Kenning
Als Kenning (von altnord. kenna "kennzeichnen", Pl. Kenningar) wird in der altgermanischen, besonders der altisländischen Stabreimdichtung (Edda, Skalden) das Stilmittel einer poetischen Umschreibungen einfacher Begriffe bezeichnet. Im Gegensatz zur eingliedrigen Heiti, etwa der Metapher vergleichbar, ist die Kenning eine mehrgliedrige bildhafte Beschreibung, die sich aus einfachen Worten zusammensetzt.
Die Kenningar der altnordischen Preislieder erscheinen in ihrer Häufung und der sprachlichen Kühnheit ihrer Vergleiche dem nicht Eingeweihten gekünstelt, riefen aber beim aristokratischen Publikum ein Vorwissen an Mythen- und Sagenstoffen wach. Epische Genres wie Heldendichtung und Erzähllied nutzen die Kenning nicht. Sie wurde von der westgermanischen Dichtung übernommen, hier meist in Verbindung mit der Alliteration, und ist teilweise noch heute in der dichterischen Sprache produktiv.
Beispiele
- Lindwurmlager, Freyas Tränen, Stimme des Riesen für Gold
- Speerwetter, Stahldonner, Thing der Waffen für Kampf
- Wundenwolf für Axt
- Walstraße für Meer
- Rebenblut für Wein
Literatur
- Bjarne Fidjestøl: Kenningsystemet: Forsøk på ein lingvistisk analyse. In: Maal og Minne 1974, S. 5–50
- Rudolf Meißner: Die Kenningar der Skalden. Ein Beitrag zur skaldischen Poetik. Schroeder, Bonn/Leipzig 1921