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Nackentransparenz

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Der Begriff Nackentransparenz bezeichnet eine subkutane, also eine unter der Haut gelegene Flüssigkeitsansammlung (Ödem) zwischen der Haut und dem Weichteilgewebe über der zervikalen Wirbelsäule im Nackenbereich eines ungeborenen Babys.

Sie tritt im Zeitraum zwischen der 11. und 14. Schwangerschaftswoche auf, in dem sich das Lymphsystem und die Funktionen der Nieren entwickeln. Die Flüssigkeit kann deshalb noch nicht abgeleitet werden und es kommt zu einer Lymphansammlung im Bereich des Nackens, wo die Haut sehr dehnbar ist. Infolge dieses Flüssigkeitsstaus entsteht die Nackentransparenz. Anschließend bildet sich im Verlauf der weiteren Entwicklung diese Lymphansammlung wieder zurück. Der Begriff hat in den letzten Jahren im Rahmen der Pränataldiagnostik Bedeutung erlangt und leitet sich davon ab, dass Flüssigkeiten auf üblichen Ultraschallmonitoren als echofreier Zwischenraum schwarz (black space) und damit transparent (durchsichtig) erscheinen. Mit einer auffallnden Vergrößerung der Nackentransparenz werden verschiedene Fehlbildungen in Verbindung gebracht.

Nackentransparenzmessung

Synonym für den Begriff der Nackentransparenzmessung werden die Ausdrücke Nackendichtemessung, NT-Screening und umgangssprachlich auch Nackenfaltenmessung verwendet. NT bedeutet nuchal translucency, also Nackentransluzenz bzw. Nackentransparenz. Bei der NT-Messung handelt es sich um einen Suchtest, und nicht um eine diagnostische Untersuchung. Das bedeutet, dass ein Teil der Kinder mit einer entsprechenden Besonderheit nicht erkannt wird (Restrisiko durch falsch negatives Ergebnis) und der Test vielfach Prognosen geben kann (falsch positives Ergebnis).

Eine Nackentransparenzmessung gehört in Deutschland nicht zu den üblichen Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft. Sie darf nur dann durchgeführt werden, wenn die Schwangere bzw. das Elternpaar dies ausdrücklich wünscht, denn sie ist gemäß den Mutterschaftsrichtlinien kein Bestandteil der Mutterschaftsvorsorge und somit eine Privatleistung, die entsprechend selbst bezahlt werden muss. In der Diskussion ist jedoch, die Nackentransparenzmessung zu einem festen Bestandteil einer der drei in den Richtlinien verankerten Ultraschalluntersuchungen zu machen. Ein NT-Screening wird oft in Kombination mit dem Double-Test (Untersuchung von zwei Hormonkonzentrationen im Blut der Schwangeren) als First-Trimester-Screening / Erst-Trimester-Screening durchgeführt.

Die Messung dient dazu, diejenigen Schwangeren zu identifizieren, die eine statistisch gesehen erhöhte Wahrscheinlichkeit haben, ein Kind mit einer Chromosomenbesonderheit und/oder einem Herzfehler zu erwarten, damit ihnen speziell eine weiterführende Diagnostik (z.B. Feinultraschall, Chorionzottenbiopsie, Amniozentese) empfohlen werden kann.

Besonderheiten, bei denen auffallend häufig eine ungewöhnlich vergrößerte Nackentransparenz gefunden werden kann sind:


Andere Ursachen, die zum Teil unabhängig, teils auch in Verbindung mit einer der genannten Chromosomenbesonderheiten beim Baby vorliegen können und zum Teil eine besondere Ausprägung der Nackentransparenz bedingen, sind u.a.:

Eine ungewöhnliche große Nackentransparenz gilt als so genannter Softmarker für die genannten Besonderheiten.


Qualifikation der Untersucherin / des Untersuchers

Ärzte, die eine Nackentransparenzmessung durchführen, müssen besonders dafür ausgebildet sein und eine bestimmte Anzahl entsprechender Untersuchungen (mindestens 80 bis 100) vorgenommen haben. Darüber hinaus benötigen sie für die auf den Zehntelmillimeter genauen Messungen ein ausreichend auflösendes Ultraschallgerät.

Die behandelnde Ärztin bzw. der behandelnde Arzt ist verpflichtet, die Schwangere im Vorfeld der Untersuchung ausführlich zu beraten und die Vor- und Nachteile der Nackentransparenzmessung in verständlicher Art und Weise zu erörtern. Dazu gehört auch der Hinweis darauf, dass allein durch die Untersuchung keine Diagnosen möglich sind, sondern bei einem Verdacht auf chromosomale Besonderheiten invasive und vergleichsweise risikoreiche Untersuchungen, z.B. eine Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie, folgen müssten, um eine Diagnose zu erhalten.

Darüber hinaus sind Schwangere von ihrer Ärztin bzw. ihrem Arzt im Vorfeld der Untersuchung darauf hinzuweisen, dass es für einige körperliche Besonderheiten wie z.B. Herzfehler mittlerweile in der Regel (operative) Therapie- bzw. Behandlungsverfahren gibt, es aber für chromosomal bedingte Besonderheiten keine Therapie zur ursächlichen Heilung gibt, und somit letztlich nur die Annahme des Kindes mit seiner Besonderheit, die nachgeburtliche Freigabe des Kindes zur Adoption bzw. die nachgeburtliche Abgabe des Kindes in eine Pflegefamilie / ein Heim oder der Schwangerschaftsabbruch als Alternativen bestehen.


Untersuchungszeitpunkt & -verlauf

Die Messung der Nackentransparenz kann zwischen der 11.+0 und 13.+6 Schwangerschaftswoche per Ultraschall vorgenommen werden. Ob der Ultraschall vaginal (= über die Scheide) oder transabdominal (= über die Bauchdecke) gemacht wird, ist dabei egal, denn die Ergebnisse unterscheiden sich nicht wesentlich. Der Untersuchungsablauf unterscheidet sich für die Schwangere nicht von sonstigen Ultraschalluntersuchungen und ist nach heutigem Wissenstand weder für die Schwangere noch für das ungeborene Kind schädlich.

Zur Berechnung der Ausprägung der Nackentransparenz wird das Ungeborene im Sagittalschnitt, d.h. in der Seitenansicht mit Messansatz parallel zur Mittelachse, per Ultraschall dargestellt. Das Baby sollte möglichst den gesamten Ultraschallmonitor ausfüllen, seine Wirbelsäule sollte unten liegen und sein Kopf darf sich weder in der Flexionsposition noch in der Hyperextensionsstellung befinden.

Die besondere Flüssigkeitsansammlung im Nackenbereich bildet sich bei den meisten Babys nach der 14. Schwangerschaftswoche wieder zurück, so dass eine Messung nach diesem Zeitpunkt kein brauchbares Ergebnis mehr bringen kann.

Es sollten stets mehrere Messungen vorgenommen werden, aus denen dann der Durchschnittswert als Ergebnis ermittelt wird. Interessant ist, dass unterschiedliche Ärzte bei ein und der selben Patientin im gleichen Schwangerschaftsalter nicht selten verschiedene Messwerte bekommen.

Anhand der gemessenen Nackentransparenz des Babys, des Alters der Schwangeren, des Schwangerschaftsalters (Schwangerschaftswoche) der Scheitelsteißlänge des Kindes (es muss für diesen Test eine Größe von mindestens 45 mm und höchstens 84 mm haben), der Schwangerschaftswoche und eventuell vorausgegangenen Schwangerschaften mit einem Baby mit Chromosomenbesonderheit wird durch ein Computerprogramm oder eine Wertetabelle eine an Statistiken orientierte individuelle Wahrscheinlichkeitsangabe für ein Kind mit einer Chromosomenbesonderheit erstellt.

Messwerte

Es ist aufgrund bereits erwähnter üblicher körperlicher Entwicklungen keineswegs ungewöhnlich sondern völlig normal, dass Babys in der Zeit zwischen der 11. und 14. Schwangerschaftswoche eine Flüssigkeitsansammlung im Nackenbereich haben, deren Wert durchschnittlich bei 1 bis 2 mm liegt. Ein NT-Wert ab ca. 3,0 mm gilt als deutlich erhöht, ein Wert von ca. 6,0 mm gilt als stark erhöht. Laut Statistik weisen 2 von 10 Kindern mit einem NT-Wert von 3mm eine Chromosomenaberration wie z.B. Trisomie 21, Trisomie 18, Trisomie 13 oder Turner-Syndrom auf. Alle NT-Werte, die darunter liegen, sind durchaus im Normalbereich, wobei es auch Ärzte gibt, die ab einem NT-Wert von 2,5 mm zu einer Chromosomenanalyse raten.

Tendenziell ist eine stetige Verschiebung der Grenzwerte nach unten zu beobachten. Dies resultiert daraus, dass die Nackentransparenzmessung generell eine vergleichsweise niedrige Aussagekraft hat, und viele Ärzte darum ein Interesse daran haben, dass Schwangere trotz im Grund unauffälliger Werte weiterführende Untersuchungen mit größerer Aussagekraft vornehmen lassen.

Bei einigen Babys mit einer der oben genannten Besonderheiten ist der Nackenbereich allerdings in dem Maße auffällig, dass die Werte als Hinweis (als so genannter Softmarker) auf eine Besonderheit angesehen werden. Dabei sagt die Statistik, dass bei vielen Babys mit z.B. einer Form der Trisomie eine ungewöhnlich große Nackentransparenz nur deshalb festgestellt wird, da sie zusätzlich einen Herzfehler oder andere körperliche Entwicklungsbesonderheiten haben, die mit dem Nackenödem in Verbindung stehen.

So kommt es, dass bei statistisch gesehen 5 % aller Nackentransparenzmessungen ein besonders erhöhter Nackentransparenzwert (Überschreitung der 95. Perzentile) beim ungeborenen Kind festgestellt werden, aber dann nur in etwa 10 von 100 Fällen bei weiterführenden Untersuchungen Besonderheiten mit eigenem Krankheitswert zu finden sind.

Offenbar kommt die hohe Rate der falsch positiven Prognosen oft dadurch zustande, dass die Messungen häufig zu weit unten im Nackenbereich angesetzt werden und dadurch natürlich insgesamt größer Werte gemessen werden, als eigentlich vorliegen. Auch kommt es häufiger vor, dass die Nackenhaut des Kindes mit dem Amnion (= der das Kind umgebende Fruchtwassersack) verwechselt und aufgrund dessen ein ungewöhnlich großes Nackenödem festgestellt wird, obgleich eigentlich keine besondere Ausprägung vorliegt.

Prognose und weiteres Vorgehen

Der Wert der Messung kann zum Anlass genommen werden, weiterführende pränataldiagnostische Untersuchungen vornehmen zu lassen, durch die bestimmte Chromosomenbesonderheiten und körperliche Fehlbildungen tatsächlich mit nahezu 100-prozentiger Sicherheit diagnostiziert bzw. ausgeschlossen werden können.

Bei statistisch gesehen 90 von 100 Babys mit einem NT-Wert im deutlich erhöhten Bereich (ab 3 mm) können bei weiterführenden Untersuchungen keine weiteren Besonderheiten entdeckt werden.

Bei statistisch gesehen 90 von 100 Kindern mit einem NT-Wert im stark erhöhten Bereich (ab 6 mm) werden bei weiterführenden Untersuchungen Besonderheiten festgestellt.

Für die Abschätzung eines Herzfehlers und anderer körperlicher Besonderheiten sind besondere Ultraschalluntersuchungen wie z.B. der Feinultraschall, die Doppler-Sonographie oder Aufnahmen mit 3D-Ultraschall notwendig. Diese können bzw. sollten jedoch erst in späteren Schwangerschaftswochen durchgeführt werden, da sie vorher nur wenig Aussagekraft haben bzw. keine genauen Einschätzungen der jeweiligen Fehlbildung zulassen. Selbst in späteren Stadien sind viele Herzfehler in ihrer Ausprägung und vor- und nachgeburtlicher Behandelbarkeit nicht einschätzbar.

Kritik

Gegen eine Übernahme der Nackentransparenzmessung durch die Krankenkassen hat sich beispielsweise die Lebenshilfe-Zeitung in ihrer Ausgabe vom September 2005 in Bezug auf die Nackentransparenzmessung ausgesprochen. Es "sei nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, Untersuchungen anzubieten, die ohne therapeutische Ansatzmöglichkeit einzig der Suche nach einer Behinderung gelten", zumal erst nachfolgende Untersuchungen wie die Amniozentese beispielsweise "Wochen später Klarheit über die mögliche Diagnose einer Behinderung bringen" (LH-Zeitung, Nr. 3, 26. Jg, 09/2005, Seite 11). Auch Krankenkassen stehen einer entsprechenden Neuerung mit Blick auf Folgekosten eher skeptisch gegenüber, da diagnostische Sicherheit nur über Folgeuntersuchungen möglich ist und die bislang bestehende Unsicherheit der Ergebnisse der Nackentransparenzmessung im Grunde immer insbesondere invaive Maßnahmen nach sich ziehen könnte, um eine Diagnose oder den Ausschluss einer Diagnose zu erhalten.


Literatur

  • Dudenhausen, J.W. (Hrsg.): Früherkennung und Beratung VOR der Schwangerschaft. Prägravide Risiken.
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  • Friedrich u.a.: Eine unmögliche Entscheidung: Pränataldiagnostik - ihre psychosozialen Voraussetzungen und Folgen
  • Griese, K.: Aber ein Mongi z.B. fände ich nett. Umgangsweisen von Frauen mit dem Angebot der Pränataldiagnostik.
  • Swientek, C.: Was bringt die Pränatale Diagnostik? Informationen und Erfahrungen.
  • Schmid-Tannwald I., u.a.: Vorgeburtliche Medizin zwischen Heilungsauftrag und Selektion (2001)
  • Dietschi, I.: Testfall Kind - Das Dilemma der pränatalen Diagnostik
  • Kirchner-Asbrock, E. u.a.: Schwanger sein - ein Risiko? Informationen und Entscheidungshilfe zur vorgeburtlichen Diagnostik'