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Internationaler Strafgerichtshof

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IStGH-Logo
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Der Internationale Strafgerichtshof, IStGH (engl. International Criminal Court, ICC - im deutschen Sprachgebrauch hat sich einheitlich weder ICC noch IStGH durchgesetzt) ist ein ständiges Gericht mit Gerichtsbarkeit über Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen der Aggression (noch nicht definiert, eine Definition soll zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen). Der IStGH ist eine unabhängige Internationale Organisation, mit Sitz in Den Haag, deren Beziehungen zu den Vereinten Nationen über ein Kooperationsabkommen geregelt ist. Oft wird er umgangsprachliche auch als „UN-Kriegsverbrechertribunal“ bezeichnet.

Statut

Die Grundlage des IStGH ist das so genannte Rom-Statut. Auf eine Definition des Tatbestands des Angriffskriegs konnte sich die Gründungskonferenz nicht einigen. Solange diese nicht vorliegt, was laut IStGH nicht vor 2009 zu erwarten ist, übt der IStGH seine Gerichtsbarkeit über das „Verbrechen der Aggression“ nicht aus (vgl. Art. 5 Abs. 2 Rom-Statut). [1] Zudem konnte die Forderung nach universeller Zuständigkeit nicht durchgesetzt werden. Zur Rechenschaft gezogen werden kann ein Täter grundsätzlich nur dann, wenn er einem Staat angehört, der das Statut ratifiziert hat oder wenn die Verbrechen auf dem Territorium eines solchen Vertragsstaates begangen wurden.

Das IStGH-Statut enthält Regelungen zum Straf-, Strafprozess-, Strafvollstreckungs-, Gerichtsorganisations-, Rechtshilfe- und Auslieferungsrecht. Als Kernpunkte des IStGH sind grundsätzlich hervorzuheben: Zuständigkeit und Gerichtsbarkeit für die o. g. „schwersten Verbrechen, welche die internationale Gemeinschaft als Ganzes“ berühren; Vorrang der nationalen Gerichtsbarkeit, soweit diese existiert und fähig und willens ist, die Strafverfolgung tatsächlich zu betreiben; die individualstrafrechtliche Verantwortlichkeit natürlicher Personen, unabhängig eines von ihnen bekleideten, offiziellen Amtes; die prinzipielle Möglichkeit zur Annahme freiwilliger, finanzieller Beiträge von natürlichen und juristischen Personen; und schließlich die Konstitutierung als ständige Einrichtung. Im Statut sind grundlegende Strafrechtsprinzipien verankert, z. B. die Grundsätze des Rückwirkungsverbotes (nullum crimen sine lege), des Verbotes der Doppelbestrafung (ne bis in idem) sowie des Analogieverbotes. Die Anklagebehörde kann Ermittlungsverfahren kraft Amtes einleiten.

Geschichte

Das Rom-Statut wurde am 17. Juli 1998 mit 120 Ja-Stimmen gegen sieben Nein-Stimmen bei 21 Enthaltungen von der UN-Bevollmächtigtenkonferenz in Rom angenommen. Nach Hinterlegung der 60. Ratifikationsurkunde ist das Rom-Statut am 1. Juli 2002 in Kraft getreten. Die feierliche Vereidigung der ersten 18 Richter fand am 11. März 2003 statt. Erster Chefankläger ist Luis Moreno-Ocampo. Das Statut wurde inzwischen von 100 Staaten ratifiziert.

Ablehnung des IStGH

Härtester Opponent des IStGH sind die USA, die durch den Abschluss bilateraler Verträge mit IStGH-Vertragsparteien und anderen Staaten eine Auslieferung von US-Staatsangehörigen an den IStGH vorsorglich auszuschließen suchen. 2002 wurde der American Servicemember Protection Act rechtskräftig, der den US-Präsidenten implizit dazu ermächtigt, eine militärische Befreiung von US-Staatsbürgern vorzunehmen, die sich in Den Haag vor dem IStGH verantworten müssen. Eine Zusammenarbeit mit dem Gericht wird US-Behörden verboten. Zudem könnte allen Staaten, die nicht Mitglied der NATO sind und das Statut ratifizieren, die US-Militärhilfe gestrichen werden.

Hauptkritikpunkte am IStGH sind:

  • Untergrabung des Primats der Politik.
  • Fehlen eines Normenkontrollverfahrens.
  • Die gemäß Art. 120 des Statuts von Rom gegebene Zuständigkeit des IStGH für Straftaten, die durch Staatsangehörige von Nicht-Unterzeichnerstaaten auf dem Territorium eines Unterzeichnerstaates begangen worden sein sollen. Insoweit bestehe ein Verstoß gegen das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge.
  • noch nicht vorhandene Definition des Tatbestandes der Aggression.
  • Umgehung der Kompetenzen des Sicherheitsrates.
  • Die Komplementarität des IStGH, die dem IStGH erlaubt, eine Beurteilung des Willens und der Fähigkeit der Strafverfolgungsorgane des betroffenen Staates selbst und abschließend zu beurteilen.
  • Fehlende demokratische Legitimation der Vereinten Nationen. Die weit überwiegende Mehrheit der Mitgliedstaaten setze sich aus totalitär geführten Staaten zusammen (Stand: November 2004), deren Regierungsmitglieder ohne freie, geheime und gleiche Wahl an die Macht gekommen sind. Wenn demokratische Staaten diesen totalitär geführten Staaten über das Instrumentatium der UNO Einflussmöglichkeiten auf ihre Justizapparate gewährten, beugten sich die Bürger der Demokratien damit dem Diktat ausländischer Machthaber zumindest teilweise und ließen damit auch Einfluss auf ihre Politik zu.
  • Seitens der USA wird das Fehlen einer Jury (Geschworene) im IStGH bemängelt. Die Gewährleistung einer Jury ist ein elementarer Grundsatz des amerikanischen Verständnisses eines Rechtsstaates („rule of law“) und eins der obersten Prinzipien der US-Verfassung. Das Vorenthalten einer Jury kommt in den USA einer Grundrechtsvorenthaltung gleich. Die US-amerikanischen Kritiker führen dazu an, dass die Anerkennung eines IStGH (der ohne Geschworene urteilt) verfassungswidrig wäre und verfassungsrechtlich unmöglich ist.
  • Weitreichender Opferschutz: Das Opfer einer im Statut von Rom aufgeführten Straftat muss unter Umständen nicht in der Gerichtsverhandlung präsent sein. Nach amerikanischen Rechtsverständnis ist die mündliche Durchführung der Verhandlung, bei der die Zeugen dem Verteidiger zum Kreuzverhör bereit stehen müssen, ein oberstes Verfassungsprinzip. Dem Verteidiger würden damit Möglichkeiten genommen, seinen Mandanten zu verteidigen, die er in einem amerikanischem Prozess hätte.
  • Gefährdung militärischer und geheimdienstlicher Geheimnisse: In einem Rechtsstaat liege das Anklagemonopol bei der Staatsanwaltschaft, die in der Regel durch die Regierung kontrolliert werde. Gegen eine Weisung der Regierung könne die Staatsanwaltschaft nicht aktiv werden. Die Sicherung militärischer Geheimnisse werde somit durch die Kontrolle der Staatsanwaltschaft durch die Regierung gewährleistet. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft beim IStGH ist einer solchen Kontrolle nicht unterworfen und könne damit auch nicht kontrolliert werden. Es wäre der Staatsanwaltschaft am IStGH somit möglich, an Informationen zu gelangen, die auf Grund ihrer Brisanz in einer repräsentativen Demokratie den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen vorbehalten blieben, da dort Vertraulichkeit und die Wahrung nationaler Interessen gewährleistet werden könnten.

Weitere Staaten wie Volksrepublik China, Indien, Irak, Iran, Israel, Kuba, Nordkorea, Pakistan, Russland, Syrien und die Türkei haben das Statut ebenso wie die USA nicht ratifiziert.

Befürwortung des IStGH

Für eine Verwirklichung des IStGH auch gegen den Widerstand der USA und anderer Staaten haben sich insbesondere die Länder der Europäischen Union bemüht. Das europäische Engagement für einen Internationalen Strafgerichtshof im Gegensatz zu der amerikanischen Ablehnung begründet sich auch in einer militärischen Schwäche Europas. Durch diese Schwäche ist es den Europäern nur schwer möglich ihre Interessen außerhalb der Vereinten Nationen durchzusetzen. Folglich stärken sie das UN-System. Die Reichweite der Unterstützung bestimmt sich insbesondere aus den eigenen nationalen Interessen. Frankreich z. B. erwog zu Beginn der Verhandlungen in Rom eine Totalimmunität für die eigenen Truppen durchzusetzen. Die Veränderung der französischen Position darf auch als Entgegenkommen für Deutschland verstanden werden, das sich um einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat bemüht. Auf Grund der Bemühungen um einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat ist Deutschland daher ein vehementer Befürworter des Internationalen Strafgerichtshofes. Aus Betrachtung der nationalen Positionen ist es den Europäern leichter möglich Zugeständnisse an internationale Gremien zu machen. Eine Supermacht wie die USA (die weltweit in Militäreinsätze eingebunden ist und umfangreiche Bündnisverpflichtungen hat) betrachtet internationale Gremien daher weitaus skeptischer. Eine wesentliche Rolle bei der Durchsetzung des IStGH hatte auch die Coalition for an International Criminal Court (CICC), ein Zusammenschluss von weltweit mehr als 1.500 Nichtregierungsorganisationen, die 1995 vom World Federalist Movement initiiert wurde. Die CICC wurde zum Teil von der EU finanziert, wodurch sie sich auf Seiten der Gerichtshofs-Gegner dem Vorwurf der Parteilichkeit aussetzte.

Kritiker monieren, dass hinter der sie wenig überzeugenden Sorge vor „willkürlichen Prozessen“ gegen US-Bürger, mit der die Bush-Regierung ihre Ablehnung des IStGH begründet, die begründete Angst vor durchaus berechtigten Verfahren stehe. Die seit Dezember 2003 bekannt gewordenen Misshandlungen von Kriegsgefangenen im Irak seitens Angehörigen der US-Militärpolizei, die laut im Juni 2004 offiziell publizierten Regierungspapieren auf Genehmigung und auf Anweisungen aus der Militärführungsebene erfolgten, haben dazu geführt, dass der US-Antrag auf Verlängerung der Immunität vor dem UN-Sicherheitsrat am 24. Juni 2004 mangels Erfolgsaussicht zurückgezogen wurde.

Es wird zudem darauf hingewiesen, dass wegen der international sehr unterschiedlichen Rechtssysteme internationale Gerichtshöfe zwangsläufig Kompromisse bezüglich nationaler Präferenzen erfordern. Dies ist auch bei langjährig etablierten und auch von den USA im allgemeinen anerkannten Gerichtshöfen der Fall, so etwa beim Internationalen Gerichtshof oder beim Streitschlichtungsverfahren der Welthandelsorganisation, bei denen es ebenfalls weder Geschworene noch Kreuzverhöre noch weitreichendere demokratische Legitimation noch Weisungsbefugnisse von Einzelregierungen gibt. Die von den USA bisher anerkannten internationalen Gerichtshöfe sind allerdings Systeme der politischen Streitentscheidung von komplexen politischen Entscheidungsergebnissen. Die Urteile dieser Gerichtshöfe gelten zwar, können jedoch durch parallel laufende politische Aktionen in ihrer Bedeutung abgeschwächt werden. In einem Strafprozess vor dem IStGH wäre die Sachlage anders, weil Strafurteile die Erforschung einzelner Lebenssachverhalte aus dem vorher durchgeführten Erkenntnisprozess der Hauptverhandlung beinhalten. Das Urteil im Anschluss an ein Strafprozess hat einen absoluten Charakter, Schuld oder Unschuld der Angeklagten werden festgestellt. Daher ist der IStGH nicht mit den anderen bisher von den USA anerkannten internationalen Gerichten vergleichbar.

Mitgliedstaaten

Zum 12. Mai 2005 sind 99 Länder dem Rom Statut des IStGH beigetreten, darunter 27 aus Afrika, 12 aus Asien, 15 aus Ost- und 25 aus Westeuropa, 20 aus Lateinamerika und der Karibik.

Datei:ICCMitgliedsstaaten.png
ICC-Mitgliedstaaten Stand Mai 2005)

Afghanistan, Albanien, Andorra, Antigua und Barbuda, Argentinien, Australien, Barbados, Belgien, Belize, Benin, Bolivien, Bosnien und Herzegowina, Botswana, Brasilien, Bulgarien, Burkina Faso, Burundi, Costa Rica, Dänemark, Deutschland, Djibuti, Dominica, Dominikanische Republik, Ecuador, Estland, Fidji Inseln, Finnland, Frankreich, Gabun, Gambia, Georgien, Ghana, Griechenland, Guinea, Guyana, Honduras, Island, Irland, Italien, Jordanien, Kambodscha, Kanada, Kenia, Kolumbien, Kongo, Demokratische Republik Kongo, Republik Korea Kroatien, Lesotho, Lettland, Liberia, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malawi, Mali, Malta, Marshallinseln, Mauritius, Mazedonien, Mongolei, Namibia, Nauru, Niederlande, Neuseeland, Niger, Nigeria, Norwegen, Österreich, Osttimor, Panama, Paraguay, Peru, Polen, Portugal, Rumänien, St. Vincent und die Grenadininseln, Sambia, Samoa, San Marino, Senegal, Serbien und Montenegro, Sierra Leone, Slowakei, Slowenien, Spanien, Schweden, Schweiz, Südafrika, Tadschikistan, Vereinte Republik Tansania, Trinidad und Tobago, Uganda, Ungarn, Uruguay, Venezuela, Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland, Zentralafrikanische Republik, Zypern

Siehe auch

Ratifizierung, Völkerrecht, Völkerstrafrecht, Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien, Internationaler Strafgerichtshof für Rwanda,