Transition in Chile
Am Höhepunkt seiner Macht hatte der chilenische Diktator Augusto Pinochet 1980 eine Verfassung erlassen, die acht Jahre später ein Referendum über eine weitere "Amtszeit" für ihn vorsah. Nach seiner Abwahl 1988 tat Pinochet, um seinen Rückzug geordnet durchzuführen, das neoliberale Wirtschaftsmodell zu sichern, Freunde und Unterstützer in einflussreiche Positionen zu hiefen und nicht zuletzt auch für sein persönliches Wohl in der Demokratie zu sorgen. Zu Hilfe kam ihm dabei, dass die Verfassung von 1980 schon darauf zugeschnitten war und durch eine Reform am 30. Juli 1989 nur geringfügig geändert wurde.
Referendum und Wahl
Am 5. Oktober 1988 kam es zur von der Verfassung vorgesehenen Volksabstimmung, ob Pinochet bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen der einzige Kandidat sein durfte. Zur großen Überraschung internationaler Beobachter entschieden sich 54 Prozent der Wähler mit "Nein".
Pinochet beugte sich dem Votum: Am 14. Dezember 1989 fanden Präsidentschaftswahlen in Chile statt, die ersten seit 19 Jahren! Die Kandidaten der Rechten, Finanzminister Hernán Büchi und Francisco Javier Errázuriz erhielten nur 29,4% beziehungsweise 15,4% der Stimmen. Bei einer außerordentlich hohen Wahlbeteiligung von 90% erhielt der Christdemokrat Patricio Aylwin vom Parteienbündnis Concertación, einem breiten Mitte-Links-Bündnis aus Christdemokraten, Liberalen, Sozialdemokraten und Sozialisten, 55,2% der Stimmen. Erst nach mehr als einem Jahr, am 11. März 1990 trat Aylwin das Amt an.
Die Rolle des Militärs
Das wichtigste Instrument zu Verhinderung zu tief greifender Reformen war das Militär. Durch weitgehende Unabhängigkeit über Budget (zum Teil finanziert über die staatlichen Kupferminen), Personal und Doktrin blieb es als weitgehend autonome "autoritäre Enklave" im demokratischen Chile erhalten. Durch ein Amnestiegesetz wurden Menschenrechtsverletzungen aus den 70er Jahren für die Justiz nicht mehr verfolgbar. Die Oberbefehlshaber der vier Streitkräftegattungen Heer (Ejército de Chile), Marine (Armada de Chile), Luftwaffe (Fuerza Aérea de Chile) und Nationale Polizei (Carabineros) konnten für acht Jahre nicht abgesetzt werden. Danach musste einer Absetzung der "Nationale Sicherheitsrat" (Consejo de Seguridad Nacional de Chile COSENA) zustimmen, der widerum zur Hälfte aus Generälen bestand. Nur zwölf Tage vor der Amtsübergabe an seinen Nachfolger Patricio Aylwin übertrug er den Oberbefehlshaber durch ein Militärgesetz (Ley Orgánica Constitucional de las Fuerzas Armadas 18.948)die Befugnis, weitgehend autonom über Beförderungen zu entscheiden. Außerdem waren die vier Generäle Mitglied im Senat.
Der Senat
Artikel 45 der Verfassung legt fest, dass neben den gewählten Senatoren auch neun Senatoren ernannt werden, darunter die vier Oberbefehlshaber und "alle Präsidenten mit mehr als sechs Jahren Amtszeit" - also Pinochet höchstpersönlich. Die Zahl der gewählten Senatoren wurde duch die Verfassungsreform von 1989 immerhin auf 38 erhöht. Da der Senat allen Verfassungsänderungen mit Zwei-Drittel-Mehrheit und allen Änderungen von "Leyes Orgánicos" mit 60%-Mehheit zustimmen muss, hatten die Rechtsparteien immer eine Blockademehrheit. Neben den ernannten Senatoren war daran das Wahlsystem mitschuldig.
Das Binominale Wahlsystem
Von den zwei Abgeordneten jedes chilenischen Wahlkreises erhalten die beiden größten Parteien je einen Sitz - außer die führende Partei schafft es, mehr als doppelt so viele Stimmen zu erhalten wie die zweitplatzierte. In diesem Fall bekommt sie beide. De facto bedeutet dies eine (fast) sichere Hälfte im Parlament für die Rechten - plus im Senat die ernannten Senatoren.
Bürgermeister und Richter
In dem Jahr zwischen Plebiszit und Amtsübergabe ernannte Pinochet beinahe alle Bürgermeister (die in Chile nicht gewählt, sondern ernannt werden) neu, so dass auch sie für vier Jahre die Rathäuser sicher hatten.
Die Richter des Verfassungsgerichts und des Obersten Gerichtshofes wurden mit Angeboten zur Frühpensionierung gelockt, damit ihre Nachfolger für volle acht Jahre im Amt bleiben konnten.
Zentralbank
Die Zentralbank wurde 1989 in die Unabhängigkeit entlassen. Der Präsident der Zentralbank sollte fortan vom Militär bestimmt werden.
Persönliche Sicherheiten
Durch das Amnestiegesetz, seinen Senatssitz auf Lebenszeit und die achtjährige Amtszeit als Oberkommandierender der chilenischen Streitkräfte versuchte sich Pinochet juristisch und machtpolitisch unangreifbar zu machen, was ihm weitestgehend gelungen ist. Wie erst in den letzten Jahren herausgekommen ist, besaß der Diktator aber auch mehrere falsche ausländische Pässe sowie Konten in der Schweiz und bei der Riggs Bank in Washington (D.C.). Alleine in den Vereinigten Staaten besaßen er oder seine Familie 128 Konten mit insgesamt mindestens 19 Mio. US-Dollar Guthaben. Quelle:Economist