Galileo (Satellitennavigation)
Galileo ist ein europäisches Satellitennavigationssytem. Es basiert auf 30 Satelliten (27 + 3 Ersatz), die in einer Höhe von rund 24.000 km die Erde umkreisen, und einem Netz von Bodenstationen, die die Satelliten kontrollieren. Taschenempfänger in der Größe eines Handys müssen Signale von mindestens 4 Satelliten gleichzeitig empfangen, um daraus die Position auf der Erde mit einer Genauigkeit von wenigen Metern zu bestimmen. Galileo ist für zivile Zwecke konzipiert und unterliegt nicht, wie das amerikanische GPS und das russische GLONASS, einer nationalen militärischen Kontrolle.
Der erste Testsatellit startet im Dezember 2005. Der Probebetrieb mit vier Satelliten ist für 2008 vorgesehen, 2010/11 soll das System mit allen 30 Satelliten verfügbar sein.
Geschichte
Galileo ist das erste von der Europäischen Union (EU) und der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) gemeinsam durchgeführte Projekt und Teil des TEN-Verkehrsprojektes. Die Finanzierung der Entwicklungsphase wird von beiden Organisationen zu gleichen Teilen übernommen. Am 27. Mai 2003 einigten sich die Mitgliedsstaaten der ESA nach langen Differenzen über die Finanzierung.
Des weiteren beteiligen sich China und Indien mit 280 bzw. 200 Mio. Euro sowie, seit dem 17. März 2004, Israel an dem Projekt. Verhandlungen über eine Beteiligung von Brasilien, Russland und Japan laufen.
Projektphasen und Kosten
Die Kosten für den Aufbau des Galileo-Systems, bestehend aus Bodenstationen und Satelliten, liegen mindestens bei 3,6 Mrd Euro. Ab 2010 soll es in Betrieb gehen.
Planung (Erste und zweite Phase)
Die erste Projektphase zur Definition der Aufgaben finanziert die ESA mit ca. 100 Mio EUR. Die Planungs- und Definitionsphase schließt mit dem Start und der Inbetriebnahme zweier Testsatelliten und der zugehörigen Bodenstationen im Januar 2006 ab. Der Test der Sendefrequenzen muss vor Sommer 2006 erfolgen. Wenn bis dahin keine Nutzung nachweisbar ist, verfällt der Antrag für die Galileo-Frequenzbänder bei der ITU. Mit der Entwicklung, Start und Test von 4 Galileo-Satelliten (In Orbit Verification IOV) endet die zweite Phase.
Technische Daten der Satelliten
- Testsatellit 1
Bezeichnung: Giove-A (ital. Jupiter, bzw. Galileo In-Orbit Validation Element), bisherige Bezeichnung: GSTB-v2 A (Galileo System Test Bed) Hersteller: Surrey Satellite Technology Startmasse: 450 kg Leistung: 660 W Größe: 1,3 m × 1,74 m × 1,4 m Starttermin: 28. Dezember 2005 Träger: Sojus-Fregat
- Testsatellit 2
Bezeichnung: Giove-B, bisherige Bezeichnung GSTB-v2 B Hersteller: Galileo Industries Startmasse: 523 kg Leistung: 943 W Größe: 0,955 m × 0,955 m × 2,4 m Starttermin: Januar 2006 (?) Träger: Sojus-Fregat
- Galileo-Satellit (zum Vergleich)
Hersteller: Startmasse: 680 kg Leistung: 1500 W (nach 12 Jahren) Größe: 2,7 m × 1,2 m × 1,1 m Starttermin: 2008 Träger: ? Ariane 5, Sojus-Fregat, Langer Marsch Lebensdauer: über 12 Jahre Spannweite
Solarpannels:18,7 m
Technische Daten der Test-Bodenstationen
Bezeichnung: GSTB-V1 Sensor Stations Network Anzahl:
Die Kosten der zweiten Phase (Entwicklungsphase) von voraussichtlich 1,5 Mrd Euro tragen die Europäische Union und ESA gemeinsam.
Innerhalb der ESA übernehmen Deutschland, Italien, Frankreich und Großbritannien jeweils 17,5 %. Spanien trägt zehn Prozent der Kosten. Belgien zahlt 26,5 Mio. Euro, der Rest wird unter den übrigen 15 ESA-Mitgliedsstaaten aufgeteilt. Die übrigen 750 Mio. Euro kommen aus dem Haushalt für transeuropäische Netze der Europäischen Union (TEN). An TEN ist Deutschland über seine EU Beitragszahlungen mit zirka 25 % beteiligt und ist damit der größte Geldgeber für das Projekt.
Die Phase C/D umfasst den Betrieb von 3–4 funktionstüchtigen Satelliten, dem Raumsegment, und der Boden-Betriebseinrichtungen, dem Bodensegment. Das Bodensegment besteht aus untereinander vernetzten Empfangs- und Sendestationen:
- 2 Kontrollzentren (GCC). (Die Standortfrage ist zur Zeit (Okt 2005) politisch heiß umkämpft, da sie die Weichen für die kommerzielle Nutzung stellt.)
- 5 Satelliten-Kontrollstationen (TTC) für die Satellitenkommunikation mit 13-Meter-Antennen im 2-GHz-Band.
- 30 Signalkontroll-Empfangsstationen (GSS) zur Erfassung der Galileo-Signale. Verrechnung der Daten alle 10 Minuten.
- 5 Up-link Stationen (ULS) zu Aktualisierung der ausgestrahlten Galileo-Navigationssignale, Kommunikation mit 3-Meter-Antennen im 5-GHz-Band. Ausstrahlung von Signalkorrekturen alle 100 Minuten.
Fertigstellung (Dritte Phase)
In der dritten Phase, der Errichtungsphase, wird das System fertig gestellt. Alle 30 Satelliten sind dann betriebsbereit und kommunizieren mit dem Bodensegment. Die Kosten werden auf mind. 2,5 Mrd. Euro veranschlagt, die der private Konzessionär (siehe unten) zu 70%, die öffentlichen Haushalte zu 30% übernehmen soll (Public Private Partnership).
Betrieb (Vierte Phase)
Die vierte Phase umfasst den Betrieb und die Wartung des Systems. Man rechnet mit Betriebskosten von ca. 220 Mio. Euro pro Jahr, die ab 2008 ebenfalls der Konzessionär über Public Private Partnership (PPP) übernehmen soll. Möglicherweise tritt die EU mit 1 Mrd. Euro für die Jahre 2007–2013 (= 150 Mio. Euro/Jahr) in Vorleistung.
Aufsichts-Organisationen und Betreiber
Am 25. Mai 2003 gründeten die EU und ESA das gemeinsame Unternehmen Galileo Joint Undertaking (GJU). Es koordiniert Entwicklung des Galileo-Systems. Dazu gehören die Inbetriebnahme (in Orbit Validation) der beiden Testsatelliten GSTB-V2 und die Integration von EGNOS in Galileo.
Die GJU wählt den Konzessionär für die Vorbereitungs- und Betriebsphase von Galileo in einer offenen Ausschreibung aus. Seit Juni 2005 ist es wahrscheinlich, dass das Angebot der beiden zunächst konkurrierenden Konsortien Eurely und iNavSat den Zuschlag erhalten werden. Es vereinigt die Unternehmen (Stand September 2005): Aena (öffentliche spanische Einrichtung, die u. a. für Flugsicherung und Flughafenmanagement zuständig ist), Alcatel, EADS Space Services, Finmeccanica, Hispasat (Satellit), Inmarsat, und Thales, sowie dutzende weiterer assoziierter Unternehmen.
Während der Entwicklungsphase ist das Unternehmen Galileo Industries Hauptauftragnehmer. Anteilseigner sind unter anderen die Firmen Alcatel-Space, Alenia Spazio und EADS-Astrium (Deutschland und UK), Thales und Galileo Sistemas y Servicios of Spain, ein Konsortium bestehend aus sieben spanischen Firmen. Galileo Industries baut unter anderem einen der Testsatelliten
Nach Abschluss der Vorbereitungsphase wird die GJU aufgelöst. Die Behörde Galileo Supervisory Authority (GSA) übernimmt ihre Aufgaben und überwacht den Betrieb von Galileo. Im Mai 2005 wurde der Portugiese Pedro Pedreira als Direktor berufen, weitere Entscheidungen über den Ausbau (Größe, Sitz) stehen noch aus (Stand: September 2005).
Satellitenbahn
30 Satelliten umkreisen die Erde auf 3 Bahnebenen mit einer Inklination von 56° in einer Walker-Konstellation. Pro Bahnebene sind 9 Satelliten vorgesehen. zusätzlich ein Reservesatellit. Sie haben einen Abstand von 40° mit einer Abweichung von maximal 2°, entsprechend 1000 km. Bei einer Höhe von 23.616 km benötigen die Satelliten 10 Tage, um nach 17 Umläufen den Ausgangspunkt wieder zu erreichen. Die System-Lebensdauer soll 20 Jahre betragen.
Prinzip der Positionsbestimmung über Satelliten
siehe GNSS
Dienste
Der Offene Dienst (Open Service, OS) soll frei zugänglich sein. Er liefert (kostenlos) Daten über Position, Geschwindigkeit und Zeit. ICs, die diese Daten auswerten, sollen z. B. in Navigationssysteme von Autos und in Mobiltelefonen eingebaut werden. Weil der OS zwei Sendefrequenzen benutzt und damit Ionosphärenstörungen korrigieren kann, ist die Positionsbestimmung genauer als bei GPS. Die höhere Anzahl von Satelliten, 27 gegenüber 24 bei GPS, soll die Empfangsabdeckung in Städten von 50% auf 95% steigern.
Der Kommerzielle Dienst (Commercial Service, CS) ermöglicht die zusätzliche Übertragung von kostenpflichtigen Navigationsdaten (Übertragungsrate von ca. 500 Bit/sec), bespielsweise Korrekturdaten zur Steigerung der Positionsgenauigkeit um ein bis zwei Größenordnungen
Der Safety-of-Life-Dienst (SoL) steht sicherheitskritischen Bereichen zur Verfügung, z. B. dem Luft- und dem Schienenverkehr. Er warnt die Nutzer innerhalb von ca. 10 Sekunden, wenn das System wegen Positionierungsfehler nicht genutzt werden sollte.
Der Staatliche Dienst (Public Regulated Service, PRS) steht ausschließlich hoheitlichen Diensten zur Verfügung, also Polizei, Küstenwache oder Geheimdienst. Als Dual-Use-System wird es unter Umständen auch Kunden aus dem militärischen Bereich ansprechen.
Der Such- und Rettungsdienst (Search And Rescue, SAR) erlaubt die weltweite Ortung von Hilfsanfragen, z.B. von Schiffen, die in Seenot geraten sind. Auch ein einfacher Dialog mit der Rettungsstelle soll möglich sein. Der Dienst arbeitet mit COSPAS-SARSAT zusammen und verbessert die Schnelligkeit und Genauigkeit der Positionsbestimmung.
Kompatibilität mit GPS
Nach jahrelangen Verhandlungen unterzeichneten am 26. Juni 2004 während des USA-EU-Gipfels in Newmarket-on-Fergus (Irland) der (damalige) US-Außenminister Colin Powell und der amtierende Vorsitzende der EU-Außenminister Brian Cowen einen Vertrag über die Gleichberechtigung der Satellitennavigationssysteme GPS, Glonass und Galileo. Darin wird vereinbart, dass Galileo zu GPS kompatibel sein wird. Damit werden nach Abschluss des Aufbaus von Galileo insgesamt etwa 60 Satelliten zur Navigation zur Verfügung stehen.
Voraussetzung für den Abschluss des Vertrages war, dass die EU auf das präzisere Datenübertragungssystem BOC 1.5 (Binary Offset Carrier) verzichtet und statt dessen auch für die zukünftigen GPS-Satelliten vorgesehene BOC 1.1 zu verwenden. Dadurch ist sichergestellt, dass eine Störung des Galileo-Signals nicht gleichzeitig zu einer Störung des militärischen Signals von GPS führt, was es dem US-Militär ermöglicht, das Galileo-Signal bei Bedarf zu stören, ohne das eigene GPS-Signal zu beeinträchtigen.
Im Januar 2003 kamen die Leitung der ESA und Rosaviakosmos überein, möglicherweise die GLONASS-M-Satelliten zum Testen von Hardware für das zukünftige System Galileo der EU zu nutzen. Experten halten eine Kombination von GLONASS und Galileo zu einem Gemeinschaftssystem von Russland und der EU für möglich.
Das Projekt Gate ermöglicht den Test von Galileo-Empfängern. Es betreibt im Raum Berchtesgaden terrestrische Funkanlagen, die Signale aussenden, wie sie später von Galileo erwartet werden.
Galileo Abkürzungen
- GCC (Galileo Control Center): Hauptkontrollzentren des Bodensegments
- GCS (Ground Control Segment): Einheit der Bodenstation, die zuständig ist für den Betrieb der Satelliten
- GJU (Galileo Joint Undertaking): ESA/EU Kontrollorgan zur Vorbereitung von Galileo
- GMS (Ground Mission Segment): Einheit der Bodenstation, die zuständig ist für die Bereitstellung der Navigationssignale
- GRR (Galileo Ground Reference Receiver): Bezugsgrößen für die empfangenen Navigationssignale, um daraus Korrektursignale abzuleiten.
- GSS (Galileo Sensor station): Kontroll-Empfangsstationen für Navigationssignale, die untereinander in Kontakt stehen (über Kabel oder Satellit)
- GSTB-v2 A + B (Galileo System Test Bed v2): Zwei Testsatelliten zur Vorbereitung der Galileo Frequenzbereiche
- GSTB-V1 (Galileo System Test Bed v1): Test-Infrastruktur für das Galileo-System
- GSA (Galileo Supervisory Authority): Galileo Kontrollbehörde
- IPF (Integrity Processing function): Kontrolle der Galileo-Navigationsdatenintegrität
- OD&TS (Orbitography Determination and Time Synchronisation): Bahnbestimmung und Zeitsynchronisierung für die Konsistenz der ausgestrahlten Galileo-Satellitendaten übertragen.
- TTC (telemetry, tracking, and command): Satellitenbahnverfolgung und Satellitensteuerung
- ULS (Up-Link Stations): Bodenstationen, die die Galileo-Satelliten mit aktuellen Positionierungsdaten versorgen
Weitere Abkürzungen:
- SCF: Satellite Control Facility
- SPF: Service Procuts Facility
- MCF: Mission Control Facility
- MSF: Mission Support Facility
- MGF: Message Generation Facility
- PTF: Precision Timing Facility
- GACF: Ground Assets Control Facility
- KMF: Key Management Facility
- OSPF: Orbitography and Synchronisation Processing Facility (auch OD&TS)