Geschichte und Entwicklung der Enzyklopädie
Antike: Vorformen der Enzyklopädie
Griechischer Kulturkreis: enkyklios paideia
Die Enzyklopädie war ursprünglich nach dem Sophisten Hippias von Elis (um 400 v. Chr.) der Begriff für die universale Bildung, später allgemein die Alltagsbildung, die allerdings nach Sokrates nur auf die wahre Bildung vorbereite.
Man verstand unter enkyklios paideia (lat. orbis doctrinae, "Kreis der Bildung", d. h. der Bildungswissenschaften) die Gesamtbildung, die sich ein freigeborner Jüngling angeeignet haben mußte, ehe er zur Erlernung eines bestimmten Faches oder in das werktätige Leben selbst überging. Der Kreis dieser Kenntnisse und Fertigkeiten umfaßte zunächst Grammatik, Musik, Geometrie, Astronomie und Gymnastik.
Die Anfänge der systematischen Enzyklopädie werden meist auf den griechischen Philosophen und Neffen Platons, Speusippos (408 v. Chr.-339 v. Chr.), zurückgeführt, der die von Platon gegründete Akademie weiterführte; es handelte sich bei dessen Arbeiten jedoch um eine Spezialenzyklopädie, von der nur wenige Fragmente erhalten sind (Homoia, eine Untersuchung der im Tier- und Pflanzenreich vorkommenden gleichartigen Erscheinungen).
Auch andere Philosophen der Antike wie Aristoteles (384 v. Chr.-322 v. Chr.) versuchten, umfangreiche Abhandlungen über das gesamte menschliche Wissen der damaligen Zeit zu verfassen. Die antiken Griechen verfassten jedoch noch keine Universalenzyklopädíen.
Römischer Kulturkreis: artes liberales
Bei der Enzyklopädie handelt es sich um eine typisch römische Literaturgattung. Die erste lateinische Sepzialenzyklopädie verfasste der römische Staatsmann und Schriftsteller Marcus Porcius Cato (234 v. Chr.-149 v. Chr.) mit pädagogischer Zielsetzung zu den Fachdisziplinen Landwirtschaft, Medizin, Rhetorik und Kriegswissenschaft (Libri ad Marcum filium" ("Bücher an den Sohn Marcus"), um 150 v. Chr..
Die ersten Versuche einer umfassenden und systematischen Enzyklopädie gehen zurück auf den römischen Gelehrten Marcus Terentius Varro (116 v. Chr.-27 v. Chr.), der in seinen Disciplinarum libri IX (kurz: Disciplinæ, um 30 v. Chr.) den Fächerkanon systematisch nach dem griechischen Vorbild des "Kreises der Bildung" organisierte; er ergänzte die Fächer der Freien Künste um die Medizin und die Architektur. Varros in 41 Büchern organisierte Werk ist nur in Fragmenten erhalten. Cicero plädierte in seinem De Officiis gegen die Erweiterung der freien Künste [?].
Das System der sieben freien Künste (Septem artes liberales) geht auf Varros Nachfolger Martianus Capella (um 415 n. Chr.) zurück, einen spätantiken Autor, der in seiner allegorischen Enzyklopädie De nuptiis philologiæ et Mercurii ("Über die Vermählung Philologias mit Merkur"; oder in Satiricon [?]) den Kanon der sieben freien Künste erstmals verbindlich festlegte:
- drei sprachliche Fächer (Trivium):
- vier mathematische Fächer (Quadrivium):
Martianus Capellas Werk wurde im Mittelalter intensiv rezipiert und überlieferte das römische Bildungssystem in das Mittelalter, wo es sich zu einem bedeutenden Unterrichtswerk entwickelte. Auch der römische Geschichtsschreiber Flavius Magnus Aurelius Cassiodorus und später der spanische Gelehrte Isidor von Sevilla beziehen ihre Arbeiten auf den Kanon der Sieben freien Künste; diese klassische Fächeraufteilung wurde erst mit dem Aufkommen von Aufklärung und Humanismus weitgehend aufgegeben.
Die älteste nachweisbare alphabetisch gegliederte Enzyklopädie wurde von dem lateinischen Grammatiker Marcus Verrius Flaccus um die Zeitenwende herum verfasst; sein lexikalisches Werk De significatu verborum ("Über die Bedeutung der [seltenen lateinischen] Wörter") ist jedoch verschollen und nur in Fragmenten in den Fassungen des römischen Grammatikers Sextus Pompeius Festus (2. Hälfte des 2. Jahrhunderts) und des Geschichtsschreiber Paulus Diaconus (8. Jahrhundert) überliefert.
Frühe Spezialenzyklopädien
Aus der Antike sind weitere enzyklopädische Werke bekannt, vor allem Spezialenzyklopädien; das erste derartige Werk soll Platons Neffe und Schüler Speusippos um 370 v. Chr. verfaßt haben (s.o.)
Auch von Varro gibt es eine römische Altertumskunde (Rerum humanarum et divinarum antiquitates, Text nicht überliefert).
Ein weiterer Vorläufer der Spezialenzyklopädie in lateinischer Sprache stammt von dem römischen Historiker und Schriftsteller Gaius Plinius Secundus (Plinius der Ältere, ca. 23 n. Chr.-79 n. Chr.), der mit seiner Historia naturalis (oder Naturalis historia [?]; dt.: "Naturgeschichte", entstanden um 79 n. Chr.) eine umfassende Enzyklopädie der Naturwissenschaften und -forschung verfasste; dabei handelt es sich auch um die älteste vollständig überlieferte systematische Enzyklopädie.
Die Naturalis historia umfasst 37 Bücher mit insgesamt 2.493 Kapiteln und ist folgendermaßen gegliedert:
- Buch 1: Inhalts- und Quellenverzeichnis
- Buch 2: Kosmologie
- Bücher 3-6: Geographie und Ethnologie
- Buch 7: Anthropologie
- Bücher 8-11: Zoologie
- Bücher 12-19: Botanik
- Bücher 20-32: Pflanzliche und tierische Heilmittel
- Bücher 33-37: Mineralogie und Verwendung der Metalle und Steine, besonders in der Kunst
Nach dem Quellenverzeichnis wurden insgesamt annähernd 500 Autoren verarbeitet, darunter rund 100 Primärquellen soweie fast 400 Sekundärquellen. Noch 1469 wurde der Erstdruck "Historiae naturalis libri XXXVII in Venedig aufgelegt. Die erste deutschsprachige (Teil-) Übersetzung der Bücher 7 bis 11 wurde 1543 in Straßburg unter dem Titel Natürlicher History Fünff Bücher angefertigt.
Entwicklung von Enzyklopädien außerhalb Europas
Enzyklopädieartike Werke sind aus dem chinesischen und dem arabischen Kulturkreis überliefert. Vergleichbare Entwicklungen von anderen Hochkulturen ausserhalb Europas sind nicht bekannt (Indien? Persien?)
Auch im aussereuropäischen Raum wurden bereits sehr früh Enzyklopädien entwickelt, so beispielsweise in antiken China. Enzyklopädieartige Werke entstanden hier ab etwa 500 v. Chr. auf Bambusstreifen und Schriftrollen; Enzyklopädien im engeren Sinne sind nachweisbar ab etwa 220 n. Chr..
Wichtige chinesische Enzyklopädien:
- Lü-shi chun-qiu (auch Lü Shi Chun Qiu; dt.: "Frühling und Herbst des Lü Bu Wei", "Annalen der Frühjahrs- und Herbstperiode von Lü" oder "Frühlings- und Herbstannalen" bzw. "Chronik des Fürstentums Lu" 722 v. Chr.-481 v. Chr.) aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. (Zhou-Dynastie); das Werk zählt zu den konfuzianischen Klassikern und wird dem Chinesischen Premierminister Lü Bu-wei unter Kaiser Ying Zheng (oder Kong Zi [?]) zugeschrieben; es existieren zumindest drei Kommentare zum Chun Qiu:
- Chun Qiu Zuo Zhuan ("Frühlings- und Herbstannalen mit Kommentar des Zuo"),
- Chun Qiu Gong Yang Zhuan ("Frühlings- und Herbstannalen mit Kommentar des Gong Yang"),
- Chun Qiu Gu Liang Zhuan ("Frühlings- und Herbstannalen mit Kommentar des Gu Liang").
- Das Tong-dian (通典; auch: Tong Dian oder Tongdian; dt.: "Umfassendes Handbuch") von Du You (杜佑) aus dem 8. Jahrhundert (Tang-Dynastie) ist unterteilt in neun Abschnitte: shihuo (Essen und Geld), xuanju (Prüfungen und Aufstieg), zhiguan (Büros), li (Bräuche), yue (Musik), bing (Militär), xingfa (Strafrecht), zhoujun (Verwaltung), bianfang (Verteidigung des Landesgrenzen); s.a. [1].
- Die Enzyklopädie Tai Ping Yu Lan (auch: Tai-ping yu-lan; "Kaiserliche Taiping-Enzyklopädie") wurde von Li Fang (oder Li Feng) zwischen 977 und 981 (983 [?]) zusammengestellt (Song-Dynastie, 10. Jahrhundert) und umfasst etwa 1.000 Faszikel (= Bände [?]); sie wurde zuletzt 1959 neu aufgelegt (nach anderen Quellen: 1812). Die Tai Ping Yu Lan enthält u.a. auch ganze Gedichte oder auch kurze Redewendungen wie beispielsweise Yu hu mou pi ("Mit einem Tiger um dessen Haut verhandeln")
- In der Enzyklopädie Liu Ching Thu um 1155 ist die älteste gedruckte Landkarte enthalten; die Holzschnittkarte stellt Westchina dar; eine Kopie der Karte befindet sich in der chinesischen Nationalbibliothek in Peking.
- Die 1317 (1319 [?]) veröffentlichte Enzyklopädie Wen-xian tong-kao (文選通考; auch: Wen-hsuan-t'ung-k'ao; dt.: "Allgemeine Untersuchung wichtiger Aufzeichungen") von Ma Duanlin (1245-1322, auch bekannt als Ma Tuan-lin) umfasst 348 Bände.
- Yong-Le-Enzyklopädie (永樂大典, Yongle Dadian; auch: Yongle-Enzyklopädie)
- Eine weitere namhafte chinesische Enzyklopädie ist die Yong-Le-Enzyklopädie aus dem 15. Jahrhundert (Ming-Dynastie, die als die berühmteste und fachlich ausgereifteste Enzyklopädie des chinesischen Altertums gilt. Sie wurde von über 3.000 Gelehrten erstellt und 1408 fertiggestellt; das Werk umfasst 22.877 Faszikel bzw. 11.095 Bände; der Platzbedarf der Manuskripte beträgt 40 qm.
- Das am Kaiserhof aufbewahrte Original-Manuskript ging auf mysteriöse Weise verloren, es existiert nur noch eine Abschrift, die im Lauf der sechs Jahrhunderte ihrer Existenz verstümmelt und schwer beschädigt wurde. Weltweit existieren heute nur noch etwa 400 Bände, also nur etwa vier Prozent des Gesamtwerks; davon befinden sich 223 in China. Die chinesische Nationalbibliothek sammelt seit 1912 Reste der Enzyklopädie und versucht seit 2002, die Fragmente zu restaurieren (vgl. auch [2].
- Die Enzyklopädie Tiangong kaiwu (dt.: "Die Nutzung der natürlichen Vorkommen") von Song Yingxing aus dem Jahr 1637 (Ming-Dynastie) dokumentiert in 18 Kapiteln das technische und industrielle Wissen und die Erfahrungen Chinas bis zum frühen 17. Jahrhundert. Behandelt werden unter anderem die Bereiche Nahrungsmittel und Kleidung, Keramiken, Boots- und Wagenbau, Metallurgie, Papier, aber auch die Herstellung von Waffen, Wein und Schmuck (vgl. [3]).
- Die Enzyklopädie Tschinting tuschu tschi tscheng wurde unter dem Kaiser Kang hsi (auch: Kang-tsi bzw. Scheng Tsu, 1662-1722, Ming-Dynastie) in 5.020 Bänden herausgegeben.
- Die Enzyklopädie Gujin tushu jicheng (dt.: "Sammlung von Tafeln und Schriften aus alter und neuer Zeit") erscheint 1726 in Pekingin 5.020 Bänden. Es handelt sich dabei um die erste systematisch aufgebaute und gedruckte chinesische Enzyklopädie. Ein fast vollständiges Exemplar befindet sich in der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz (ehemalige Preußische Staatsbibliothek) (identisch mit Bebilderte Sammlung der Vergangenheit und Gegenwart, 1728 in 10.000 Kapiteln und mit 10 Millionen Schriftzeichen [?]).
Obwohl diese gigantischen aussereuropäischen Enzyklopädien älter sind als die des europäischen Raums haben sie für die Entwicklung dessen, was uns heute als Enyzklopädie bekannt ist, nur untergeordnete Bedeutung, da sie die europäische Traditionslinie der Enzyklopädik nicht oder kaum beeinflussten.
- Kitab uyun al-achbar ("Buch über die Quellen der Geschichte") von Ibn Kutaiba, 9. Jahrhundert
- Mafatich al-ulum ("Schlüssel zu den Wissenschaften" oder "Die Schlüssel der Wissenschaften") von Al-Charismi (= Abu Abd Allah Mohammed Ibn Ahmed Ibn Jusuf oder Muhammad ibn Musa Al-Chwarismi, ca. 780-850), 10. Jahrhundert
- Asch-Schifa ("Heilung der Seele vom Irrtum"; lateinischer Titel Sufficientia) von Ibn Sina (latinisiert Avicenna, ca. 980-1037)
Im Mittelalter erschienen zunächst allegorische Lehrbücher der Artes liberales sowie später systematische Kompendien aller Wissenschaften und Künste, die nach Ordnungsprinzipien wie dem Sechstagewerk oder dem Katechismus systematisch gegliedert, oder orientieren sich am Jahreslauf bzw. dem Kalender; einige Werke verwenden auch Metaphern wie den Arbor porphyriana von Porphyrs Isagoge.
Typische Werktitel sind Thesaurus ("Schatz"), Gazophylacium ("Schatzhaus"), Aurifodina ("Goldgrube"), Promptuarium ("Zeughaus"), Theatrum ("Schauplatz") oder Acerra ("Gefäß") (vgl. [4]).
Allen diesen mittelalterlichen Werken sind zwei Eigenschaften gemein: Sie sind – von einer einzigen Ausnahme, der Suda, abgesehen – systematisch und nicht alphabetisch gegliedert und in lateinischer Sprache abgefasst, unabhängig von ihrem Herkunftland. Erst im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit entstehen erste nationalsprachliche Enzyklopädien.
Allegorische Lehrbücher der Artes liberales
Im Mittelalter baute das Bildungssystem auf dem römischen Kanon der sieben freien Künste auf; in allegorischen Lehrbüchern entwickelten spätantike und frühmittelalterliche Autoren die Artes liberales zu einem Fächerkanon weiter, der aus dem Quadrivium und dem Trivium besteht; diese Lehrbücher sind frühe Enzyklopädien der Wissenschaften.
Bedeutende Werke sind:
- Martianus Capella (um 415):
- De nuptiis Mercurii et Philologiae ( "Über die Hochzeit des Merkur und der Philologie"), Ende des 4./Anfang des 5. Jahrhunderts
- Cassiodorus (ca. 490 bis ca. 585):
- Institutiones divinarum et saecularium litterarum (nach Ernst Robert Curtius das "Grundbuch mittelalterlicher Bildung")
Systematische Kompendien aller Wissenschaften und Künste
Im Mittelalter werden auch erste Versuche unternommen, ein Kompendium aller Wissenschaften und Künste zu erstellen. Diese Werke sind nicht notwendigerweise auf den Fächerkanon der Artes liberales begrenzt, aber noch ausnahmslos systematisch strukturiert.
Die wichtigsten Vertreter dieser Enzyklopädien sind:
- Isidor von Sevilla (ca. 560 bis 636)
- Isidor von Sevilla (auch bekannt als Isidorus Hispalensis), der "Lehrmeister Spaniens", veröffentlichte um 623 (630 [?]) die 20-bändige Etymologiae (auch bekannt als Origines; voller Titel: Originum seu etymologiarum libri XX; auch: Etymologiarum sive originum libri XX[?], "Zwanzig Bücher der Etymologien oder Ursprünge"). Isidor versuchte in dieser Realenzyklopädie, das gesamte weltliche und geistliche Wissen seiner Zeit zu vereinen ([5], [6]).
- Die Etymologiae orientiert sich an den Artes liberales, ergänzt diese jedoch um einen Abriß der damals bekannten Weltgeschichte. Das "Grundbuch des ganzen Mittelalters" (E. R. Curtius) wurde aus unterschiedlichsten Vorlagen zusammengestellt. Die Etymologiae enthalten auch den ältesten Kartendruck des Abendlandes; dabei handelt es sich um eine Karte der westlichen Halbkugel, die noch im T-O -Stil als Mönchskarte ausgeführt ist.
- Das Werk wurde im Mittelalter über Jahrhunderte von Studenten als Standard-Nachschlagewerk genutzt und erstmals 1472 in Augsburg von Günther Zainer gedruckt.
- Hrabanus Maurus (ca. 780-856)
- Hrabanus Maurus (auch bekannt als Rabanus Maurus), der Praeceptor Germaniae ("Lehrmeister Deutschlands") und Schüler Alkuins veröffentlichte 847 eine erweiterte und überarbeitete Neuauflage einiger Bücher der Enzyklopädie Isidors. Die 22-bändige Enzyklopädie wurde erstmals 1473 gedruckt unter dem Titel De rerum naturis seu de universo (kurz: De Universo oder De rerum naturis).
- Wie bereits Isidor versuchte auch Hrabanus, das Wissen der damaligen Zeit aus Werken antiker und frühmittelalterlicher Autoren zu kompilieren. Bemerkenswert ist jedoch eine Neubewertung der Medizin zur Zeit Karls des Großen; Hrabanus Maurus fordert in seiner Aufstellung klerikaler Bildungsziele erstmals auch medizinische Grundkenntnisse ein, was zuvor undenkbar gewesen war: "Der Mensch, der mit dem Anspruch auftrat, Krankheit heilen zu wollen, machte sich geradezu der vermessenen Ursünde der superbia schuldig, indem er gleichsam korrigierend in den Heilsplan Gottes einzugreifen trachtete" (Adelheid Platte und Dr. Hermann Schefers in [7]).
- Herrad von Hohenburg (= Herrad von Landsberg, gest. nach 1196)
- Die erste nachweislich von einer Frau verfaßte Enzyklopädie stammt von Herrad von Hohenburg, die zwischen 1167 und 1195 Äbtissin des Klosters Hohenburg auf dem Odilienberg (Elsaß); sie verfaßte zwischen 1175 und 1195 den Hortus deliciarum (dt.: "Garten der Köstlichkeiten"). Das mit 350 Miniaturen illustrierte enzyklopädische Werk in lateinischer Sprache fasst das theologische und profane Wissen der damaligen Zeit zur Belehrung der Klosterfrauen zusammen. Das Original ist 1870 in Straßburg verbrannt.
- Bartholomaeus Anglicus (ca. 1190-1250)
- Der Scholastiker Bartholomaeus Anglicus (auch bekannt als Bartholomew the Englishman) verfasste im 13. Jahrhundert De proprietatibus rerum (auch: Liber de proprietatibus rerum), einen frühen Vorläufer der Enzyklopädie in 19 systematisch gegliederten Bänden bzw. Abschnitten. De proprietatibus rerum ist auch eines der ersten Nachschlagewerke des Mittelalters, das auch die Pflanzenwelt berücksichtigt; insgesamt umfaßt das Werk das gesamte Spektrum der damaligen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse ([8]).
- Die Enzyklopädie war über Jahrhunderte genutzt; 1372 wurde sie von dem Augustiner Jean Corbichon im Auftrag des Königs Charles V. ins Französische übersetzt. In Rouen und Paris wurden noch 1517 bzw. 1525 Neuausgaben unter dem Titel Le Proprietaire des choses très utile et profitable aux corps humains gedruckt (Abbildungen: [9] und [10])
- Vincentius Bellovacensis (ca. 1190-1264 oder 1184-1194 [?])
- Der dominikanische Mönch Vincentius Bellovacensis (auch bekannt als Vincent von Beauvais oder Vinzenz von Beauvais) verfasste um 1247 (oder 1260 [?]) die wohl bedeutendste Enzyklopädie des Mittelalters, den Speculum maius (auch: Speculum majus; der "Große Spiegel"). Er organisierte das Material in 80 Büchern, verarbeitete über 2.000 Quellen, bestehend aus theologischen Schriften und Werken von griechischen, hebräischen und römischen Autoren. Das Speculum maius ist in lateinischer Sprache verfasst und wurde 1474 erstmals gedruckt (vierte und letzte Auflage: Douai 1624 in 32 Büchern). Es besteht aus drei Teilen, aufgeteilt in fünf Bände; die Universitätsbibliothek Salzburg zeigt diverse Abbildungen von Buchseiten und den Einbänden unter [11]):
- Band 1-2: Speculum historiale - eine Historiographie von der Vertreibung aus dem Paradies bis zum Jahr 1244
- Band 3: Speculum doctrinale
- Band 4-5: Speculum naturale - eine Naturenzyklopädie, darunter diverse Bücher zur Pflanzenwelt, zu Gartenanbau und Kräutern u.a.
- Ein vierter Teil, das Speculum morale, war zwar geplant, wurde aber nicht mehr realisiert.
- Bedeutende Folgewerke in der Traditionsbahn des Speculum maius sind:
- Brunetto Latini (zwischen 1210 und 1220 bis 1294 oder 1295)
- Der italienische Dichter und Gelehrte Brunetto Latini verfaßte in Paris in französischer Sprache die Li livres dou trésor (dt.: "Das Schatzbuch", um 1265). Dabei handelt es sich um die erste bedeutende Laienenzyklopädie; das Werk verfolgte das Ziel, den zeitgenössischen Wissensstand einem größeren Leserkreis zugänglich machen und vor allem praktisches Wissen vermitteln; man kann hier also auch von einem frühen Vorläufer des Konversationslexikons sprechen.

- Johann Heinrich Alsted veröffentlichte 1630 (oder 1608 oder 1620 [?]) in Herborn die Encyclopaedia Cursus Philosophici in sieben Bänden; es handelt sich dabei um eins der ersten Werke, das den Titel "Enzyklopädie" trägt ([?]) und ist gleichzeitig eine der letzten großen systematisch aufgebauten Enzyklopädien. Sie greift zurück auf Raymundus Lullus' in der Ars Magna von 1308 formulierte Idee eines Feldes allen möglichen Wissens (Topica universalis) und die nach Lullus benannte lullsche Methode zum Systematisieren der Wissenschaften.
- Alsteds gleichzeitig enzyklopädischer wie ganzheitlicher Ansatz prägte beispielsweise auch den Pädagogen Comenius und den ungarischen Enzyklopädisten Apáczai Csere János (1625-1659) nachhaltig; Alsted vermittelte ihnen die Idee, mit Hilfe einer geeigneten Didaktik und dem richtigen Weg des Lehrens und Lernens könne man jedem Menschen alles Wissen beibringen.
- Der schweizer Philologe und Mediziner Theodor Zwinger (auch bekannt als Theodoro Zuingero) gibt 1565 nach dem Tod seines Stiefvaters und Enzyklopädisten Lycosthenes das Theatrum Vitae Humanae ("Schauplatz des menschlichen Lebens") heraus, eine Art allgemeine Enzyklopädie in lateinischer Sprache, die nach aristotelisch-ramistischer Methode systematisch strukturiert ist. Die folgenden Auflagen von 1571, 1586 und 1604 werden jeweils erweitert (vgl. [12]).
- Bemerkenswert an Zwingers Werk ist u.a. auch die titelgebende Bezeichnung als "Theatrum", die in der frühen Neuzeit in zahlreichen Veröffentlichungen gebraucht wurde. Es handelt sich dabei vermutlich um einen Rückbezug auf Giulio Camillos erst wenige Jahre zuvor publizierte Idee des Gedächtnistheaters (Florenz 1550), mit der er die Gedächtniskunst im Geiste des Neuplatonismus wiederbeleben wollte: "Camillos "L'Idea [del Teatro]" war ein Prototyp und möglicherweise sogar einer der Auslöser" (Julia Mummenhoff, Das Gedächtnistheater des Giulio Camillo. In: Silvia Baumgart u.a. (Hrsg.): Denkräume zwischen Kunst und Wissenschaft. 5. Kunsthistorikerinnentagung in Hamburg, Berlin u.a. 1993, S. 177?198)
- Bedeutende Folgewerke des Theatrum Vitae Humanae sind:
- Laurens Beyerlinck: Magnum theatrum vitae humanae - eine einer Fortschreibung und Umarbeitung von Zwingers Enzyklopädie in 7 Bänden; Erstausgabe: Köln 1631; Indexband von Caspar Princtius, Köln 1631 und Venedig 1707
Alle diese systematischen Kompendien sind allerdings primär noch systematische Materialiensammlungen ohne eine philosophische Aufarbeitung des Materials.
Alphabetische Strukturierung: Die Suda
Das heute meist als Suda zitierte Werk (auch: Suda, Souda, Suidas oder Suida) ist ein byzantisches Lexikon des 10. Jahrhunderts, das in altgriechischer Sprache verfasst und bisher nie vollständig in eine lebende Sprache übersetzt wurde. Es wurde früher vor allem unter dem Namen Suidas zitiert, ein Autor dieses Namens ist aber sonst nicht bekannt. Wahrscheinlich handelt es sich bei dem fälschlich als Suidas gelesenen Wort Suda in den Handschriften um den Titel des Werks, nicht um den Namen eines Verfassers. Der Titel bedeutet vermutlich "Festung".
Die Suda enthält über 32.000 alphabetisch geordnete Artikel über Leben und Werk antiker Autoren sowie über antike Geographie und Geschichte. Das Werk ist aus älteren, überwiegend verloren gegangenen antiken Enzyklopädien, Scholien und Werken klassischer Autoren wie Aristophanes, Homer, Sophokles u.a. zusammengestellt. Der Inhalt ist wenig verläßlich, da anscheinend viel aus dem Gedächtnis zitiert worden ist und die benutzen Quellen bereits ihrerseits unzuverlässig waren.
Da das Lexikon viele in den Dunklen Jahrhunderten untergegangene Werke zitiert, ist es für die Klassische Philologie eine unersetzliche Quelle. Dem humanistischen Philologen Justus Lipsius wird der Satz zugeschrieben: "pecus est Suidas, sed pecus aurei velleris" ("Suidas ist ein Schaf, aber ein Schaf mit goldener Wolle").
Die Suda steht teilweise in digitaler Form zur Verfügung; seit Januar 1998 erarbeitet eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern die web-basierte Edition The Suda On Line (SOL) unter http://www.stoa.org/sol/ (vgl. Präsentation); die Übersetzung und Kommentierung steht unter der Creative-Commons-Lizenz Attribution-NonCommercial-ShareAlike ([13]).
Fachenzyklopädien
Fachenzyklopädien und verwandte Gattungen des Mittelalters:
- Summae - die den Studenten in den Kollegien zum Auswendiglernen diktiert wurden;
- Specula - ein besonders häufig für Rechtsbücher gewählter Titel
- Z.B. Vinzenz von Beauvais
Nationalsprachliche Enzyklopädien
- Brunetto Latini, Li livres dou trésor (1260-1267, Schätzbücher)
- Konrad von Megenberg, Buch der Natur (1349-1350)
- Paul Scalich: Encyclopaedia (1559)
- Thomas Corneille: Dictionnaire des arts et des sciences (1694)
Neuzeit: Reformation, Aufklärung und Moderne
Methodologisch-systematische Neueinteilung der Wissenschaften
Als der eigentliche Schöpfer der Enzyklopädie auf methodologisch-systematischer Grundlage gilt der Philosoph Francis Bacon (1561-1626).
Bacon, auch bekannt als Baco von Verulam, plante ab 1605 ein umfassendes philosophisch-wissenschaftliches Werk mit dem programmatischen Titel Instauratio Magna ("Die große Erneuerung"), das auf sechs Teile ausgelegt war, jedoch nie vollendet wurde. Erschienen sind die Teile
- The Advancement of Learning (1605)
- De dignitate et augmentis scientiarum (London 1623; umgearbeitete lateinische Übersetzung; dt.: "Über die Würde und den Fortgang der Wissenschaften")
- Novum organum scientiarum (London 1620; auch: Novum organon scientiarum; kurz: Novum Organum; dt.: "Neues Organ der Wissenschaften")
- Cogitata et visa (1612; später umgearbeitet zum Novum Organum)
Gemeint mit der "großen Erneuerung" ist eine fundamentale Erneuerung der Philosophie und der Wissenschaften auf der Grundlage von Erfahrungswissen, durch das er Aristoteles' Metaphysik ablösen wollte. In seinem Novum organum scientiarum (1620) richtete sich Bacon gegen Aristoteles' Organon; während Aristoteles noch die reine Theorie als Erkenntnisquelle anstrebte und die Deduktion als Methode nutzte, sah Bacon in Beobachtung und Experiment die einzigen sicheren Quelle von Wissen und in der Induktion die praktikablere Methode; er leitet damit einen Paradigmenwechsel in der Wissenschaft ein und begründete die Tradition des angelsächsischen Empirismus. Seine Weltsicht beschreibt er folgendermaßen:
- "Universi structura instar labyrinthi: Der Bau des Weltalls erscheint seiner Struktur nach dem Menschengeist, der es betrachtet, wie ein Labyrinth, wo überall unsichere Wege, täuschende Ähnlichkeiten zwischen Dingen und Merkmalen, krumme und verwickelte Windungen und Verschlingungen der Eigenschaften sich zeigen" (Francis Bacon, Vorrede zur Instauratio Magna von 1620).
Nachfolger von Francis Bacon:
- Chevigny (La science de l'homme de cour, d'épée et de robe, fortgesetzt von Limiers und Massuet, Amsterdam 1752, 18 Bde.),
- Wagenseil (Pera librorum juvenilium, Altdorf 1695, 5 Bde.),
- Daniel Georg Morhof, Polyhistor (Lübeck 1688, 4. Aufl. 1747, 2 Bde.)
- J. M. Gesner (Primae lineae isagoges in eruditionem universalem, 3. Aufl., Göttingen 1786)
- J. G. Sulzer Kurzer Begriff aller Wissenschaften (Leipzig 1745)
- Adelung
- Reimarus
- Klügel
- Buhle
Formal sind die Enzyklopädien der angelsächsischen Aufklärung noch immer meist systematisch abgefaßte große Lehrbücher oder Kompendien. Erst ab dem Anfang des 17. Jahrhunderts setzt sich eine lexikalische oder alphabetische Anordnung durch.
Enzyklopädisten
In der Neuzeit seit dem 17./18. Jahrhundert, zunächst unter Einfluss der Enzyklopädisten, ist Enzyklopädie der Inbegriff für ein Werk, das die Gesamtheit des menschlichen Wissens darstellt. Das erklärte Ziel der so genannten Enzyklopädisten des 18. Jahrhundert war es, im Zuge der Aufklärung ein auf Vernunft gegründetes Kompendium des gesamten Wissens ihrer Zeit zusammenzutragen.
Enzyklopädische Lexika
Entstehung der Realenzyklopädie und des Konversationslexikons
Entwicklung der Realenzyklopädien und Konversationslexika:
- Vorläufer: "Realwörterbuch" des Suidas (10./11. Jahrhundert)
- Johann Joachim Eschenburg, Lehrbuch der Wissenschaftskunde (Berlin 1792, 3. Aufl. 1809)
- K. Ch. Erh. Schmid, Allgemeine Enzyklopädie und Methodologie der Wissenschaften (Jena 1810)
- K. A. Schaller, Enzyklopädie und Methodologie der Wissenschaften für angehende Studierende (Magdeburg 1812)
- Kirchner, Akademische Propädeutik (Leipzig 1842) und Hodegetik (Leipzig 1852)
Nach thematischen Schwerpunkten ausgerichtete enzyklopädische Lexika:
Enzyklopädische Lexika der Wissenschaften und Künste
- Furetière (Rotterdam 1690, 2 Bde.)
- Thom. Corneille (Paris 1694, 2 Bde.)
- Der Mathematiker John Harris veröffentlichte 1704 in London das Lexicon technicum: or, an universal english dictionary of arts and sciences. Das Lexicon technicum gilt als erste allgemeine Enzyklopädie, die einen Schwerpunkt im Bereich der Technik und der Wissenschaften setzte und ist die erste alphabetisch geordnete Enzyklopädie in englischer Sprache. Es erschien 1736 in London in der 5. Auflage in zwei Bänden.
- Das Lexicon technicum war auch ein Vorbild für Ephraim Chambers' Cyclopaedia und wird von Denis Diderot als eine der Quellen für die Encyclopédie gewürdigt.
- Johann Theodor Jablonski, auch bekannt als Johann Theodorus Jablonski, veröffentlichte 1721 in Leipzig bei Hartung das Allgemeine Lexikon der Künste und Wissenschaften oder deutliche Beschreibung des Reichs der Natur, der Himmel und himmlischen Cörper, der Luft, der Erden samt denen bekannten Gewächsen, der Thiere, Steine und Ertze, des Meeres und der darinn lebenden Geschöpfe ; ingleichen aller menschlichen Handlungen, Staats- Rechts-, Kriegs-, Policey-, Haußhaltungs- und Gelehrten Geschäffte, Handthierungen und Gewerbe ; samt einer Erklärung der darinn vorkommenden Kunst-Wörter und Redens-Arten ; mit Beysetzung der lateinischen und französischen Benennungen, wo solche vorhanden ; in gehöriger Ordnung verfasset und mit Fleiß zusammen getragen; Neuauflagen erschienen in Königsberg/Leipzig 1748 (2. Auflage) und Königsberg/Leipzig 1767 bei Zeisens.

- Ephraim Chambers veröffentlichte 1728 in London die Cyclopedia: or, An universal dictionary of arts and sciences (London, 1. Ausgabe 1728) in 2 Bänden, die als die erste englischsprachige Enzyklopädie gilt. Die Cyclopaedia ist ausserdem die erste Enzyklopädie, die mit Querverweisungen arbeitete.
- "[...] Chambers is clearly the father of the modern encyclopaedia throughout the world. [...] Chambers's Cyclopaedia is particularly remarkable for its elaborate system of cross-references, and for the broadening of Harris's coverage to include more of the humanities" (Robert Collison, Encyclopaedias: Their history throughout the ages).
- Die Cyclopaedia basiert auf John Harris' Lexicon technicum von 1704.
- Chambers' Cyclopaedia war wiederum der Ausgangspunkt für d'Alembert: Ursprünglich wollte er "nur" eine Übersetzung dieses Werkes anfertigen, da ihn dessen Strukturierung der enzyklopädischen Anordnung und der Verkettung überzeugte. Diderot und d'Alembert entdeckten jedoch gewaltige Lücken in der Stoffabdeckung der zwei Foliobände und entwickelten daher ihr eigenständiges Vorhaben der Encyclopédie.
- Heinrich Martin Gottfried Köster gab ab 1778 in Frankfurt am Main die Deutsche Encyclopädie oder allgemeines Real-Wörterbuch aller Künste und Wissenschaften heraus; Johann Friedrich Roos löste ihn als Herausgeber ab Band 18 ab. Das auch als Frankfurter Enzyklopädie bekannte Werk ist unvollendet geblieben und umfasst 23 Bände (A-Ky); der letzte Band erschien 1804, ein Tafelband wurde 1807 nachgereicht.
- Die Frankfurter Enzyklopädie gilt als erstes deutsches Nachschlagewerk, das die Bezeichnung "Enzyklopädie" im Buchtitel trägt.
Enzyklopädische Lexika der Geschichte, Geographie und Biographie

- Louis Moréri veröffentlichte 1671 in Frankreich Le grand dictionnaire historique, ou mélange curieux de l'histoire sacrée et profane (kurz: Dictionnaires, 1671 (andere Quellen: 1673/74 [?])).
- Das Nachschlagewerk erschien in diversen Ausgaben, darunter Lyon 1681, Utrecht 1692, Paris 1699, Paris 1718, Paris 1725, Basel 1731/32, Amsterdam 1740 sowie zuletzt Paris 1759 in der 20. Auflage und umfasste 10 Bände. Deutsche Ausgaben erschienen in Leipzig 1709 und 1730/32 unter dem Titel Allgemeines historisches Lexicon, die von Johann Franz Budde bei Thomas Fritsch herausgegeben wurden. Moreri hat vor seinem Tod im Alter von 37 Jahren nur an den ersten beiden Auflagen mitarbeiten können; zu den späteren Mitarbeitern zählten u.a. Jean le Clerc, Louis-Ellies du Pin und Louis-F.-J. de La Barre.
- Die Bedeutung dieses Werkes liegt u.a. darin, dass es die Ära der nationalsprachlichen Lexika einleitet.
- Die Biblioteca Universale Sacro-Profana (kurz: Biblioteca universale des Kosmographen und Kartograph Vincenzo Maria Coronelli ist eine der ersten Enzyklopädien in italienischer Sprache. Das alphabetisch gegliederte Werk war ursprünglich auf einen Umfang von 45 Bänden mit 300.000 Stichwörtern ausgelegt, von denen jedoch nur sechs (oder sieben [?], A-Caque) Bände zwischen 1701 und 1706 in Venedig erschienen. Allein der Buchstabe "A" umfaßte vier Bände mit fast 2.700 Begriffen
- Die Biblioteca universale sacro-profana wird gelegentlich als erste alphabetisch sortierte Enzyklopädie überhaupt genannt (was nicht korrekt ist), sie gilt außerdem als eines der ersten Konversationslexika.
- Der Buchhändler und Verleger Johann Heinrich Zedler veröffentlichte zwischen 1732 und 1754 das Grosse vollständige Universallexikon aller Wissenschaften und Künste, welche bishero durch menschlichen Verstand und Witz erfunden und verbessert wurden: Darinnen so wohl die Geographisch-Politische Beschreibung des Erd-Creyses nach allen Monarchien, Kaeyserthuemern, Königreichen, Fürstenthümern, Republiquen, freyen Herrschafften, Laendern, Staedten, See-Haefen, Vestungen, Schlössern, Flecken, Aemtern, Kloestern, Gebuergen, Paessen, Waeldern, Meeren, Seen ... Als auch eine ausführliche Historisch-Genealogische Nachricht von den Durchlauchten und berühmtesten Geschlechtern in der Welt, Dem Leben und Thaten der Kaeyser, Koenige, Churfuersten und Fuersten, grosser Helden, Staats-Minister, Kriegs-Obersten ... ; Ingleichen von allen Staats-, Kriegs-, Rechts-Policey und Haußhaltungs-Geschaefften des Adelichen und buergerlichen Standes, der Kauffmannschafft, Handthierungen, Künste (Leipzig 1732-1754 (andere Quellen: 1731-1750)).
- Das Grosse vollständige Universallexikon aller Wissenschaften und Künste, kurz nach dem Verleger Zedlersches Lexikon genannt, ist die erste deutschsprachige Enzyklopädie und gilt als das größte bis dahin gedruckte Universallexikon des Abendlandes; es umfasst 64 Bände und 4 Supplemente mit rund 750.000 Artikeln auf 62.571 Seiten. Ein Neudruck wurde zuletzt zwischen 1961 und 1964 in Graz aufgelegt.
- Das Zedlersche Lexikon war die erste Enzyklopädie, an der eine Redaktion von Fachgelehrten mitarbeitete, darunter beispielsweise Johann Christoph Gottsched. Der Zedler enthielt auch als erste Enzyklopädie Biographien lebender Persönlichkeiten.
- Das Münchener Digitalisierungszentrum (MDZ) der Bayerische Staatsbibliothek hat Zedlers Lexikon vollständig in Form von Bild- und PDF-Dateien einschließlich der drei Supplement-Bände digitalisiert; die insgesamt 68 Bände sind alphabetisch indexister, ausserdem kann in den Lexikonseiten geblättert werden. Die Online-Ausgabe ist erreichbar unter http://mdz.bib-bvb.de/digbib/lexika/zedler/.
Enzyklopädische Lexika zu Religionen, Kulturen und Ethnien
- Jacob Hamburger (* Loslau [Oberschles. ] 1826, &dagger Strelitz [Mecklenburg] 1911)
- Der Lexikograph und Landesrabbiner von Mecklenburg Jacob Hamburger veröffentlichte zwischen 1886 und 1900 in Leipzig die Real-Enzyklopädie des Judentums in sieben Bänden. Es handelt sich dabei um das erste lexikalische Nachschlagewerk über das Judentum.
Anti-Enzyklopädien
Anti-Enzyklopädien stellen nicht einen als gesichert bezeichneten Wissens- und Forschungsstand dar, sondern stellen gegensätzliche Positionen einander gleichgeordnet oder sie gegeneinander abwägend gegenüber.
Prominente Vertreter der Anti-Enzyklopädie sind:
- Dictionnaire historique et critique (1694-1697, auch in deutscher Bearbeitung von Johann Christoph Gottsched (1700-1766) als Historisches und Critisches Wörterbuch übersetzt (1741-1744))
Deutschsprachige Enzyklopädien des 17. und 18. Jahrhunderts mit systematischer Strukturierung:
- Johann Joachim Eschenburg, Lehrbuch der Wissenschaftskunde (1792)
- Wilhelm Traugott Krug, Encyclopädie der Wissenschaften (1796-1798)
- Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften (1817).
Die Enzyklopädie hat in der Aufklärung und im 18. Jahrhundert ihr Publikum, ihre Aufgabe und die Form gefunden und vollendet. Im 19. Jahrhundert wurde für das aufkommende Bildungsbürgertum das Konversationslexikon herausgegeben, ob Meyers oder der Brockhaus, sie haben sehr viele Züge einer Enzyklopädie mit der Form eines Wörterbuches verbunden.
Ist eine Enzyklopädie primär ein allgemeines Bildungswerk des Wissens, ein Lexikon ein Nachschlagewerk der Allgemeinbildung, legt ein Wörterbuch dagegen meist die Betonung auf die Sprache selbst (Duden). So erfüllt ein Konversationslexikon mehrere Aufgaben zu gleich.
Die gebildeten Bürger wollten zur Konversation das Wissensfundament haben, sie wollten aber meist, als ein Zeichen ihrer Bildung und ihres Sozialstatus, auch eine gehobene Schriftsprache beherrschen.
Deutschsprachige Enzyklopädien:

- Krünitz begann 1773 mit der Erarbeitung der Oeconomische Encyclopädie, oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- u. Landwirthschaft, in alphabetischer Ordnung. Zunächst war diese als Übersetzung einer bereits erschienenen französischsprachigen Enzyklopädie ins Deutsche geplant, entwickelte sich dann aber zu einem eigenständigen, das Original weit übertreffenden Werk.
- Krünitz, der über ein breit angelegtes Wissen, gute Sprachkenntnisse und nicht zuletzt großen Fleiß verfügte, konnte zu seinen Lebzeiten 72 Bände vollenden. Er starb angeblich ausgerechnet beim Abfassen des Artikels "Leiche". Sein Werk wurde von verschiedenen anderen Bearbeitern fortgeführt und schließlich 1858 mit Erscheinen des 242. Bandes abgeschlossen.
- Die Oeconomische Encyclopädie gilt heute noch als wichtige Quelle zu Wirtschaft und Technik in der Zeit zwischen Aufklärung und Industrialisierung.
- In einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten und von der Universitätsbibliothek Trier durchgeführten Digitalisierungsprojekt, der Oeconomischen Encyclopädie online, wird eine elektronische Version des "Krünitz" erstellt, die auch durch zahlreichen Hintergrundinformationen ergänzt wird. Der Volltext ist erreichbar unter http://www.kruenitz.de/ ([14]).
- Ersch und Gruber veröffentlichten zwischen 1818 und 1889 die unvollendete Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste, in alphabetischer Folge in 167 Bänden. Es handelt sich dabei um eine wissenschaftliche Enzyklopädie, die von über 400 Mitarbeitern erarbeitet wurde und etwa 70.000 Seiten in drei Sektionen umfasst.
- Veröffentlicht wurden die Teile "A-G", "H-Ligatur" und "O-Phyxius". Beispielsweise umfasst allein das Stichwort Griechenland drei (neun [?]) Bände: Vol. 85 (1867; [15]), Vol. 86 (1868; [16]) und Vol. 87 (1869; [17]).
- Der "Ersch-Gruber" gilt als umfangreichste Enzyklopädie des Abendlandes, als prototypisches Dokument des deutschen Idealismus ([18]) und "Riesen- und Ehrenwerk teutscher Gründlichkeit und teutschen Fleißes" (Pölitz, Vermischte Schriften aus den Kreisen der Geschichte, der Staatskunst, und der Literatur überhaupt, Bd. 2, Leipzig 1831, 226). Die monumentale Enzyklopädie genießt auch internationales Ansehen: Der Enzyklopädiker Richard Collison bezeichnet sie als "the greatest Western encyclopaedia ever attempted" (Robert Collison, Encyclopaedias. Their history throughout the ages. A bibliographical guide with extensive historical notes to the general encyclopaedias issued throughout the world from 350 B.C. to the present day, New York, London 1966, 182)
- Die Allgemeine Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste wurde vom Göttinger Digitalisierungs-Zentrum der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen vollständig digitalisiert und ist im Internet erreichbar unter [19].
Entwicklung der Konversationslexika
Unter einem Konversationslexikon versteht man seit dem 19. Jahrhundert ein allgemeines und umfassendes Lexikon, das dem Leser die für eine Konversation im Salon notwendige Bildung vermittelt. Der Übergang zur Enzyklopädie ist fließend.
Vorläufer des Konversationslexikons:
- Lexicon universale historico-geographico-chronologico-poetico-philologicum (kurz: Lexicon Universale), erstmals erschienen in Basel 1677 im Umfang von zwei Bänden; sechs Jahre später – 1683 – erscheinen in Basel drei Ergänzungsbände (Continuatio). 1698 werden Lexikon und Ergänzungsbände zusammengeführt und eine vierbändige Neuausgabe erscheint in Leyden.
- Johann Hübner (* Türchau [bei Zittau] 1668, † Hamburg 1731)
- Der Schulschriftsteller und Lehrer Johann Hübner veröffentlichte 1704 in Leipzig das erste große deutschsprachige Lexikon: Reales Staats-, Zeitungs- und Conversationslexikon, darinnen sowohl die Religionen und geistlichen Orden, die Reiche und Staaten, Meere, Seen, Insuln, Flüsse, Städte, Festungen Schlösser, Häven, Berge [...] als auch andere in Zeitungen und täglicher Conversation vorkommende aus fremden Sprachen entlehnte Wörter, nebst alltäglichen Terminis Juridicis und Technicis, Gelehrten und Ungelehrten zu sonderbarem Nutzen klar und deutlich beschrieben werden. Im Titel wird erstmals die Bezeichnung "Konversation" im Zusammenhang mit einem Lexikon verwendet.
- Die erste Auflage dieses langlebigen Lexikons erschien 1704 und wurde von Balthasar Sinold von Schütz (1657-1742) herausgegeben; in den folgenden Jahrzenten erschienen diverse Neuauflagen, die letzte 1825 (35. Auflage [nach anderen Angaben war die 31. Auflage Leipzig 1824 - 1828 die letzte erschienene]).
- Johann Hübner gab 1712 in Leipzig auch das Curieuse Natur-Kunst-Gewerk und Handlungs-Lexicon heraus, das von P. J. Marperger zusammengestellt wurde und das Staats-, Zeitungs- und Conversations-Lexicon fotzsetzte. Neuauflagen erschienen 1714, 1717, 1722, 1727, 1731, 1736, 1739, 1741, 1746, 1755, 1762, 1776 und 1792.
- Das dritte Lexikon von Johann Hübner war das 1714 in Leipzig bei Gleditsch erschienene Curieuse und Reales Natur-, Kunst-, Berg-, Gewerck- und Handlungs-Lexicon : Darinnen nicht nur Die in der Philosophie, Physic, Medicin, Botanic, Chymie ... gebräuchliche Termini technici oder Kunst-Wörter, nach Alphabetischer Ordnung ausführlich beschrieben werden ; Sondern auch alle in Handel und Wandel, ingleichen in Jure und vor Gerichten vorfallende ... Wörter
- Zedlers Großes vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste (1732-1754, 64 Bände) gilt als die erste moderne deutsche Enzyklopädie.
Entwicklung der Werksgattung des Konversationslexikons:
- Der Privatgelehrte Renatus Gotthelf Löbel gab zusammen mit dem Advokaten Christian Wilhelm Franke das Conversationslexikon mit vorzüglicher Rücksicht auf die gegenwärtigen Zeiten heraus. Das Werk erschien zwischen 1796 und 1808 in Leipzig in sechs Bänden, der letzt Band ist jedoch unvollständig geblieben; es erschien in verschiedenen Verlagen:
- Löbels und Frankes Conversationslexikon ist das erste Lexikon, bei dem die Bezeichnung "Konversationslexikon" als selbständiges Titelwort erscheint. Friedrich Arnold Brockhaus kaufte das Werk auf der Leipziger Buchhändlermesse 1808 auf und ließ es in den folgenden Jahren vollständig umarbeiten; es bildet das Fundament des 1805 in Amsterdam als Verlagsbuchhandlung gegründeten Verlages F. A. Brockhaus.
- Friedrich Arnold Brockhaus kaufte von Renatus Gotthelf Löbel und Christian Wilhelm Franke auf der Leipziger Buchhändlermesse am 25. Oktober 1808 das 1796 begründete Conversationslexikon mit vorzüglicher Rücksicht auf die gegenwärtigen Zeiten (kurz: Conversations-Lexicon; voller Titel: Conversations-Lexicon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch für die in der gesellschaftlichen Unterhaltung aus den Wissenschaften und Künsten vorkommenden Gegenstände mit beständiger Rücksicht auf die Ereignisse der älteren und neueren Zeit).
- Löbels und Frankes Werk umfasste sechs Bände; F. A. Brockhaus ließ 1809 (1810 [?]) und 1811 zwei Nachtragsbände anfertigen, die im F. A. Brockhaus Verlag in Amsterdam (1809 (1810 [?]) und Leipzig (1811) erschienen.
- Brockhaus vermarktet das Conversations-Lexicon ab 1808 zunächst unter demselben Namen und ließ 1809 einen Neudruck der ersten Bände unter dem neuen Titel Conversations-Lexicon oder kurz gefaßtes Handwörterbuch für die in der gesellschaftlichen Unterhaltung aus den Wissenschaften und Künsten vorkommenden Gegenstände mit beständiger Rücksicht auf die Ereignisse der älteren und neueren Zeit anfertigen; diese zwischen 1809 und 1811 in Leipzig erschienene Ausgabe umfasste sechs Bände und zwei Ergänzungsbände. Diese Ausgabe legte den Grundstock für die heute in 20. Auflage erscheinende Große Brockhaus Enzyklopädie.
- Die 2. Auflage erschien 1812-1820 in 10 Bänden und wurde ein großer verlegerischer Erfolg. Mit der 4. Auflage, die zwischen 1814 und 1819 in zehn Bänden erschien, wurde zum ersten Mal die Bezeichnung "Enzyklopädie" verwendet: Allgemeine Hand-Encyclopädie für die gebildeten Stände. Seit der 5. Auflage (1819-1820) wird das Konversationslexikon von Wissenschaftlern redigiert.
- Ab der 13. Auflage, erschienen zwischen 1882 und 1887 in 16 Bänden und einem Ergänzungsband, enthielt das Brockhaus' Conversations-Lexikon. Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie erstmals auch Tafeln. Ab der 14. Auflage (1892-1897) war Brockhaus' Konversations-Lexikon zum ersten Mal auch im Text bebildert, der Umfang von 16 Bänden und einem Ergänzungsband wurde jedoch zunächst beibehalten.
- Das von Joseph Meyer herausgegebene Große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (46 Bde., 6 Supplement-Bände, 1840-[[1855], kurz: Meyers Konversationslexikon oder "Meyers Lexikon) ist – neben dem Brockhaus – das zweite bedeutende deutschsprachige enzyklopädische Werk allgemeinen Inhalts und n bewußter Konkurrenz zum Brockhaus angelegt; es ist im 19. und 20. Jahrhundert in mehreren Auflagen erschienen.
- Die Leser dieses Werkes konnten mit den Herausgebern vom Bibliographischen Institut in Kontakt treten. So enthält jeder Band einen Anhang über den stattgefundenen Briefwechsel, das so genannte Korrespondenzblatt.
- Die 1888-90 in 16 Bänden erschienene vierte Auflage ist urheberrechtlich frei. Mittlerweile sind alle Bände als eingescannte Bilder und als OCR-Volltext einsehbar, was etwa 16.000 Seiten entspricht. Zumindest seit der 4. Auflage enthalten die Bände zahlreiche Zeichnungen und Pläne.
- Das dritte bedeutende Konversationslexikon des 19. Jahrhunderts ist Herders Conversations-Lexikon (5 Bde., 1854-1857, Freiburg im Breisgau, Verlag Herder; kurz: Herders Lexikon).
- Der Herder Verlag in Freiburg (Breisgau) veröffentlichte zwischen 1825 und 1827 unter dem Titel Systematische Bilder-Gallerie zur Allgemeinen deutschen Real-Encyclopädie den ersten Bildergänzungsband zu einem Konversationslexikon; er enthält rund 4.000 Abbildungen. Das Brockhaus' Conversations-Lexikon wurde im Vergleich dazu relativ spät ab der 13. Auflage (1882-1887), also rund 60 Jahre später, erstmals durch Bildtafeln sowie ab der 14. Auflage (1892-1897) auch im Text bebildert.
- H. A. Pierer
- Weniger bekannt ist H. A. Pierers Universallexikon, das erstmals 1824-1836 erschien.
In der Schweiz waren im 17. und 18. Jahrhundert vor allem die deutschsprachigen Enzyklopädien verbreitet. Daneben entstanden jedoch auch einige national ausgerichtete Lexika.
- Das von dem Züricher Bürgermeister Johann Jacob Leu zwischen 1747 und 1765 in Zürich herausgegebene Allgemeine, helvetische, eydgenössische, oder schweitzerische Lexicon in 20 Bänden gilt als erster Vertreter der national ausgerichteten Lexika in der Schweit. Zwischen 1786 und 1795 erschienen sechs Supplementbände.
Auch in Österreich waren im 18. und 19. Jahrhundert vor allem die deutschsprachigen Enzyklopädien verbreitet. Daneben entstanden jedoch auch einige national ausgerichtete Lexika.
- Zwischen 1835 und 1838 erschien in Wien die Österreichische National-Encyclopädie oder alphabetische Darlegung der wissenswürdigsten Eigenthümlichkeiten des österreichischen Kaiserthumes in sechs Bänden und einem Supplementband. Das Werk gilt als erste national ausgerichtete österreichische Enzyklopädie.
- Der niederländische Pfarrer und Schriftsteller Anthony Winkler Prins veröffentlichte zwischen 1870 und 1882 in Amsterdam das niederländische Großlexikon Winkler Prins Geillustreerde Encyclopaedie. Das Werk umfasste 16 Bände und basiert auf der Grundlage von Brockhaus-Material. Es handelt sich dabei um die erste bedeutende niederländische Enzyklopädie; sie wurde zwischenzeitlich neu konzipierte und erscheint bis heute.
- Patria Belgica. Encyclopédie nationale, 3 Bände, Brüssel 1875; gilt als die erste belgische Enzyklopädie.

Die wohl berühmteste frühe Enzyklopädie im heutigen Verständnis ist die französischsprachige Encyclopédie (Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers), die von Jean Baptiste le Rond d'Alembert und Denis Diderot herausgegeben wurde; d'Alembert definierte "Enzyklopädie" hier als "dictionnaire raisonné" ("Komplexes Wörterbuch").
Denis Diderot beschreibt das Vorhaben der Encyclopédie folgendermaßen:
- "Bei der lexikalischen Zusammenfassung alles dessen, was in die Bereiche der Wissenschaften, der Kunst und des Handwerks gehört, muss es darum gehen, deren gegenseitige Verflechtungen sichtbar zu machen und mithilfe dieser Querverbindungen die ihnen zugrunde liegenden Prinzipien genauer zu erfassen [...] es geht darum, die entfernteren und näheren Beziehungen der Dinge aufzuzeigen, aus denen die Natur besteht und die die Menschen beschäftigt haben, ein allgemeines Bild der Anstrengungen des menschlichen Geistes auf allen Gebieten und in allen Jahrhunderten zu entwerfen." (aus dem "Discours préliminaire" der Encyclopédie)
- "Tatsächlich zielt eine Enzyklopädie darauf ab, die auf der Erdoberfläche verstreuten Kenntnisse zu sammeln, das allgemeine System dieser Kenntnisse den Menschen darzulegen, mit denen wir zusammenleben, und es den nach uns kommenden Menschen zu überliefern, damit die Arbeit der vergangenen Jahrhunderte nicht nutzlos für die kommenden Jahrhunderte gewesen sei; damit unsere Enkel nicht nur gebildeter, sondern gleichzeitig auch tugendhafter und glücklicher werden, und damit wir nicht sterben, ohne uns um die Menschheit verdient gemacht zu haben." (im Artikel "Encyclopédie")
In einem Brief an Sophie Volland erörterte Diderot die aufklärerische Zielsetzung weiter:
- "Dieses Werk wird sicher mit der Zeit eine Umwandlung der Geister mit sich bringen, und ich hoffe, dass die Tyrannen, die Unterdrücker, die Fanatiker und die Intoleranten dabei nicht gewinnen werden. Wir werden der Menschheit gedient haben [...]"
Die Veröffentlichung der Encyclopédie wurde 1772 mit dem 28. Band abgeschlossen; das monumentale Werk enthält 71.818 Artikel und 2.885 Illustrationen, elf Bände bestehen ausschließlich aus Bildtafeln. Ergänzt wurde das Werk durch vier Ergänzungsbände (erschienen von 1776 bis 1777) und ein zweibändiges Register (erschienen 1780).
Folgewerke:
- Charles Joseph Panckoucke: Aufteilung der Encyclopédie Diderots und d?Alemberts in verschiedene Fachlexika; erschienen zwischen 1781 und 1832 in 167 Bänden.
Enzyklopädien in italienischer Sprache:
- Der Kosmograph und Kartograph Vincenzo Maria Coronelli veröffentlichte zwischen 1701 und 1706 in Venedig die Biblioteca Universale Sacro-Profana (kurz: Biblioteca universale. Von dem ursprünglich auf 45 Bände mit 300.000 Stichwörtern angelegten alphabetisch gegliederten Werk erschienen jedoch nur die ersten sechs (andere Quellen: sieben [?]) Bände. Allein der Buchstabe A umfaßte vier Bände mit fast 2.700 Begriffen
- Die Biblioteca universale sacro-profana ist die erste Enzyklopädie in italienischer Sprache und wird gelegentlich (irrtümlich) als erste alphabetisch sortierte Enzyklopädie überhaupt genannt. Coronellis Enzyklopädie ist auch ein Vorläufer der späteren Konversationslexika.
Enzyklopädien in spanischer Sprache:
- Francisco de Paula Mellado gab zwischen 1851 und 1855 in Madrid die Enciclopedia moderna in 34 Bänden heraus. Es handelt sich dabei um die erste bedeutende Enzyklopädie in spanischer Sprache. Supplemente erschienen 1864 und 1865.
- Manuel Pinheiro Chagas (* 1842, &dagger 1895)
- Manuel Pinheiro Chagas gab zwischen 1876 und 1890 in Lissabon das Diccionário popular, histórico, geográphico, mythológico, biográphico, artístico, bibliográphico e litterario in 17 Bänden heraus; das Werk gilt als die älteste bedeutende portugiesische Enzyklopädie.
Im angelsächsischen Raum kann die Enzyklopädie auf den britschen Physiker Sir Thomas Browne (1605-1682) zurückgeführt werden, der den Begriff encyclopaedia für sein Kompendium widerlegter, aber verbreiteter Irrtümer (die Pseudodoxia Epidemica) im Jahre 1646 (6. Auflage 1676) nutzte: "and therefore in this Encyclopaedie and round of knowledge, like the two great and exemplary wheeles of heaven, we must observe two circles".
Noch häufiger wird das enzyklopädische Format zurückgeführt auf John Harris, der 1704 sein Lexicon technicum veröffentlichte.
Ephraim Chambers, Cyclopedia, or an Universal Dictionary of Arts and Sciences (1728), wird gelegentlich als erste englischsprachige Enzyklopädie genannt.
Die von William Smellie herausgegebene Encyclopædia Britannica begann zunächst bescheiden: Zwischen 1768 und 1771 wurde sie in drei Bänden veröffentlicht.
Die 11. Auflage der Britannica von 1911 bildet einen weiteren Meilenstein in der Geschichte der Enzyklopädistik; diese Auflage ist mittlerweile gemeinfrei (public domain). Geschätzt wird die Encyclopædia Britannica (EB) besonders aufgrund ihrer fundierten Hintergrundartikel.
- Francis Lieber (= Franz Lieber, * Berlin 1798, † New York 1872)
- Der amerikanischen Staatswissenschaftler deutscher Herkunft Francis Lieber gab zwischen 1829 und 1833 in Philadelphia die Encyclopedia Americana (kurz: The Americana) heraus. Das Werk umfasste 13 Bände und basierte auf der 7. Auflage des Brockhaus Konversationslexikons Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände in 12 Bänden (Leipzig 1827-1829). Die Americana gilt als die erste bedeutende amerikanische Enzyklopädie. Seitdem sind mehrere Neuausgaben erschienen, die sich noch immer am Vorbild des deutschen Konversationslexikons orientieren; zur laufenden Aktualisierung wird seit 1923 The Americana annual herausgegeben.
Enzyklopädien in russischer Sprache:
- Leksikon Rossijskoj, 3 Bände, 1793 - die erste russische Enzyklopädie
- Brockhaus-Efron
- Entsiklopedicheskii Slovar (auch: Enciklopediceskij slovar, 43 Bde., 1890-1907)
- Die Konversacijas vardnica erschien zwischen 1892 und 1898 in Riga [?] mit 27 Lieferungen; das Werk gilt als erste lettische Enzyklopädie, blieb jedoch unvollendet (bis Stichwort "Kristjans").
- Die Enciclopedia Româna wurde zwischen 1898 und 1904 in Sibiu (Hermannstadt) in drei Bänden herausgegeben. Das Werk gilt als erste rumänische Enzyklopädie.
- L. J. Kasarov (?)
- L. J. Kasarov gab das enzyklopädische Wörterbuch Enciklopediceski recnik zwischen 1899 und 1907 in Plovdiv in drei Bänden heraus. Es handelt sich dabei wohl um die älteste bulgaische Enzyklopädie.
Enzyklopädien in polnischer Sprache:
- Der Buchhändler Samuel Orgelbrand verlegte zwischen 1859 und 1868 in Warschau die Encyklopedia Powszechna (auch: Encyklopedja powszechna; dt.: "Allgemeine Enzyklopädie") in 28 Bänden. Ein Nachdruck erschien 1884), eine neue Auflage zwischen 1877 und 1879 in 12 Bänden. Es handelt sich bei der Encyklopedia Powszechna um die erste bedeutende Enzyklopädie in polnischer Sprache.
Enzyklopädien in ungarischer Sprache:
- Apáczai Csere János veröffentlichte 1655 in Utrecht die Magyar Encyclopaedia (dt.: "Die Ungarische Enzyklopädie"). Die Magyar Encyclopaedia gilt als die erste Enzyklopädie überhaupt in ungarischer Sprache (vgl. [20])
Enzyklopädien in tschechischer Sprache:
- Frantisek Palack (* Hodslavice [Nordmähr. Kr.] 1798, † Prag 1876)
- Der tschechische Historiker und Politiker Frantisek Palack unternahm den ersten Versuch, eine tschechoslowakische [?] Enzyklopädie vom Typ des Brockhaus-Lexikons herauszugeben; wegen fehlender finanzieller Mittel konnte er das Vorhaben jedoch nicht verwirklichen.
- Franz Ladislaus Rieger (* Semil [Kr. Gitschin ] 1818, † Prag 1903)
- Der tschechische Publizist und Politiker Franz Ladislaus Rieger veröffentlichte zwischen 1860 und 1874 in Prag das Konversationslexikon Slovník naucný in zehn Bänden und einem Ergänzungsband. Die Slovník naucný gilt als erste Enzyklopädie in tschechischer Sprache.
- [Anmerkung: Die Tschechoslowakische Republik wurde 1918 gegründet vorher gab es weder einen tschechischen noch einen slowakischen Nationalstaat. Seit etwa 1848 gab es allerdings Nationalbewegungen der Tschechen in Böhmen und Mähren und der Slowaken in der Slowakei, die sich gegen die österreichische bzw. ungarische (Fremd-) Herrschaft richteten.]
Enzyklopädien in schwedische Sprache:
- Jacob Johann Ankarström und Carl Christophersson Gjörwell gaben zwischen 1777 und 1778 in Stockholm die Encyclopedie, eller Fransyskt och Swenskt real-och nominal-lexicon heraus. Das Werk gilt als erstes schwedisches enzyklopädisches Lexikon, wurde jedoch nie vollendet (mit Tl. 1, Abt. 1,2).
- P. G. Berg veröffentlichte zwischen 1845 und 1852 in Stockholm das Svenskt Konversations-Lexicon in vier Bänden; es gilt als erste schwedische Enzyklopädie und ist stark von Brockhaus beeinflußt.
- Johan Christian Johnsen gab zwischen 1879 und 1888 in Kristiana das Norsk haandlexikon for almennyttige kundskaber (dt.: "Norwegisches Handlexikon für allgemeinnütziges Wissen") in drei Bänden heraus; das Werk gilt als erste norwegische Enzyklopädie.
- K. M. Banerjea gab zwischen 1846 und 1850 in Kalkutta die Encyclopaedia Bengalensis in zwölf Bänden heraus; das in englischer Sprache abgefaßte Werk gilt als älteste bekannte indische Enzyklopädie.
- David Blair (?)
- David Blair veröffentlichte 1881 in Melbourne die einbändige Cyclopaedia of Australasia; es handelt sich dabei um die älteste australische Enzyklopädie.
- Die Encyclopaedie van Nederlandsch-Indië wurde um 1895 und 1905 in Den Haag in vier Bänden herausgegeben; es handelt sich dabei wohl um die erste indonesische Enzyklopädie.
Staats- und Nationalenzyklopädien
- Bolschaja Russkaja Enziklopedia (Bol'schaja sowjetskaja enciklopedija) ("Große Sowjetenzyklopädie" bzw. Große Sowjetische Enzyklopädie, 65 Bde., 1926-1947) - in russischer Sprache
- Die große Enzyklopädie Chinas, 1980 ff., geplant auf einen Umfang von etwa 80 Bänden
- Schwedische Nationalenzyklopädie (Nationalencyklopedin), 1989 bis 1996, 20 Bände (Verlag Bra Böcker AB).
Heutige Enzyklopädien
Aktuelle Enzyklopädien nach Sprache:
Enzyklopädien in deutscher Sprache:
- Friedrich Arnold Brockhaus: Der große Brockhaus (F. A. Brockhaus-Verlag)
- Microsoft: Encarta (auch in diversen anderen Sprachen verfügbar)
1984 fusionierten die beiden großen deutschen Lexikonverlage F. A. Brockhaus und das von Joseph Meyer gegründete Bibliographische Institut AG; seit 1985 ist Mannheim Unternehmenssitz des Verlags Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG. 1988 wurde der Verlag Langenscheidt KG zum Mehrheitsaktionär des Buchverlags.
Enzyklopädien in englischer Sprache:
- Encyclopaedia Britannica
- Funk and Wagnalls
- Microsoft: Encarta (auch in diversen anderen Sprachen verfügbar)
Enzyklopädien in dänischer Sprache:
- Den store danske encyklop'di. Kobenhavn: Danmarks Nationalleksikon A/S 1994 ff., 20 Bände. ISBN 87-7789-001-9 [21]
- Salmonsens Konversationsleksikon [?] Kobenhavn: Schultz, 1915-1930
Enzyklopädien in schwedischer Sprache:
- Nordisk familjebok (1. Auflage 1876)
- Schwedische Nationalenzyklopädie (Nationalencyklopedin: ett uppslagsverk p°a vetenskaplig grund utarbetat p°a initiativ av Statens Kulturr°ad), 1989 bis 1996, 20 Bände (Höganäs: Verlag Bra Böcker AB). ISBN 91-7024-619-X
- Svensk uppslagsbok [?]
- Bra Böckers Lexikon [?]
Enzyklopädien in spanischer Sprache:
Enzyklopädien in rumänischer Sprache:
- Dictionar enciclopedic. Bucuresti: Editura Enciclopedica 1993 ff. ISBN 973-45-0046-5 [22]
Literatur
- Hans-Joachim Diesner und Günter Gurst (Hrsg.): Lexika gestern und heute. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut 1976
- Robert L. Collison: Encyclopaedias: their history throughout the ages. A bibliogr. guide with extensive histor. notes to the general encyclopaedias issued throughout the world from 350 B.C. to the present day. New York u.a. 1964 (1966 [?])
- Monika Estermann: Enzyklopädien und Lexika. In: Museum der Bücher. Hrsg. von Hans Adolf Halbey (Die bibliophilen Taschenbücher ; 500). Dortmund 1986
- F. M. Eybl u. a. (Hrsg.): Enzyklopädien der Frühen Neuzeit. Beiträge zu ihrer Erforschung. Tübingen: Niemeyer 1995
- M. Fuhrmann: Der europäische Bildungskanon des bürgerlichen Zeitalters. Frankfurt a. M.: Insel 1999
- Ernst Herbert Lehmann: Geschichte des Konversationslexikons. Leipzig 1934
- Werner Lenz (Hrsg.): Kleine Geschichte großer Lexika. Stuttgart: Fackelverlag 1974 (Neuausgaben Gütersloh: Lexikothek-Verlag 1980 und Gütersloh: Bertelsmann-Lexikon-Verlag 1990). ISBN 3-570-03158-6 und ISBN 3-570-01115-1
- Anette Selg und Rainer Wieland (Hrsg.): Die Welt der Enzyklopädie. Frankfurt a. M. 2001
- Gert A. Zischka: Index lexicorum. Bibliographie der lexikalischen Nachschlagewerke. Wien 1959