereiche mit Schilfröhrichte und Weidengebüsche werden beschädigt und dadurch kommen dort weniger Vögel und Insekten vor. An vielen Uferstellen befinden sich inzwischen Steinschüttungen, um den Deich zu sichern. Anwohner gaben an, dass der Tidenhub seit 2007 erheblich größer wurde. 2002 betrug er am Oberlauf der Wümme noch 1,20 Meter. 2012 lag er bei 2,80 Meter.[1] Einhergehend mit dem steigenden Pegel ist eine Grundwassersenkung.
Ökologische Bedeutung
Die Wesermündung bei Bremerhaven zählt, wie viele Flussmündungen, zu den artenreichsten Lebensräumen der Welt. Ästuare umfassen den Abschnitt des Flusses, wo Ebbe und Flut einwirken und sich das Süßwasser mit dem salzigen Meerwasser zu Brackwasser mischt. In naturbelassenem Zustand säumen Röhrichtgürtel und Wattflächen dort den Flusslauf, der sich in zahlreiche Nebenarme aufspaltet. Inseln und ausgedehnte Überschwemmungsgebiete bilden sich und bilden schließlich einen breiten Trichter ins Meer.
Gründe der Vertiefung
Niedersachsen und Bremen sehen den Ausbau als ökonomisch wichtig an, damit große Schiffe die Häfen von Bremen, Bremerhaven und Brake vollbeladen ansteuern können. Nutznießer des Vorhabens sind unter anderem die Stahlwerke Bremen und die Agrarbranche, die über die Häfen Erze und Futtermittel beziehen. Außerdem verbessern die Häfen ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Konkurrenten wie Rotterdam und Antwerpen.[2]
Der Weserausbau schafft in der Region Minden die Voraussetzungen für den noch zu bauenden RegioPort Weser und das Hafenband am Mittellandkanal.
Befürworter der Vertiefung weisen auf die zentrale Bedeutung der Weser für die Anbindung der niedersächsischen See- und Binnenhäfen hin.
Mitte 2011 wurde bekannt, dass die CDU/FDP-Bundesregierung in einem sogenannten „Modernisierungskonzept“ die bundesdeutschen Wasserwege kategorisieren möchte, um die Struktur der bundeseigenen Wasser- und Schifffahrtsämter zu verkleinern. Dabei sollte die Weser zur „Wassertourismusstraße“ zurückgestuft werden. Mit ein Grund dafür ist die beschränkte Schiffbarkeit der Weser. Von verschiedener Seite kam Kritik an diesem Vorschlag. Sabine Tippelt (SPD-MdL) sagte dazu: „Wer das will, verkennt das vorhandene Potenzial der Weser als Binnenwasserstraße und gefährdet eine ökologische Verkehrspolitik in Niedersachsen“.[3] Sie böte die Möglichkeit einer Entlastung der Autobahnen und Schienen-Gütertrassen und müsse somit auch in ökologischer Hinsicht für die Verkehrsinfrastruktur in Niedersachsen erhalten bleiben.
Sollte die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung an der Weser geschwächt werden, befürchten die Befürworter der Vertiefung, dass der Bund keine Investitionen mehr in die Weser tätigen werde und die finanzielle Lücke zu einer Versandung der Weser führen würde.
Kosten
Das Maßnahmenpaket ist mit einer Gesamtkostensumme von 270 Millionen Euro veranschlagt. Der Bund und das Land Bremen teilen sich die Kosten für die Projekte entlang der Mittelweser (Schleusenneubau in Minden etc.).
Befürworter der Vertiefung
Für die Vertiefung ist vor allem die ansässige Hafenwirtschaft. Die größeren Frachter, welche die Häfen der Unterweser anlaufen, haben mehr Tiefgang. Einige voll beladenen Frachter können nur bei Flut die Häfen sicher erreichen. Nach der Vertiefung könnten die Transportkosten gemindert und die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Häfen wie Rotterdam oder Antwerpen verbessert werden. Der Bau des neuen JadeWeserPort reicht zudem nicht aus.
Die 2012 geplante erneute Vertiefung der Weserfahrrinne wird von der Bundesrepublik und den Ländern Niedersachsen und Bremen aus ökonomischen Gründen befürwortet.
Verbände der regionalen Seewirtschaft sowie die politischen Fraktionen von CDU, FDP, den Freien Wählern und große Teile der SPD halten die Vertiefung für wirtschaftlich notwendig. Der SPD-Ministerpräsidentenkandidat bei der Landtagswahl in Niedersachsen 2013, Stephan Weil, spricht sich nach rechtlicher Prüfung für die Vertiefung aus.
Gegner der Vertiefung
Gegen eine Weservertiefung werden hauptsächlich ökologische Gründe genannt. Die Landwirtschaft befürcht, dass der Meersalzgehalt im Flusswasser weiter ansteigt und Weserwasser als Trinkwasser für Vieh unbrauchbar wäre. Umweltverbände befürchten eine Verschlechterung von Lebensräumen für Vögel, Fische und Uferpflanzen. Die schnellere Strömung und der größere Tidenhub befürchten die Deichverbände. Aus ökonomisch Gründen wird auf den neuen Tiefwasserhafen JadeWeserPort verwiesen. Einige Gemeinden befürchten den Verlust ihrer Strände am Weserufer.
Einige Naturschutzverbände und die Bürgerinitiative „keineWeservertiefung - Bürgerinitiative gegen die Weservertiefung“ sind gegen die geplanten Ausbauschritte. Regionale Gliederungen von Bündnis 90/Die Grünen lehnen die Vertiefung ab und rieten der Gemeinde Nordenham, an ihrer Klage gegen die Weservertiefung festzuhalten.[4] Gegen eine Vertiefung setzt sich auch der BUND-Landesverband Bremen und regionale NABU-Gruppen ein.
Anwohner der tidenbeeinflussten Wümme als Grenzfluss zwischen Bremen und Niedersachsen reichten im August 2012 Klage beim Bundesverwaltungsgericht gegen den Ausbau ein. Auch der BUND Bremen hat Klage eingereicht. Ende September 2012 gibt es den ersten Erörterungstermin beim Bundesverwaltungsgericht.
Literatur
- Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland: Ems, Weser, Elbe – für alle gilt dasselbe ... Flussvertiefungen und ihre Folgen. (PDF-Datei)
Einzelnachweise
- ↑ Wümme-Anwohner ziehen vor Gericht, Nordwest-Zeitung, 28. August 2012, abgerufen am 6. September 2012
- ↑ Stefan Koch: Für große Schiffe wird der Weg freigemancht, Mindener Tageblatt, 28. Juni 2011, abgerufen am 6. September 2012
- ↑ Scharfe Kritik an der Rückstufung der Weser, Deister- und Weserzeitung, 16. Juni 2011, abgerufen am 6. September 2012
- ↑ Grüne rufen zur Klage gegen Weservertiefung auf, Nordwest-Zeitung, 22 September 2011, abgerufen am 6. September 2012