Benutzer:Merlinschnee/Konservative Partei
Konservatismus in Preußen
(lt. Gebhardt, d e m Handbuch d.dt.Gesch.) Der entschiedenste Gegner des Hardenbergschen Reformweges, der vielfach als Begründer des preußischen Konservatismus geltende Friedrich August Ludwig von der Marwitz, hatte noch ein vormodernes, auf Harmonie angelegtes Politikverständnis vertreten, das nicht zu einer handlungsfähigen politischen Partei führen konnte. In den 1840er Jahren lösten sich neue Kräfte im preußischen Konservatismus von solchen Vorstellungen und passten sich den neuen Entwicklungen in Staat und Gesellschaft an. Den wichtigsten Beitrag leistete dabei der Rechtsphilosoph Friedrich Julius Stahl ein aus Franken stammender getaufter Jude, der als Schelling-Schüler 1840 an die Berliner Universität berufen wurde, um dort den Lehren Hegels und seiner Schüler wirksam entgegenzutreten. Stahl war zeitweise einflussreicher Berater Friedrich Wilhelms IV. und plädierte für einen zeitgemäßen Konservatismus, der die legitime Tradition mit den Erfordernissen der Moderne in Einklang bringen sollte. Auch für Stahl wurzelte der Staat zwar noch in Gott und nicht in einem Vertrag zwischen Herrscher und Beherrschten, aber im Unterschied zu den altständischen Konzepten akzeptierte er die moderne Vorstellung, wonach der Staat das einzige und unteilbare Gemeinwesen sei, dem alle öffentliche Gewalt zufalle. Zugleich suchte er nach einer Verfassung, die einen Ausgleich zwischen den legitimen Rechten des Monarchen und den naturrechtlich begründeten Ansprüchen der Bürger ermöglichte. Obwohl Stahl dabei ein ungeschriebenes Staatsgrundgesetz nach englischem Vorbild favorisierte, schloss er die Möglichkeit einer Kodifikation nicht mehr aus. Seine Schrift Das monarchische Prinzip (1845) stellte daher den Durchbruch zu einem neuen konservativen <501> Staatsverständnis dar. Stahl plädierte hier für eine Verfassungsordnung, in welcher der allgemeine bürgerliche Rechtszustand garantiert war und gewählte Repräsentanten an der Ausgestaltung und Wahrung dieses Zustandes teilhatten. Die Abgeordneten des Parlaments sollten dabei ausdrücklich nicht mehr die jeweiligen ständischen Sonderinteressen schützen, sondern die Interessen des ganzen Volkes vertreten. Stahls Verfassungsordnung unterschied sich insofern von den westeuropäischen Vorbildern, als dem Monarchen der eindeutige Vorrang zugewiesen wurde und er die gestaltende politische Kraft blieb. Die Verfassung sollte nicht nur durch den Monarchen oktroyiert werden, sondern er allein sollte auch die Regierung einsetzen und das Recht der Gesetzesinitiative besitzen. Dem Parlament, das an der Gesetzgebung beteiligt und mit Steuerbewilligungs- und Beschwerderecht ausgestattet sein sollte, bliebe demnach nur eine Wächterfunktion. Stahl wollte auf diese Weise sowohl einer Parlamentsherrschaft als auch königlicher Willkür vorbeugen. Den Liberalen gingen solche Zugeständnisse nicht weit genug, während die preußische Hochkonservativen Stahls Forderungen 1845 trotz ihrer klaren promonarchischen Ausrichtung noch skeptisch beurteilten. Dennoch schuf Stahl mit seinen Überlegungen wichtige Grundlagen für die Parteibildung der Konservativen.[1]
- ↑ Gebhardt: Handbuch der deutschen Geschichte Zehnte, völlig neu bearbeitete Auflage Klett-Cotta Jena und Gießen 2010, Band 14: Reformen, Restauration und Revolution 1806 – 1848/49, Hans-Werner Hahn und Helmut Berding, (Abschnitt III: Vormärz und Revolution: Politik und Gesellschaft 1830 – 1848/49, Hans-Werner Hahn, D. Politisches System und politische Kultur 1830 -1847, § 16 Nationalismus und Parteiströmungen 1830 – 1847, g) Konservatismus), S. 500 f.