Lehmmoscheen von Timbuktu







Die Lehmmoscheen von Timbuktu sind drei Moscheen (wohl) aus dem 13.-15. Jahrhundert n. Chr., die im westafrikanischen Mali liegen und dort das Stadtbild von Timbuktu prägen. Seit 1988 gehören sie neben örtlichen Friedhöfen und Mausoleen zum Welterbe der UNESCO.[1]
Geschichte
Eine erste Beschreibung Timbuktus geht auf den zum Christentum konvertierten spanischen Mauren Leo Africanus (Geburtsname: arabisch حسن ابن محمد الوزان الفاسي, DMG al-Ḥasan ibn Muḥammed al-Wazzān al-Fāsī)[2] zurück, dessen regionaler Reisebericht 1600 ins Englische übersetzt wurde.[3] Timbuktu regte seit der Zeit dieser Darlegungen die Phantasien der Europäern an. In den Beschreibungen wurde eine Metapher erblickt, die für die geheimnisvoll-exotische Ferne wirbt. Zum Beginn des 2. Jahrtausends wurde Timbuktu strategischer Zielort für Kamelkarawanen. In der Stadt blühte ein reger Handel auf. Auch der religiöse Spielraum der islamischen Welt hielt nicht hinter dem Berg. Geistige Eliten aus aller Welt gründeten einen universitären Standort in der Gemeinde. Unterrichtet wurde in Moscheen. Diese standen sinnbildlich für Wohlstand und verströmten auch optische Reize, denn sie gehörten zu den Beispielen prächtigster Lehmarchitektur Afrikas.[4]
Die drei welterbegeschützten Moscheen
Es ist nicht bekannt, wann die drei Hauptmoscheen errichtet wurden. Die archäologische Forschung hat sich dieser Frage bis heute noch nicht gestellt, weshalb lediglich vage Aussagen getroffen werden können, die auf ebenso vagen historischen Quellen beruhen. Bekannt ist nur, dass die Moscheen vielfach verändert und umgebaut, beziehungsweise neu aufgebaut wurden. Zielobjekte sind dabei die Djinger-ber-Moschee (auch: Djinguereber), deren Erbauungszeit möglicherweise bereits im 13. Jahrhundert anzusiedeln ist, die Sankóre-Moschee (auch: Sankore), die unter der Herrschaft von Mali erbaut worden sein soll, also zwischen 1325 und 1433 und die Sidi-Yahia-Moschee (auch: Sidi Yahya), der man näherungsweise das Jahr 1440 als Errichtungsdatum zuordnet.
Es liegen keinerlei Kenntnisse darüber vor, wie der Moscheenbau geplant wurde. Eine spätere Chronik der Stadt, der Tarikh el-Fettach, berichtet von einem gewissen Elhadj El-Aqib (Cadi von Timbuktu),[5] der Ende des 16. Jahrhunderts den Auftrag erhalten haben soll, die Moscheen wiederherzustellen beziehungsweise, soweit nicht zerstört, zu restaurieren.
Djinger-ber-Moschee
Die Djinger-ber-Moschee wird dem andalusischen Architekten Abu Eshaq Es-Saheli al-Touwaidjin zugeschrieben, der das Bauwerk 1327 errichtet und dafür 40.000 Mit(h)qals (Währung entspricht dem Gold Dinar) erhalten haben soll.[6] Veranlasst haben könnte den Bau Elhaj Kankou Moussa, Sultan von Mali, nachdem er von einer Pilgerreise aus Mekka im Jahre 1325 zurückgekehrt war.[7] Der deutsche Afrikaforscher, Historiker und Timbuktu-Reisende, Heinrich Barth hingegen berichtete, dass er eine zu seiner Zeit noch erkennbare Inschrift oberhalb des Haupttors notiert habe, die das Jahr 1327 und den Namen Mansa Moussas erwähnte.[8] Elhadj Al-Aqib vervollständigte das Bauwerk, indem er die Südseite der Moschee anschloss. Ein kleiner Teil der Nordfassade erhielt eine bauliche Ergänzung aus Kalkstein. Danach wies die Djinger-ber-Moschee drei Innenhöfe und zwei Minarette auf. 1989 wurde die Moschee auf Rote Liste des gefährdeten Welterbes gesetzt. Seit Dezember 1996 werden im Rahmen des „Safeguard Project“ (UNESCO) Restaurationen vorgenommen.
Die Maße der Moschee, mit trapezartigem Grundriss belaufen sich auf 35 Meter (Südmauer), 52 Meter (Ost), 40 Meter (Nord) und 44 Meter (West). Diese Moschee gilt nicht nur als die älteste, sondern auch bedeutendste der Stadt. Das Minarett ist 15 Meter hoch.
Sankóre-Moschee
Die Sankóre-Moschee ist kleiner, mit Maßen von 31 Metern (Südmauer), 28 Metern (Ost), 31 Metern (Nord sowie West). Die Wände umfassen einen Innenhof von 13 m². Die Moschee gilt als Prototyp islamischer Bauten in Schwarzafrika. Sie hat ein pyramidenförmiges Minarett. Der Moschee wird zugeschrieben, dass sie für die Region das Zentrum der islamischen Lehre beherbergte.
Die Sankóre-Moschee liegt in einem nach ihr benannten Stadtteils im Nordosten Timbuktus. Ihre Erbauung fällt in die Zeit des Mali-Reiches. Elhadj Al-aqib, der auch Hand an die Djinger-ber-Moschee legte, stellte die Moschee zwischen 1578-82 wieder her. Er soll in Mekka die Kaaba mit Schnüren vermessen haben und diese Schnüre zur Grundrißbildung des Innenhofs der Sankóre-Moschee ausgelegt haben, um die Aussenmaße des islamischen Heiligtums (tatsächliche Grundfläche 11,03 m × 12,62 m) auf Timbuktu zu übertragen.[9] Säulen im Innern der Moschee grenzen den Winter- vom Sommergebetsraum ab. Laut der bereits erwähnten Tarik-el-Fettach-Chronik soll der nördliche Teil der Moschee den Studenten als Universität zur Verfügung gestanden haben (Sankoré Universität). Ein permanentes Problem stellte für das Gebäude die schnelle Versandung der Räumlichkeiten dar. 1952 musste gar festgestellt werden, dass der Sand bis zum Dach der Moschee stand, dasselbe sprengte und die Wände des Moscheeinnern zerstörte. Dabei wurde augenfällig, dass die Ostfassade der Moschee zuletzt mit Kalkstein[10] ummantelt gewesen war. Heutzutage ist der westliche Zulaß zur Moschee unzugänglich. Von innen ließ sich auf dieser Seite der Moschee zuletzt deren Verfall eindrücklich studieren. Das malische Kultusministerium finanzierte deshalb in Zusammenarbeit mit der Cultural Mission for Timbuktu und dem Komitee der Moscheenverwaltung die Renovierung. 1996 nahm sich das UNESCO World Heritage Centre des weitergehenden Schutzes auch dieser Moschee an.
Sidi-Yahia-Moschee
Die Sidi-Yahia-Moschee ist nochmals geringfügig kleiner als die Sankóre-Moschee und liegt in der Innenstadt Timbuktus.[11] Sie ist die am besten erhaltene Moschee der Stadt. Sie soll von Marabout Muhammad Naddi (Sheik El Mokhtar Hamalla), einem Herrscher von Timbuktu erbaut worden sein,[12] wobei die Namensgebung auf dessen Freund, den Imam Sidi-Yahya (Sidi Yéhia El Tadlissi) zurückgeht.[13] Das Heiligtum wurde 1577-78 ebenfalls von Elhadj El-Aqib restauriert. 1939 wurde der Zinnenturm des Minaretts umgebaut und die Portaltore wurden spitzbogenförmig umgestaltet. Die Moschee umfasst drei Säulenreihen in den Wintergebetsräumen. Zudem besteht ein Hof für die Sommergebete. 1989 wurde auch die Sidi-Yahia-Moschee im Rahmen des Projekts "Safeguard of the Timbuktu Mosques" auf die Rote Liste des bedrohten Weltkulturerbes gesetzt.[14]
Die Moschee wartet mit einer Südmauer von 30 Metern Länge auf; die weiteren Maße: 31 Meter (Ost sowie Nord) und 30 Meter (West). Das Minarett misst 9,3 Meter auf 8,4 Meter. Diese Moschee wurde 1939 von französischen Architekten rundum erneuert, wobei fester Lehm , sogenannter Timbuktu-Stein verwendet wurde, der die Begrifflichkeit Lehmmoschee heute eher obsoletiert. Andererseits galt er als besonderes architektonisches (bearbeitetes) Material, das in anderen Städten der Region keine Anwendung fand.
Materialien / Bautechniken
Alle drei Moscheen weisen Merkmale der klassischen Moscheenarchitektur auf. So befinden sich in den Bauwerken Gebetsnischen. Die Hauptgebetshallen nebst Innenhöfen weisen die Stilistik von Hofmoscheen auf. Alle drei Moscheen haben Minarette, die auf den Gebäuden thronen. Die Djinger-ber-Moschee und die Sankóre-Moschee sind im sahelischen Stil erbaut, mit Pfeilermauern aus Lehm, einem Flachdach und den charakteristischen „Spickbalken“ (oft in doppelter Ausführung zur besseren Begehung) in den Aussenwänden. Die hervorstehenden Aussenhölzer bilden gleichsam ein Aussengerüst, um Renovierungsmaßnahmen an der Aussenhaut der Moscheen zu verrichten. Das Holz lieferten die Gingerbread-Palme und Akazien.[15] Beide Moscheen sind aus rechteckigen Ziegeln zusammengestellt, die mittels Gußformen gebildet wurden. Andere Attribute, wie Röhren und Kugeln sind manuell gefertigt worden. Die Sidi-Yahia-Moschee lässt den gleichen Baustil nur noch im Kern des Minaretts erahnen, nachdem sie im 20. Jahrhundert vollständig verkleidet wurde. Sklavenarbeit unterstütze bis zur Abschaffung derselben die Arbeiten. Ab und an stürzten Teile der Gebäude aufgrund von heftigen Regenfällen, Sandstürmen oder Wanderdünen ein. So beschreibt eine historische Quelle, der Tedzkiret en Nisian, dass das Minarett der Sankóre-Moschee 1678 eingestürzt war.
Die Besonderheit der Moscheen liegt in ihrer architektonischen Schlichtheit. Weder enthalten sie reiche Dekorationen, Fliesen oder kunstvolle Holzschnitzereien, noch beleben schwere Hängelampen das Moscheeninnere. Rauten- und Ritzmuster sowie ausgehöhlte Strausseneier auf den Minarettspitzen prägen den einfachen örtlichen Baustil.
Zerstörungen durch Islamisten im Jahr 2012
Anfang Mai 2012 zerstörte die islamistische westafrikanische Gruppe Ansar Dine das zum UNESCO-Welterbe gehörende Mausoleum Sidi Mahmud Ben Amar in Timbuktu und drohte Anschläge auf weitere Mausoleen an.[16][17] Ende Juni 2012 wurde Timbuktu aufgrund des bewaffneten Konflikts in Mali auf die Rote Liste des bedrohten Weltkulturerbes gesetzt. Kurz danach wurde die Zerstörung der durch die UNESCO denkmalgeschützten Grabstätten von Sidi Mahmud, Sidi Moctar und Alpha Moyaunter unter Verhöhnung der UNESCO fortgesetzt.[18][19]
Sonstiges
Drei weitere Moscheen aus der Zeit, die El-Hena-Moschee, die Kalidi-Moschee und die Algourdour-Djingareye-Moschee, sind zerstört.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Unesco Weltkulturerbe Afrika: Moscheen, Mausoleen und Friedhöfe von Timbuktu in Mali abgerufen am 01. September 2012 (Welt-online.de)
- ↑ hier wird unterstellt, dass er eine reale historische Person war
- ↑ The history and description of Africa and of the notable things therein contained, Written by Al-Hassan ibn-Mohammed Al-Wegaz Al-Fazi, a moor, bapticed as Giovanne Leone, but better known as Leo Africanus. Done into English in the year 1600 by John Pory. Hg. v. Robert Brown. (The Hakluyt Society) London 1896, 3 Bde. – (Lange Zeit die maßgebliche wissenschaftliche Ausgabe)
- ↑ Scarre, S. 143 (s. LIT.)
- ↑ Periodic Restoration Interventions of the Mosques in Timbuktu, Presented by Ali Ould Sidi, Chief of the Cultural Mission for Timbuktu, Mali Architectural Heritage of Timbuktu .pdf (abgerufen am 01. September 2012)
- ↑ Assuming that at the time a mitqal was worth 15 FF, the worshippers were donating approx. 7500 FF per year, i.e. approx. 750.000 FCFA
- ↑ Mansa Musa, Reigned 1312 - 1337 AD (?), Golden Age King of the Mali Empire
- ↑ Barth (IV, P 37)
- ↑ Scarre, S. 144 (s. LIT)
- ↑ Oder: alhor (Übersetzung dieses Begriffes gesucht)
- ↑ Foto der Moschee (zum Vergleich)
- ↑ According to the Trakh Es-Soudan, this Mohamed Naddi, the Timbuktu koy, chief of the city, constructed the Mosque for his friend Sherif Sidi Yéhia and appoints him Imam in 1440
- ↑ According to Kati, author of Fettach, at that time Mohamed was chief of the village and called Sidi Yéhia in 1440 to highlight the town's cultural and religious prestige: he became fond of him and treated him with the greatest honors
- ↑ Defiant Mali Islamists pursue wrecking of Timbuktu
- ↑ Scarre, S. 145 (s. LIT.)
- ↑ «Timbuktu steht unter Schock»: Fundamentalisten zerstören Unesco-Weltkulturerbe im Norden Malis, NZZ, 6. Mai 2012. Abgerufen am 5. Juli 2012
- ↑ Mali Islamists attack UNESCO holy site in Timbuktu, Reuters, 6. Mai 2012. Abgerufen am 5. Juli 2012
- ↑ Verwüstetes Weltkulturerbe in Mali: Islamisten verhöhnen die Unesco Spiegel Online, 1. Juli 2012. Abgerufen am 5. Juli 2012
- ↑ The Islamists controlling northern Mali on Tuesday destroyed two tombs at the ancient Djingareyber mosque in fabled Timbuktu, vowing to destroy all World Heritage sites in the region
Weblinks
Literatur
- Chris Scarre: Die Siebzig Weltwunder, Die geheimnisvollsten Bauwerke der Menschheit und wie sie errichtet wurden, 3. Auflage, 2006, Frederking & Thaler, ISBN 3-89405-524-3
- Peter Lenke: Timbuktu als Zentrum afrikanischer Gelehrsamkeit im Wandel der Geschichte, ISBN 978-3-640-13545-5
- Bernd Ingmar Gutberlet: Die neuen Weltwunder: In 20 Bauten durch die Weltgeschichte, Lübbe (2010), ISBN 978-3-8387-0906-2