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Wiener Justizpalastbrand

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Die Julirevolte am 15. Juli 1927 in Wien (die Geschehnisse sind nach dem zentralen Ereignis der Unruhen auch als Brand des Justizpalastes bekannt) begann als Unmutsäußerung gegen ein als skandalös empfundes Urteil und endete mit Schüssen in die Menge, welche 89 Todesopfer forderten. Im Zuge der Niederschlagung der Revolte starben vier Polizisten, und es gab hunderte Verletzte.

Am Abend des 14. Juli 1927 hatte sich die Nachricht vom Schattendorfer Urteil verbreitet, dass der Prozess mit dem Freispruch aller drei Angeklagter geendet hatte.

Am 15. Juli 1927 wurde der Strom der Wiener Straßenbahn durch die Direktion der Städtischen Elektrizitätswerke abgeschaltet, so daß der öffentliche Verkehr in Wien lahmgelegt war. Dies geschah, um einen Proteststreik auszulösen. Die erste Marschkolonne, die den Ring erreichte, war die der E-Werke, welche vergebens versuchte, das Universitätshauptgebäude zu stürmen. Nach und nach füllte sich der Ring. Angriffe galten dem Polizeiwachzimmer in der Lichtenfelsgasse nahe dem Rathaus, ein weiterer verwüstete die Redaktion der "Wiener Neuesten Nachrichten", welche nicht im Sinne der Demonstranten über das Urteil berichtet hatte.

Als die Menge den Kordon von Sicherheitskräften vor dem Parlamentsgebäude mit Steinwürfen attackierte, drängte berittene Polizei die Menge in die Parkanlage gegen den Justizpalast ab. Der Platz vor dem Haupteingang des Justizpalasts lag frei. Bald stand er als Symbol der als parteiisch empfundenen Justiz im Zentrum der Aufmerksamkeit der heranrückenden Kolonnen - obwohl im Justizpalast in erster Linie die Zivilgerichtsbarkeit angesiedelt war.

Einige Schutzbündler versuchten sich als Ordner zu betätigen und auf die Menge mäßigend einzuwirken, hatten jedoch wenig Erfolg, da ab 12 Uhr die ersten Protestierenden die Fensterscheiben im Erdgeschoss einschlugen und in das Gebäude einstiegen, wo sie begannen, das Mobiliar und die vorhandenen Akten zu zerstören. Theodor Körner, später Bundespräsident, verlangte von den Wachebeamten des Justizpalastes die Herausgabe ihrer Waffen (meist ungeschliffene Paradesäbel), was von den um ihr Leben fürchtenden Beamten verweigert wurde. Körner brachte die Wachbeamten in Sicherheit, indem er sie als Verletzte getarnt auf Bahren heraustragen oder sie die Windjacken anwesender Schutzbündler überziehen ließ, damit sie unerkannt flüchten konnten. Ein Versuch Körners, die Menge durch eine Ansprache zu beruhigen, scheiterte. Währenddessen legte ein unerkannt gebliebener Eindringling im Gebäude Feuer.

Polizeipräsident war der ehemalige (und spätere) Bundeskanzler Johann Schober. Schober stellte an den Wiener Bürgermeister Karl Seitz das Ansuchen, das Bundesheer gegen die Unruhen einzusetzen, da die damalige Polizei für derartige Aufgaben, wie sie am Justizpalast anstanden, nicht gut gerüstet war. Seitz verweigerte den Einsatz, ebenso der Heerminister Carl Vaugoin. Ob der Einsatz des Bundesheeres den Tag anders hätte ausgehen lassen, wurde seither oft spekuliert. Fraglich wäre die Loyalität des Heeres gewesen, andererseits hätte aber alleine schon ein Aufmarsch in Formation die Menge zum Zurückweichen veranlassen können.

Daher forderte Schober, der in seiner Position gegen einen rasenden Mob, der Gebäude stürmte und anzündete, zweifellos eine Entscheidung zu treffen hatte, Gewehre aus Heeresbeständen an, mit welchen er die Polizei ausrüstete. Hierbei kündigte er an, bei weiterer Behinderung der Feuerwehr - welcher der Zugang vor das Gebäude verwehrt und deren Schläuche durchschnitten wurde - den Platz mit Waffengewalt räumen zu lassen. Versuche Seitz' und Julius Deutschs, durch ihren persönlichen Einsatz die Menge zum Abzug zu bewegen, haben ebensowenig Erfolg wie der Einsatz Körners.

Dann fielen die ersten Schüsse, zunächst in die Luft, sodann in die Menge, welche gegen die Vorstädte zurückzuweichen begann. Der Tag endete mit 89 toten Demonstranten und vier toten Polizisten. 120 Polizisten erlitten schwere, 480 leichte Verletzungen, während 548 Zivilisten verwundet wurden.

  • Die Julirevolte im Spiegel der österreichischen Presse (Archiv der Österreichischen Nationalbibliothek):