Verband der Vereine Deutscher Studenten
Der Verband der Vereine Deutscher Studenten (VVDSt), auch Kyffhäuserverband genannt, ist ein Dachverband von Studentenverbindungen mit etwa 40 Mitgliedsverbindungen in Deutschland, Österreich und Ungarn, sowie assoziierten Verbindungen in Dänemark, Polen, Rumänien und Ungarn. Die Mitgliedskorporationen nennen sich in der Regel Verein Deutscher Studenten (VDSt).
Die Vereine Deutscher Studenten sind nichtschlagende, farbenführende Verbindungen, in denen männliche Studenten und Akademiker Mitglied werden können. Die Verbindungen gliedern sich in einen Aktiven Bund für die aktiven, studentischen Mitglieder und den dazugehörigen Altherren-Bund, in den der Aktive nach Beendigung seines Studiums als Alter Herr übernommen wird. Die Farben der Vereine Deutscher Studenten und des Dachverbandes sind schwarz-weiß-rot, der Wahlspruch des Dachverbandes lautet "Mit Gott für Volk und Vaterland!". Der Verband ist nach dem Verbandsprinzip organisiert, das heißt, an jedem Hochschulort existiert in der Regel nur eine Mitgliedskorporation, alle Verbandsmitglieder reden sich mit "Bundesbruder" an, es gilt verbandsweit der Duz-Comment und bei Hochschulwechsel wird ein Aktiver automatisch Mitglied des örtlichen VDSt. Weitere Prinzipien des VVDSt sind das Toleranzprinzip, das Convents- beziehungsweise Demokratieprinzip, das Lebensbundprinzip und das Schwarze Prinzip. Ferner verfolgt der VVDSt ein politisches Prinzip. Der Verband ist politisch neutral und konfessionell nicht gebunden.
Prinzipien
Lebensbund
Der VVDSt und seine Mitgliedsbünde sind ein Lebensbund. Die Gemeinschaft bleibt über das Studium hinaus bestehen. Ältere Studenten helfen jüngeren bei den ersten Schritten in Universität und Hochschule und Alte Herren, die bereits im Berufsleben stehen, helfen Absolventen beim Einstieg in das Leben nach dem Studium, sei es durch persönliche Ratschläge oder Vermittlung von Praktika oder Arbeitsplätzen.
Toleranz und Bundesbrüderlichkeit
VDSter setzen sich mit auftretenden Konflikten auseinander und achten dabei die Meinung Andersdenkender. Untereinander reden sich VDSter mit »Bundesbruder« an und duzen sich.
Convents- und Demokratieprinzip
Der Verband und seine Verbindungen basieren auf basisdemokratischen Entscheidungen. Alle wichtigen Entscheidungen werden auf den Mitgliederversammlungen, den Conventen, gefällt, auf denen grundsätzlich jeder Aktive gleiches Stimmrecht hat. Dies wird als Conventsprinzip bezeichnet. Jeder Aktive ist angehalten, während seiner Aktivenzeit eine Charge, also ein Vorstandsamt, zu übernehmen, das jedoch auf ein Semester begrenzt ist. Der Senior vertritt die Verbindung nach außen, ist aber dem Convent verpflichtet und stets nur primus inter pares (»Der Erste unter Gleichen!«).
Politisches Prinzip
Die Vereine Deutscher Studenten setzen sich durch Vorträge, Tagungen, Seminare, Diskussionen und Exkursionen mit den politischen, sozialen und kulturellen Problemen der Gesellschaft auseinander, betreiben also politische Bildung unabhängig von den politischen Überzeugungen einzelner Mitglieder. Der VVDSt fördert seine Mitglieder in der Entwicklung zu engagierten und aktiven Persönlichkeiten der Gesellschaft und bei der Mitarbeit in demokratischen Parteien und Organisationen.
Der VVDSt und seine Mitgliedsverbindungen lehnen aber, als Verbindungen in denen verschiedene (partei)politische Ansichten vertreten sind, jede politische Stellungnahme als Gesamtheit grundsätzlich ab, da dies dem Toleranzprinzip widersprechen würde.
Männerbund
Im VVDSt können lediglich Männer Mitglied werden.
»Schwarzes Prinzip«
Der VVDSt und seine Mitgliedsbünde bekennen sich zu den hergebrachten Traditionen des korporationsstudentischen Brauchtums. Das Schlagen von Bestimmungsmensuren gehörte und gehört dabei nicht zu den Traditionen der Vereine Deutscher Studenten und wird nicht praktiziert. Jedoch hat man früher bei Ehrenhändeln Satisfaktion auf Säbel gegeben. Darüber hinaus sind die Vereine Deutscher Studenten so genannte »Schwarze Verbindungen«, das heißt sie tragen ihre Farben nicht, wie viele andere Verbindungen, in Band und Mütze. Dies erklärt sich aus der Verbandsgeschichte des VVDSt. Die ersten Vereine Deutscher Studenten waren keine Verbindungen, sondern interkorporative Zusammenschlüsse politisch interessierter Studenten. Daher wählte man 1881 als Vereinsfarben die Reichsfarben schwarz-weiß-rot. Nachdem sich die Vereine Deutscher Studenten zu Studentenverbindungen entwickelt hatten, behielt man die Farben bei, das Tragen von Band und Mütze setzte sich jedoch nicht durch. Das Schwarze Prinzip wurde fortan mit dem Gedanken verknüpft, dass VDSter sich nicht durch äußere Zeichen von der Gesellschaft abgrenzen wollen.
Dennoch wurden korporative Elemente in den Vereinen Deutscher Studenten immer stärker, so dass bis heute die Farben schwarz-weiß-rot in verschiedenen Formen geführt werden.
Die Farben schwarz-weiß-rot entstanden aus dem preußischen schwarz-weiß und dem rot-weiß der Hansestädte und wurden erstmals 1866 vom Norddeutschen Bund als Bundesfahne angenommen. 1871 wurden sie Nationalfarben des neugegründeten Deutschen Reichs.
Die Vereine Deutscher Studenten führen diese Farben, als Symbol der nationalen Einigung von 1871, bis heute als Verbindungsfarben, nach Aussage des VVDSt soll dadurch aber keine bestimmte politische oder weltanschauliche Grundhaltung zum Ausdruck gebracht werden.
Verbandsprinzip
Pro Universität(sstadt) gibt es im Verband nur einen VDSt. Dadurch entsteht ein sehr enges Netzwerk der Vereine Deutscher Studenten untereinander. Jedes Verbandsmitglied, egal in welcher Stadt es aktiv ist, ist »Bundesbruder« und wird, wenn es einmal die Universität wechseln will, automatisch an den dortigen VDSt »überstellt«, sofern es einen gibt.
Geschichte
Die Gründung
Die jungen Studenten, die sich zu Beginn des Jahres 1881 in Berlin, Halle, Leipzig und Breslau und dann im Sommer in Greifswald und Kiel zu den ersten Vereinen Deutscher Studenten zusammenschlossen, wollten die politische Lethargie, die unter der Studentenschaft herrschte, überwinden und der äußeren Einigung Deutschlands durch Otto von Bismarcks Realpolitik die innere Einigung folgen lassen. Äußerer Anlaß der Gründung war der sog. Berliner Antisemitismusstreit.
Die Ziele der Vereine zeigten sich besonders deutlich auf dem ersten Kyffhäuserfest, zu dem sich unter der Führung der Leipziger und ihres Vorsitzenden Diederich Hahn am 6. August 1881 etwa 800 Studenten zusammenfanden. Die Reden des Tages ließen erkennen, worum es dieser studentischen Jugend ging: es lag ihr an der Begründung eines neuen, die Parteien und die gesellschaftlichen Gegensätze überwindenden Nationalgefühls.
Die ersten Vereine wollten keine neue Korporation neben den bereits bestehenden bilden, nicht einen Verein in der Studentenschaft, sondern die deutsche Studentenschaft selbst. So erklärt sich auch der Name "Verein Deutscher Studenten"; Korporierte und Nichtkorporierte fanden sich in den Vereinen zusammen. Deshalb wählte man auch unter Ablehnung von Band und Mütze die Farben des Reiches "Schwarz-Weiß-Rot" als alleinige Farben jedes einzelnen VDSt und des neuen Verbandes, der sich im Anschluss an das Kyffhäuserfest am 8. August 1881 in Form eines Kartells zwischen den bereits bestehenden VDSt-Bünden und Charlottenburg bildete. Christentum, Vaterland und Monarchie sollten Leitideen der politischen Arbeit in den Vereinen sein; der zunächst alleinherrschende soziale Gedanke wurde als praktisches Christentum verstanden.
So sahen die VDSter dieser Tage ihre Gedanken zum sozialen Ausgleich innerhalb der Bevölkerung des Deutschen Reiches durch die von Otto von Bismarck eingeleitete soziale Gesetzgebung realpolitisch verwirklicht und fühlten sich von nun an auf das engste mit Bismarck verbunden. Diese Verbundenheit wurde schließlich auch durch die Einweihung des Botschaftsgedenksteins zur Erinnerung an die "Soziale Botschaft" von Kaiser Wilhelm II. auf dem Kyffhäuser auf der 16. Verbandstagung 1896 in Kelbra ausgedrückt.
Nachdem die Kyffhäuser-Zeitung, die 1881 gegründet worden war, nach wenigen Jahren eingestellt worden ist, gründete man im Jahr 1886 auf Anregung des damaligen Vorortsvorsitzenden Rudolf Heinze, der später in der Weimarer Republik Vizekanzler und Reichsjustizminister werden sollte, mit den Akademischen Blättern ein eigenes Verbandsorgan.
Neben den Anfängen und dem Ausbau der Volkstumsarbeit spielte um die Jahrhundertwende ein anderes Problem in der Verbandsgeschichte eine Rolle, die Auseinandersetzung mit der Parteipolitik. Akut wurde diese Frage als Friedrich Naumann mit seinem Nationalsozialen Verein im Jahr 1896 eine politische Gründung vollzog und unter den VDStern eine nicht geringe Anhängerschaft fand, so dass in der Öffentlichkeit zeitweilig der Eindruck entstehen konnte, als ob sein Nationalsozialer Verein die Fortsetzung des Verbandes im praktischen Leben sei. Dass diese Auffassung nicht zutraf, hat man auf den Verbandstagungen der Jahre 1897 und 1898 ausdrücklich festgestellt, um so die parteipolitische Neutralität des Verbandes zu wahren. Innerhalb des VDSt entstand soviel Streit zu der Frage der politischen Aktivität Friedrich Naumanns, dass dieser sich entschloss aus dem VDSt auszutreten (so genannter Naumann-Streit). Eine außerordentliche Verbandstagung im Januar 1907 in Leipzig, auf der sich der Gedanke der parteipolitischen Neutralität erneut durchsetzte und liberale wie konservative Ideen im Verband für gleichberechtigt anerkannt wurden, beendete diese schwere Belastungsprobe des Kyffhäuser-Verbandes.
Am Gründungsort des Verbandes wurde 1906 direkt neben der Burgruine Rothenburg, die sich auf einem steilen Bergvorsprung am Nordrand des Kyffhäusergebirges befindet, ein Bismarckturm errichtet. Der von Wilhelm Kreis entworfene Turm zu Ehren des Reichskanzlers Otto von Bismarck wurde allein durch Spenden des Verbandes errichtet.
Während des Ersten Weltkrieges ruhte in den meisten Bünden des Kyffhäuserverbandes das Aktivenleben. Etwa 800 VDSter fielen während des Krieges. Dem Gedenken an die Gefallenen und Vermissten wurde eine Ehrenhalle in der 1906 errichteten Bismarcksäule des Kyffhäuser-Verbandes der Vereine Deutscher Studenten auf der Rothenburg am Kyffhäuser geweiht. Die Namen der dem ersten Weltkrieg zum Opfer gefallenen VDSter wurden in einem Ehrenbuch verewigt.
Der Zusammenbruch des Jahres 1918 und das Ende der Monarchie im Deutschen Reich stellten den VDSt vor eine entscheidungsvolle Frage. Für viele wurde es eine Gewissensfrage, wie man sich als Anhänger der Monarchie zur neuen Staatsform stellen sollte.
Während viele Alte Herren dem jungen Staat als Beamte dienten und höchste Staatsämter bekleideten, entwickelte sich in der Aktivengeneration der Weimarer Republik eine ablehnende Haltung zu Republik und Demokratie.
Die meisten Alten Herren waren zu dieser Zeit in den konservativen Parteien DVP und DNVP aktiv, so z.B. Otto Most und Rudolf Heinze in der DVP und Kuno Graf von Westarp, Otto Hoetzsch, Paul Baecker und Reinhard Mumm in der DNVP bis zur Machtübernahme Hugenbergs. Einige Alte Herren, wie Ferdinand Friedensburg und Wilhelm Heile wirkten aber auch in der linksliberalen DDP. Der Diplomat Rudolf Nadolny wurde unter Friedrich Ebert Leiter des Büros des Reichspräsidenten. Rudolf Heinze war im Kabinett Fehrenbach Vizekanzler und Reichsjustizminister. In der Schlußphase der Weimarer Republik schließlich gehörten Kuno Graf von Westarp, Karl Maßmann und Hermann Ullmann zu den engsten Mitarbeitern des Reichskanzlers Heinrich Brüning.
Trotz dieser Mitarbeit einiger VDSter im Staat wurde die republikanische Staatsform mehrheitlich abgelehnt. Besonders bei den studentischen Mitgliedern entwickelte sich während der Zeit der Weimarer Republik eine immer stärkere Ablehnung. Mit Einsetzen der Weltwirtschaftskrise wurde die Einstellung der Aktiven radikal und es kam bereits zu punktueller Zusammenarbeit mit dem NSDStB auf hochschulpolitischer Ebene, mit dem es seit dieser Zeit auch erste personelle Überschneidungen gab. So war der VDSt einer der vielen republikfeindlichen Gruppen in der Weimarer Republik, die zu den geistigen Wegbereitern des Nationalsozialismus gezählt werden können.
Der totalitäre Machtanspruch der NSDAP duldete auch im studentischen Leben keine Gemeinschaften neben sich. Den HJ-Gliederungen wurde untersagt, mit dem VDSt zusammenzuarbeiten, auch ihre Mitglieder durften nicht in den VDSt eintreten. Dies führte dazu, dass auf der 57. Verbandstagung 1938 die Auflösung des Verbandes bekanntgegeben wurde. Nicht wenige VDSter haben durch ihre aktive, kritische Haltung gegenüber dem NS-Regime Repressalien erleiden müssen, wie beispielsweise der spätere Bischof Otto Dibelius und Hans Egidi. Nur einzelne VDSter, insbesondere aus der radikalen Aktiven-Generation der Weimarer Republik, engagierten sich während dieser Zeit für die NSDAP, so z.B. Gustav Adolf Scheel und Luwig Müller.
Seit 1945
In den Jahren 1948 - 1950 entstanden an westdeutschen Hochschulen einzelne aktive Vereine Deutscher Studenten, zunächst gelegentlich noch unter anderem Namen. Auf der ersten Verbandstagung nach dem Zweiten Weltkrieg im Februar in Bonn wurde der Verband der Vereine Deutscher Studenten gegründet. Auch in der jungen Bundesrepublik übernahmen wiederum VDSter höchste politische Verantwortung, wie zum Beispiel Hermann Ehlers als Bundestagspräsident, andere arbeiteten am Wiederaufbau Deutschlands mit, so beispielsweise Karl Maßmann. In der politischen Wiedervereinigung Deutschlands verwirklichte sich das überragende Ziel der VDSter nach dem Krieg. Heute wie schon zur Zeit der Gründung der ersten VDSt-Bünde ist es nun oberstes Ziel der VDSter der politischen Einigung auch die innere folgen zu lassen. In diesem Sinne setzt sich der VVDSt für ein vereintes Europa unter Gleichberechtigung aller europäischen Staaten, Völker und Volksgruppen ein. Heute ist der VVDSt an über 40 Universitäten in der Bundesrepublik, Österreich und Ungarn vertreten, die im Verband der Vereine Deutscher Studenten zusammengeschlossen sind. Ausdruck des europäischen Einigungsgedanken sind Kooperationen mit ähnlich strukturierten Studentenverbindungen, so mit der Verbindung Schleswigscher Studenten (VSSt) in Dänemark, den Vereinen Deutscher Hochschüler zu Ratibor und Oppeln in Polen, dem Verein Deutscher Hochschüler zu Temeswar in Rumänien und dem Verein Deutscher Hochschüler zu Budapest in Ungarn.
Berühmte Mitglieder
- Ernst Beutler
- Heinrich Bredt
- Otto Dibelius
- Johannes Dieckmann
- Wilhelm Dieckmann
- Hermann Ehlers
- Hans Egidi
- Ferdinand Friedensburg
- Hellmut von Gerlach
- Rainer Maria Gohlke
- Wilhelm Heile
- Rudolf Heinze
- Karl Maßmann
- Reinhard Mumm
- Rudolf Nadolny
- Friedrich Naumann
- Otto Peltzer
- Frank Pietzsch
- Kurt Scharf
- Johannes Schmid-Wodder
- Heinrich Schneider
- Gerulf Stix
- Friedl Volgger
- Heino Wiese
- Kuno von Westarp
Literatur
Heither, Dietrich / Gehler, Michael u.a.: Blut und Paukboden, Frankfurt a. M. 1997. ISBN 3-596-13378-5.
Kampe, Norbert: Studenten und "Judenfrage" im Deutschen Kaiserreich, Göttingen 1988 (zgl. Diss. 1983).
Roos-Schumacher, Hedwig: Der Kyffhäuserverband der Vereine Deutscher Studenten 1880-1914/18, 2. Aufl., Kiel 1987.
Zirlewagen, Marc: Der Kyffhäuser-Verband der Vereine Deutscher Studenten in der Weimarer Republik, Köln 1999. ISBN 3-89498-057-5
Zirlewagen, Marc (Hrsg.): Kaisertreue-Führergedanke-Demokratie, Köln 2000. ISBN 3-89498-077-X