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Paul Ott (Orgelbauer)

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Paul Ott (* 23. August 1903 in Oberteuringen; † 28. Oktober 1991 in Bovenden) war ein bedeutender deutscher Orgelbauer der Orgelbewegung des 20. Jahrhunderts.

Leben

Obwohl Ott die Käserei seines Vaters übernehmen sollte, entschied er sich für eine Schreinerlehre. 1928/29 folgte eine Lehre bei der Orgelbaufirma Steinmeyer in Oettingen. Durch seine Betätigung in der Singbewegung bekam er Kontakt zu Karl Vötterle und Christhard Mahrenholz und konnte zunächst auf dem Gelände der Firma Giesecke in Göttingen selbständig arbeiten. Da ihm jedoch der Aufbau einer eigenen Werkstatt finanziell noch nicht möglich war, war Ott auch bei der Firma Hermann Eule in Bautzen beschäftigt. 1930 fertigte er ein erstes Positiv für die Marienkirche in Göttingen, konnte aber erst 1932 die eigene Werkstatt eröffnen. Als einer der wenigen Orgelbauer, die zu dieser Zeit bereits die Prinzipien des vorromantischen Orgelbaus (z. B. Verwendung der Schleiflade) wieder berücksichtigten, konnte er bald eine Reihe wichtiger Aufträge für Kleinorgeln erhalten. Unter anderem baute er 1938 eine Hausorgel für Hugo Distler.

1937 erhielt Ott den Meisterbrief. Bald begann er mit der Restaurierung historischer Orgeln in Norddeutschland, die als bedeutend erkannt wurden, so Stade / St. Wilhadi und Cappel. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch, in den 1950er Jahren, gab es auch Aufträge für größere Instrumente. Der erste dreimanualige Neubau Otts war die Orgel der Christuskirche in Wolfsburg (1951). Weitere Restaurierungen betrafen Lemgo, Borgentreich, Norden und Stade/St. Cosmae. Der wirtschaftliche Höhepunkt der Werkstatt Ott lag in den 1960er und 1970er Jahren, als zahlreiche Instrumente für Kunden in Deutschland und darüber hinaus in mehreren europäischen Ländern und in Übersee[1] gebaut wurden, so etwa die mit ca. 7.000 Pfeifen größte Orgel Norwegens im Konserthus Oslo (1977/78).[2]

1980 musste die bisher als Kommanditgesellschaft geführte Firma Konkurs anmelden. Auftragszusagen aus dem In- und Ausland ermöglichten die Gründung der Paul Ott GmbH in Bovenden als Auffanggesellschaft. Paul Otts Sohn Dieter Ott (* 13. Juni 1934; † 24. August 2010) übernahm die Göttinger Werkstatt, in der Paul Ott bis zu seinem Tod weiterarbeitete. Er führte sie nach der Auflösung der Paul Ott GmbH am 16. Juli 1990 zunächst mit dem im Jahr zuvor als Einzelfirma gegründeten Unternehmen Paul Ott Orgelpflegedienst weiter. Mit Dieter Otts Tod kam die Orgelbautradition der Göttinger Werkstatt Ott, die weit über Deutschland hinaus Wirkung entfaltet hatte, zu ihrem Ende.

Bewertung

Der historische Verdienst Otts war es, der erste Orgelbauer zu sein, der die Ideen der Orgelbewegung auch in technischer Hinsicht umsetzte. Vor allem ist hier die Rückbesinnung auf die Schleiflade mit mechanischer Traktur zu nennen.

Die Verwendung niedrigen Winddrucks und die Orientierung der Disposition an norddeutschen Barockorgeln, oft in überspitzter Form, führten jedoch – nachträglich beurteilt – zu Entstellungen etlicher historischer Orgeln bei Restaurierungen.

Der sorglose Umgang mit historischem Material war für den Orgelbau der damaligen Zeit jedoch typisch. Er resultierte daraus, dass dem Idealbild des Neobarock mehr Bedeutung zugemessen wurde, als dem tatsächlich erkennbaren historischen Zustand einer Orgel.

Die Orgelbauer Jürgen Ahrend und Rudolf Janke, beide ehemalige Schüler von Ott, haben sich von der Konzeption und Vorgehensweise Otts distanziert und konnten etliche von Ott veränderte Orgeln restaurieren.

Werkliste

Jahr Ort Gebäude Bild Manuale Register Bemerkungen
1930 Göttingen St. Marien I 7 Neubau, heute in Leipzig-Gohlis, Friedenskirche
1932–1933 Schlarpe Ev.-luth. Kirche I/P 6 Neubau, restauriert erhalten
1935 Reden Gutskirche I 4 Neubau, erhalten
1935 Liebenburg Friedhofskapelle I 6 Neubau, erhalten
1935 Göttingen Haus Ludwig Doormann II/P 10 Neubau, erhalten
1936–1937 Neuenkirchen (Altes Land) Ev.-luth. Kirche I/P 10 Neubau, 1989 Umsetzung auf die neue Westempore, Restaurierung durch Alfred Führer Orgelbau
1936–1939 Ilsenburg Schlosskirche II/P 24 Neubau, 1968 abgebaut und stark verändert von Erwin Lägel in Ilsenburg, St. Marien, wieder aufgestellt
1937, 1961–1963 Stade St. Wilhadi III/P 40 Umbau des Hinterwerks in ein Rückpositiv
1937–1939 Cappel St.-Peter-und-Paul-Kirche II/P 30 Orgel der St.-Peter-und-Paul-Kirche (Cappel), Instandsetzung, Änderungen
1938 Stuttgart Haus Hugo Distler II/P 15 Neubau, 1991 restauriert und leicht verändert durch Karl Schuke Berliner Orgelbauwerkstatt, in Lübeck, St. Jakobi, erhalten
1938 Memmingen St. Martin III/P 49 Orgel von St. Martin (Memmingen), Erweiterung der Walcker-Orgel (II/P, 33) um ein Rückpositiv
1940 Stade Horst I/P 7 Neubau
1948 Stade St. Cosmae et Damiani III/P 42 Orgel von St. Cosmae et Damiani (Stade); Instandsetzung, Änderungen
1948 Norden Ludgerikirche III/P 46 Orgel der Ludgerikirche (Norden); Wiederaufbau 1957–1959: Änderungen
1950 Göttingen St. Marien III/P 48 Orgel der Pfarrkirche St. Marien (Göttingen); Änderung der Disposition
1951 Wolfsburg Christuskirche III/P 35 Neubau
1952/55/66 Hannover Gartenkirche IV/P 58 Neubau, das Rückpositiv ist das Meisterstück von Jürgen Ahrend. Umbau und Umsetzung 2003/04
1953 Freising Christi Himmelfahrt
II/P 23
1953 Herford Herforder Münster II/P 21 Erweiterung der Schwalbennestorgel von Johann Andreas Zuberbier sowie Neubau eines weiteren Orgelpositivs auf der Musikempore[3]
1953/1964 Bremen Liebfrauenkirche III/P 40 Neubau; ursprünglich neobarockes Gehäuse vor der Turmwand; 1964 in die Südwestecke umgesetzt, neues Gehäuse von Dieter Oesterlen; 1984 überholt durch Karl Schuke Berliner Orgelbauwerkstatt
1954 Gütersloh Apostelkirche II/P 26 Neubau
1954 Elsdorf Allerheiligen II/P 20 Neubau
1954/60 Göttingen St.-Johannis-Kirche (Göttingen) IV/P 52 Neubau, Renovierung und Erweiterung 1999/2000
1955? Rhade St. Gallus II/P 24 Neubau unter Verwendung von Pfeifen 4 verschiedener Orgeln, u. a. im Octav 2′ Pfeifen aus dem 16. Jahrhundert
1956 Bad Godesberg Christuskirche III/P 44 Neubau
1957 Sittensen St. Dionysius II/P 28 Neubau unter Verwendung diverser Pfeifen von P.Furtwängler
1957 Marl Christuskirche II/P 24 Neubau
1958 Gera St. Elisabeth 40
1958/62 Hannover Markuskirche IV/P 57 Neubau, Neuintonation 1974, Umdisposition 1994
1959 Bad Staffelstein Dreieinigkeitskirche II/P 20 Neubau
1961 Apolda St. Martin 10
1961 Hirschegg Kreuzkirche Hirschegg 13
1963 Ostönnen St. Andreas I 8 Orgel von St. Andreas (Ostönnen), Instandsetzung, Versetzung
1964 Bremen-Blumenthal| Martin-Luther-Kirche II/P 24 Generalüberholung 2011/2012[4]
1964–1966 Neuenheerse Stiftskirche St. Saturnina II/P 32 [5]
1967 München St. Markus III/P 29
1968 Berlin Zum-Guten-Hirten-Kirche II/P
1977 Tel Aviv Immanuelkirche

Literatur

  • Uwe Pape: Paul Ott – Protagonist des Baus von Schleifladenorgeln zwischen den beiden Weltkriegen. In: Alfred Reichling (Hrsg.): Aspekte der Orgelbewegung. Merseburger, Berlin/Kassel 1995, ISBN 3-87537-261-1, S. 263–298.
Commons: Orgeln von Paul Ott – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Liste von Ott-Orgeln in den USA
  2. oslokonserthus.no
  3. Darstellung über die Orgeln im Herforder Münster
  4. http://www.das-blv.de/elkat/120606/pages/10017.jpg
  5. Pastoralverbund Bad Driburg Orgelwerke in der Stiftskirche Neuenheerse